Verfahrensgang
VG Chemnitz (Urteil vom 07.11.2002; Aktenzeichen 9 K 1387/98) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 7. November 2002 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 117 597 € festgesetzt.
Gründe
Die Klägerin beansprucht aus abgetretenem Recht die Auskehr des Veräußerungserlöses für ein Mietwohngrundstück, auf dessen Eigentum ihre Rechtsvorgängerin gemäß § 310 ZGB verzichtet hatte. Ihr Rückübertragungsantrag blieb in den Verwaltungsinstanzen erfolglos. Das Verwaltungsgericht hat ihre Klage abgewiesen, weil der Eigentumsverzicht selbst bei Annahme einer unmittelbar bevorstehenden Überschuldung i.S. des § 1 Abs. 2 VermG nicht auf der staatlichen Niedrigmietenpolitik beruht habe. Es hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Klägerin hat keinen Erfolg.
Die Revision ist nicht wegen der geltend gemachten Verfahrensfehler zuzulassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Die Beschwerde rügt, das Verwaltungsgericht sei von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen, soweit es die Ertragslage als ungewöhnlich gut bezeichnet und jährliche Überschüsse von 2 700 M festgestellt habe. Die Rüge ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat seine Überzeugung auf die Angaben der Rechtsvorgängerin der Klägerin in der Einnahmen-/Ausgabenrechnung vom 31. Dezember 1987 gestützt, die sehr detailliert ist und nach den unwidersprochenen Angaben in der mündlichen Verhandlung von einem Steuerbüro angefertigt wurde. Daraus ergeben sich nach Abzug der Vermögensteuer und der durch einen Aufbaukredit finanzierten Aufwendungen für die Dachreparatur die festgestellten Einnahmeüberschüsse für die Jahre 1985 bis 1987. Dass das Verwaltungsgericht nicht die hiervon abweichenden Annahmen des von der Klägerin in Auftrag gegebenen Sachverständigengutachtens zugrunde gelegt hat, ist schon darum nicht verfahrensfehlerhaft, weil die Annahmen des Sachverständigen zur Höhe der Ausgaben für die Erhaltung und Verwaltung des Grundstücks weitgehend auf Schätzungen beruhen, die die Richtigkeit der präzisen und zeitnahen Angaben in der Einnahmen-/Ausgabenrechnung nicht erschüttern. Sind die tatsächlich angefallenen Ausgaben bekannt, ist bei der Berechnung des Mietertrags für den Ansatz potentiell berücksichtigungsfähiger Ausgaben kein Raum. Die Behauptung der Beschwerde, dass in der Einnahmen-/Ausgabenrechnung die Zinsen für die Aufbaugrundschulden und die Abschreibung für Instandsetzungskosten unberücksichtigt geblieben seien, ist offensichtlich unzutreffend. Dass die im Jahr 1989 vom VEB Gebäudewirtschaft berechnete Miete für die Wohnung der Rechtsvorgängerin der Klägerin von dem in den Jahren 1985 bis 1987 maßgeblichen Mietwert der eigenen Wohnung abweicht, führt ebenfalls nicht zu einem Verfahrensfehler; die Differenz findet ihre Erklärung darin, dass die Rechtsvorgängerin der Klägerin und ihr 1987 verstorbener Ehemann über zwei Wohnungen in dem Haus verfügt hatten.
Unbegründet ist auch die Rüge, das Verwaltungsgericht habe die Kausalität zwischen Niedrigmieten und Überschuldung unter Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz verneint. Das Verwaltungsgericht ist im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 30. Mai 1996 – BVerwG 7 C 47.94 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 78 S. 225 ≪229 f.≫) davon ausgegangen, dass es an dieser Kausalität fehlen kann, wenn in der Vergangenheit erforderliche Instandsetzungsarbeiten trotz vorhandener finanzieller Deckung unterblieben waren und es daher zu größeren Schäden und zu einem Reparaturstau gekommen war. Das Verwaltungsgericht hat angenommen, dass in der Zeit vor dem Eigentumsverlust jahrelang beachtliche Erträge gezogen wurden, die nicht für erforderliche Instandsetzungsmaßnahmen größeren Umfangs verwendet oder zurückgelegt wurden; unter solchen Umständen beruht eine trotz laufender Mietüberschüsse bevorstehende Überschuldung nur dann auf nicht kostendeckenden Mieten, wenn die unabweisbaren Instandsetzungskosten den Beleihungswert zuzüglich eines fiktiven Rücklagenbetrags übersteigen. Das Verwaltungsgericht hat die fiktive Rücklage mit dem zwanzigfachen Betrag des jährlichen Mietüberschusses angesetzt und die Auffassung vertreten, dass die vom Sachverständigen errechneten Instandsetzungskosten von 46 000 M diesen Betrag nicht erreicht hätten. Dem hält die Beschwerde entgegen, dass in den Jahren 1985 bis 1987 Instandsetzungskosten von insgesamt knapp 1 400 M angefallen und 1982/83 Aufbaukredite für die notwendige Dachinstandsetzung aufgenommen worden seien. Dieses Vorbringen ergibt den behaupteten Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz schon deswegen nicht, weil das Verwaltungsgericht die entsprechenden Kosten berücksichtigt und festgestellt hat, dass der jährliche Mietüberschuss von 2 700 M gleichwohl entstanden ist, also in die fiktive Rücklage einzustellen war. Hiernach kann keine Rede davon sein, dass das Verwaltungsgericht die Kausalität auf der Grundlage eines unrichtigen Sachverhalts oder einer verfahrensfehlerhaften Beweiswürdigung verneint hätte.
Da das angegriffene Urteil entscheidungstragend auf der fehlenden Kausalität zwischen Niedrigmieten und Überschuldung beruht, ist den Verfahrensrügen, die die Beschwerde gegen die Nichtberücksichtigung einzelner Instandsetzungskosten erhoben hat, nicht nachzugehen; denn selbst bei Berücksichtigung dieser Kosten würde der Beleihungswert zuzüglich der fiktiven Instandsetzungsrücklage nicht überschritten. Abgesehen davon zielen alle diese Rügen auf die Feststellung und Würdigung des Sachverhalts durch das Gericht und damit auf die mit Verfahrensrügen nicht angreifbare Anwendung materiellen Rechts.
Die Revision ist auch nicht wegen der geltend gemachten Abweichungen zuzulassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Die unter XII. der Beschwerdebegründung gerügte Abweichung besteht schon deshalb nicht, weil der vom Senat aufgestellte Rechtssatz, dass die Mieten in der DDR nicht kostendeckend waren, nur für den Regelfall gilt und nicht anwendbar ist, wenn sich aus der konkreten Ertragssituation Gegenteiliges ergibt (Urteil vom 11. Februar 1999 – BVerwG 7 C 4.98 – BVerwGE 108, 281 ≪283≫). Der ebenfalls in diesem Urteil enthaltene Rechtssatz, dass Niedrigmieten auch dann für die Überschuldung kausal sind, wenn sie lediglich zu ihr beigetragen haben (a.a.O. S. 285 f.), führt nicht zu der unter XIII. geltend gemachten Abweichung, da die Beschwerde ihn missversteht. Der Rechtssatz zieht nicht in Zweifel, dass die erforderliche Kausalität im Fall jahrelangen Unterlassens notwendiger Reparaturen trotz vorhandener Deckung nur dann angenommen werden kann, wenn die Kosten unabweisbarer Instandsetzungsmaßnahmen den Beleihungswert zuzüglich einer fiktiven Instandsetzungsrücklage übersteigen. Er betrifft vielmehr, wie sich aus dem Zusammenhang der Entscheidung ohne weiteres ergibt, die hiervon zu unterscheidende Frage, ob bei der Anwendung des § 1 Abs. 2 VermG bestimmte Grundstücksbelastungen deswegen nicht zu berücksichtigen sind, weil sie – wie z.B. vor Gründung der DDR entstandene Altbelastungen – nicht auf die Niedrigmietenpolitik zurückzuführen sind. Diese Frage hat sich in dem angegriffenen Urteil nicht gestellt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 13 Abs. 2 GKG.
Unterschriften
Sailer, Kley, Herbert
Fundstellen