Verfahrensgang
OVG Mecklenburg-Vorpommern (Urteil vom 27.11.2002; Aktenzeichen 2 L 90/01) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 27. November 2002 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 4 788 651 € festgesetzt.
Gründe
Nach § 132 Abs. 2 VwGO kann die Revision nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Berufungsentscheidung von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Berufungsentscheidung beruhen kann. Wird wie hier die Nichtzulassung der Revision mit der Beschwerde angefochten, muss in der Beschwerdebegründung die grundsätzliche Bedeutung dargelegt oder die Entscheidung, von der das Berufungsurteil abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Die Prüfung des beschließenden Senats ist demgemäß auf fristgerecht geltend gemachte Beschwerdegründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO beschränkt.
Die Beschwerde wird allein auf den Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützt. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine für die Revisionsentscheidung erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO verlangt die Bezeichnung einer konkreten Rechtsfrage, die für die Revisionsentscheidung erheblich sein wird, und einen Hinweis auf den Grund, der ihre Anerkennung als grundsätzlich bedeutsam rechtfertigen soll. Die Beschwerde muss daher erläutern, dass und inwiefern die Revisionsentscheidung zur Klärung einer bisher revisionsgerichtlich nicht beantworteten fallübergreifenden Rechtsfrage führen kann. Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage verleiht der Sache keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung.
Die Klägerin macht einen Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung eines öffentlich-rechtlichen Vertrags geltend. Das Berufungsgericht hat den Anspruch verneint und die Rechtsauffassung vertreten, der aus dem Rechtsinstitut des mitwirkenden Verschuldens nach § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB folgende Rechtsgedanke, wonach eine Ersatzpflicht für rechtswidriges staatliches Handeln nicht eintrete, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen habe, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels gegen das nunmehr als rechtswidrig beanstandete staatliche Handeln abzuwenden, wenn also für den Nichtgebrauch eines Rechtsmittels kein hinreichender Grund bestanden habe, beanspruche im öffentlichen Recht allgemein Geltung. Wenn auch dieser Grundsatz u.a. in § 839 Abs. 3 BGB seine besondere Ausprägung erfahren habe, sei er nicht auf den Bereich der deliktischen Amtshaftung beschränkt. Es sei angezeigt, im Verwaltungsvertragsrecht die den Vorrang des Primärrechts strikt, ohne jede Abwägung zum Ausdruck bringende Vorschrift des § 839 Abs. 3 BGB entsprechend anzuwenden. Jedenfalls ergebe sich der Vorrang des Primärrechtsschutzes bei haftungsauslösendem staatlichem Handeln aus § 254 Abs. 1 BGB. Die dort vorgesehene regelmäßige Schadensteilung komme bei der Unterlassung der Inanspruchnahme verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes nicht in Betracht, da der Betroffene in solchen Fällen in so hohem Maße zur Schadensentstehung beigetragen habe, dass er die vermeidbaren Nachteile nicht ersetzt verlangen könne. Da der Staat an Recht und Gesetz gebunden sei, lasse ein erfolgreicher Primärrechtsschutz einen Schaden nicht entstehen.
Die Klägerin hält für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob der Grundsatz des Vorranges verwaltungsgerichtlichen Primärschutzes bei haftungsauslösendem staatlichem Handeln auch dann gilt, wenn dieses in der Verletzung von Pflichten aus einem öffentlich-rechtlichen Vertragsverhältnis besteht. Diese Frage kann nicht zur Zulassung der Grundsatzrevision führen.
Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung alternativ auf die entsprechende Anwendung des § 254 BGB und diejenige des § 839 Abs. 3 BGB gestützt.
Die Beschwerde kann schon deshalb keinen Erfolg haben, weil in Bezug auf die Anwendung des § 254 BGB der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung nicht dargelegt wird. Gemäß § 62 VwVfG gelten für verwaltungsrechtliche Verträge, soweit sich aus den §§ 54 bis 61 nichts anderes ergibt, die übrigen Vorschriften dieses Gesetzes. Ergänzend gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches entsprechend. Zu den danach ergänzend und entsprechend anwendbaren Vorschriften gehören die Vorschriften über die Verpflichtung zur Leistung und von Schadensersatzansprüchen aus Vertrag (vgl. Urteil vom 29. Mai 1973 – BVerwG 7 C 2.72 – Buchholz 310 § 40 VwGO Nr. 125, S. 65) einschließlich des § 254 BGB (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 7. Aufl. § 62 Rn. 9; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. § 62 Rn. 22). Das zieht die Beschwerde nicht in Zweifel, wie aus ihren Ausführungen (S. 4 der Beschwerdebegründung) folgt. Das Berufungsgericht hat im Zusammenhang mit der entsprechenden Anwendung des § 254 BGB das Mitverschulden des den Primärrechtsschutz nicht in Anspruch nehmenden Betroffenen als so erheblich angesehen, dass ein Schadensersatzanspruch nicht in Betracht kommt. Diese Gewichtung der mitwirkenden Verursachung der Klägerin nimmt die Beschwerdebegründung nicht auf. Insoweit werden Revisionszulassungsgründe nicht geltend gemacht.
Die Klägerin vertritt lediglich die auf den Einzelfall bezogene Auffassung, dass der Klägerin die Geltendmachung von Primärrechtsschutz unzumutbar gewesen sei.
In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist außerdem anerkannt, dass der mit dem Rechtsinstitut des mitwirkenden Verschuldens nahe verwandte Rechtsgedanke des § 839 Abs. 3 BGB im öffentlichen Recht Geltung beansprucht (Urteil vom 28. Mai 1998 – BVerwG 2 C 29.97 – BVerwGE 107, 29 ≪31≫). Darin ist eine das Recht des Verwaltungsvertrages ausnehmende Begrenzung nicht angelegt. Im Gegenteil wird die Anwendung des Rechtsgedankens des § 839 Abs. 3 BGB auf das beamtenrechtliche Gebot der Auslese nach Eignung, Befähigung und Leistung mit dessen Nähe zum Vertragsrecht begründet (“quasivertragliche Verbindlichkeit”, s.a. Beschluss vom 5. Oktober 1998 – BVerwG 2 B 56.98 – Buchholz 237.5 § 8 HeLBG Nr. 6). Geht es wie hier um einen Schadensersatzanspruch aus der Nichterfüllung eines zwischen Staat und Bürger geschlossenen öffentlich-rechtlichen Vertrags, der einen Verwaltungsakt zum Gegenstand hat, besteht die Korrekturmöglichkeit eines in der Erfüllungsverweigerung liegenden staatlichen Fehlverhaltens durch Rechtsverfolgung in gleicher Weise wie im Falle des nicht vertraglich geregelten Erlasses oder Unterlassens von Verwaltungsakten. Der Beklagte hat mit Recht darauf hingewiesen, dass die Behörde gemäß § 54 Satz 2 VwVfG einen öffentlich-rechtlichen Vertrag schließen kann, anstatt einen Verwaltungsakt zu erlassen. Die Auswahl der Handlungsform kann schwerlich entscheidend dafür sein, ob vorrangig Primärrechtsschutz in Anspruch zu nehmen ist.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes beruht auf § 13 Abs. 2 GKG.
Unterschriften
Bardenhewer, Hahn, Graulich
Fundstellen