Entscheidungsstichwort (Thema)

Freistellung von Personalratsmitgliedern. Minderheitenschutz. Verzicht, kein – auf Freistellung von Personalratsmitgliedern zu Lasten des Minderheitenschutzes

 

Leitsatz (amtlich)

Ohne gewichtige sachliche Gründe darf der Personalrat weder ganz noch teilweise auf die mögliche Freistellung eines seiner Mitglieder verzichten, wenn dies im Ergebnis zu Lasten der gewählten Kandidaten einer sonst nicht zum Zuge kommenden Minderheitenliste gehen würde (wie Beschluß vom 22. Dezember 1994 – BVerwG 6 P 12.93 –).

 

Normenkette

BPersVG § 46 Abs. 3-4

 

Verfahrensgang

OVG für das Land NRW (Beschluss vom 27.01.1993; Aktenzeichen 1 A 2524/91. PVB)

VG Düsseldorf (Entscheidung vom 25.07.1991; Aktenzeichen 33 K 3726/91. PVB)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 1) gegen den Beschluß des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen – Fachsenat für Bundespersonalvertretungssachen – vom 27. Januar 1993 wird zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert wird für das Rechtsbeschwerdeverfahren auf 6.000 DM festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Die Verfahrensbeteiligten streiten über die Frage, ob eine Personalvertretung auf die Inanspruchnahme eines verfügbaren Freistellungskontingents ganz oder teilweise verzichten darf, wenn dies im Ergebnis zu Lasten eines Mitgliedes einer sonst nicht zum Zuge kommenden Minderheitengewerkschaft geht.

Der Beteiligte zu 1), der Personalrat beim Postamt (V) Düsseldorf 1, besteht seit den im Mai 1991 durchgeführten Wahlen aus 17 Mitgliedern, von denen 14 der Deutschen Postgewerkschaft (DPG) und 3 dem Deutschen Postverband (DPV) angehören. In der konstituierenden Sitzung am 3. Juni 1991 hatte er unter anderem über die Freistellungen zu entscheiden. Zu diesem Zweck hatte der Beteiligte zu 2), der Amtsvorsteher des Postamtes, für die anstehende Wahlperiode 5,82 Arbeitseinheiten bereitgestellt, wobei eine Einheit der Arbeitszeit einer vollzeitbeschäftigten Arbeitskraft entsprach. Der Beteiligte zu 1) beschloß jedoch mehrheitlich, nur fünf Personalratsmitglieder, nämlich die Vorstandsmitglieder und die nach § 33 BPersVG gewählten Ergänzungsmitglieder, zur Freistellung vorzuschlagen, die durchweg der DPG angehörten. Die weiteren 0,82 Arbeitseinheiten sollten als „Jahresstunden” verwendet werden. Nach dem anzuwendenden Höchstzahlverfahren wäre diese weitere mögliche Freistellung auf ein Mitglied des DPV entfallen.

Die Antragstellerin ist das einzige dem DPV angehörende Mitglied des Beteiligten zu 1), das sich zu einer Freistellung bereit erklärt hat und dafür von den Mitgliedern des DPV auch ernannt worden ist. Sie hat das Beschlußverfahren eingeleitet und beantragt festzustellen, daß der Beteiligte zu 1) verpflichtet sei, sie für die sechste Freistellung vorzuschlagen. Zur Begründung hat sie geltend gemacht: Die Entscheidung des Beteiligten zu 1) sei rechtswidrig und widerspreche insbesondere § 46 Abs. 3 BPersVG, indem sie den dort geregelten Minderheitenschutz unterlaufe. Der Verzicht auf die sechste Freistellung sei ihrer Meinung nach allein zu dem Zweck erfolgt, um den DPV als Konkurrenzgewerkschaft der DPG von der Freistellung fernzuhalten.

Der Beteiligte zu 1) ist dem mit der Begründung entgegengetreten, daß er nicht verpflichtet sei, die vom Beteiligten zu 2) über die gesetzliche Freistellungsstaffel (§ 46 Abs. 4 Sätze 1 und 2 BPersVG) hinausgehend eingeräumte Freistellungsmöglichkeit in Anspruch zu nehmen. Insbesondere liege insoweit keine einvernehmlich abweichende Regelung im Sinne von § 46 Abs. 4 Satz 3 BPersVG zwischen Personalrat und Dienststellenleiter vor. Er habe nämlich nicht sein Einverständnis zu einer solchen Abweichung erklärt, sondern lediglich beschlossen, den über der gesetzlichen Regelung liegenden Anteil von 0,82 Arbeitseinheiten für Vertreterleistungen zu nutzen. Sobald diese Arbeitseinheiten genutzt würden, müsse dies natürlich unstreitig nach den Vorschriften des § 46 Abs. 3 BPersVG geschehen. Gegebenenfalls würden daher vorrangig die Vertreter der Minderheitenliste, also auch die Antragstellerin, zum Zuge kommen. Eine Gesetzesumgehung sei nicht beabsichtigt.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag als unbegründet abgelehnt.

Auf die Beschwerde der Antragstellerin hat das Oberverwaltungsgericht den erstinstanzlichen Beschluß geändert und dem Antrag in der Weise stattgegeben, daß es den Beteiligten verpflichtet hat, die Antragstellerin für die sechste (Teil–)Freistellung vorzuschlagen. Es hat seine Entscheidung wie folgt begründet: Nicht durch einseitiges Zugeständnis des Beteiligten zu 2), sondern durch eine abweichende Regelung im Sinne von § 46 Abs. 4 Satz 3 BPersVG sei hier ein Freistellungsvolumen von 5,82 Arbeitseinheiten festgesetzt worden. Das dafür erforderliche Einvernehmen des Beteiligten zu 1) habe dieser in der Personalratssitzung vom 3. Juni 1991 erklärt, indem er beschlossen habe, das zusätzliche Freistellungsvolumen als Jahresstunden zu nutzen und bei Bedarf für Vertreterleistungen zu verwenden. Indessen sei bei der beschlossenen Art der Verwendung die dafür maßgebliche Regelung des § 46 Abs. 3 Satz 3 BPersVG nicht beachtet worden. Nach dieser Regelung habe die sechste (Teil–)Freistellung bei Anwendung des Höchstzahlverfahrens der Antragstellerin zufallen müssen. Zwar sei ein Personalrat nicht unter allen Umständen verpflichtet, das zur Verfügung stehende Volumen an Freistellungen auszuschöpfen. So könne er dann, wenn er sich von sachgerechten Erwägungen leiten lasse und berechtigte Gruppeninteressen bzw. die Belange des Minderheitenschutzes berücksichtige, auf einen Teil des gesetzlichen Freistellungskontingents verzichten. Im vorliegenden Falle lägen die Dinge jedoch anders. Der Beteiligte zu 1) habe im Rahmen der einvernehmlichen Regelung selbst zu erkennen gegeben, daß er den gesetzlich geregelten Freistellungsumfang als für die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung nicht ausreichend erachte. Daran müsse er sich festhalten lassen. Wenn er sich bei der Inanspruchnahme der Freistellungen gleichwohl dazu in Widerspruch gesetzt habe, und zwar zu Lasten der Antragstellerin, so unterlaufe er damit den mit der Regelung des § 46 Abs. 3 Satz 3 BPersVG geforderten Minderheitenschutz. Der Einwand des Beteiligten zu 1), er habe sich – mit der Bereithaltung einer Reserve für besondere Bedarfsfälle bei möglichen Sonderaufgaben und etwaigen Vertretungen – von sachlichen Erwägungen leiten lassen, erscheine wenig glaubhaft. Ausweislich der Stellungnahme des Beteiligten zu 2) hätten nämlich für einen zusätzlich auftretenden Bedarf Anteile aus der „Bezirksreserve” der Oberpostdirektion geltend gemacht werden können. Außerdem sei in den beiden Amtsperioden vor 1991 das berechnete Freistellungsvolumen immer ausgeschöpft worden. Die Erwägungen, die er vorgetragen habe, seien daher nicht stichhaltig. Auch sonst seien sachliche Gründe, die gegen die Inanspruchnahme der sechsten (Teil–)Freistellung sprechen könnten, nicht ersichtlich.

Hiergegen richtet sich die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde. Mit ihr rügt der Beteiligte zu 1) eine unrichtige Anwendung des § 46 Abs. 3 und 4 BPersVG und beantragt,

den Beschluß des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen – Fachsenat für Bundespersonalvertretungssachen – vom 27. Januar 1993 aufzuheben und die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluß des Verwaltungsgerichts Düsseldorf – Fachkammer für Bundespersonalvertretungssachen – vom 22. Juli 1991 zurückzuweisen.

