Verfahrensgang
OVG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 13.04.2011; Aktenzeichen 2 A 11447/10) |
Tenor
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 13. April 2011 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 55 981 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Die auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers hat keinen Erfolg.
Rz. 2
Der Kläger war Leitender Regierungsschuldirektor und erreichte im Februar 2010 die allgemeine Altersgrenze von 65 Jahren. Im August 2009 beantragte er, seinen Ruhestandsbeginn um ein Jahr hinauszuschieben. Diesem Antrag wurde nur teilweise entsprochen, nämlich bis zum 31. Juli 2010. Für das laufende Schuljahr bestand nach der Einschätzung des Beklagten ein dienstliches Interesse an der Weiterbeschäftigung des Klägers, darüber hinaus jedoch nicht.
Rz. 3
Widerspruch, Klage und Berufung des Klägers blieben erfolglos. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch darauf, bis zum gewünschten Zeitpunkt im aktiven Dienst zu verbleiben. Zum einen sei die allgemeine Altersgrenze mit § 7 AGG vereinbar und widerspreche auch nicht der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl EG Nr. L 303 S. 16). Die allgemeine Altersgrenze sei objektiv und angemessen, im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt und als Mittel zum Erreichen dieses Ziels angemessen und erforderlich. Der Gesetzgeber habe die Fortgeltung der Altersgrenze in § 37 Landesbeamtengesetz damit begründet, dass sie dem Erhalt und der Förderung der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung durch eine ausgewogene Altersstruktur, dem Schutz der Beamten vor einer übermäßigen Belastung im Alter sowie der Entlastung des Arbeitsmarkts durch Schaffung zusätzlicher bzw. früherer Einstellungsmöglichkeiten diene. Diese Ziele genügten den unionsrechtlichen Vorgaben ungeachtet dessen, dass sie keinen Niederschlag im Wortlaut der gesetzlichen Bestimmungen gefunden hätten. Die Aufrechterhaltung der Altersgrenze von 65 Jahren sei zur Erreichung der Ziele auch angemessen und erforderlich; insbesondere dürfe der Gesetzgeber generalisieren und sei nicht gehalten, Altersgrenzen individuell für einzelne Beamtengruppen einzuführen. Und zum anderen habe der Kläger auch keinen Anspruch auf weitere Verlängerung seiner aktiven Dienstzeit, weil der Beklagte hierüber in rechtlich nicht zu beanstandender Ausübung seiner Organisationsgewalt entschieden habe und im Übrigen nicht auf das Alter des Klägers, sondern auf das Fehlen eines dienstlichen Bedürfnisses für dessen Weiterbeschäftigung abgestellt habe.
Rz. 4
Im Klageverfahren hat der Kläger außerdem die Abgeltung seiner während seiner aktiven Dienstzeit nicht in Anspruch genommenen Urlaubstage begehrt. Klage und Berufung blieben erfolglos. Das Berufungsgericht hat darauf abgestellt, dass das Beamtenrecht eine Abgeltung von nicht in Anspruch genommenen Urlaubstagen nicht vorsehe, eine Gleichbehandlung mit Tarifbeschäftigten wegen der Strukturunterschiede der beiden Dienstverhältnisse nicht in Betracht komme, der Dienstherr auf den Verfall des Urlaubsanspruches mit dem Eintritt in den Ruhestand nicht hinweisen müsse und der Kläger die Möglichkeit gehabt habe, den Urlaub rechtzeitig während seiner aktiven Dienstzeit zu beantragen.
Rz. 5
Mit der Beschwerde macht der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Angelegenheit gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO geltend. Er hält für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob die allgemeine Altersgrenze des rheinland-pfälzischen Landesrechts mit der Richtlinie 2000/78/EG und dem AGG vereinbar sei, ob ein Beamter seinen Anspruch auf Verlängerung seiner Dienstzeit auch nach Eintritt in den Ruhestand weiterverfolgen könne und ob der Dienstherr den Beamten darauf hinweisen müsse, dass Urlaubsansprüche beim Eintritt in den Ruhestand verfallen. Keine dieser Fragen rechtfertigt die Zulassung der Revision.
Rz. 6
Der Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO setzt voraus, dass die Rechtssache eine konkrete, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die bislang höchstrichterlich nicht geklärt ist und im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Rechtsfortbildung der Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf (Beschlüsse vom 2. Oktober 1961 – BVerwG 8 B 78.61 – BVerwGE 13, 90 ≪91≫ = Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 18 und vom 2. Februar 2011 – BVerwG 6 B 37.10 – NVwZ 2011, 507; stRspr). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
Rz. 7
1. Die vom Kläger als klärungsbedürftig angesehene Frage, ob die allgemeine Altersgrenze von 65 Jahren nach rheinland-pfälzischen Landesbeamtenrecht (vgl. § 54 LBG a.F., § 37 LBG n.F.) mit der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl EG Nr. L 303 S. 16) in Einklang steht, bedarf keiner rechtsgrundsätzlichen Klärung mehr. Die Revisionszulassung zu dem Zweck, im Revisionsverfahren gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) einzuholen, kommt nicht in Betracht. Denn der EuGH hat die Frage der Vereinbarkeit einer allgemeinen Altersgrenze von 65 Jahren mit der Richtlinie 2000/78/EG inzwischen geklärt (vgl. Beschluss vom 6. Dezember 2011 – BVerwG 2 B 85.11 – ≪zur Veröffentlichung vorgesehen≫).
Rz. 8
Zweck dieser Richtlinie ist u.a. die Schaffung eines allgemeinen Rahmens zur Bekämpfung der Altersdiskriminierung (vgl. Art. 1 der Richtlinie 2000/78/EG). Eine allgemeine Altersgrenze bewirkt eine weniger günstige Behandlung für diejenigen Personen, die ihr unterfallen, gegenüber denjenigen Personen, die ihr nicht unterfallen; sie ist deshalb eine unmittelbare Diskriminierung im Sinne des Art. 2 Abs. 2 Buchst. a) der Richtlinie 2000/78/EG. Gemäß Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG können die Mitgliedstaaten aber ungeachtet des Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG vorsehen, dass Ungleichbehandlungen wegen des Alters keine Diskriminierung darstellen, sofern sie objektiv und angemessen sind, im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel, worunter insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung zu verstehen sind, gerechtfertigt sind sowie die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind.
Rz. 9
Der EuGH hat mit Urteil vom 21. Juli 2011 (Rs C-159/10, Rs C-160/10 – NVwZ 2011, 1249) entschieden, dass die Richtlinie 2000/78/EG einem Gesetz nicht entgegensteht, das die zwangsweise Versetzung von Beamten in den Ruhestand mit Vollendung des 65. Lebensjahres vorsieht, wobei sie bei dienstlichem Interesse höchstens bis zum vollendeten 68. Lebensjahr weiterarbeiten dürfen, sofern dieses Gesetz zum Ziel hat, eine ausgewogene Altersstruktur zu schaffen, um die Einstellung und die Beförderung von jüngeren Berufsangehörigen zu begünstigen, die Personalplanungen zu optimieren und damit Rechtsstreitigkeiten über die Fähigkeit des Beschäftigten, seine Tätigkeit über ein bestimmtes Alter hinaus auszuüben, vorzubeugen; dabei muss es die Erreichung dieses Ziels mit angemessenen und erforderlichen Mitteln ermöglichen, was dann der Fall ist, wenn das Mittel im Hinblick auf das verfolgte Ziel nicht unvernünftig erscheint und auf – vom nationalen Gericht zu beurteilende – Beweismittel gestützt ist. Der EuGH hat dabei ausgeführt, dass die nationale Regelung das Ziel nicht selbst angeben müsse, sofern andere Anhaltspunkte die Feststellung des Ziels ermöglichten. Es könnten auch mehrere Ziele gleichzeitig verfolgt werden. Der EuGH hat betont, dass die Mitgliedstaaten die Beweislast für die Rechtfertigung des angeführten Ziels tragen und an diesen Beweis hohe Anforderungen zu stellen sind. Zugleich hätten die Mitgliedstaaten aber einen weiten Ermessensspielraum bei der Wahl einer für erforderlich gehaltenen Maßnahme. Diese Wahl könne daher auf wirtschaftlichen, sozialen, demografischen und/oder Haushaltserwägungen beruhen, die vorhandene und nachprüfbare Daten, aber auch Prognosen umfassten. Die Maßnahme könne außerdem auf politischen Erwägungen beruhen, die oftmals einen Ausgleich zwischen verschiedenen denkbaren Lösungen implizierten. Die Beweiskraft der Beweismittel sei vom nationalen Gericht nach innerstaatlichem Recht zu beurteilen. Im Ergebnis hat der EuGH die Vorlagefrage, welche Daten der Mitgliedstaat vorlegen müsse, um die Angemessenheit und Erforderlichkeit der allgemeinen Altersgrenze zu belegen, und insbesondere, ob genaue Statistiken oder Zahlenangaben vorzulegen seien, damit beantwortet, dass die Angemessenheit und Erforderlichkeit der fraglichen Maßnahme dann nachgewiesen sei, wenn sie im Hinblick auf das verfolgte Ziel nicht unvernünftig erscheine und auf Beweismittel gestützt sei, die das nationale Gericht zu beurteilen habe. Mit diesem Urteil ist geklärt, dass eine allgemeine Altersgrenze mit der Richtlinie 2000/78/EG vereinbar sein kann und unter welchen Voraussetzungen dies der Fall ist.
Rz. 10
Im Hinblick auf das Urteil des EuGH vom 21. Juli 2011 a.a.O. bedarf auch die Vereinbarkeit der allgemeinen Altersgrenze mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) vom 14. August 2006 (BGBl I S. 1897), zuletzt geändert durch Gesetz vom 5. Februar 2009 (BGBl I S. 160), keiner rechtsgrundsätzlichen Klärung in einem Revisionsverfahren mehr. Mit dem AGG wurden die Vorgaben der Richtlinie 2000/78/EG in nationales Recht umgesetzt (vgl. Urteil vom 19. Februar 2009 – BVerwG 2 C 18.07 – BVerwGE 133, 143 ≪146≫). § 10 AGG nimmt Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG auf. Da § 10 AGG unionskonform auszulegen ist, ist sein Inhalt durch die Rechtsprechung des EuGH zu Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG geklärt.
Rz. 11
Nach § 10 Satz 3 Nr. 5 AGG sind Vereinbarungen zulässig, die die Beendigung von Beschäftigungsverhältnissen ohne Kündigung zu einem Zeitpunkt vorsehen, zu dem die Beschäftigten eine Altersrente beantragen können. Gemäß § 24 Nr. 1 AGG gilt das AGG unter Berücksichtigung von deren besonderen Rechtsstellung u.a. auch für Beamte. Das bedeutet im Hinblick auf die insoweit vergleichbare Situation von sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten einerseits und Beamten andererseits, dass eine gesetzliche allgemeine Altersgrenze für Beamte gemäß § 10 Satz 3 Nr. 5 i.V.m. § 24 Nr. 1 AGG gerechtfertigt ist, wenn die vom EuGH geforderten Voraussetzungen vorliegen.
Rz. 12
Schließlich hat der Senat in seinem Urteil vom 19. Februar 2009 (BVerwG 2 C 18.07 – BVerwGE 133, 143) entschieden, dass allgemeine Einstellungsaltersgrenzen durch das AGG nicht ausgeschlossen werden. Die in dieser Altersgrenze liegende Ungleichbehandlung ist nach § 10 AGG wegen der damit verfolgten Ziele der sparsamen Haushaltsführung und der Gewährleistung ausgewogener Altersstrukturen gerechtfertigt. Diese Ausführungen sind auf den Fall einer allgemeinen Altersgrenze für das Ausscheiden aus dem aktiven Beamtenverhältnis zu übertragen. Eine allgemeine Altersgrenze kann zur Gewährleistung ausgewogener Altersstrukturen angemessen und erforderlich im Sinne des § 10 AGG sein. In seinem Urteil vom 17. Dezember 2008 (BVerwG 2 C 26.07 – BVerwGE 133, 25) hat der Senat unter Hinweis auf BVerfG, Beschluss vom 10. Dezember 1985 – 2 BvL 18/83 – (BVerfGE 71, 255 ≪269≫) ausgeführt, dass die allgemeine Altersgrenze das Ergebnis gesundheits-, finanz-, arbeitsmarkt- und personalpolitischer Erwägungen des Gesetzgebers ist. Hierzu gehörten etwa die Entwicklung der Versorgungslasten und der Altersstrukturen des öffentlichen Dienstes sowie die Erhaltung von Einstellungs- und Beförderungsmöglichkeiten.
Rz. 13
Die Regelungen des hessischen Landesrechts, die dem EuGH-Urteil vom 21. Juli 2011 a.a.O. zugrunde lagen, und die hier in Streit stehenden Regelungen des rheinland-pfälzischen Landesrechts stimmen inhaltlich überein. Das Berufungsgericht hat hinsichtlich der Rechtfertigung der allgemeinen Altersgrenze auf die in der amtlichen Begründung für die Beibehaltung der allgemeinen Altersgrenze im Jahre 2010 angeführten Gründe Bezug genommen. Diese stellen politische Erwägungen im Sinne des EuGH-Urteils vom 21. Juli 2011 a.a.O. dar und genügen noch den dort formulierten Anforderungen. Eines Revisionsverfahrens zur Klärung einer grundsätzlich bedeutsamen Rechtsfrage bedarf es mithin ebenso wenig wie einer Vorlage an den Europäischen Gerichtshof zur Entscheidung über die Vereinbarkeit von nationalem Recht mit Unionsrecht.
Rz. 14
2. Auch die Frage, ob ein Beamter einen Anspruch auf das Hinausschieben des Ruhestandsbeginns auch nach Eintritt in den Ruhestand weiterverfolgen kann, ist nicht grundsätzlich klärungsbedürftig, weil das Berufungsgericht einen Anspruch des Klägers auf Hinausschieben des Ruhestandsbeginns inhaltlich geprüft und nicht deshalb verneint hat, weil der Kläger bereits in den Ruhestand getreten war. Darüber hinaus bedarf es zur Klärung dieser Frage auch nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens, denn sie ist ohne weiteres aus dem Gesetz heraus zu beantworten: Bereits begrifflich ist das Hinausschieben des Beginns des Ruhestands nur möglich, solange der Ruhestand noch nicht begonnen hat. Dem entspricht auch der erkennbare Zweck der Vorschrift, nämlich die befristete Fortführung des Dienstes des Beamten im dienstlichen Interesse, etwa um ein bestimmtes Vorhaben noch abzuschließen; dem widerspräche eine Wiederaufnahme des Dienstes nach Eintritt in den Ruhestand.
Rz. 15
3. Schließlich ist nicht grundsätzlich klärungsbedürftig, ob der Dienstherr den Beamten darauf hinweisen muss, dass Urlaubsansprüche beim Eintritt in den Ruhestand verfallen. Diese Frage ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits geklärt. Aus der Fürsorgepflicht ist keine allgemeine Pflicht zur Belehrung über alle für die Beamten einschlägigen Vorschriften abzuleiten. Das gilt vor allem dann, wenn es sich um rechtliche Kenntnisse handelt, die zumutbar bei jedem Beamten vorausgesetzt werden können oder die sich der Beamte unschwer selbst verschaffen kann (Urteil vom 30. Januar 1997 – BVerwG 2 C 10.96 – BVerwGE 104, 55 ≪57 f.≫ m.w.N.). Dass Urlaubsansprüche bei Beamten mit dem Eintritt in den Ruhestand verfallen, ist ein rechtlicher Umstand, dessen Kenntnis bei jedem Beamten – zumal einem des höheren Dienstes – vorausgesetzt werden kann.
Rz. 16
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 52 Abs. 1, 3 und 5, §§ 39, 47 und 40 GKG.
Unterschriften
Herbert, Dr. Heitz, Dr. von der Weiden
Fundstellen