Entscheidungsstichwort (Thema)

Zuständigkeit der Fachkammer zur Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Beschlüsse der Einigungsstelle. Unzulässigkeit von Dienstvereinbarungen über die Regelung allgemeiner Zulagen

 

Leitsatz (amtlich)

Die Zuständigkeit der Fachkammer, über „Zuständigkeit und Geschäftsführung der Personalvertretungen” zu entscheiden (§ 70 Abs. 1 Buchst. c BremPersVG), erstreckt sich auch auf die Nachprüfung der Rechtmäßigkeit von Beschlüssen der Einigungsstelle, selbst wenn dies im Gesetz nicht ausdrücklich erwähnt ist.

 

Normenkette

BremPersVG §§ 60, 62, 70 Abs. 1

 

Verfahrensgang

OVG der Freien Hansestadt Bremen (Beschluss vom 15.09.1981; Aktenzeichen PV - B 2/81)

VG Bremen (Entscheidung vom 23.03.1981; Aktenzeichen PV 34/80)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß des Oberverwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen – Fachsenat für Personalvertretungssachen – vom 15. September 1981 wird zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I.

Der Vorstand der Handelskrankenkasse Bremen (HKK), einer Ersatzkasse, wendet sich als Antragsteller gegen folgenden Beschluß der bei der HKK Bremen gebildeten Einigungsstelle, der Beteiligten zu 2), vom 3. Juni 1980:

Allen Bediensteten der Handelskrankenkasse, die am 1. April 1978 mindestens 15 Jahre bei der Handelskrankenkasse beschäftigt waren oder zu einem späteren Zeitpunkt diese Beschäftigungszeit erreichen, ist von diesem Zeitpunkt an, frühestens ab 1. April 1978, eine Zulage in Höhe von 5 % der bei Erreichen der 15jährigen Beschäftigungszeit bzw. am 1. April 1978 maßgeblichen Grundvergütung zu zahlen. Dabei darf die Höchstgrundvergütung der jeweiligen Vergütungsgruppe nicht überschritten werden. Eine Zulage kann stets nur bis zur Erreichung der Höchstgrundvergütung in einer Vergütungsgruppe gewährt werden und wird bei einer Höhergruppierung aufgezehrt. Ehemalige Bedienstete, die bis zum 30. Juni 1980 aus den Diensten der Handelskrankenkasse ausgeschieden sind, erhalten keine Zulage.

Der Beschluß ist gefaßt worden, nachdem die HKK, die sieben namentlich bekannten Bediensteten in gehobenen Stellungen (Referenten) über die Grundvergütung nach dem für die HKK geltenden Ersatzkassentarifvertrag (EKT) hinaus eine laufende „außertarifliche Zulage” von 5 % bzw. 10 % zahlt, den Antrag des Personalrats bei der HKK, des Beteiligten zu 1), diese Zulage zur Grundvergütung allen Beschäftigten zu gewähren, abgelehnt hatte.

Gegen den Beschluß des Beteiligten zu 2) leitete der Antragsteller das Beschlußverfahren vor dem Verwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen – Fachkammer für Personalvertretungssachen – mit dem Antrag ein, festzustellen, daß der Beschluß der Beteiligten zu 2) vom 3. Juni 1980 unwirksam ist. Diesem Antrag hat das Verwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen – Fachkammer für Personalvertretungssachen – durch Beschluß vom 23. März 1981 stattgegeben.

Die gegen den Beschluß eingelegte Beschwerde des Beteiligten zu 1) hat das Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen – Fachsenat für Personalvertretungssachen – durch Beschluß vom 15. September 1981 mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß entsprechend einem Hilfsantrag des Antragstellers festgestellt wurde, der Antragsteller sei gegenüber dem Beteiligten zu 1) nicht verpflichtet, den Bediensteten der Handelskrankenkasse Zulagen entsprechend dem Beschluß der Beteiligten zu 2) vom 3. Juni 1980 zu zahlen. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts beruht auf folgenden Erwägungen:

Zwar sei entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts der Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit des Beschlusses der Einigungsstelle unzulässig, weil das Bremische Personalvertretungsgesetz das personalvertretungsrechtliche Beschlußverfahren zur Überprüfung der Beschlüsse der Einigungsstelle nicht eröffne. Der auf die Feststellung gerichtete Hilfsantrag, daß dem Beteiligten zu 1) Vollzugsansprüche aus dem Beschluß der Einigungsstelle nicht zustehen, sei dagegen zulässig und begründet. Da der Beteiligte zu 1) berechtigt sei, im Beschlußverfahren das Bestehen von Vollzugsansprüchen feststellen zu lassen, sei auch der Dienststellenleiter befugt, eine entsprechende negative Feststellung zu begehren. Der Antrag sei begründet, weil der Spruch der Einigungsstelle nicht mit dem Gesetz vereinbar sei und daher keine Zahlungspflichten begründen könne. Der ursprüngliche Antrag des Beteiligten zu 1) sei auf den Abschluß einer Dienstvereinbarung mit dem Antragsteller gerichtet gewesen. Nach dem Bremischen Personalvertretungsgesetz könne im vorliegenden Fall eine Dienstvereinbarung nur abgeschlossen werden, wenn sie durch den Tarifvertrag zugelassen sei, was hier nicht der Fall sei. Darüber hinaus halte sich der Beschluß nicht im Rahmen der durch Haushalts- bzw. Stellenplan für die HKK bereitgestellten Mittel.

Mit der vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde beantragt der Beteiligte zu 1),

den Beschluß des Oberverwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen vom 15. September 1981, soweit dem Hilfsantrag des Antragstellers stattgegeben worden ist, aufzuheben und auch den Hilfsantrag zurückzuweisen.

Er rügt die Verletzung materiellen Rechts und macht insbesondere geltend, daß die für Dienstvereinbarungen geltende Schranke hier nicht durchgreife, da es sich bei der beantragten Maßnahme um eine vertragliche Einheitsregelung handele.

Der Antragsteller beantragt,

die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 1) zurückzuweisen.

Der Beteiligte zu 2) schließt sich der Auffassung des Beteiligten zu 1) an, ohne einen eigenen Antrag zu stellen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Rechtsbeschwerde bleibt ohne Erfolg. Der angefochtene Beschluß ist jedenfalls in der Sache selbst zutreffend.

Der Senat vermag dem Beschwerdegericht nicht in der Auffassung zu folgen, Beschlüsse der Einigungsstellen könnten nicht im Beschlußverfahren auf ihre Rechtmäßigkeit hin überprüft werden. Zwar enthält § 70 Abs. 1 des Bremischen Personalvertretungsgesetzes (BremPersVG) vom 5. März 1974 (Brem. GBl. S. 131), der die Zuständigkeit der für personalvertretungsrechtliche Streitigkeiten gebildeten Sonderspruchkörper der Verwaltungsgerichte (Fachkammer, Fachsenat) regelt, nicht wie andere Landesgesetze eine ausdrückliche Bestimmung darüber, daß diese Spruchkörper auch über die „Zuständigkeit der Einigungsstellen” entscheiden. Einer solchen Bestimmung bedarf es aber nicht, weil sich die Entscheidungsbefugnis hinsichtlich der Beschlüsse der Einigungsstellen unmittelbar aus § 70 Abs. 1 Buchst. c BremPersVG ergibt, wonach die Verwaltungsgerichte über die Zuständigkeit der Personalvertretungen entscheiden. Darunter fallen auch ohne ausdrückliche Erwähnung Streitigkeiten, die die Zuständigkeit der Einigungsstellen und damit die Rechtmäßigkeit ihrer Beschlüsse betreffen, weil das Verfahren vor der Einigungsstelle Teil der Wahrnehmung der Beteiligungsrechte der Personalvertretung ist. Besteht Streit über die Zuständigkeit der Einigungsstelle oder über die Rechtmäßigkeit ihres Handelns, ist daher stets die Frage nach der Zuständigkeit der Personalvertretung aufgeworfen. Dementsprechend bezeichnet der Begriff „Zuständigkeit der Personal Vertretungen” in § 70 Abs. 1 Buchst. c BremPersVG nicht nur den Aufgabenbereich des jeweiligen Personalrats und beschränkt die Entscheidungsbefugnis der Verwaltungsgerichte nicht auf die Frage, welche Personalvertretung in einem bestimmten Fall das Beteiligungsrecht auszuüben hat oder ob ihr ein bestimmtes Beteiligungsrecht und gegebenenfalls welches zusteht, sondern er schließt die Tätigkeit derjenigen aufgrund des Personalvertretungsrechts gebildeten Stellen ein, die in das durch die Beteiligung der Personalvertretung ausgelöste Verfahren eingeschaltet sind. Zu ihnen gehört auch die nach § 60 Abs. 1 BremPersVG gebildete Einigungsstelle, die von einem Beteiligten einberufen werden kann, wenn die zuvor durchzuführende Schlichtung nicht zur Einigung führt (§ 59 Abs. 6 BremPersVG). Sie entscheidet darüber, ob der Personalrat seine Zustimmung zu der beabsichtigten Maßnahme zu Recht verweigert hat (§ 61 BremPersVG). Damit nimmt sie ausschließlich eine ihr durch das Personalvertretungsgesetz übertragene Zuständigkeit wahr.

Der Antrag ist auch begründet, da der Beschluß der Einigungsstelle seinem Inhalt nach mit dem Gesetz nicht vereinbar ist.

Zu Recht hat das Beschwerdegericht den Initiativantrag des Beteiligten zu 1) als einen auf den Abschluß einer Dienstvereinbarung gemäß § 62 BremPersVG gerichteten Antrag ausgelegt. Entgegen der Ansicht des Rechtsbeschwerdeführers konnte das Begehren nicht auf den Abschluß einer „vertraglichen Einheitsregelung” gerichtet sein, da der Personalrat schon seiner vertretungsrechtlichen Stellung nach nicht legitimiert wäre, einen Vertrag dieses Inhalts zu schließen. Wenn, wovon der Beschluß der Einigungsstelle ausgeht, den einzelnen Arbeitnehmern aus dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung nach Art. 3 GG ein Anspruch auf Änderung ihrer Arbeitsverträge zugestanden hätte, wäre es allein ihre Sache gewesen, diesen gegebenenfalls gerichtlich durchzusetzen. Ein entsprechender Beschluß der Einigungsstelle wäre insoweit schon mangels Zuständigkeit des Personalrats rechtswidrig.

Die tatsächlichen Feststellungen des Beschwerdegerichts machen im übrigen deutlich, daß es dem Beteiligten zu 1) gerade um eine allgemeine Regelung mit normativer Wirkung, also um den Abschluß einer Dienstvereinbarung, ging. Darüber hinaus wären auch bei Abschluß einer „vertraglichen Einheitsregelung” die durch § 62 Abs. 1 BremPersVG gesetzten Grenzen zu beachten, da diese Vorschrift Grenzen für alle einheitlichen Regelungen bestimmt, die üblicherweise durch Tarifvertrag geregelt werden, denn anderenfalls würde das den Tarifvertragsparteien durch § 62 Abs. 1 BremPersVG gewährleistete Rechtsetzungsmonopol für die kollektivrechtliche Gestaltung allgemeiner Arbeitsbedingungen unterlaufen. Da der Antragsteller zweifellos an den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit (Art. 20 Abs. 3 GG) seines Handelns gebunden ist (BVerfGE 9, 268), hat er im übrigen unabhängig von der rechtlichen Gestaltungsform der Maßnahme auf deren Vereinbarkeit mit gesetzlichen Vorschriften zu achten.

Zu Recht haben die Vorinstanzen festgestellt, daß die Höhe der Arbeitsentgelte der Angestellten der Ersatzkassen üblicherweise in Tarifverträgen geregelt wird. Das gilt auch für Zulagen des allgemeinen Inhalts, wie sie durch den Beschluß der Einigungsstelle gewährt werden sollen. Das wird besonders deutlich dadurch, daß der Beschluß – wenn auch nicht wörtlich – auf die Regelungen des für die hier betroffenen Bediensteten gültigen Tarifvertrages (EKT) Bezug nimmt, indem er durch die Gewährung von Zulagen das nach § 12 Abs. 3 EKT vorgesehene Steigerungsverfahren der Grundvergütung verändert.

Die von dem Rechtsbeschwerdeführer herangezogene arbeitsgerichtliche Rechsprechung, wonach die Gewährung eines Zusatzurlaubs bei längerer Betriebszugehörigkeit Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein kann (LAG Hamm vom 8. August 1979, DB 79, 2236), vermag die Gewährung von Zulagen wegen längerer Betriebszugehörigkeit nicht zu rechtfertigen. Hierbei handelt es sich nämlich nicht um gegebenenfalls wegen besonderer Umstände und Leistungen zulässige Zulagen, die bei Abschluß des Tarifvertrages nicht berücksichtigt wurden, sondern in Wahrheit um eine verdeckte Lohnzulage, die lediglich für die Erfüllung der allgemeinen Pflichten aus dem Arbeitsvertrag gezahlt wird (vgl. BAG 5, 226 [228]; 16, 58 [64]; Dietz/Richardi, Betriebsverfassungsgesetz, 6. Aufl. 1982, Anm. 214 und 218 zu § 77 BetrVG). Im Interesse einer klaren Scheidung zwischen den Zuständigkeiten der Gewerkschaften und denen der Personalräte sollen durch die Vorschrift des § 62 Abs. 1 BremPersVG gerade die Normen über Arbeitsentgelte als wesentlicher Bestandteil der Tarifverträge grundsätzlich der Feststellung durch Dienstvereinbarung entzogen werden (vgl. Begründung zu § 65 BetrVG vom 31. Oktober 1950, BTDrucks. I/1546, 3585).

Das Beschwerdegericht hat, ausgehend von seiner Auffassung, die (unmittelbare) Überprüfung der Rechtmäßigkeit von Beschlüssen der Einigungsstellen sei im Beschlußverfahren nicht zulässig, auf einen vom Antragsteller gestellten Hilfsantrag die Beschwerde mit der Maßgabe zurückgewiesen, der Antragsteller sei gegenüber dem Beteiligten zu 1) nicht verpflichtet, den Bediensteten der Handelskrankenkasse Zulagen entsprechend dem Beschluß der Beteiligten zu 2) zu zahlen. Das bedeutet aber, daß die Einigungsstelle zu ihrer gegenteiligen Entscheidung nicht befugt war, so daß ihr Beschluß wegen Verstoßes gegen das geltende Recht unwirksam ist. Die Bestätigung des erstinstanzlichen Beschlusses mit der genannten Maßgabe hat damit an dessen Feststellung über die Unwirksamkeit des Beschlusses der Einigungsstelle nichts geändert.

 

Unterschriften

Dr. Becker, Fischer, Dr. Schinkel, Ernst, Dr. Seibert

 

Fundstellen

Haufe-Index 1528578

BVerwGE, 116

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge