Entscheidungsstichwort (Thema)
Kompostierungsanlage. geschlossene Anlage. offene Anlage. Inputstoffe. Einhausung. Hauptrotte. Klärschlamm. Geruchsimmission. Geruchsemission. Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL). Atypik. Vorsorge. Verhältnismäßigkeit.
Leitsatz (amtlich)
Eine atypische, von Nr. 5.4.8.5 Abs. 2 Buchst. c Satz 3 TA Luft nicht erfasste Fallgestaltung kann nicht schon dann bejaht werden, wenn die von der Kompostierungsanlage ausgehende Geruchszusatzbelastung als irrelevant im Sinne der Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL) anzusehen ist; die Anlage muss auch unter Berücksichtigung der Geruchsemissionen atypisch sein.
Normenkette
BImSchG § 5 Abs. 1 S. 1 Nrn. 1-2, § 17 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, § 48 Abs. 1 S. 1 Nr. 4; TA Luft 2002 Nr. 5.4.8.5, Nr. 6.2.1, Nr. 6.2.3.3
Verfahrensgang
OVG des Landes Sachsen-Anhalt (Urteil vom 14.11.2013; Aktenzeichen 2 L 67/12) |
VG Halle (Saale) (Entscheidung vom 27.03.2012; Aktenzeichen 4 A 60/10 HAL) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 14. November 2013 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 100 000 EUR festgesetzt.
Tatbestand
I
Die Klägerin wendet sich gegen eine nachträgliche Anordnung, mit der ihr der Beklagte aufgegeben hat, die Hauptrotte ihrer Kompostierungsanlage geschlossen zu betreiben.
Bislang betreibt die Klägerin die Anlage offen im Wege einer so genannten Mietenkompostierung. Die kürzeste Entfernung zur nächstgelegenen Wohnbebauung beträgt 511 m. Auf der Grundlage der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung ist die Klägerin berechtigt, u.a. kommunale Klärschlämme zu kompostieren. Genehmigt ist eine Durchsatzleistung von 86 700 t im Jahr.
Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der Klägerin gegen das klagabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts zurückgewiesen. Rechtsgrundlage der Anordnung sei § 17 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BImSchG und Nr. 5.4.8.5 TA Luft. Nach Absatz 2 Buchstabe c Satz 3 dieser Vorschrift sind Anlagen zur Erzeugung von Kompost bei einer Durchsatzleistung von 10 000 t je Jahr oder mehr geschlossen auszuführen. Atypisch sei die Anlage der Klägerin nicht. Bei offen betriebenen Kompostanlagen könne im Einzelfall eine Atypik zu bejahen sein, wenn die Anlage den in Nr. 5.4.8.5 Abs. 1 Buchst. b TA Luft vorgesehenen Mindestabstand zur Wohnbebauung von 500 m deutlich überschreite und zusätzlich mit hinreichender Sicherheit gewährleistet sei, dass die von der genehmigten Kompostierung verursachten Geruchsimmissionen nach der Art und Menge der Inputstoffe und ihrem Mischungsverhältnis deutlich geringer als bei sonst üblichen Anlagen ausfielen (UA S. 9). Jedenfalls hinsichtlich der Geruchsintensität sei die Anlage der Klägerin nicht atypisch. Abzustellen sei nicht auf den tatsächlichen Betrieb, sondern darauf, wozu die Klägerin nach der Genehmigung unter Berücksichtigung etwaiger verbindlicher Änderungen berechtigt sei. Berechtigt sei sie auch nach der Reduzierung des Inputkatalogs zur Annahme von kommunalem Klärschlamm und zwar mit der gesamten genehmigten Durchsatzmenge. Klärschlamm sei im Gegensatz etwa zu strukturreichem Grünschnitt nicht als besonders geruchsarm einzustufen. Die genehmigte Durchsatzmenge von 86 700 t sei nahezu 9 mal größer als die Menge von 10 000 t, bei der nach der TA Luft unabhängig von der Art der Inputstoffe eine geschlossene Ausführung vorgesehen sei. Die Anordnung sei auch nicht unverhältnismäßig. Dass die Einhausung mit einer Belastung von etwa 4 Mio. EUR verbunden sei, könne als wahr unterstellt werden. Der Vorschriftengeber habe das Maß der geforderten Vorsorge in Bezug auf den Durchschnittsbetreiber als generell verhältnismäßig bewertet. Für eine hiervon abweichende Atypik gebe es keine Anhaltspunkte.
Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin.
Entscheidungsgründe
II
Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
1. Die Rechtssache hat nicht die von der Klägerin geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung.
a) Als rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig bezeichnet die Klägerin die Frage,
„ob die Entfernung einer Kompostieranlage mit einem Durchsatz oberhalb von 10 000 t pro Jahr von mehr als 500 m bezogen auf die nächstgelegene Wohnbebauung einen atypischen Einzelfall darstellt, der einer nachträglichen Anordnung der Einhausung der Hauptrotte gemäß § 17 BImSchG i.V.m. Nr. 5.4.8.5 TA Luft entgegenstehen kann, wenn die von der Anlage ausgehenden Geruchsemissionen in der Wohnnachbarschaft ein gewisses Maß unterschreiten (Beschwerdebegründung 1. a).”
Soweit die Klägerin mit dieser Frage geklärt wissen möchte, ab welcher Entfernung der offenen Kompostierungsanlage von der nächsten Wohnbebauung ein atypischer Fall vorliegt (Beschwerdebegründung 1. a aa), ist die Frage einer fallübergreifenden und damit rechtsgrundsätzlichen Klärung nicht zugänglich. Ob eine Kompostierungsanlage mit einer Durchsatzleistung von 10 000 t je Jahr oder mehr atypisch ist und deshalb abweichend von Nr. 5.4.8.5 Abs. 2 Buchst. c Satz 3 TA Luft nicht geschlossen ausgeführt werden muss, kann nur aufgrund einer Gesamtwürdigung aller für die Vorsorgeziele der Nr. 5.4.8.5 TA Luft relevanten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden. Das gilt auch für den Abstand der Anlage zur nächsten Wohnbebauung. Bei einer Anlage, die die in Nr. 5.4.8.5 Abs. 2 Buchst. c Satz 3 TA Luft festgesetzte Leistungsgrenze von 10 000 t Durchsatz je Jahr nur wenig überschreitet und in der nur Inputstoffe mit geringer Geruchsintensität kompostiert werden, kann ein geringerer Abstand für die Bejahung einer Atypik genügen als bei einer im Verhältnis zur Leistungsgrenze großen Anlage, in der auch geruchsintensive nasse oder strukturarme Bioabfälle oder Schlämme verarbeitet werden. Ein für die Atypik ausreichender Mindestabstand lässt sich fallübergreifend nicht angeben.
Soweit die Frage darauf zielt zu klären, ob und ab wann ein atypischer Fall bei Kompostierungsanlagen vorliegt, wenn die von der Anlage ausgehenden Geruchszusatzbelastungen auch unter ungünstigen meteorologischen Bedingungen als irrelevant im Sinne der Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL) anzusehen sind (Beschwerdebegründung 1. a bb), lässt sie sich auf der Grundlage von § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 BImSchG in der bei Erlass der Anordnung maßgeblichen Fassung (nachfolgend ohne Zusatz), Nr. 5.4.8.5 Abs. 2 Buchst. c Satz 3 TA Luft auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens ohne Weiteres beantworten. Nr. 5.4.8.5 TA Luft enthält – wie die unter Nr. 5 TA Luft zusammengefassten Regelungen allgemein – Anforderungen zur Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BImSchG. Die GIRL soll hingegen Anforderungen konkretisieren, die sich aus der Schutzpflicht des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG ergeben (vgl. VGH München, Beschluss vom 27. Januar 2012 – 22 ZB 10.2333 – juris Rn. 28 f.). Sie ist eine Richtlinie zur Feststellung und Beurteilung von Geruchsimmissionen, die die Bewertung erleichtern soll, ob eine Geruchsimmission als erheblich und damit als schädliche Umwelteinwirkung anzusehen ist (vgl. Nr. 1 GIRL). Nr. 5.4.8.5 TA Luft geht über derartige Anforderungen zum Schutz der Allgemeinheit und der Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen hinaus. Nach Absatz 2 Buchstabe c Satz 3 der Vorschrift sind Kompostierungsanlagen mit einer Durchsatzleistung von 10 000 t je Jahr oder mehr unabhängig davon geschlossen auszuführen, wie weit die nächste Wohnbebauung entfernt ist und ob die Einhausung dort zu einer messbaren Verringerung der Immissionen führt. Bedenken hiergegen bestehen nicht. Das Vorsorgegebot im Sinne eines vorbeugenden Umweltschutzes lässt auch Vermeidungsanstrengungen gegenüber umweltbeeinträchtigenden Umweltschadstoffen zu, die mit dem Ziel ergriffen werden, längerfristig nach Maßgabe eines generellen Sanierungskonzepts eine Luftqualität herbeizuführen oder zu sichern, die einen angemessenen Sicherheitsabstand zur konkreten Schädlichkeitsgrenze herstellt (Urteil vom 28. Februar 2002 – BVerwG 4 CN 5.01 – Buchholz 406.12 § 11 BauNVO Nr. 25 S. 13 = NVwZ 2002, 1114 = juris Rn. 36 und Beschluss vom 10. Januar 1995 – BVerwG 7 B 112.94 – Buchholz 406.25 § 48 BImSchG Nr. 4 S. 4 = juris Rn. 6). Ausgehend hiervon kann eine atypische, von Nr. 5.4.8.5 Abs. 2 Buchst. c Satz 3 TA Luft nicht erfasste Fallgestaltung nicht schon dann bejaht werden, wenn die von der Kompostierungsanlage ausgehende Geruchszusatzbelastung als irrelevant im Sinne der GIRL anzusehen ist. Die Anlage muss vielmehr auch unter Berücksichtigung der Geruchsemissionen atypisch sein. Davon ist im Übrigen auch das Verwaltungsgericht Halle im Verfahren 4 A 89/10 ausgegangen, in dem es der Klage eines Betreibers gegen die Anordnung der Einhausung seiner Kompostierungsanlage stattgegeben hat (Urteil vom 22. November 2012 GABl 314 ff., UA S. 15 f.). Es hat einen atypischen Sachverhalt nicht allein deshalb bejaht, weil die von der Anlage ausgehende Geruchszusatzbelastung als irrelevant im Sinne der GIRL anzusehen war, sondern weil darüber hinaus – anders als hier – die Geruchsemissionen der Anlage wegen des Einsatzes ausschließlich geruchsarmer Inputstoffe deutlich geringer waren, als dies typischerweise in entsprechenden Kompostierungsanlagen der Fall ist.
Soweit die Klägerin die Frage dahingehend präzisiert, ob ein zur Abweichung von der TA Luft berechtigender atypischer Fall vorliegt, wenn nur besonders geruchsarme Einsatzstoffe kompostiert werden (Beschwerdebegründung 1. a cc), würde sich die Frage in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts ist die Klägerin nach der insoweit maßgebenden immissionsschutzrechtlichen Genehmigung der Anlage berechtigt, auch Klärschlamm zu verarbeiten. Anders als im Urteil des Verwaltungsgerichts Halle vom 22. November 2012 – 4 A 89/10 (UA S. 18 f.) – ist in der Genehmigung hinsichtlich des Klärschlamms weder eine besondere Qualität (etwa der Grad der Ausfaulung) noch eine bestimmte Mengenbegrenzung oder ein bestimmtes Verhältnis zu besonders geruchsarmen Stoffen geregelt (OVG UA S. 10). Ausgehend hiervon hat das Oberverwaltungsgericht den Klärschlamm nicht als besonders geruchsarm eingestuft.
b) Die Klägerin möchte weiter rechtsgrundsätzlich geklärt wissen,
„wann bei einer Verwaltungsvorschrift wie der TA Luft ein atypischer Fall vorliegt, der eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit der nachträglichen Anordnung gemäß § 17 Abs. 2 BImSchG fordert.”
Insoweit ist nicht erkennbar, dass die Frage einer fallübergreifenden Klärung zugänglich ist. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass der Vorschriftengeber der TA Luft das Maß der geforderten Vorsorge in Bezug auf den Durchschnittsbetreiber als generell verhältnismäßig bewertet hat und folglich eine weitere, in besonderer Weise auf den individuellen wirtschaftlichen Aufwand abstellende Verhältnismäßigkeitsprüfung im Einzelfall nur bei atypischen Sachverhaltslagen in Betracht kommt (Beschlüsse vom 30. August 1996 – BVerwG 7 VR 2.96 – Buchholz 406.25 § 17 BImSchG Nr. 3 S. 6 f. = juris Rn. 22 und vom 10. Januar 1995 a.a.O. S. 7 f. = juris Rn. 10). Ausgehend davon, dass die Anlage der Klägerin mit einer genehmigten Jahresdurchsatzleistung von 86 700 t als besonders großer Betrieb einzustufen ist und in ihm durchaus geruchsintensive Stoffe verarbeitet werden dürfen, hat das Oberverwaltungsgericht Anhaltspunkte für eine solche Atypik verneint (UA S. 12). Dass die Einhausung der Hauptrotte Kosten in Höhe von ca. 4 Mio. EUR verursachen und die Klägerin möglicherweise zur Einstellung des Betriebes nötigen wird (Beweisantrag zu 3), hat es hierbei als wahr unterstellt. Es hat außerdem als wahr unterstellt, dass der Investition keinerlei messbare Verringerung der Immissionen gegenüberstehe (Beweisantrag zu 4). Die Klägerin folgert aus der zuletzt genannten Wahrunterstellung, dass die ihr aufgegebene Investition keinen messbaren Nutzen für die Schutzgüter des § 5 BImSchG habe, mithin ohne Nutzen für die Allgemeinheit sei. Derartige Fallgestaltungen hält sie für atypisch im Sinne der dargelegten Rechtsprechung.
Die Argumentation der Klägerin beruht auf einer unzutreffenden Prämisse. Die angeordnete Einhausung der Anlage dient nicht – wie die Klägerin voraussetzt – der Einhaltung etwaiger Schutzpflichten nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG, sondern der Einhaltung des Vorsorgeprinzips nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BImSchG. Der Vorschriftengeber geht in Nr. 5.4.8.5 Abs. 2 Buchst. c Satz 3 TA Luft davon aus, dass die Einhausung der Anlage auch dann nicht ohne „Ertrag” (vgl. Beschluss vom 10. Januar 1995 a.a.O. S. 6 f. = juris Rn. 10) für die Umwelt ist, wenn die Wohnnachbarschaft hiervon nicht messbar profitiert. Ob der Ertrag für die Umwelt auch im Hinblick auf die Vorsorgeziele im Einzelfall so gering ist, dass vor Erlass einer nachträglichen Anordnung eine auf den individuellen wirtschaftlichen Aufwand abstellende Verhältnismäßigkeitsprüfung erforderlich ist, hängt von den jeweiligen tatsächlichen Umständen wie z.B. der Größe der Anlage und der Geruchsintensität der zur Verarbeitung zugelassenen Inputstoffe ab und lässt sich deshalb nicht rechtsgrundsätzlich klären.
c) Die Revision ist auch nicht zur Klärung der Frage zuzulassen,
„welcher Übergangszeitraum dem Anlagenbetreiber zur Umsetzung einer nachträglichen Anordnung zu gewähren ist.”
Die Frage ist einer rechtsgrundsätzlichen Klärung ebenfalls nicht zugänglich. Da Nr. 5.4.8.5 TA Luft eine besondere Sanierungsfrist nicht festlegt, gilt die allgemeine Sanierungsfrist der Nr. 6.2.3.3 TA Luft. Nach dieser Vorschrift sollte verlangt werden, dass alle Anforderungen bis spätestens zum 30. Oktober 2007 erfüllt werden. Welche Erfüllungsfrist dem Anlagenbetreiber bei einer erst nach diesem Zeitpunkt ergehenden nachträglichen Anordnung einzuräumen ist, hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab, wobei die Kriterien der Nr. 6.2.3 zu berücksichtigen sind.
d) Die Frage,
„ob das der Behörde in § 17 Abs. 1 Satz 1 BImSchG eingeräumte Ermessen durch die TA Luft als einfache Verwaltungsvorschrift beschränkt werden kann,”
bedarf nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren. Nach Nr. 6.2.1 Satz 1 TA Luft soll die zuständige Behörde, wenn die Anlage nicht den in der TA Luft konkretisierten Anforderungen zur Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen entspricht, die erforderlichen Anordnungen treffen, um die Anlage an den in Nummer 5 beschriebenen Stand der Technik und die dort angegebenen sonstigen Vorsorgeanforderungen anzupassen. Bedenken gegen die Wirksamkeit dieser Vorschrift bestehen nicht. Sie soll nicht das der Behörde in § 17 Abs. 1 Satz 1 BImSchG eingeräumte unbeschränkte Ermessen durch eine Soll-Vorschrift wie in § 17 Abs. 1 Satz 2 BImSchG normativ ersetzen, sondern lediglich die Ausübung des in § 17 Abs. 1 Satz 1 BImSchG eingeräumten Ermessens lenken. Ermächtigungsgrundlage hierfür ist § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BImSchG.
e) Entgegen der Auffassung der Klägerin weicht die angefochtene Entscheidung, soweit es um die Anwendbarkeit von Nr. 5.4.8.5 Abs. 2 TA Luft auf offene Anlagen geht, nicht von dem Beschluss des VGH München vom 27. Januar 2012 – 22 ZB 10.2333 – ab. Auch insoweit besteht kein rechtsgrundsätzlicher Klärungsbedarf. Der VGH München hatte über eine nachträgliche Anordnung betreffend die Annahme, Zwischenlagerung und Weiterverarbeitung von Grüngut in einer offenen Kompostierungsanlage zu entscheiden. Er hat angenommen, dass die TA Luft hierfür, also für die Betriebsmodalitäten einer offenen Anlage, keine nähere Regelung treffe (juris Rn. 32). Im vorliegenden Fall geht es um die Frage, ob eine offen betriebene Hauptrotte weiter offen betrieben werden darf oder durch Einhausung in eine geschlossene Anlage überführt werden muss. Zu dieser Frage hat sich der VGH München nicht verhalten. Zweifel daran, dass sich die Anforderungen der Nr. 5.4.8.5 Abs. 2 Buchst. c TA Luft auch auf Bestandsanlagen beziehen (so auch Kersting, Rechtliche Anforderungen an den Betrieb von Kompostierungsanlagen gemäß TA Luft, in: Bilitewski u.a., Müll-Handbuch, 2. Aufl., Nr. 5613 S. 9), zeigt die Beschwerde nicht auf.
2. Die Revision ist auch nicht wegen eines Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen.
a) Das Oberverwaltungsgericht hat durch die Ablehnung des Beweisantrags zu 2 weder seine Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) noch den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör (§ 108 Abs. 2 VwGO) verletzt. Der Beweisantrag war darauf gerichtet, ein Sachverständigengutachten zum Beweis der Tatsache einzuholen, dass die Geruchsemissionen der Anlage wegen des Einsatzes ausschließlich geruchsarmer Inputstoffe deutlich geringer sind als dies typischerweise in entsprechenden Kompostanlagen der Fall ist. In der mündlichen Verhandlung hat das Oberverwaltungsgericht den Beweisantrag mit der Begründung abgelehnt, dass die Frage der „Typizität” eine Rechtsfrage sei. Ob dies einer Beweiserhebung über die von der klägerischen Anlage ausgehenden Geruchsemissionen entgegenstand, kann dahinstehen. In den Entscheidungsgründen hat das Oberverwaltungsgericht ergänzend dargelegt, dass die Beweisanträge zu „1, 3 und 4” abzulehnen waren, weil die unter Beweis gestellten Tatsachen nicht auf die Genehmigung, sondern auf den – nach seiner Rechtsauffassung nicht entscheidungserheblichen – tatsächlichen Betrieb abzielten (UA S. 11). Die Ausführungen beziehen sich ersichtlich auf die Beweisanträge zu „1, 2 und 4”, nicht auf den die Kosten der Einhausung betreffenden Beweisantrag zu 3. Dass das Oberverwaltungsgericht mit dieser Auslegung den Inhalt des Beweisantrags zu 2 verkannt habe, hat die Klägerin nicht dargelegt. Im Übrigen befindet grundsätzlich das Gericht selbst darüber, ob es zur Entscheidung des Rechtsstreits die Hilfe eines Sachverständigen benötigt; die Nichteinholung eines Sachverständigengutachtens ist nur dann verfahrensfehlerhaft, wenn das Gericht für sich eine ihm unmöglich zur Verfügung stehende Sachkunde in Anspruch nimmt oder wenn es sich in einer Frage für sachkundig hält, in der seine Sachkunde ernstlich zweifelhaft ist, ohne dass es für die Beteiligten und für das zur Nachprüfung berufene Revisionsgericht überzeugend darlegt, dass ihm das erforderliche Fachwissen in genügendem Maße zur Verfügung steht (Beschluss vom 14. September 1992 – BVerwG 7 B 130.92 – Buchholz 406.401 § 31 BNatSchG Nr. 2 [insoweit nicht abgedruckt] = NVwZ 1993, 583 = juris Rn. 2 m.w.N.). Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt. Die Einschätzung des Oberverwaltungsgerichts, dass die Anlage der Klägerin hinsichtlich ihrer Geruchsintensität nicht atypisch sei, beruht auf der Feststellung, dass Klärschlamm, den die Klägerin im Rahmen der genehmigten Durchsatzmenge in beliebigem Umfang verarbeiten darf, im Gegensatz etwa zu strukturreichem Grünschnitt nicht als besonders geruchsarmer Stoff einzustufen ist, jedenfalls wenn – wie hier – die Genehmigung weder eine besondere Qualität (etwa den Grad der Ausfaulung) noch eine bestimmte Mengenbegrenzung oder ein bestimmtes Verhältnis zu geruchsarmen Stoffen regelt. Ausgehend davon, dass Nr. 5.4.8.5 Abs. 2 Buchst. c Satz 2 TA Luft Schlämme zu den geruchsintensiven Abfällen zählt, liegt diese Beurteilung nahe und nicht außerhalb richterlichen Erfahrungswissens. Einen entsprechenden Hinweis brauchte das Gericht der Klägerin deshalb nicht zu geben.
b) Die Ablehnung der Beweisanträge zu 1 und 4 ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Der Beweisantrag zu 1 war darauf gerichtet, ein Sachverständigengutachten zum Beweis der Tatsache einzuholen, dass die von der Anlage der Klägerin ausgehende Geruchszusatzbelastung auch unter ungünstigen meteorologischen Bedingungen als irrelevant im Sinne der GIRL anzusehen ist. Diese Tatsache war – wie hier (1. a) und vom Oberverwaltungsgericht in der mündlichen Verhandlung bei Ablehnung des Antrags dargelegt – nicht entscheidungserheblich. In Bezug auf den Beweisantrag zu 4 wiederholt die Klägerin ihre materiellrechtliche Kritik daran, dass das Oberverwaltungsgericht die Anordnung der Einhausung trotz der als wahr unterstellten Kosten und des Fehlens einer messbaren Verringerung der Immissionen an den relevanten Messpunkten nicht als unverhältnismäßig angesehen hat (hierzu oben 1. b). Ein Verfahrensfehler ergibt sich daraus nicht.
3. Eine Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO hat die Klägerin nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechend dargelegt. Sie bezeichnet nicht – wie dies erforderlich wäre (vgl. Beschluss vom 19. August 1998 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 26 = NJW 1997, 3328) – einen abstrakten, die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts tragenden Rechtssatz, mit dem es von dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. August 1996 – BVerwG 7 VR 2.96 – (Buchholz 406.25 § 17 BImSchG Nr. 3) abgewichen sein sollte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Dr. Nolte, Dr. Philipp, Brandt,
Fundstellen
Haufe-Index 6991928 |
JZ 2014, 449 |
VR 2014, 395 |
AbfallR 2014, 206 |