Entscheidungsstichwort (Thema)
Erinnerung. Kostenansatz. ermäßigte Verfahrensgebühr. Klagerücknahme. Schluss der mündlichen Verhandlung. Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung. Kostengerechtigkeit
Leitsatz (amtlich)
Wird in einem verwaltungsgerichtlichen Klageverfahren die mündliche Verhandlung zunächst geschlossen, dann aber wiedereröffnet, so kann eine nachfolgende Klagerücknahme noch zur Ermäßigung der Verfahrensgebühr führen.
Normenkette
GKG Nr. 5114 KV, Nr. 5115 KV
Tenor
Der Kostenansatz in der Schlusskostenrechnung zu dem Verfahren BVerwG 9 A 23.07 wird geändert. Statt der vollen Verfahrensgebühr nach einem Satz von 5,0 (Nr. 5114 KV) wird eine ermäßigte Verfahrensgebühr nach einem Satz von 3,0 (Nr. 5115 KV) in Ansatz gebracht; dem entspricht nach einem Streitwert von 15 000 € ein Kostenbetrag von 726 €.
Die Entscheidung ergeht gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Rz. 1
Die Erinnerung des Klägers, über die mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 66 Abs. 6 Satz 2 GKG gemäß § 66 Abs. 6 Satz 1 GKG der Einzelrichter zu entscheiden hat (vgl. Beschluss vom 25. Januar 2006 – BVerwG 10 KSt 5.05), ist begründet. Für das Klageverfahren BVerwG 9 A 23.07 ist gemäß Nr. 5115 Ziff. 1 Buchst. b KV (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) lediglich eine ermäßigte Verfahrensgebühr nach einem Satz von 3,0 in Ansatz zu bringen, da der Kläger nach beiderseitigem Verzicht der Beteiligten auf mündliche Verhandlung das gesamte Verfahren vor dem in dieser Bestimmung genannten Zeitpunkt durch Klagerücknahme beendet hat.
Rz. 2
Der Ermäßigung steht nicht entgegen, dass vor dem Übergang ins schriftliche Verfahren und der nachfolgenden Klagerücknahme eine mündliche Verhandlung stattgefunden hatte, die zunächst geschlossen worden war. Zwar führt eine Klagerücknahme gemäß Nr. 5115 Ziff. 1 Buchst. a KV nur dann zur Ermäßigung der Verfahrensgebühr, wenn die Rücknahmeerklärung vor dem “Schluss der mündlichen Verhandlung” erfolgt. Damit gemeint ist aber lediglich der Schluss der letzten mündlichen Verhandlung, d.h. derjenigen, auf die die Endentscheidung ergeht (vgl. zu Nr. 1211 KV bzw. zu deren Vorgängerregelung OLG München, Beschluss vom 27. November 1996 – 11 W 2740/96 – MDR 1997, 402; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16. September 1999 – 10 W 96/99 – MDR 1999, 1465; Hartmann, Kostengesetze, 39. Aufl. 2009, KV 1211 Rn. 5; Oestreich/Winter/Hellstab, Kommentar zum Gerichtskostengesetz, Loseblatt, Nr. 1211 Rn. 19). Wird die zunächst geschlossene mündliche Verhandlung – wie hier – wiedereröffnet, so kann die Klagerücknahme mithin erneut die Rechtsfolge der Nr. 5115 auslösen, und zwar entweder bis zum endgültigen Schluss der mündlichen Verhandlung (Ziff. 1 Buchst. a) oder – nach Übergang ins schriftliche Verfahren – bis zu dem Tag, an dem das Urteil oder der Gerichtsbescheid der Geschäftsstelle übermittelt worden ist (Ziff. 1 Buchst. b).
Rz. 3
Für diese Auslegung spricht schon der Wortlaut der Nr. 5115 Ziff. 1 Buchst. a KV, denn mit der Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung wird deren vorangegangene Schließung obsolet. Vor allem aber wäre ein abweichendes Verständnis mit dem Sinn und Zweck der Regelung unvereinbar, wie er in den Gesetzesmaterialien Niederschlag gefunden hat. Die Differenzierung des Gebührensatzes in den Nrn. 5114 und 5115 KV dient dem Ziel, im Interesse der Kostengerechtigkeit die Gebührenhöhe, wenn auch grob typisierend, an dem jeweils entstandenen richterlichen Arbeitsaufwand auszurichten (vgl. BTDrucks 12/6962 S. 69 f.; Hartmann a.a.O. Rn. 2). Zugleich gehört die Nr. 5115 KV zu den Regelungen, die Anreize zu einer unstreitigen Verfahrensbeendigung schaffen und so zur Entlastung der Justiz beitragen sollen (vgl. zu dieser Zielsetzung BTDrucks 12/6962 S. 69). Beide Zielsetzungen kommen auch dann noch zum Tragen, wenn die mündliche Verhandlung zunächst geschlossen, dann aber wiedereröffnet worden ist.
Rz. 4
Die Kostenentscheidung folgt aus § 66 Abs. 8 GKG.
Unterschriften
Dr. Nolte
Fundstellen