Verfahrensgang

OVG für das Land NRW (Urteil vom 09.12.1994; Aktenzeichen 10 A 1753/91)

 

Tenor

Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 9. Dezember 1994 wird verworfen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 20 000 DM festgesetzt.

 

Gründe

Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde ist unzulässig.

1. Die Grundsatzrüge greift nicht durch. Sie genügt nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Die Beschwerde formuliert keine konkrete Frage, die im Interesse der Rechtseinheit oder der Rechtsfortbildung einer höchstrichterlichen Klärung zugeführt werden könnte. Ihr läßt sich allenfalls entnehmen, daß das Berufungsurteil nach ihrer Auffassung Anlaß dazu bietet, über die bisherige Rechtsprechung hinaus näher zu präzisieren, welche Bindungen sich für eine Baurechtsbehörde, die von ihrem Ermessen Gebrauch macht, die Beseitigung einer unter Verstoß gegen baurechtliche Vorschriften errichteten baulichen Anlage anzuordnen, aus Art. 3 Abs. 1 GG ergeben. Diese Fragestellung nötigt indes nicht zur Zulassung der Revision; denn sie läßt sich nicht nur auf der Grundlage der Entscheidungen, in denen sich das Bundesverwaltungsgericht mit diesem Problemkreis bereits auseinandergesetzt hat, ohne weiteres auch außerhalb eines Revisionsverfahrens klären; vielmehr würde es sich hinsichtlich der Ermächtigungsgrundlage nur um einen Fehler mangelhafter Anwendung einer irrevisiblen Rechtsnorm handeln (vgl. § 137 Abs. 1, § 173 VwGO, § 562 ZPO).

Zu einer weitergehenden Klärung würde das erstrebte Revisionsverfahren keine Gelegenheit bieten. Die Beschwerde verwahrt sich gegen die Annahme des Tatrichters, der Beklagte habe deshalb willkürlich gehandelt, weil er gegen den Kläger eingeschritten sei, es aber unterlassen habe, den Betrieb bestimmter anderer Camping- und Wochenendeinrichtungen ebenfalls zu unterbinden. Sie macht selbst nicht geltend, daß beabsichtigt sei, der an den Kläger gerichteten Beseitigungsanordnung Verfügungen gegen die Betreiber der im Berufungsurteil näher bezeichneten Anlagen folgen zu lassen, zählt aber verschiedene Gründe auf, die es nach ihrer Ansicht rechtfertigen, zwischen der Anlage des Klägers und den vom Berufungsgericht als Vergleichsobjekte herangezogenen Anlagen zu differenzieren. Diese Angriffe verleihen der Rechtssache indes keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Sie erschöpfen sich in einer Kritik an der berufungsgerichtlichen Würdigung der tatsächlichen Umstände, die keine Elemente enthält, denen über den Einzelfall hinaus Bedeutung zukommt.

Ergänzend wird bemerkt: Es ist anerkannt und bedarf keiner erneuten Bestätigung, daß eine bauordnungsrechtliche Beseitigungsanordnung von dem Adressaten nicht allein mit dem Argument abgewehrt werden kann, die Behörde schreite gegen Baurechtsverstöße in vergleichbaren anderen Fällen nicht ein; denn Art. 3 Abs. 1 GG gewährt keinen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht (vgl. BVerwG, Urteile vom 14. Februar 1990 – BVerwG 6 C 54.88 – Buchholz 236.1 § 20a SG Nr. 2 und vom 26. Februar 1993 – BVerwG 8 C 20.92 – BVerwGE 92, 153).

Dieser Grundsatz entbindet die Baurechtsbehörde indes nicht von der Verpflichtung, ihre bauordnungsrechtliche Tätigkeit maßgeblich auch am Gleichheitssatz auszurichten. Ermächtigt das Gesetz dazu, unter bestimmten Voraussetzungen die Beseitigung von baulichen Anlagen anzuordnen, so läßt sich aus Art. 3 Abs. 1 GG die Forderung ableiten, das eingeräumte Ermessen in gleichgelagerten Fällen gleichmäßig auszuüben. Ergreift oder unterläßt die Behörde Maßnahmen zur Bekämpfung baurechtswidriger Zustände, so hat sie in allen vergleichbaren Fällen in der gleichen Art und Weise zu verfahren. Das bedeutet bei einer Vielzahl von Verstößen jedoch nicht, daß sie gleichzeitig tätig werden muß. Entschließt sie sich zu einem Einschreiten, so ist es ihr unbenommen, die Verhältnisse nach und nach zu bereinigen. Ihr ist es indes verwehrt, systemlos oder willkürlich vorzugehen. Beschränkt sie sich darauf, einen Einzelfall herauszugreifen, so handelt sie dem Gleichbehandlungsgebot zuwider, es sei denn, daß sie hierfür sachliche Gründe anzuführen vermag (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. April 1987 – BVerwG 4 C 43.84 – NVwZ 1988, 144; Beschlüsse vom 19. Juli 1976 – BVerwG 4 B 22.76 – und vom 11. März 1991 – BVerwG 4 B 26.91 – Buchholz 406.17 Bauordnungsrecht Nrn. 5 und 33, sowie vom 19. Februar 1992 – BVerwG 7 B 106.91 – NVwZ-RR 1992, 360).

2. Die Divergenzrügen haben ebenfalls keinen Erfolg.

Die Beschwerde bezeichnet keinen abstrakten Rechtssatz, den das Berufungsgericht in Widerspruch zu der Aussage des Bundesverfassungsgerichts in dem von ihr angeführten Beschluß vom 17. März 1959 – 1 BvR 53/56 – (BVerfGE 9, 213) aufgestellt hat. Das Berufungsgericht hat auch nicht die Grundsätze in Zweifel gezogen, die das Bundesverwaltungsgericht in den Beschlüssen vom 19. Juli 1976 – BVerwG 4 B 22.76 – (a. a. O.) und vom 19. Februar 1992 – BVerwG 7 B 106.91 – (a. a. O.) formuliert hat. Es hat nicht in Abrede gestellt, daß die Behörde “nach den konkreten Umständen auch anlaßbezogen vorgehen und sich (zunächst) auf die Regelung von Einzelfällen beschränken” darf. Den Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot hat es in tatsächlicher Hinsicht daraus hergeleitet, daß sich für das Einschreiten allein gegen den Kläger keine sachlichen Gründe anführen ließen. Mit diesem rechtlichen Ansatz befindet es sich in Übereinstimmung mit den von der Beschwerde zitierten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts. Daß das Berufungsgericht die vom Beklagten ins Feld geführten Differenzierungskriterien nicht als sachliche Gründe gewertet hat, die eine Ungleichbehandlung rechtfertigen, mag sich als Indiz dafür deuten lassen, daß es die vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten und von ihm nicht in Frage gestellten Grundsätze unrichtig auf den Einzelfall angewendet hat. Dies steht einer Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO indes nicht gleich.

3. Auch die Verfahrensrüge ist unzulässig, weil nicht schlüssig dargetan.

Die Beschwerde zeigt nicht auf, in welcher Richtung das Berufungsgericht den Sachverhalt hätte weiter aufklären müssen. Wie weit die Amtsermittlungspflicht des § 86 Abs. 1 VwGO reicht, hängt von der materiellrechtlichen Auffassung des Tatsachengerichts ab. Aus der Sicht des Berufungsgerichts ist maßgeblich darauf abzustellen, daß in der Nachbarschaft der vom Kläger betriebenen Anlage zwei vergleichbare Campingplätze vorhanden sind, deren Schließung trotz insoweit übereinstimmender planungsrechtlicher Ausgangssituation im Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung nicht ernsthaft in Erwägung gezogen wurde. Von diesem Standpunkt aus kam es nicht darauf an, ob der Beklagte gegen weitere Campingplatzbetreiber Beseitigungsanordnungen erlassen hat, ob die vom Berufungsgericht bezeichneten Vergleichsobjekte in der Vergangenheit den Auslösefaktor für sonstige bauordnungsrechtliche Verfügungen bildeten und ob das Gelände, auf dem sich diese Anlagen befinden, inzwischen im Flächennutzungsplan der Stadt als Sonderbaufläche dargestellt ist.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 14 Abs. 1 und § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.

 

Unterschriften

Berkemann, Heeren, Halama

 

Fundstellen

BRS 1995, 594

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge