Verfahrensgang
Hessischer VGH (Urteil vom 21.07.2005; Aktenzeichen 4 UE 2375/04) |
Tenor
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 21. Juli 2005 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 29 083,75 € festgesetzt.
Gründe
Die auf die Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
1. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde beimisst.
Die Beschwerde wirft als rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig die Frage auf, ob tragende sanierungsrechtliche Grundsätze durch vorläufige vertragliche Regelungen außer Kraft gesetzt werden und sie damit die an sich notwendige abschließende sanierungsrechtliche Entscheidung über die endgültige Höhe der Sanierungsförderungsmittel und über die Rückforderung zuviel geleisteter Vorauszahlungen vorbestimmen können.
Die Frage würde sich in dieser Weise in dem erstrebten Revisionsverfahren nicht stellen, denn der Verwaltungsgerichtshof hat die in Rede stehende Regelung in § 6 Abs. 1 Satz 2 der Modernisierungs-/Neubau-Vereinbarung (MNV), nach der die Kläger den sich aus einem Vorsteuerabzug ergebenden Erstattungsbetrag “anteilig entsprechend der Förderungsquote” an die Stadt zurückzuzahlen haben, nicht als vorläufig, sondern gerade als endgültig, nämlich als auch für die abschließende Entscheidung über die Höhe der zu gewährenden Sanierungsförderungsmittel verbindlich, angesehen. Die Beschwerde hält diese Auslegung jedoch aus rechtlichen Gründen für nicht möglich; sie meint, dass eine Gemeinde bei der Festsetzung der Erstattung der nicht vom Eigentümer selbst zu tragenden Kosten einer Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahme (§ 43 Abs. 1 Satz 2 StBauFG, § 177 Abs. 4 Satz 2 BauGB) nicht – wie vom Verwaltungsgerichtshof angenommen – auf die vollständige Anrechnung erstatteter Mehrwertsteuer auf die unter Einschluss der Mehrwertsteuer geltend gemachten Kosten der Modernisierungsmaßnahme verzichten könne. Dass diese Auffassung der Beschwerde nicht zutrifft, bedarf ebenfalls nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren. Bei verwaltungsrechtlichen Verträgen führt nicht jeder Rechtsverstoß, sondern nur ein qualifizierter Fall der Rechtswidrigkeit zur Nichtigkeit; das ergibt sich aus der in § 59 HVwVfG getroffenen differenzierenden Regelung (vgl. BVerwG, Urteile vom 23. August 1991 – BVerwG 8 C 61.90 – BVerwGE 89, 7 ≪10≫ und vom 3. März 1995 – BVerwG 8 C 32.93 – BVerwGE 98, 58 ≪63≫). Die “inhaltliche Unzulässigkeit” eines verwaltungsrechtlichen Vertrages führt zu dessen Nichtigkeit, wenn sie sich als Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 BGB) darstellt (vgl. BVerwGE 98, 58 ≪63≫). Ein solches Verbot ist § 43 Abs. 1 StBauFG (§ 177 Abs. 4 BauGB) nicht zu entnehmen. Nach dieser Vorschrift hat der Eigentümer die Kosten der von der Gemeinde angeordneten Maßnahmen insoweit zu tragen, als er sie durch eigene oder fremde Mittel decken und die sich daraus ergebenden Kapitalkosten sowie die zusätzlich entstehenden Bewirtschaftungskosten aus Erträgen der baulichen Anlage aufbringen kann; sind dem Eigentümer Kosten entstanden, die er nicht zu tragen hat, hat die Gemeinde sie ihm zu erstatten, soweit nicht eine andere Stelle einen Zuschuss zu ihrer Deckung gewährt. Die Höhe des Kostenerstattungsbetrags und seine Berechnung können vertraglich jedoch auch abweichend von der gesetzlichen Regelung vereinbart werden (vgl. Köhler, in: Schrödter, BauGB, 6. Auflage 1998, § 177 Rn. 49; Neuhausen, in: Brügelmann, BauGB, § 177 Rn. 48; Bielenberg/Koopmann/Krautzberger, Städtebauförderungsrecht, Bd. 1, § 164a BauGB Rn. 98). Gemäß § 43 Abs. 3 Satz 1 StBauFG (§ 164a Abs. 3 Satz 2 BauGB) gelten die genannten Regelungen über die Kostenerstattung für entsprechende Maßnahmen, zu deren Durchführung sich der Eigentümer gegenüber der Gemeinde vertraglich verpflichtet hat, “soweit nichts anderes vereinbart ist”. Die Gemeinde kann gemäß § 43 Abs. 1 Satz 4 StBauFG (§ 177 Abs. 4 Satz 4 BauGB) insbesondere mit dem Eigentümer den Kostenerstattungsbetrag als Pauschale vereinbaren (vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. Juli 1991 – BVerwG 4 B 100.91 – Buchholz 406.11 § 177 BauGB Nr. 1). Warum nicht auch die Anrechnung erstatteter Mehrwertsteuer einer von den gesetzlichen Bestimmungen abweichenden vertraglichen Regelung zugänglich sein sollte, zeigt die Beschwerde nicht auf. Dass eine nur anteilige Anrechnung der Mehrwertsteuer auf die förderungsfähigen Gesamtbaukosten gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, haben im Übrigen auch andere Oberverwaltungsgerichte nicht angenommen. Der 8. Senat des Verwaltungsgerichtshofs hat es den Klägern im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zwar versagt, sich auf die Regelung in § 6 Abs. 1 Satz 2 MNV zu berufen; die dogmatische Herleitung dieses Ergebnisses hat er im Rahmen der summarischen Prüfung jedoch ausdrücklich offen gelassen (vgl. Beschluss vom 20. Juli 2000 – 8 TG 1762/99 – BA S. 14 f.). Das Oberverwaltungsgericht Berlin hatte sich in der von der Beschwerde angeführten Entscheidung (Urteil vom 14. Januar 1972 – OVG II B 64/69 – NJW 1972, 1384) mit der Frage der Anrechnung einer Mehrwertsteuererstattung nicht zu befassen.
2. Einen Verfahrensmangel hat die Beschwerde nicht in der gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO erforderlichen Weise bezeichnet.
a) Die Beschwerde meint, der Verwaltungsgerichtshof habe den Untersuchungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) verletzt, weil er eine ausschließlich am Wortlaut des § 6 MNV orientierte Auslegung vorgenommen habe, ohne sich damit auseinander zu setzen, was die Parteien tatsächlich hätten vereinbaren wollen. Der insoweit geltend gemachte Verstoß gegen §§ 133, 157 BGB bei der Auslegung eines Vertrages würde jedoch keinen Verfahrensmangel, sondern eine materielle Rechtsverletzung darstellen (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Januar 1990 – BVerwG 4 C 21.89 – BVerwGE 84, 257 ≪265≫). Die Rüge kann auch nicht in eine Grundsatzrüge umgedeutet werden, denn einen rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf im Hinblick auf die allgemeinen Grundsätze über die Auslegung von Willenserklärungen zeigt die Beschwerde nicht auf. Selbst wenn der Verwaltungsgerichtshof bei der Auslegung des verwaltungsrechtlichen Vertrages gegen §§ 133, 157 BGB verstoßen haben sollte, wäre dies kein Grund für die Zulassung der Revision im Sinne von § 132 Abs. 2 VwGO.
Die Beschwerde meint weiter, der Verwaltungsgerichtshof habe alle damals mit der Ausarbeitung des verwaltungsrechtlichen Vertrages betrauten Personen als Zeugen vernehmen müssen. Hierzu war der Verwaltungsgerichtshof jedoch schon deshalb nicht verpflichtet, weil es nach seiner – für das Vorliegen eines Verfahrensmangels maßgeblichen – materiellen Rechtsauffassung auf die subjektiven Vorstellungen der am Vertragsschluss Beteiligten angesichts des eindeutigen Vertragsinhalts, wie er sich nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs aus dem Wortlaut und dessen Vergleich mit § 3 des Vertrages über die Durchführung einer Ordnungsmaßnahme im förmlich festgelegten Sanierungsgebiet vom 8. März 1993 ergibt (vgl. UA S. 10), nicht ankam.
b) Mit der Rüge, der Verwaltungsgerichtshof habe durch die Auslegung des verwaltungsrechtlichen Vertrages gegen die Grundsätze der freien Beweiswürdigung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verstoßen, ist ein Verfahrensmangel ebenfalls nicht bezeichnet. Die Grundsätze der Beweiswürdigung sind revisionsrechtlich dem sachlichen Recht zuzuordnen; mit Angriffen gegen die Beweiswürdigung kann daher grundsätzlich – und so auch hier – ein Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht begründet werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. Januar 1995 – BVerwG 4 B 197.94 – Buchholz 406.12 § 22 BauNVO Nr. 4).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertentscheidung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1, § 72 Nr. 1 GKG.
Unterschriften
Dr. Paetow, Dr. Jannasch, Dr. Philipp
Fundstellen