Zur Begründung trägt er vor: Dem Antrag habe schon deswegen nicht stattgegeben werden dürfen, weil mit der Konkretisierung auf die Person der Antragstellerin das dem Personalrat zustehende Auswahlermessen, welches seiner Mitglieder er für geeignet halte und deshalb zur Freistellung vorschlagen wolle, unzulässig eingeschränkt werde. Zwar könnten nach der Rechtsprechung die Mitglieder einer Minderheitenliste bei der Entscheidung über die Bestimmung eines zusätzlichen Vorstandsmitgliedes eine die Mehrheit des Personalrats bindende Absprache darüber treffen, wer von ihnen für das Vorstandsamt zur Verfügung stehe. Die Begründung dieser Auffassung, daß nämlich niemand gezwungen werden könne, ein Amt im Vorstand anzunehmen, lasse sich jedoch auf die Fälle der Freistellung nicht – auch nicht sinngemäß – übertragen. Anderenfalls seien auch zusätzliche und unnötige Beeinträchtigungen der Arbeitsfähigkeit des Personalrats zu erwarten. Zu Unrecht gehe das Beschwerdegericht ferner davon aus, daß hier im Wege des Einvernehmens zwischen den Beteiligten zu 1) und 2) nach § 46 Abs. 4 Satz 3 BPersVG ein von den Sätzen 1 und 2 dieser Vorschrift abweichendes Freistellungsvolumen festgesetzt worden sei. An einem Einvernehmen fehle es, weil er das von dem Beteiligten zu 2) ermittelte Kontingent zwar gekannt, so aber nicht akzeptiert habe. Auch aus seinem Schweigen lasse sich ein Einverständnis nicht herleiten. Soweit das Beschwerdegericht schließlich einen absichtsvollen Verstoß gegen den Gesetzeszweck des § 46 Abs. 3 Satz 3 BPersVG angenommen habe, beruhe seine Entscheidung auf reinen Unterstellungen. Die Gründe, die er benannt habe, seien weder abwegig noch ungewöhnlich, sondern entsprächen im Bereich der Deutschen Bundespost einer durchaus gebräuchlichen Praxis. Im übrigen gibt der Antragsteller zu bedenken, ob nicht infolge der Umstellung der Deutschen Bundespost Postdienst auf das Betriebsverfassungsrecht nach Maßgabe des Postneuordnungsgesetzes zum 1. Januar 1995 für den Antrag der Antragstellerin das Rechtsschutzinteresse entfalle.

Die Antragstellerin verteidigt den angefochtenen Beschluß. Sie hält die Würdigung des festgestellten Sachverhalts durch das Beschwerdegericht für zutreffend und tritt der Behauptung des Beteiligten zu 1) zur Freistellungspraxis im Bereich der Deutschen Bundespost entgegen; die strittige Vorgehensweise sei dort gerade nicht gebräuchlich.

Der Beteiligte zu 2) weist darauf hin, daß die Regelungen zur Ermittlung des Freistellungsumfangs für die örtlichen Personalräte von der Generaldirektion der Deutschen Bundespost Postdienst unter Beteiligung der Hauptpersonalvertretung verfügt worden seien. Sie stünden daher nicht zur Disposition der örtlichen Personalräte.

Der Oberbundesanwalt beteiligt sich am Verfahren. Auch er folgt im Ergebnis der rechtlichen Einschätzung des Beschwerdegerichts. Er führt aus, § 46 BPersVG lasse es nicht zu, daß die Mehrheit im Personalrat – bewußt oder unbewußt – den mit der Neufassung bezweckten und auch verfassungsrechtlich gebotenen Minderheitenschutz durch einen Beschluß über die Nichtinanspruchnahme einer (Teil–)Freistellung unterlaufe. Ansonsten sei die Personalvertretung berechtigt, Freistellungen aus sachlichen Erwägungen zurückzustellen. Nur für Ausnahmelagen, in denen – wie hier – Minderheiteninteressen in spezifischer Weise berührt seien, sei daher die Einschränkung zu machen, daß der Verzicht auf Freistellungen einer besonders stichhaltigen Begründung bedürfe.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die zulässige Rechtsbeschwerde ist nicht begründet. Das Beschwerdegericht hat zu Recht den erstinstanzlichen Beschluß geändert und dem Antrag stattgegeben.

1. Der Antrag der Antragstellerin ist zulässig; insbesondere besteht das Feststellungsinteresse auch über den 31. Dezember 1994 hinaus fort. Denn nach Art. 4 § 25 Abs. 1 des Gesetzes zur Neuordnung des Postwesens und der Telekommunikation vom 14. September 1994 (BGBl I S. 2325) nehmen die bisherigen örtlichen Personalräte übergangsweise – bis zur Neuwahl, längstens aber für 24 Monate nach Eintragung in das Handelsregister – die Aufgabe der neu zu wählenden Betriebsräte wahr.

2. Der Antrag ist auch aus den zutreffenden Erwägungen des Beschwerdegerichts begründet. Die dagegen erhobenen Rügen des Beteiligten zu 1) greifen nicht durch.

a) Das Beschwerdegericht durfte unbedenklich davon ausgehen, daß hier eine abweichende Regelung des Freistellungskontingents gemäß § 46 Abs. 4 Satz 3 BPersVG einvernehmlich, d.h. unter Mitwirkung des Beteiligten zu 1), getroffen worden ist. Entgegen der Rechtsbeschwerde hat sich das Oberverwaltungsgericht dabei in tatsächlicher Hinsicht nicht auf ein Schweigen des Beteiligten zu 1) zu den entsprechenden Feststellungen des Beteiligten zu 2) gestützt. Vielmehr hat es ausdrücklich auf den in der Personalratssitzung vom 3. Juni 1991 gefaßten Beschluß des Beteiligten zu 1) abgestellt, die weiteren 0,82 Arbeitseinheiten als „Jahresstunden” zu verwenden, sowie auf die Erläuterung dieses Beschlusses in der Antragserwiderung des Beteiligten zu 1) vom 8. Juli 1991; in dieser Erwiderung sei zum Ausdruck gebracht worden, das über die gesetzliche Freistellungsstaffel hinaus gewährte Kontingent „nicht sofort zu nutzen, sondern ggf. für Vertretungsleistungen einzusetzen”. Dies alles durfte das Beschwerdegericht unbedenklich als die – konkludente – Erklärung des Einvernehmens seitens des Beteiligten zu 1) würdigen. Insbesondere ist es ohne weiteres nachvollziehbar und verstößt nicht gegen die Denkgesetze, wenn das Beschwerdegericht die Schlußfolgerung gezogen hat, daß damit die Frage, ob das Kontingent überhaupt genutzt werden solle, positiv beantwortet worden sei. Die Vorbehalte des Beteiligten zu 1) betrafen lediglich die Art der Verwendung, die mit der Beschwerdeentscheidung zu Recht beanstandet worden ist.

Zur Würdigung dieses Sachverhalts im Sinne einer einvernehmlichen Regelung zwischen den Beteiligten zu 1) und 2) durfte das Beschwerdegericht auch unbeschadet des vom Beteiligten zu 2) erst im Rechtsbeschwerdeverfahren mitgeteilten Sachverhalts gelangen, wonach das Verfahren für die Berechnung der zu gewährenden Freistellungen von der Generaldirektion der Deutschen Bundespost Postdienst unter Beteiligung der Hauptpersonalvertretung – und somit schon auf dieser Ebene einvernehmlich – geregelt worden sei. Damit mochten sich zwar konkretisierende Vereinbarungen auf örtlicher Ebene erübrigen. Die einvernehmliche Regelung auf höherer Ebene hindert den Dienststellenleiter und den örtlichen Personalrat indessen nicht daran, ihrerseits ein mit dieser Regelung in Einklang stehendes, sie lediglich konkretisierendes Einvernehmen herzustellen.

b) Ebenfalls zutreffend ist das Beschwerdegericht davon ausgegangen, daß ein Personalrat zwar nicht unter allen Umständen verpflichtet sei, das zur Verfügung stehende Kontingent an Freistellungen auszuschöpfen. Wenn er aber selbst zu erkennen gegeben habe, daß er den gesetzlich geregelten Freistellungsumfang als für die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung nicht ausreichend erachte, so müsse er sich daran festhalten lassen; mangels sachgerechter und triftiger Verzichtsgründe habe er dann den in § 46 Abs. 3 Satz 3 BPersVG geregelten Minderheitenschutz zu beachten und das einvernehmlich festgesetzte Freistellungsvolumen in Anspruch zu nehmen.

In welchem Umfange der Personalrat von den zur Verfügung stehenden Freistellungsmöglichkeiten Gebrauch macht, ist in sein pflichtgemäßes Ermessen gestellt. Das ergibt sich aus der Regelung in § 46 Abs. 4 Satz 3 BPersVG. Wenn der Gesetzgeber dort geregelt hat, daß von den gesetzlichen Freistellungskontingenten in den Sätzen 1 und 2 des § 46 Abs. 4 BPersVG im Einvernehmen zwischen Personalrat und Dienststellenleiter abgewichen werden kann, so hat er damit eine – freilich nicht ungebundene – Dispositionsbefugnis des Personalrats vorausgesetzt. Er hat sie lediglich eingeschränkt, indem er den Personalrat wegen abweichender Regelungen auf das Einverständnis mit dem Dienststellenleiter verwiesen hat. Innerhalb dieser Grenzen steht dem Personalrat bei der Ausübung dieser Dispositionsbefugnis mangels anderweitiger zwingender Vorgaben ein Ermessen zu. Dabei hat er indessen die Zielsetzungen des § 46 BPersVG zu beachten, insbesondere diejenigen, die der mit dem Änderungsgesetz vom 10. Juli 1989 (BGBl I S. 1380) eingeführten Neufassung des § 46 Abs. 3 BPersVG zugrunde liegen. Mit dieser Regelung sollte ein besserer Minderheitenschutz gewährleistet werden (BTDrucks 11/1190 S. 4). Im Anschluß an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Unterschriftenquorum in § 19 Abs. 4 und 5 BPersVG (in der Entwurfsbegründung wird a.a.O. der Beschluß vom 16. Oktober 1984 – 2 BvL 20/82 – genannt, s. BVerfGE 67, 369, 379 f.) hat der Gesetzgeber der Beachtung dieses Grundsatzes auch für Freistellungen einen besonders hohen Rang eingeräumt. Auch wenn sich die zwingende Natur dieser Regelung nur auf die personelle Auswahlentscheidung bezieht, darf sie der Personalrat bei der Ermessensausübung, in welchem Umfange mögliche Freistellungen in Anspruch genommen werden sollen, nicht völlig außer acht lassen. Auch in diesem Rahmen hat er die Zielsetzungen des Gesetzes zu respektieren. Er darf daher dann, wenn dies ausschließlich zu Lasten einer sonst nach § 46 Abs. 3 Satz 3 BPersVG begünstigten Minderheit gehen würde, auf die Inanspruchnahme möglicher Freistellungen nur verzichten, wenn er dafür sachliche und auch hinreichend gewichtige Gründe anführen kann.

c) Derartige Gründe hat das Beschwerdegericht aufgrund des von ihm festgestellten Sachverhalts zu Recht verneint. Entgegen der Rechtsbeschwerde hat es sich dabei nicht nur auf Vermutungen oder Unterstellungen gestützt. Abgesehen davon, daß es Sache des Personalrats ist, sachliche Gründe für seine Entscheidung zu benennen, hat es die Angaben des Beteiligten zu 1) nicht etwa pauschal für nicht stichhaltig erklärt. Vielmehr hat es seine Behauptung, mit der Bereithaltung einer Reserve für besondere Bedarfsfälle bei möglichen Sonderaufgaben und etwaigen Vertretungen habe er sich von sachlichen Erwägungen leiten lassen, andere Tatsachen gegenübergestellt, die dagegen sprechen, und erst aus dieser Gegenüberstellung den Schluß der mangelnden Glaubhaftigkeit und Stichhaltigkeit gezogen. So hat es sich zunächst darauf bezogen, daß der Beteiligte zu 1) dem Grunde nach – seinen eigenen Erklärungen zufolge – ein entsprechendes Freistellungskontingent selbst für erforderlich gehalten haben müsse. Darüber hinaus hätten für einen zusätzlich auftretenden Bedarf Anteile aus der „Bezirksreserve” der Oberpostdirektion geltend gemacht werden können. Schließlich sei in den beiden Amtsperioden vor 1991 das berechnete Freistellungskontingent immer ausgeschöpft worden. Da nach seinen Feststellungen auch sonst sachliche Gründe, die gegen die Inanspruchnahme der sechsten (Teil–)Freistellung sprechen könnten, nicht ersichtlich sind, läßt es sich rechtlich nicht beanstanden, wenn das Beschwerdegericht den Sachverhalt, so wie es ihn mit Verbindlichkeit für das Rechtsbeschwerdegericht festgestellt hat, in der dargestellten Weise gewürdigt hat.

d) Die Entscheidung des Beschwerdegerichts begegnet schließlich auch insofern keinen durchgreifenden Bedenken, als die zugunsten der Antragstellerin ausgesprochene Verpflichtung darauf hinausläuft, das Ermessen des Personalrats bei der Auswahl der freizustellenden Mitglieder einzuschränken.

Ein solcher Verpflichtungsausspruch ist im personalvertretungsrechtlichen Beschlußverfahren zulässig, wenn und soweit das Personalvertretungsrecht dem jeweiligen Antragsteller eine durchsetzungsfähige Rechtsposition einräumt (vgl. etwa zum Anspruch des Personalratsmitgliedes auf Freistellung nach § 46 Abs. 7 BPersVG: BVerwGE 58, 54, 57 a.E.; zum Anspruch nach § 46 Abs. 6 i.V.m. § 44 Abs. 1 BPersVG auf Freistellung, Lohnfortzahlung und Erstattung der mit einer Schulungsveranstaltung verbundenen notwendigen Kosten: BVerwGE 69, 95, 102). Dabei muß es sich nicht notwendig um materiellrechtliche Ansprüche handeln. Das Personalvertretungsrecht wird wesentlich durch die Regelung verwaltungsinterner Entscheidungsverfahren gekennzeichnet. Insbesondere die im Vordergrund stehenden Beteiligungsrechte sind in diesem Sinne verfahrensrechticher Natur. Soweit das Personalvertretungsrecht daneben auch materiellrechtiche Ansprüche normiert, haben diese – wie z.B. der Anspruch des Personalrats auf die für die Wahrnehmung seiner eigentlichen Aufgaben notwendige Ausstattung – nur Hilfsfunktion für die Ausübung und Durchsetzung der Rechte der Personalvertretungen auf Teilhabe am verwaltungsinternen Entscheidungsverfahren. Dieser Eigenart des Personalvertretungsrechts entspricht es, daß hier – soweit spezialgesetzlich eingeräumt – auch selbständig durchsetzbare Ansprüche auf Verfahrenshandlungen anzuerkennen sind. Dies gilt, wiewohl er sich auf Hilfsfunktionen bezieht, auch für den gegen den Personalrat gerichteten Anspruch auf die Verfahrenshandlung „Vorschlag zur Freistellung eines Mitgliedes durch die Dienststelle”.

Auch der Sache nach ist die mit dem Verpflichtungsausspruch getroffene Einschränkung des Ermessens des Beteiligten zu 1) nicht zu beanstanden. Zwar läßt sich die Berechtigung des Anliegens nicht leugnen, Kandidaten für Freistellungen in erster Linie nach ihrer Eignung und Bereitschaft vorzuschlagen, sich über längere Zeit voll der Personalratsarbeit zu widmen, und nach ihrer Fähigkeit, den Anliegen der Beschäftigten dabei zum Erfolg zu verhelfen. Von den für eine Freistellung in Betracht gezogenen Personen muß daher ein erhöhtes Maß an Kooperationsbereitschaft, Solidarität und personalratsorientierter Gesamtverantwortung verlangt werden können (vgl. Lorenzen/Haas/Schmitt, BPersVG, § 46 Rdnr. 70). Jedenfalls dann aber, wenn – wie hier – diesbezüglich schwerwiegende und durch Tatsachen nachweisbare Mängel nicht geltend gemacht worden sind, bestehen keine durchgreifenden Bedenken dagegen, einen Personalrat dazu zu verpflichten, die einzige Kandidatin, die dazu bereit ist und von den durch § 46 Abs. 3 Satz 3 BPersVG begünstigten Listenangehörigen dafür auch benannt worden ist, zur Freistellung vorzuschlagen. Auch insoweit muß dann letztlich den Ausschlag geben, daß niemand zur Freistellung von den Dienstgeschäften verpflichtet werden kann, der dazu nicht bereit ist. Mit der Annahme der Wahl zur Personalvertretung begeben sich nämlich deren Mitglieder noch nicht ihres Anspruches auf amtsgemäße Beschäftigung mit Dienstgeschäften.

3. Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf § 10 Abs. 1 BRAGO i.V.m. § 8 Abs. 2 BRAGO.

 

Unterschriften

Niehues, Ernst, Albers, Vogelgesang, Eckertz-Höfer

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1200504

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge