Verfahrensgang
VG Leipzig (Urteil vom 13.05.2004; Aktenzeichen 2 K 1425/01) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 13. Mai 2004 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 33 234 € festgesetzt.
Gründe
Der Kläger begehrt die Feststellung seiner vermögensrechtlichen Berechtigung hinsichtlich mehrerer Grundstücke in Leipzig. Sie sind auf der Grundlage des Aufbaugesetzes im September 1977 und im Juli 1978 in Anspruch genommen und in Volkseigentum überführt worden; nach dem angegebenen Enteignungszweck sollten sie der Umgestaltung der Ostvorstadt Leipzigs dienen. Für den Kläger, der sich seit März 1978 in Untersuchungshaft befand, war ein Abwesenheitspfleger bestellt worden. Der Kläger beantragte im Jahre 1990 die Rückübertragung der Grundstücke und machte im Kern geltend, die Inanspruchnahme habe nicht dem angegebenen Zweck, sondern in Wahrheit dazu gedient, ihm und seinem Vater die wirtschaftliche Existenzgrundlage, ein von ihnen betriebenes Unternehmen, zu entziehen. Das Verwaltungsgericht hat die nach Ablehnung des Restitutionsantrags erhobene Klage mit der Begründung abgewiesen, die Inanspruchnahme der Grundstücke habe keine unlautere Machenschaft im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG dargestellt. Es hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Klägers.
Die Beschwerde ist unbegründet. Die geltend gemachten Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Die Rechtssache hat nicht die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Der Kläger möchte geklärt wissen,
ob unlautere Machenschaften im Sinne von § 1 Abs. 3 VermG vorliegen, wenn staatliche Stellen zur Vertretung im Inanspruchnahmeverfahren nach dem Aufbaugesetz einen Abwesenheitspfleger bestellt haben, obwohl der Aufenthaltsort des Pfleglings bekannt und erreichbar ist, um auf diese Weise die Mitwirkung des Eigentümers bewusst zu verhindern.
Diese Frage rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. Sie lässt sich anhand des § 1 Abs. 3 VermG und der hierzu bereits ergangenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts beantworten, ohne dass es zu ihrer Klärung der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf.
Als unlautere Machenschaft im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG ist nur eine Maßnahme zu bewerten, die zielgerichtet den Verlust des zu restituierenden Vermögenswerts bezweckt hat. Aus diesem Grund stellt die Anordnung einer Abwesenheitspflegschaft noch nicht allein deshalb eine unlautere Machenschaft im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG dar, weil die Voraussetzungen für die Bestellung eines Abwesenheitspflegers nach § 105 Abs. 1 Buchst. b FGB der DDR nicht vorlagen. Hinzu kommen muss vielmehr als weitere Voraussetzung, dass die handelnden Behörden bewusst gegen § 105 Abs. 1 Buchst. b FGB der DDR verstoßen haben, um mit der Anordnung der Pflegschaft überhaupt erst den hoheitlichen Zugriff auf das Eigentum zu ermöglichen (vgl. Urteil vom 20. März 1997 – BVerwG 7 C 23.96 – BVerwGE 104, 186 ≪189≫ zur Verletzung von Vorschriften über das Enteignungsverfahren).
Die Beteiligung des Eigentümers oder eines Abwesenheitspflegers war nicht Voraussetzung dafür, dass eine Enteignung nach dem Aufbaugesetz überhaupt durchgesetzt werden konnte. Zweck der Anordnung einer Pflegschaft war es deshalb auch nicht, eine sonst nicht mögliche Enteignung erst zu ermöglichen (so bereits das Bundesverwaltungsgericht zur Inanspruchnahme nach dem Baulandgesetz: Beschluss vom 4. September 2003 – BVerwG 7 B 118.02 – juris). Zwar sah das Aufbaugesetz vom 6. September 1950 (GBl S. 965) eine Beteiligung des Eigentümers oder an seiner Stelle des Abwesenheitspflegers bei der Heranziehung eines im Aufbaugebiet gelegenen Grundstücks für den Aufbau insoweit vor, als nach § 3 der Durchführungsverordnung vom 7. Juni 1951 (GBl S. 552) zunächst eine Einigung mit dem Verfügungsberechtigten versucht werden musste. Wenn eine Vereinbarung mit ihm nicht zustande kam, erfolgte die Inanspruchnahme jedoch durch Zustellung eines Bescheides an den Verfügungsberechtigten (§ 3 Abs. 2 Satz 2 der Durchführungsverordnung), ohne dass eine weitere Beteiligung des Verfügungsberechtigten vorgesehen war.
Das angefochtene Urteil beruht nicht auf dem gerügten Verfahrensfehler einer Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes aus § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Der Kläger macht insoweit zu Unrecht geltend, das Verwaltungsgericht habe sich nicht mit seinem Vortrag auseinander gesetzt, dass die Inanspruchnahme der Grundstücke nicht dem angegebenen Zweck, sondern der Vernichtung seiner und seines Vaters wirtschaftlicher Existenz gedient habe. Das Verwaltungsgericht hat ausdrücklich festgestellt, dass die Grundstücke zusammen mit anderen Grundstücken für die Umgestaltung der Ostvorstadt Leipzigs in Anspruch genommen worden sind und dieser Zweck auch tatsächlich verwirklicht worden ist, indem die Grundstücke nach ihrer Verschmelzung mit weiteren Grundstücken im Zuge der Rekonstruktionsmaßnahme “Innere Ostvorstadt” zu einem Erholungs- und Freizeitpark mit öffentlichen Grünanlagen, Spielplätzen und Sportanlagen gestaltet worden sind. Aus der tatsächlichen Verwirklichung der Aufbaumaßnahme einerseits und der zeitgleichen Inanspruchnahme von weiteren über 90 Grundstücken für denselben Zweck andererseits hat das Verwaltungsgericht gefolgert, der angegebene Zweck der Inanspruchnahme der streitigen Grundstücke sei nicht nur vorgeschoben gewesen und die Inanspruchnahme habe nicht gezielt der Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz des Klägers und seines Vaters gedient.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG a.F. i.V.m. § 72 GKG i.d.F. des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom 5. Mai 2004 BGBl I 718.
Unterschriften
Sailer, Herbert, Neumann
Fundstellen