Verfahrensgang
Nachgehend
Tenor
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 12. Oktober 1993 wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 400 000 DM festgesetzt.
Gründe
Die Kläger begehren die Rückübertragung mehrerer enteigneter Grundstücke nach dem Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen (Vermögensgesetz – VermG). Das Verwaltungsgericht hat ihre Klage abgewiesen, weil die Enteignung auf besatzungshoheitlicher Grundlage beruhe (§ 1 Abs. 8 Buchst. a VermG). Auch die Beschwerde, mit der die Kläger die Zulasssung der Revision erreichen möchten, hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.
1. Die Beschwerde hält die Frage für grundsätzlich bedeutsam (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), ob der Restitutionsausschluß in § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG für Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage mit dem Grundgesetz, insbesondere mit Art. 79 Abs. 3 GG, übereinstimmt. Sie meint, diese Frage sei trotz des die Verfassungsmäßigkeit des Restitutionsausschlusses bestätigenden Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 23. April 1991 (BVerfGE 84, 90) weiterhin klärungsbedürftig, weil neue Umstände bekanntgeworden seien, die dazu zwängen, das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG nochmals mit der Frage zu befassen. Solche Umstände sind indes dem Vorbringen der Beschwerde nicht zu entnehmen.
Die Beschwerde beruft sich auf die von der sowjetischen Regierung im Rahmen der Verhandlungen über den sog. Zwei-plus-Vier-Vertrag (Vertrag über die abschließende Regelung in bezug auf Deutschland) vom 12. September 1990 am 22. Juni, 17./18. August und 1. September 1990 vorgelegten Vertragsentwürfe, die dem Bundesverfassungsgericht aufgrund eines Versäumnisses der Bundesregierung bei seiner Entscheidung nicht bekannt gewesen seien. In diesen Entwürfen habe die Sowjetunion von den beiden deutschen Regierungen lediglich die Anerkennung der Rechtmäßigkeit oder Legitimität der von den Vier Mächten in Fragen der Entnazifizierung, Entmilitarisierung und Demokratisierung gemeinsam oder einzeln in der jeweiligen Besatzungszone getroffenen Maßnahmen und Beschlüsse gefordert. Dagegen sei in keinem der genannten Dokumente die Forderung nach Unumkehrbarkeit oder Unantastbarkeit der Enteignungen enthalten. Das Bundesverfassungsgericht habe folglich auf einer falschen Tatsachengrundlage entschieden. Die von ihm als entscheidungserheblich angesehene Vorbedingung der Sowjetunion für die deutsche Wiedervereinigung habe, wie nunmehr deutlich geworden sei, tatsächlich nicht bestanden.
Der beschließende Senat hat dieses Vorbringen bereits in seinem Urteil vom 29. April 1994 – BVerwG 7 C 47.93 – (ZOV 1994, 320) als unschlüssig bewertet. Er hat dort im Anschluß an frühere Entscheidungen darauf hingewiesen, daß das Vermögensgesetz dem Zweck dient, erlittenes Unrecht wiedergutzumachen. Darum erlaubt der Umstand, daß die Sowjetunion sich in einigen Dokumenten auf die Forderung nach Anerkennung der Rechtmäßigkeit oder Legitimität der Enteignungsmaßnahmen beschränkt hat, ohne deren „Unumkehrbarkeit” oder „Unantastbarkeit” besonders zu erwähnen, nicht die Schlußfolgerung, sie habe gegen die Rückgabe der enteigneten Vermögenswerte an die ehemaligen Eigentümer oder deren Rechtsnachfolger im Wege der Wiedergutmachung keine Einwände gehabt. Im Gegenteil zielte die genannte Forderung nach ihrem Sinn und Zweck gerade auf die Verhinderung der Restitution ab, weil diese zwangsläufig mit der Bewertung der Maßnahmen als Unrecht verbunden gewesen wäre.
Auch die Ausführungen der Beschwerde zur Position der DDR in den zur Wiedervereinigung führenden Verhandlungen sind nicht geeignet, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 23. April 1991 in Frage zu stellen. Die Beschwerde stellt nicht in Abrede, daß die Regierung der DDR bis zum Abschluß des Einigungsvertrags auf der Beibehaltung der Ergebnisse der sog. Bodenreform beharrte. Ob die Bundesregierung auf diese Forderung eingehen mußte, wenn sie nicht die von ihr angestrebte schnelle Wiedervereinigung gefährden wollte, war von ihr selbst nach pflichtgemäßem Ermessen zu beurteilen (vgl. BVerfGE 84, 90 [128]).
Die Beschwerde will ferner als grundsätzlich bedeutsam geklärt wissen, ob die Enteignungen im Zuge der sog. Bodenreform unmittelbar kraft Gesetzes erfolgten oder ob es hierzu eines gesonderten Enteignungsaktes bedurfte. Diese Frage kann die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gleichfalls nicht rechtfertigen, weil sie sich in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht stellen würde. Nach den im angefochtenen Urteil verfahrensfehlerfrei (vgl. unten zu 2) getroffenen Sachverhaltsfeststellungen ist die sächsische Verordnung über die landwirtschaftliche Bodenreform vom 10. September 1945 hinsichtlich aller mit der vorliegenden Klage zurückverlangten Grundstücke tatsächlich durchgeführt worden. Selbst wenn, wie die Beschwerde meint, die genannte Verordnung für sich allein noch keinen Wechsel des Eigentums bewirkte, müßte jedenfalls in den auf ihrer Grundlage gegen die Rechtsvorgänger der Kläger ergriffenen Maßnahmen eine Enteignung gesehen werden. Der Restitutionsausschluß nach § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG setzt keine bestimmte Form der Enteignung voraus; vielmehr ist eine Enteignung im Sinne dieser Vorschrift immer dann anzunehmen, wenn der frühere Eigentümer – wie im vorliegenden Fall geschehen – durch hierauf gerichtete staatliche Maßnahmen vollständig und endgültig aus seinem Eigentum verdrängt worden ist.
2. Das Urteil des Verwaltungsgerichts leidet auch nicht an einem die Revision eröffnenden Aufklärungsmangel (§ 86 Abs. 1 in Verbindung mit § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Dem in der mündlichen Verhandlung am 12. Oktober 1993 gestellten Beweisantrag brauchte das Verwaltungsgericht schon deswegen nicht stattzugeben, weil die Kläger damit nicht eine bestimmte Tatsachenbehauptung unter Beweis stellten, sondern lediglich pauschal der Annahme einer Enteignung auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage widersprachen. Ebensowenig war das Verwaltungsgericht von Amts wegen zu weiteren Sachverhaltsermittlungen verpflichtet. Wie das Verwaltungsgericht im angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt hat, sprechen alle noch vorhandenen Unterlagen dafür, daß die Rechtsvorgänger der Kläger das umstrittene Grundeigentum ausschließlich im Zuge der sog. Bodenreform verloren haben. Anhaltspunkte für eine gesonderte Enteignung von Teilen dieses Eigentums nach Gründung der DDR bestehen nicht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3, § 159 VwGO, § 100 Abs. 1 ZPO; die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Unterschriften
Dr. Bardenhewer, Kley, Herbert
Fundstellen