Verfahrensgang
OVG Berlin-Brandenburg (Entscheidung vom 02.12.2020; Aktenzeichen 4 B 7.18) |
VG Berlin (Entscheidung vom 14.07.2016; Aktenzeichen 26 K 59.14) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 2. Dezember 2020 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf die Wertstufe bis 13 000 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
1. Die Klägerin begehrt die Anerkennung weiterer Erfahrungszeiten bei der erstmaligen Festsetzung der Grundgehaltsstufe nach ihrer Versetzung in den Berliner Schuldienst.
Rz. 2
Nach dem Erwerb der Allgemeinen Hochschulreife im Jahr 1991 nahm die Klägerin im selben Jahr ihr Studium an einer Universität in den Fachrichtungen Sport/Lehramt Sonderschule auf, das sie im Oktober 2001 mit dem Ersten Staatsexamen abschloss. Von September 2002 bis August 2004 war sie im Vorbereitungsdienst für das Lehramt für Sonderpädagogik und legte währenddessen die Zweite Staatsprüfung ab.
Rz. 3
Während ihrer Ausbildung betreute die Klägerin in den Jahren 1994 bis 1999 und 2000 bis 2002 ein unter Epilepsie und einer Lernbehinderung leidendes Kind als Einzelfallhelferin. Dabei war sie überwiegend 10 oder 11 Stunden wöchentlich tätig. Von Juni 1998 bis Juni 2002 war die Klägerin mit schwankenden Arbeitszeiten (von 8 bis 75,5 Stunden im Monat) in einem Fitnessstudio tätig.
Rz. 4
Im Anschluss an ihr Referendariat war die Klägerin von September 2004 bis Mai 2005 in einem anderen Bundesland als Förderschullehrerin angestellt. Im Juni 2005 ernannte sie ein weiteres Bundesland zunächst zur Förderschullehrerin zur Anstellung und im Dezember 2007 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zur Förderschullehrerin. Mit Wirkung von August 2013 wurde sie im Rahmen des Lehrertauschverfahrens in den Berliner Schuldienst versetzt. Die Klägerin ist nunmehr im beklagten Land Berlin Lehrerin an Sonderschulen/für Sonderpädagogik (Besoldungsgruppe A 13 LBesO).
Rz. 5
Das beklagte Land setzte im Oktober 2013 unter Berücksichtigung von Erfahrungszeiten in einer Dauer von 8 Jahren und 11 Monaten ein Grundgehalt der Stufe 4 fest. Die nach erfolglosem Widerspruch erhobene Klage, mit der die Klägerin u.a. die Anerkennung ihrer Tätigkeit in der Einzelfallhilfe und ihrer Tätigkeit im Fitnessstudio als Erfahrungszeit begehrt, ist in beiden Instanzen erfolglos geblieben.
Rz. 6
Das Berufungsgericht hat insbesondere darauf abgestellt, dass es für beide Tätigkeiten angesichts ihres jeweils unterhälftigen zeitlichen Umfangs an der gesetzlich geforderten Hauptberuflichkeit fehle. Die Tätigkeit als Einzelfallhelferin und die Tätigkeit im Fitnessstudio - soweit sie im selben Zeitraum ausgeübt wurden - könnten auch nicht zusammen betrachtet und als nur eine (haupt)berufliche Tätigkeit in die Subsumtion eingestellt werden. Denn die nebeneinander ausgeübten und in keiner Beziehung zueinanderstehenden Tätigkeiten ließen sich nicht in den gemeinsamen Rahmen eines durch Ausbildung und Berufswahl geprägten Berufsbildes bringen. Keine der Tätigkeiten habe dem Berufsbild einer Lehrerin für Sonderpädagogik entsprochen. Die an das Arbeitszeitrecht der Beamten anknüpfende Auslegung des Merkmals "hauptberuflich" sei auch mit Unions- und Verfassungsrecht vereinbar. Sie führe weder zu einer ungerechtfertigten Diskriminierung von Teilzeitarbeit noch zu einer unzulässigen Diskriminierung wegen des Geschlechts. Zwar könne in der Anknüpfung an die Dauer der Arbeitszeit ggf. eine Ungleichbehandlung gesehen werden; eine solche Ungleichbehandlung wäre aber aus sachlichen Gründen gerechtfertigt. Da die maßgebliche Norm die Gleichbehandlung von Beamten mit qualifizierten Vordienstzeiten mit "Nur-Beamten" zum Ziel habe, sei es sachlich sogar geboten, entsprechende Anforderungen an den zeitlichen Umfang der Vortätigkeit zu stellen. Die Anerkennung von Vortätigkeiten in einem geringeren zeitlichen Umfang liefe auf eine nicht gerechtfertigte Privilegierung gegenüber "Nur-Beamten" hinaus. Aus demselben Grund wäre auch eine etwaige, hier allein in Betracht kommende mittelbare Diskriminierung wegen des Geschlechts gerechtfertigt.
Rz. 7
2. Die allein wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) erhobene Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg. Die als grundsätzlich klärungsbedürftig aufgeworfene Rechtsfrage
"Sind Arbeitszeitvolumina mehrerer zeitgleicher Teilzeitbeschäftigungen zur Bestimmung des Kriteriums der Hauptberuflichkeit in § 28 Abs. 1 Satz 2 BBesG Bln nur dann zusammenzurechnen, wenn die Teilzeitbeschäftigungen jeweils dem durch Ausbildung und Berufswahl bestimmten Berufsbild des nachfolgend ergriffenen Amtes entsprechen?"
ist auf der Grundlage der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ohne Weiteres im Sinne des Berufungsgerichts zu beantworten, ohne dass es hierfür der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf.
Rz. 8
Grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine - vom Beschwerdeführer zu bezeichnende - grundsätzliche, bisher höchstrichterlich nicht beantwortete Rechtsfrage aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder einer Weiterentwicklung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf und die für die Entscheidung des Revisionsgerichts erheblich sein wird (stRspr, BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 ≪91 f.≫). Ein Klärungsbedarf besteht nicht, wenn die Rechtsfrage bereits geklärt ist oder auf der Grundlage der bestehenden bundesgerichtlichen Rechtsprechung mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregelungen auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens eindeutig beantwortet werden kann (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 24. Januar 2011 - 2 B 2.11 - NVwZ-RR 2011, 329 Rn. 4, vom 9. April 2014 - 2 B 107.13 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 20 Rn. 9 und vom 20. Juni 2017 - 2 B 84.16 - juris Rn. 9).
Rz. 9
Als Grundlage für einen Anspruch der Klägerin auf Festsetzung einer höheren Stufe ihres Grundgehalts kommt allein § 28 Abs. 1 Satz 2 des am 1. Juli 2011 in Kraft getretenen Bundesbesoldungsgesetzes in der Überleitungsfassung für Berlin vom 21. Juni 2011 (GVBl. S. 266 ≪280≫ - BBesG Bln) in der Fassung des Gesetzes zur Besoldungsneuregelung für das Land Berlin vom 29. Juni 2011 (GVBl. S. 306) in Betracht. Danach können hauptberufliche Zeiten, die nicht Voraussetzung für den Erwerb der Laufbahnbefähigung sind, ganz oder teilweise anerkannt werden, soweit sie für die dienstliche Verwendung des Beamten förderlich sind.
Rz. 10
a) Das Merkmal der Hauptberuflichkeit ist gesetzlich nicht definiert oder näher erläutert. Für den Bereich des Versorgungsrechts wird in Übereinstimmung mit dem allgemeinen Sprachgebrauch angenommen, dass eine Tätigkeit dann hauptberuflich ausgeübt wird, wenn sie entgeltlich ist, gewolltermaßen den Schwerpunkt der beruflichen Tätigkeit darstellt, in der Regel den überwiegenden Teil der Arbeitskraft beansprucht und dem durch Ausbildung und Berufswahl geprägten Berufsbild entspricht oder nahekommt. Die hauptberufliche Tätigkeit ist durch diese Merkmale von einer Tätigkeit abzugrenzen, die die Arbeitskraft nur nebenbei beansprucht (vgl. § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BeamtVG) oder neben einer hauptberuflichen Tätigkeit nur als Nebentätigkeit, Nebenamt oder Nebenbeschäftigung ausgeübt werden kann (vgl. §§ 97 ff. BBG). Das Bundesverwaltungsgericht hat die Voraussetzung einer hauptberuflichen Tätigkeit deshalb bereits dann als erfüllt angesehen, wenn die Tätigkeit ihrem Umfang nach mindestens die Hälfte der regulären Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten einnimmt, ohne dann weitere Kriterien in den Blick zu nehmen (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. September 1997 - 2 C 38.96 - Buchholz 239.1 § 10 BeamtVG Nr. 11 S. 2).
Rz. 11
Der gesetzliche Begriff der Hauptberuflichkeit knüpft an die Entwicklung des Arbeitszeitrechts für Beamte an. Je niedriger der Gesetzgeber den zeitlichen Umfang der Teilzeitbeschäftigung festlegt, desto geringer sind die zeitlichen Anforderungen an die Hauptberuflichkeit vordienstlicher Tätigkeiten. Daher wirken sich Änderungen des Mindestumfangs der Teilzeitbeschäftigung auf die Beurteilung vordienstlicher Tätigkeiten als hauptberuflich aus. Da sich die Regelungen über die Teilzeitbeschäftigung der Beamten im Lauf der Zeit wesentlich geändert haben und der Bund wie auch die Länder von der Herabsetzung der regulären Arbeitszeit auf höchstens die Hälfte abgerückt sind, übt auch ein teilzeitbeschäftigter Beamter mit weniger als der Hälfte der Regelarbeitszeit sein Amt hauptberuflich aus, wenn er mindestens ein Kind unter achtzehn Jahren oder einen pflegebedürftigen Angehörigen tatsächlich betreut oder pflegt. Dadurch wird berücksichtigt, dass ein Beamter, dem die Betreuung oder Pflege seiner Angehörigen obliegt, objektiv daran gehindert ist, seine volle Arbeitskraft dem Dienstherrn zur Verfügung zu stellen, wie es dem Leitbild des vollzeitig beschäftigen Beamten entspricht, der sich seinem Beruf mit voller Hingabe zu widmen hat (BVerwG, Urteile vom 29. September 2005 - 2 C 44.04 - BVerwGE 124, 227 ≪237≫ und vom 24. Juni 2008 - 2 C 5.07 - Buchholz 239.1 § 11 BeamtVG Nr. 12 Rn. 12 f.).
Rz. 12
In der Fortentwicklung seiner Rechtsprechung hat das Bundesverwaltungsgericht daher auch eine "unterhälftige Beschäftigung" als berücksichtigungsfähig anerkannt (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Mai 2005 - 2 C 20.04 - Buchholz 239.1 § 6 BeamtVG Nr. 4 S. 2 f.; Beschluss vom 5. März 2019 - 2 B 36.18 - Buchholz 239.1 § 10 BeamtVG Nr. 19 Rn. 9). Der zeitliche Mindestumfang der grundsätzlich allen Beamten eröffneten Teilzeitbeschäftigung stellt dabei die zeitliche Untergrenze für die Hauptberuflichkeit dar (BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2008 - 2 C 5.07 - Buchholz 239.1 § 11 BeamtVG Nr. 12 Rn. 12).
Rz. 13
b) Diese Grundsätze sind ohne Weiteres auf das Besoldungsrecht übertragbar.
Rz. 14
Für die Ruhegehaltfähigkeit von Vordienstzeiten gilt, dass sie Ausnahmecharakter hat. Die Berücksichtigung der von §§ 10, 11 BeamtVG erfassten Tätigkeiten ist aufgrund ihres inhaltlichen Bezugs zum Beamtendienst, insbesondere des Erwerbs hierfür notwendiger oder förderlicher Qualifikationen, sachlich gerechtfertigt. Dadurch soll den Beamten annähernd diejenige Versorgung ermöglicht werden, die sie erhalten hätten, wenn sie sich während der vordienstlichen Tätigkeit bereits im Beamtenverhältnis befunden hätten. Es sollen unbillige Benachteiligungen gegenüber "Nur-Beamten" vermieden werden (BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2008 - 2 C 5.07 - Buchholz 239.1 § 11 BeamtVG Nr. 12 Rn. 7).
Rz. 15
Dies gilt in gleicher Weise für das Besoldungsrecht. Auch hier hat die Berücksichtigung von Vordienstzeiten bei der Stufenfestsetzung Ausnahmecharakter; § 28 Abs. 1 Satz 2 BBesG Bln ist eine Ausnahmevorschrift (BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 2017 - 2 C 25.16 - Buchholz 240 § 28 BBesG Nr. 23). Grundsätzlich kommt es für die Stufenfestsetzung und damit für die Höhe der Besoldung auf die im Dienst erbrachten Erfahrungszeiten an. Dadurch soll den Beamten annähernd diejenige Besoldung ermöglicht werden, die sie erhalten hätten, wenn sie sich während der vordienstlichen Tätigkeit bereits im Beamtenverhältnis befunden hätten.
Rz. 16
c) Danach bedarf die von der Beschwerde aufgeworfene Frage keiner Klärung in einem Revisionsverfahren. Ist es ein Merkmal der für die Anerkennung der Vordienstzeiten erforderlichen Hauptberuflichkeit, dass die Tätigkeit dem durch Ausbildung und Berufswahl geprägten Berufsbild entspricht oder nahekommt, dann gilt das ohne Weiteres auch für die Zusammenrechnung von mehreren Teilzeitbeschäftigungen - sofern man eine solche überhaupt vornimmt trotz des Gesetzeswortlauts, der eher eine auf die jeweilige Beschäftigung bezogene Betrachtung nahelegt (eine Zusammenrechnung verneinend auch das Verwaltungsgericht in seinem Urteil vom 14. Juli 2016, UA S. 8) -, die jede für sich betrachtet nicht den für die Hauptberuflichkeit notwendigen zeitlichen Umfang erreichen. Nur dann ist es gerechtfertigt, die Ausnahmevorschrift des § 28 Abs. 1 Satz 2 BBesG Bln zur Anwendung zu bringen.
Rz. 17
Damit ist entgegen dem Beschwerdevorbringen auch keine ungerechtfertigte Benachteiligung von Teilzeitbeschäftigten oder von Frauen und damit ein Verstoß gegen Unionsrecht oder Art. 3 Abs. 2 GG verbunden. Das Berufungsgericht hat zutreffend darauf abgestellt, dass es sachlich gerechtfertigt ist, Anforderungen an den zeitlichen Umfang der Vortätigkeit zu stellen, die den Anforderungen des vom Hauptberuflichkeitsgrundsatz geprägten Beamtenverhältnisses entsprechen.
Rz. 18
Lediglich angemerkt sei, dass die Tätigkeiten der Klägerin, die im fraglichen Zeitraum keinerlei Kinderbetreuungs- oder Pflegeleistungen erbracht hat, sodass für sie eine "Überhälftigkeit" beim Zusammenrechnen der Dauer der beiden Vordienstzeiten erforderlich ist, nach den Feststellungen im Urteil des Verwaltungsgerichts nur in einem einzigen Monat die Schwelle der Überhälftigkeit überschritten haben (Verwaltungsgericht Berlin, Urteil vom 14. Juli 2018 - VG 26 K 59.14 - UA S. 8). Die als grundsätzlich aufgeworfene Frage ist - dies so zugrundegelegt - damit nur hinsichtlich dieses einen Monats für die Klägerin von Bedeutung.
Rz. 19
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Werts des Streitgegenstandes beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 42 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Fundstellen
Dokument-Index HI15350517 |