Entscheidungsstichwort (Thema)
Entschädigungserfüllungsanspruch bei einer mittelbaren ausländischen Unternehmensbeteiligung
Leitsatz (amtlich)
1. Ob eine ausländische Unternehmensbeteiligung bei einer besatzungshoheitlichen Enteignung im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 2 DDR-EErfG zunächst freigestellt worden ist, ist aus der objektiven Perspektive des Betroffenen zu beurteilen.
2. Da § 1 Abs. 2 Satz 2 DDR-EErfG einen völkerrechtlichen Entschädigungsanspruch in einem einfachen Gesetz ausgeformt hat, ist für einen nochmaligen Rückgriff auf den völkerrechtlichen Entschädigungsanspruch als alternative Rechtsgrundlage grundsätzlich kein Raum.
Normenkette
DDR-EErfG § 1 Abs. 2 Sätze 1-2
Verfahrensgang
VG Chemnitz (Urteil vom 25.05.2016; Aktenzeichen 1 K 625/13) |
Gründe
I
Rz. 1
Die Parteien streiten um eine Entschädigung nach dem DDR-Entschädigungserfüllungsgesetz.
Rz. 2
Die Beigeladene ist ein niederländisches Unternehmen, deren Rechtsvorgängerin 99,15 % der Aktien einer nordrhein-westfälischen Textilfabrik (V. AG - V. AG) gehörten. Die V. AG hielt wiederum 28,1 % der Anteile der im Erzgebirge gelegenen L. Kammgarnspinnerei AG (L. AG). Die L. AG wurde im April 1946 auf besatzungshoheitlicher Grundlage enteignet und in Eigentum des Volkes überführt. Die Beigeladene beantragte im Juni 2004 eine Entschädigung nach dem DDR-Entschädigungserfüllungsgesetz. Mit dem hier streitgegenständlichen Bescheid vom 3. Juli 2013 stellte der Beklagte fest, dass die Beigeladene einen entsprechenden Entschädigungsanspruch in Höhe von 469 741,37 € nebst Zinsen für den Verlust der mittelbaren Beteiligung an der L. AG gegen die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben zustehe.
Rz. 3
Der dagegen gerichteten Klage der Bundesanstalt gab das Verwaltungsgericht statt. Ein Anspruch nach dem DDR-Entschädigungserfüllungsgesetz (DDR-EErfG) vom 10. Dezember 2003 (BGBl I S. 2471, ber. BGBl. I 2004 S. 1654) komme auch für Enteignungen auf besatzungshoheitlicher Grundlage in Betracht, wenn dafür eine Entschädigung vorgesehen gewesen sei. § 1 Abs. 2 Satz 2 DDR-EErfG trage in spezieller Weise dem schutzwürdigen Interesse ausländischer Anteilseigner Rechnung. Die Voraussetzungen dieses Entschädigungserfüllungsanspruches lägen aber nicht vor, weil die mittelbare Beteiligung der Beigeladenen bei der Enteignung der L. Kammgarnspinnerei nicht "zunächst freigestellt" worden sei. Es fehle an einer ausdrücklichen Freistellungserklärung bei der Enteignung oder an einer späteren nach außen publik gewordenen Entscheidung, die mittelbare Enteignung ausländischer Aktionäre rückgängig zu machen. Eine entsprechende Entschädigung der ausländischen Aktionäre sei im vorliegenden Fall auch nicht im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 DDR-EErfG vorgesehen gewesen. Ob die Beigeladene einen Entschädigungsanspruch aus Völkerrecht herleiten könne, könne offen bleiben. Der Anspruch bestehe allenfalls im Völkerrechtsverhältnis zwischen den Staaten. Das Verwaltungsgericht hat die Revision gegen seine Entscheidung nicht zugelassen.
II
Rz. 4
Die Beschwerde der Beigeladenen gegen die Nichtzulassung der Revision hat keinen Erfolg. Zulassungsgründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor oder sind nicht ausreichend dargetan.
Rz. 5
1. Die Rügen der Beigeladenen, die sich auf die Auslegung und Anwendung des § 1 Abs. 2 Satz 2 DDR-EErfG beziehen, greifen nicht durch. Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist insbesondere, dass es im vorliegenden Fall an dem tatbestandlichen Erfordernis der Freistellung der ausländischen Beteiligung von der Enteignung fehlt.
Rz. 6
a) Entgegen der Ansicht der Beigeladenen ist das Verwaltungsgericht bei der Auslegung des Begriffs der "Freistellung" nicht von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteile vom 18. September 2014 - 5 C 18.13 - BVerwGE 150, 200 Rn. 43 und vom 24. September 2015 - 5 C 13.14 - BVerwGE 153, 63 Rn. 21) abgewichen. Der Revisionszulassungsgrund der Divergenz nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO setzt voraus, dass die Entscheidung der Vorinstanz auf einem abstrakten Rechtssatz beruht, der im Widerspruch zu einem Rechtssatz steht, den das Bundesverfassungs- oder das Bundesverwaltungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift aufgestellt haben. Zwischen den beiden Gerichten muss ein prinzipieller Auffassungsunterschied über den Bedeutungsgehalt einer bestimmten Rechtsvorschrift oder eines bestimmten Rechtsgrundsatzes bestehen (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 26 S. 14).
Rz. 7
Daran fehlt es. Das Verwaltungsgericht hat die in den Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. September 2014 und vom 24. September 2015 aufgestellten Rechtssätze ausdrücklich referiert und zum Maßstab seiner rechtlichen Würdigung gemacht. Es hat im Einklang mit dem Bundesverwaltungsgericht darauf hingewiesen, dass der Begriff der Freistellung vor allem im faktischen Sinne zu verstehen sei. Es komme maßgeblich darauf an, dass in der Rechtswirklichkeit für den Anteilseigner deutlich zum Ausdruck gekommen sei, dass er durch die Enteignung des Unternehmensträgers auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage zumindest wirtschaftlich betrachtet nicht vollständig und endgültig aus seiner Stellung verdrängt werden sollte (UA S. 23). Soweit das Verwaltungsgericht ergänzend darauf hingewiesen hat, dass nach der Vorstellung des Gesetzgebers die ausländischen Anteilseigner in der Rechtswirklichkeit nicht stets von der entschädigungslosen Enteignung freigestellt gewesen seien und dass bei den Beratungen im Finanzausschuss des Bundestages offenbar der Eindruck aufgekommen sei, die Freistellung ausländischer Anteile habe eines Umsetzungs- bzw. eines besonderen Erkenntnisaktes bedurft, wird damit kein gegenteiliger Rechtssatz aufgestellt, sondern nur das Abstellen auf den faktischen Freistellungsbegriff erläutert.
Rz. 8
b) Die Frage, ob für die Annahme einer Freistellung stets eine individuelle Schutzanordnung erforderlich ist, hat auch nicht die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit und der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 26 S. 14). Daran fehlt es. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist bereits geklärt, dass die Freistellung keine besondere Form voraussetzt (BVerwG, Urteil vom 18. September 2014 - 5 C 18.13 - BVerwGE 150, 200 Rn. 43). Daher sind neben einer Freistellung durch Einzelfallanordnung auch Sammel- und Gruppenfreistellungen durch Verordnungen und Gesetze denkbar, sofern auch in der Rechtswirklichkeit deutlich zum Ausdruck gekommen ist, dass bestimmte von einer Enteignung betroffene Anteilsinhaber zumindest wirtschaftlich betrachtet aus ihrer Stellung nicht vollständig und endgültig verdrängt werden sollten. Im vorliegenden Fall fehlte es jedoch nach den tatrichterlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts genau an einer solchen in der Rechtswirklichkeit zum Ausdruck kommenden Freistellung von der Enteignung.
Rz. 9
c) Entgegen der Ansicht der Beigeladenen ist das Verwaltungsgericht auch nicht dadurch von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts abgewichen, dass es bei seiner tatrichterlichen Prüfung hinsichtlich des Vorliegens eines Freistellungsaktes auf die Perspektive des Enteigneten abgestellt hat. Von einer Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO kann zum einen schon deswegen nicht gesprochen werden, weil das Verwaltungsgericht dazu keinen vom Bundesverwaltungsgericht abweichenden abstrakten Rechtssatz aufgestellt hat. Auch das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner Entscheidungspraxis bei der Anwendung und Auslegung des Enteignungs- und Freistellungsbegriffs auf die Perspektive des Betroffenen abgestellt. Es hat bei der Frage, ob der frühere Eigentümer durch hierauf gerichtete staatliche Maßnahmen wirtschaftlich betrachtet vollständig und endgültig von seinem Eigentum verdrängt worden ist, stets untersucht, wie die Verdrängung in der Rechtswirklichkeit für den Eigentümer greifbar zum Ausdruck gekommen ist (vgl. BVerwG, Urteile vom 18. September 2014 - 5 C 18.13 - BVerwGE 150, 200 Rn. 35, 43 und vom 24. September 2015 - 5 C 13.14 - BVerwGE 153, 63 Rn. 21 f.).
Rz. 10
d) Die von der Beigeladenen aufgeworfene Frage, ob es bei der Freistellung auf die subjektive Perspektive des Betroffenen oder auf die objektive Sach- und Rechtslage ankommt, rechtfertigt ebenfalls nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung. Die Frage lässt sich anhand der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung beantworten. Wie ausgeführt stellt die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bei der Frage der Enteignung und der Freistellung auf die Perspektive des Betroffenen ab. Dies hat seinen Grund darin, dass das Vermögensrecht und das DDR-Entschädigungserfüllungsgesetz bei der Einräumung von Wiedergutmachungsansprüchen an die in der Rechtswirklichkeit bei den Betroffenen eingetretenen Schädigungslagen anknüpfen. Außerdem sind bei den vor und nach 1949 durchgeführten Enteignungen und Freistellungen in vielen Fällen begleitende Erklärungen abgegeben worden oder individuelle Hoheitsakte ergangen, die entsprechend den für die Auslegung von empfangsbedürftigen Willenserklärungen des bürgerlichen Rechts geltenden Rechtsgrundsätzen der §§ 133 und 157 BGB so auszulegen sind, wie die Erklärung aus Sicht des Empfängers bei objektiver Betrachtungsweise zu verstehen ist (sog. objektiver Empfängerhorizont, vgl. dazu etwa BVerwG, Beschluss vom 3. Juli 2013 - 5 B 66.12 - juris Rn. 5 m.w.N.).
Rz. 11
Dementsprechend ist auch bei den hier auf besatzungshoheitlicher Grundlage durchgeführten Enteignungen maßgeblich darauf abgestellt worden, ob sich die Enteignungsbetroffene - objektiv vor dem Hintergrund der damals geltenden Rechtsregeln und greifbarer Anhaltspunkte in der Rechtswirklichkeit - zumindest wirtschaftlich betrachtet nicht als vollständig und endgültig aus ihrer Stellung als Aktionärin verdrängt sehen musste (BVerwG, Urteil vom 18. September 2014 - 5 C 18.13 - BVerwGE 150, 200 Rn. 43; ähnlich Urteil vom 24. September 2015 - 5 C 13.14 - BVerwGE 153, 63 Rn. 22). Die Perspektive des objektiven Empfängerhorizontes hat auch ersichtlich das Verwaltungsgericht seiner tatrichterlichen Feststellung zu Grunde gelegt, dass die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen das Vorliegen einer entschädigungslosen Enteignung annehmen "musste" (UA S. 26).
Rz. 12
e) Entgegen der Ansicht der Beigeladenen, beruht diese Tatsachenfeststellung nicht auf Verfahrensfehlern. Eine Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes des § 108 Abs. 1 VwGO ist schon nicht ausreichend dargetan. (Vermeintliche) Fehler in der Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Tatsachengerichts sind regelmäßig nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem sachlichen Recht zuzuordnen. Sie können daher grundsätzlich keinen Verfahrensmangel im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO begründen. Eine Ausnahme kommt nur bei Mängeln in Betracht, die alleine die Tatsachenfeststellung und nicht auch die Subsumtion unter eine materiell-rechtliche Norm betreffen. Zu diesen Mängeln gehören aktenwidrige Feststellungen oder denkfehlerhafte, aus Gründen der Logik schlechterdings unmögliche Schlussfolgerungen von Indizien auf Haupttatsachen (stRspr, z.B. BVerwG, Beschlüsse vom 6. März 2008 - 7 B 13.08 - Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 54 Rn. 8 und vom 21. Dezember 2016 - 8 B 27.15 - juris Rn. 19).
Rz. 13
Solche Mängel hat die Beigeladene nicht vorgetragen. Sie benennt weder denklogisch unmögliche noch aktenwidrige Feststellungen. Sie wirft dem Verwaltungsgericht die mangelnde Berücksichtigung des in § 3 der Verordnung zur Durchführung des sächsischen Enteignungsgesetzes vom 30. Juni 1946 zum Ausdruck kommenden Schutzes ausländischer Kapitaleigner vor und rügt die mangelnde Beachtung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zur B. Sprudel GmbH (Urteil vom 30. Juni 1994 - 7 C 58.93 - BVerwGE 96, 183). Damit werden lediglich Mängel benannt, die vor allem die rechtliche Würdigung betreffen und nicht ausschließlich die Tatsachenfeststellung betreffen. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht den in der genannten Rechtsnorm zum Ausdruck kommenden grundsätzlichen Willen der sowjetischen Besatzungsmacht, ausländisches Vermögen zu schützen, nicht in Abrede gestellt. Es hat lediglich festgestellt, dass in der Rechtswirklichkeit im vorliegenden Fall eine entsprechende Freistellungsentscheidung gegenüber der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen nicht erfolgt sei.
Rz. 14
f) Auch die Aufklärungsrüge der Beigeladenen genügt nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Da die Beigeladene keinen Beweisantrag in der Berufungsinstanz gestellt hat, kann eine Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes des § 86 Abs. 1 VwGO nur dann angenommen werden, wenn sich dem Verwaltungsgericht eine weitere Ermittlung des Sachverhalts hätte aufdrängen müssen. Aus § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO folgt, dass mit der Aufklärungsrüge schlüssig aufgezeigt werden muss, dass das vorinstanzliche Gericht auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung Anlass zu weiterer Aufklärung hätte sehen müssen. Es muss ferner dargelegt werden, welche tatsächlichen Feststellungen bei der Durchführung der unterbliebenen Aufklärung voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern das unterstellte Ergebnis zu einer günstigeren Entscheidung hätte führen können (BVerwG, Beschlüsse vom 16. März 2011 - 6 B 47.10 - Buchholz 421.2 Hochschulrecht Nr. 174 Rn. 12 und vom 13. September 2006 - 6 B 12.16 - juris Rn. 6).
Rz. 15
Gemessen hieran ist ein Verfahrensfehler nicht hinreichend dargelegt. Dem Verwaltungsgericht mussten sich keine Ermittlungen zu der Frage aufdrängen, ob der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen die zum Schutz ausländischen Vermögens ergangenen Vorschriften in der sowjetischen Besatzungszone bekannt waren oder ob sie sich Zugang zu den einschlägigen Rechtsvorschriften verschaffen konnte. Denn nach der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts kam es nicht darauf an, wie die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen subjektiv die Enteignung verstanden hat, sondern wie sie sie objektiv aufgrund der einschlägigen besatzungshoheitlichen Maßnahmen unter Berücksichtigung der Rechtswirklichkeit in der sowjetischen Besatzungszone verstehen musste.
Rz. 16
g) Das Verwaltungsgericht ist auch nicht dadurch von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 30. Juni 1994 - 7 C 58.93 - BVerwGE 96, 183 ≪188 f.≫) abgewichen, dass es neben einer Enteignung des Unternehmensträgers auch eine Enteignung der Kapitaleigner angenommen hätte. Vielmehr hat das Verwaltungsgericht es ausdrücklich dahinstehen lassen, ob die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen durch die Enteignung der L. AG in Form eines Rechtsverlustes oder lediglich in Form einer Minderung der wirtschaftlichen Substanz ihrer Anteile betroffen war. Ausgehend vom faktischen Enteignungsbegriff reiche es aus, dass sie ihrer Beteiligungsrechte an der enteigneten Aktiengesellschaft wirtschaftlich beraubt worden sei (UA S. 26). Soweit das Verwaltungsgericht im Folgenden bei der Erörterung der Freistellungsvoraussetzungen ebenfalls einen wirtschaftlich-faktischen Maßstab angelegt und keine entsprechende "Modifizierung der Enteignungsentscheidung" (UA S. 28) festgestellt hat, ist es seinem gedanklichen Ansatz treu geblieben und hat keinen anderweitigen Rechtssatz aufgestellt.
Rz. 17
h) Die Revision kann auch nicht wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage zugelassen werden, ob die Aufnahme eines Unternehmensträgers in eine Enteignungsliste nach dem sächsischen Gesetz über die Übergabe von Betrieben von Kriegs- und Naziverbrechern in das Eigentum des Volkes vom 30. Juli 1946 (GVOBl. I S. 305) nicht nur zur Enteignung des Vermögens des Unternehmensträgers, sondern auch zur Enteignung von mittelbaren oder unmittelbaren ausländischen Beteiligungen im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 2 DDR-EErfG führten. Dabei kann offen bleiben, ob diese Frage zur Auslegung eines auf besatzungshoheitlicher Grundlage erlassenen Gesetzes überhaupt revisibel ist. Denn die Frage würde sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Nach dem klaren Wortlaut des § 1 Abs. 2 Satz 2 DDR-EErfG besteht ein Entschädigungsanspruch auch für zunächst freigestellte Beteiligungen von ausländischen Gesellschaftern "an den auf der genannten Grundlage enteigneten Unternehmensträgern". Tatbestandlich wird nur die Enteignung des Unternehmensträgers vorausgesetzt. Nicht maßgeblich ist hingegen, ob die auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage ausgesprochene Enteignung nach damaligem Recht zusätzlich auch die Anteilsrechte erfasst oder ob sie die Beteiligung nur wirtschaftlich entwertet hat. Die Frage bedarf im vorliegenden Verfahren auch nicht bei der Prüfung der Frage, ob eine Freistellung vorliegt, der Klärung. Denn der Begriff der Freistellung ist wie der Begriff der Enteignung in einem faktischen Sinne zu verstehen, so das eine rein normative Verschonung der Beteiligung nicht ausreichen würde. Daher hat das Verwaltungsgericht die Frage offen gelassen und tragend auf die fehlende wirtschaftlich-faktische Freistellung der ausländischen Beteiligung der Beigeladenen abgestellt.
Rz. 18
i) Schließlich kann auch die diesbezügliche Aufklärungsrüge der Beigeladenen keinen Erfolg haben. Die Beigeladene wirft dem Verwaltungsgericht vor, es habe den Umfang der Enteignungswirkung des auf besatzungshoheitlicher Grundlage erlassenen sächsischen Enteignungsgesetzes unzureichend ermittelt und damit gegen seine Aufklärungspflicht in Bezug auf fremdes Recht (vgl. § 86 Abs. 1, § 173 VwGO i.V.m. § 293 ZPO) verstoßen. Bei dieser Rüge wird schon nicht in der nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO gebotenen Weise dargelegt, welche Ermittlungsmaßnahmen das Gericht hätte durchführen müssen, in welcher Weise die Beigeladene auf diesbezügliche Untersuchungsmaßnahmen hingewirkt hat, welches Ergebnis die unterbliebenen Untersuchungen erbracht hätten und aus welchen Gründen etwa die mangelnde Einholung eines Sachverständigengutachtens zu bestimmten Rechtsfragen ermessensfehlerhaft gewesen wäre (vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 18. Dezember 1991 - 1 B 139.91 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 41). Darüber hinaus kann die Aufklärungsrüge auch deswegen keinen Erfolg haben, weil es nach der im Rahmen des § 86 Abs. 1 VwGO maßgeblichen Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts auf die Frage nicht ankommt, ob das genannte Gesetz vom 30. Juli 1946 neben einer Enteignung der Unternehmensträger auch eine Enteignung der Anteilsinhaber nach sich gezogen hat.
Rz. 19
j) Das Verwaltungsgericht hat auch den Anspruch der Beigeladenen auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) nicht verletzt. Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verpflichtet die Gerichte, die Ausführungen und Anträge der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und sich mit ihnen zu befassen. Dagegen gewährt Art. 103 Abs. 1 GG keinen Schutz gegen gerichtliche Entscheidungen, die den Sachvortrag eines Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts teilweise oder ganz unberücksichtigt lassen (BVerfG, Urteil vom 8. Juli 1997 - 1 BvR 1621/94 - BVerfGE 96, 205 ≪216 f.≫ m.w.N.). Das Verwaltungsgericht hat den Vortrag der Beigeladenen nicht ignoriert, dass ihres Erachtens ausländische Beteiligungen im Zuge der Enteignung nach dem sächsischen Gesetz über die Übergabe von Betrieben von Kriegs- und Naziverbrechern in das Eigentum des Volkes vom 30. Juli 1946 (GVOBl. I S. 305) nicht enteignet worden sind. Vielmehr hat es dieses Vorbringen im Tatbestand des Urteils (UA S. 16) referiert und es inhaltlich darauf eingegangen. Es hat jedoch dem rein normativen Verständnis der Beklagten vom Begriff der "Freistellung" einen die Rechtswirklichkeit im Einzelfall einbeziehenden faktischen Freistellungsbegriff entgegengesetzt und deswegen aus Gründen des materiellen Rechts den Anspruch abgelehnt.
Rz. 20
Dabei hat es auch den Vortrag der Klägerin zum Vorliegen einer treuhänderischen Verwaltung der L. AG (Schriftsatz vom 25. Januar 2016 S. 61) im Tatbestand des Urteils zur Kenntnis genommen (UA S. 18 Abs. 2) und im Rahmen der Entscheidungsgründe in Erwägung gezogen. Es hat insbesondere berücksichtigt, dass die L. AG in einer Aufstellung der Industrieverwaltung 39 als von ihr treuhänderisch verwaltetes Vermögen bezeichnet worden ist (UA S. 28 Abs. 3). Das Verwaltungsgericht hat darin jedoch ein singulär gebliebenes, rein verwaltungsinternes Schreiben gesehen, das weder der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen noch der V. AG zur Kenntnis gelangt sei. Daher habe sich bei der Betroffenen nicht der Eindruck verfestigen können, sie wäre zumindest in wirtschaftlicher Hinsicht von den Folgen der Enteignung der L. AG freigestellt worden (UA S. 29). Somit ist das Verwaltungsgericht auch diesem Vorbringen lediglich aus Gründen des materiellen Rechts nicht gefolgt.
Rz. 21
2. Auch die Rügen in Bezug auf die verwaltungsgerichtlichen Rechtsausführungen zum Entschädigungsanspruch nach § 1 Abs. 2 Satz 1 DDR-EErfG können keinen Erfolg haben.
Rz. 22
a) Die Beigeladene hält es im Zusammenhang mit dem in § 1 Abs. 2 Satz 1 DDR-EErfG enthaltenen Tatbestandsmerkmal "vorgesehen" für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob die besatzungsrechtliche oder besatzungshoheitliche Enteignung von Unternehmensträgern nicht zu Entschädigungsansprüchen von Ausländern, die an den enteigneten Unternehmensträgern beteiligt waren, führte, weil das damalige Recht - selbst bei hoheitlichen Verstößen deutscher Behörden gegen sowjetische Normen zum Schutz ausländischer Interessen an den enteigneten Unternehmensträgern - keine Anspruchsgrundlage für eine Entschädigung im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 DDR-EErfG vorgesehen hat.
Rz. 23
Damit wird keine - wie es bei einer Grundsatzrüge geboten wäre - höchstrichterlich noch ungeklärte und für die Revisionsentscheidung erhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufgeworfen (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO ≪n.F.≫ Nr. 26 S. 14 und vom 30. Juni 2006 - 5 B 99.05 - juris Rn. 3). Das Bundesverwaltungsgericht hat bereits zur Auslegung des § 1 Abs. 2 Satz 1 DDR-EErfG ausgeführt, dass Entschädigungen im Sinne dieser Vorschrift bei Enteignungen auf besatzungshoheitlicher Grundlage nur "vorgesehen waren", wenn nach den seinerzeit anzuwendenden gesetzlichen Bestimmungen ein Entschädigungsanspruch bestanden hat (Beschluss vom 13. Dezember 2010 - 5 B 20.10 - ZOV 2011, 44 Rn. 5). Erforderlich ist - wie in den Fällen des Absatzes 1 - ein entsprechend verdichtetes Entschädigungsversprechen (BVerwG, Urteil vom 18. September 2014 - 5 C 18.13 - BVerwGE 150, 200 Rn. 49).
Rz. 24
Neuerlichen oder weitergehenden Klärungsbedarf in Bezug auf die Tatbestandsmerkmale des § 1 Abs. 2 Satz 1 DDR-EErfG zeigt die Beschwerde nicht auf. Ob im vorliegenden Fall auf besatzungshoheitlicher Grundlage ein Entschädigungsversprechen abgegeben worden ist oder ob nach den damals anzuwendenden Rechtsvorschriften ein Entschädigungsanspruch bestanden hat, lässt sich nicht durch Auslegung des § 1 Abs. 2 Satz 1 DDR-EErfG klären. Diese Frage nach dem konkreten Bestehen eines Entschädigungsanspruchs ist - wie bei der besatzungshoheitlichen Enteignung - nur mit Blick auf die Umstände des Einzelfalls und die in der Rechtswirklichkeit zum Ausdruck kommende Anwendung der einschlägigen Vorschriften zu beurteilen (vgl. BVerwG, Urteile vom 13. Februar 1997 - 7 C 50.95 - BVerwGE 104, 84 ≪87 f.≫ und vom 2. März 2000 - 7 C 13.99 - Buchholz 428 § 1 Abs. 8 VermG Nr. 11, jeweils m.w.N).
Rz. 25
Nach diesen Maßstäben ist es nicht - wie die Beilgeladene meint - allein entscheidend, dass in der Besatzungszeit auch in der sowjetischen Besatzungszone deutsches Recht fortgegolten hat und dass die auf besatzungshoheitlicher Grundlage durchgeführten Enteignungen somit theoretisch betrachtet Enteignungsentschädigungsansprüche aus Art. 153 Abs. 2 WRV, Ansprüche aus enteignungsgleichem Eingriff, gewohnheitsrechtliche Aufopferungsansprüche entsprechend §§ 74, 74 Einl. ALR, Staatshaftungsansprüche, deliktische Ansprüche (etwa aus § 823 Abs. 2 BGB), bereicherungsrechtliche Ansprüche oder völkergewohnheitsrechtlich anerkannte Entschädigungsansprüche ausgelöst haben. Vielmehr muss in den von § 1 Abs. 2 Satz 1 DDR-EErfG umschriebenen Fällen einer "steckengebliebenen Enteignung" auch in der Rechtswirklichkeit der damaligen Zeit eine konkrete Aussicht auf Erhalt der Entschädigung bestanden haben. Da es weder in der sowjetischen Besatzungszeit noch in der ehemaligen DDR einen effektiven Rechtsschutz gegen staatliche Enteignungsmaßnahmen gegeben hat, kann nicht allein aus dem theoretischen Bestehen einer Rechtsgrundlage auf die praktische Erreichbarkeit einer Enteignungsentschädigung im Sinne eines hinreichend verdichteten Entschädigungsversprechens geschlossen werden.
Rz. 26
Im Übrigen würde sich die aufgeworfene Frage nach einem besatzungshoheitlichen Entschädigungsanspruch von ausländischen Beteiligungsinhabern hier nicht in dieser Allgemeinheit stellen. Enteignet wurden im vorliegenden Fall die Kapitalanteile einer deutschen Textilfabrik, an der wiederum die ausländische Rechtsvorgängerin der Beigeladenen beteiligt war. Wie das Bundesverwaltungsgericht bereits wiederholt entschieden hat, bestand für mittelbares ausländisches Vermögen kein generelles Enteignungsverbot, sondern nur ein allgemeines Schutzversprechen (Urteile vom 30. Juni 1994 - 7 C 58.93 - BVerwGE 96, 183 ≪185 ff.≫ und vom 13. Februar 1995 - 7 C 53.94 - BVerwGE 98, 1 ≪10 f.≫; Beschlüsse vom 20. April 2000 - 7 B 2.00 - Buchholz 428 § 1 Abs. 8 VermG Nr. 12 S. 46 m.w.N. und vom 24. Juni 2005 - 7 B 6.05 - ZOV 2006, 277 = juris Rn. 5). Infolgedessen beruhten entschädigungslose Enteignungen solcher Vermögenswerte grundsätzlich auf besatzungshoheitlicher Grundlage, wenn sie von der Besatzungsmacht ausdrücklich bestätigt wurden, sonst ihrem generellen oder im Einzelfall geäußerten Willen entsprachen oder von ihr jedenfalls stillschweigend geduldet wurden. Anders verhielt es sich nur dann, wenn die Besatzungsmacht ihr allgemeines Schutzversprechen für mittelbares ausländisches Eigentum im Einzelfall in eine konkrete Handlungsanweisung und damit in ein Enteignungsverbot umgesetzt hatte (BVerwG, Beschluss vom 20. April 2000 a.a.O. m.w.N.).
Rz. 27
b) Entgegen der Ansicht der Beigeladenen hat das Verwaltungsgericht auch nicht unter Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör ihr Vorbringen übergangen, dass sich für einen Entschädigungsanspruch eine Anspruchsgrundlage aus internationalem und deutschem Staatshaftungsrecht ergebe. Art. 103 Abs. 1 GG und § 108 Abs. 2 VwGO gewährleisten, dass das entscheidungserhebliche Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen wird. Das Gericht wird dadurch jedoch nicht verpflichtet, dem Vorbringen der Beteiligten zu folgen. Es muss in seiner Entscheidung auch nicht ausdrücklich und im Einzelnen sämtliche von den Beteiligten im Lauf des Verfahrens vorgetragenen Tatsachen und Rechtsansichten erörtern. Nur wenn im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass aus der Sicht des Gerichts entscheidungserhebliches Vorbringen eines Beteiligten überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung nicht erwogen wurde, liegt ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO vor (stRspr, vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 21. April 1982 - 2 BvR 810/81 - BVerfGE 60, 305 ≪310≫ und vom 19. Mai 1992 - 1 BvR 986/91 - BVerfGE 86, 133 ≪145 f.≫; BVerwG, Urteil vom 20. November 1995 - 4 C 10.95 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 267 S. 22 f.). Das ist hier nicht der Fall.
Rz. 28
Vielmehr hat das Verwaltungsgericht die Argumentation der Beigeladenen zur Kenntnis genommen und im Tatbestand seines Urteils (UA S. 18 Abs. 3) wiedergegeben. Dass es in den Entscheidungsgründen nicht explizit auf dieses Vorbringen eingegangen ist, lässt nicht auf mangelnde inhaltliche Befassung schließen. Das Verwaltungsgericht hat unter Berufung auf höchstrichterliche Rechtsprechung seine Rechtsauffassung deutlich gemacht, dass ein Entschädigungsanspruch im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 DDR-EErfG nur "vorgesehen" ist, wenn Behörden der in der Besatzungsverwaltung oder der ehemaligen DDR angesichts normativer Entschädigungsregeln eine Entschädigung belegbar beabsichtigt oder eine solche sogar konkret begonnen hatten (UA S. 30 Abs. 2; BVerfG, Kammerbeschluss vom 1. August 2012 - 1 BvR 1184/09 - ZOV 2014, 92 Rn. 22; BVerwG, Beschluss vom 19. März 2009 - 5 B 106.08 - Buchholz 428.43 DDR-Entschädigungserfüllungsgesetz Nr. 2 Rn. 10, 12). Nach diesem Maßstab genügt das theoretische Bestehen eines Entschädigungsanspruchs nach deutschem oder internationalem Recht nicht, wenn praktisch in der Rechtswirklichkeit keine belegbare Absicht zur Erfüllung des Entschädigungsanspruchs bestanden hat. Dementsprechend lässt die unterbliebene explizite Erwiderung auf die Argumentation der Beigeladenen auch nicht auf deren mangelnde Berücksichtigung schließen.
Rz. 29
c) Die Revision ist auch nicht wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage zuzulassen, ob § 1 Abs. 2 Satz 1 DDR-EErfG bei der mittelbaren Schädigung ausländischer Beteiligungen stets durch die spezielle Regelung des § 1 Abs. 2 Satz 2 DDR-EErfG verdrängt wird. Diese Frage stellt sich im vorliegenden Fall schon deswegen nicht, weil das Verwaltungsgericht den Anspruch der Beigeladenen aus § 1 Abs. 2 Satz 1 DDR-EErfG mangels Vorliegen eines verdichteten Entschädigungsversprechens und nicht aus Gründen der Spezialität abgelehnt hat. Besteht aber nach Auffassung der Vorinstanz ein Anspruch weder aus § 1 Abs. 2 Satz 1 DDR-EErfG noch aus § 1 Abs. 2 Satz 2 DDR-EErfG, kann die Frage der Spezialität der Anspruchsgrundlagen nicht entscheidungserheblich gewesen sein.
Rz. 30
d) Keine grundsätzliche Bedeutung hat auch die Frage, ob Entschädigungen nur dann im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 DDR-EErfG "vorgesehen" sind, wenn es Bestimmungen gab, die Art und Umfang der Entschädigung näher konkretisierten. Zum einen ist auch diese Rechtsfrage nicht entscheidungserheblich, weil ein entsprechender abstrakter Rechtssatz dem verwaltungsgerichtlichen Urteil nicht zu entnehmen ist. Zum anderen ist die Frage - wie die Beigeladene selbst vorträgt - in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bereits in dem Sinne geklärt, dass das Fehlen von Vorschriften über die Entschädigungshöhe bei Bestehen eines Entschädigungsanspruchs in der Besatzungszeit und bei Nachweis einer behördlichen Entschädigungsabsicht der Besatzungsverwaltung oder der ehemaligen DDR-Behörden nicht schadet (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 1. August 2012 - 1 BvR 1184/09 - ZOV 2014, 92 Rn. 26; BVerwG, Beschlüsse vom 19. März 2009 - 5 B 106.08 - Buchholz 428.43 DDR-Entschädigungserfüllungsgesetz Nr. 2 Rn. 10, 12 und vom 13. Dezember 2010 - 5 B 20.10 - ZOV 2011, 44 Rn. 5, 7).
Rz. 31
e) Die Beigeladene kann auch nicht mit der Verfahrensrüge durchdringen, das Verwaltungsgericht habe seine Überzeugung von der fehlenden tatsächlichen Entschädigungsabsicht der Besatzungs- bzw. DDR-Behörden entgegen § 108 Abs. 1 VwGO auf einer zu schmalen Tatsachengrundlage gewonnen. Zwar liegt ein Verstoß gegen die Verpflichtung des Gerichts, bei seiner freien Überzeugungsbildung das Gesamtergebnis des Verfahrens zu berücksichtigen, auch dann vor, wenn es von einem unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt ausgeht, es insbesondere Umstände übergeht, deren Entscheidungserheblichkeit sich ihm hätte aufdrängen müssen. In solchen Fällen fehlt es an einer tragfähigen Grundlage für die innere Überzeugungsbildung des Gerichts und zugleich für die Überprüfung seiner Entscheidung daraufhin, ob die Grenze einer objektiv willkürfreien, die Natur- und Denkgesetze sowie allgemeine Erfahrungssätze beachtenden Würdigung überschritten ist (BVerwG, Urteil vom 19. Februar 2015 - 1 C 13.14 - BVerwGE 151, 228 Rn. 29 m.w.N.).
Rz. 32
Eine solche Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes ist jedoch nicht erkennbar. Soweit das Verwaltungsgericht seine tatrichterliche Überzeugung einer fehlenden Entschädigungsabsicht auf die Anweisung Nr. 38/56 des Ministeriums der Finanzen der DDR vom 14. November 1956 gestützt hat, nach der keine Entschädigungsverfahren für freigestellte ausländische Beteiligungen durchgeführt werden sollten, ist diese Argumentation weder historisch unrichtig noch lässt sie wesentliche tatsächliche Umstände außer Betracht. Zu Unrecht wirft die Beigeladene dem Verwaltungsgericht vor, es habe die im sogenannten Beyersdorff-Vermerk, in einem Schreiben des Amtes zum Schutze des Volkseigentums beim Minister des Inneren vom 18. Oktober 1950 und den in diversen anderen Unterlagen zum Ausdruck kommenden Entschädigungswillen gegenüber ausländischen Beteiligungsinhabern unberücksichtigt gelassen. Denn das Verwaltungsgericht hat auch diese Unterlagen in den Entscheidungsgründen seines Urteils gewürdigt (UA S. 29 Abs. 3). Es hat den rein verwaltungsinternen Schreiben aber - im Unterschied zur Beigeladenen - keine ausreichende Beweiskraft für eine Entschädigungsabsicht der DDR-Behörden im konkreten Fall beigemessen. Dass das Verwaltungsgericht nach Berücksichtigung sämtlicher relevanter Tatsachen zu einer anderen Gesamtwürdigung gelangt ist als die Beigeladene, ist Ausdruck des Grundsatzes der freien richterlichen Beweiswürdigung nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO und verletzt ihn nicht.
Rz. 33
f) In diesem Zusammenhang ist es ohne Belang, ob die Auffassung des Verwaltungsgerichts zutrifft, auch der Gesetzgeber sei bei Schaffung des § 1 Abs. 2 Satz 2 DDR-EErfG davon ausgegangen, dass es bei zunächst freigestellten ausländischen Beteiligungen wegen der Anweisung Nr. 38/56 des Ministeriums der Finanzen der DDR vom 14. November 1956 an einem hinreichend verdichteten Entschädigungsversprechen gefehlt habe. Ob der Gesetzgeber dies nur für möglich gehalten oder sicher angenommen hat, ist keine Frage der richterlichen Beweiswürdigung, sondern eine Frage des Verständnisses der einschlägigen Gesetzesmaterialien (BT-Drs. 15/1808 S. 13; Protokoll Nr. 33 ≪15. WP≫ des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages vom 8. Oktober 2003 S. 20 ff.) und damit Teil der Gesetzesinterpretation. Dementsprechend könnte ein unrichtiges Verständnis der Gesetzesmaterialien auch nicht den Überzeugungsgrundsatz des § 108 Abs. 1 VwGO verletzen. Im Übrigen wäre diese Frage hier nicht entscheidungserheblich, weil es im vorliegenden Fall der Schädigung einer mittelbaren ausländischen Unternehmensbeteiligung bereits an einer Freistellungserklärung gegenüber den ausländischen Beteiligungsinhabern fehlte, so dass es schon deswegen an einem hinreichend verdichteten Entschädigungsversprechen mangelte.
Rz. 34
g) Keinen Erfolg kann die Beigeladene auch mit der weiteren Gehörsrüge haben, ihre Argumentation, dass die Entschädigungsverordnung von 1956 keine Anspruchsgrundlage für den hier geltend gemachten Anspruch gewesen sei und dass es darum auch nicht auf die darauf bezogene Anweisung Nr. 38/56 ankomme, sei übergangen worden. Denn die Beigeladene hat die Entscheidungserheblichkeit dieses Vorbringens lediglich behauptet, nicht aber im Sinne von § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO substantiiert dargelegt. Da der Entschädigungserfüllungsanspruch des § 1 Abs. 2 Satz 1 DDR-EErfG nur besteht, wenn für eine auf besatzungshoheitlicher oder besatzungsrechtlicher Grundlage durchgeführte Enteignung eine Entschädigung "vorgesehen" gewesen ist, können Ausführungen zur mangelnden Einschlägigkeit einer denkbaren Entschädigungsnorm dem Anspruch nicht zum Erfolg verhelfen. Soweit die Beigeladene auf ihren weiteren Vortrag verweist, dass die Entschädigung ausländischer Beteiligungen als normativ entschädigungsbedürftig angesehen und unabhängig von der Entschädigungsverordnung 1956 in § 1 Abs. 2 Satz 2 DDR-EErfG vorgeschrieben worden sei, ist die Relevanz dieses Rechtsvortrags im Rahmen des Anspruchs aus § 1 Abs. 2 Satz 1 DDR-EErfG weder schlüssig dargelegt noch erkennbar.
Rz. 35
3. Schließlich können auch die Rügen der Beigeladenen zu den völkerrechtlichen Ausführungen des verwaltungsgerichtlichen Urteils keinen Erfolg haben. Zwar ist es zweifelhaft, ob im Falle einer völkerrechtswidrigen Enteignung ein Anspruch - wie das Verwaltungsgericht ausführt - allenfalls in dem Völkerrechtsverhältnis zwischen den betroffenen Staaten besteht. Die höchstrichterliche Rechtsprechung zu Art. 25 GG spricht - wie die Beigeladene zutreffend ausführt - eher dafür, dass ein völkergewohnheitsrechtlich anerkannter Enteignungsentschädigungsanspruch grundsätzlich auch vom Geschädigten unmittelbar gegenüber der Bundesrepublik Deutschland geltend gemacht werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Oktober 2004 - 2 BvR 955/00 u.a. - BVerfGE 112, 1 ≪22≫ = juris Rn. 81; BVerwG, Urteil vom 5. April 2016 - 1 C 3.15 - BVerwGE 154, 328 Rn. 45).
Rz. 36
Diese Frage zur Aktivlegitimation könnte allerdings ebenso wie die von der Beilgeladenen aufgeworfenen Fragen zur Passivlegitimation des begünstigten Verwaltungsträgers nur entscheidungserheblich sein, wenn die Beigeladene sich neben den Ansprüchen aus § 1 Abs. 2 Satz 1 und 2 DDR-EErfG zusätzlich oder alternativ auf einen völkerrechtlichen Entschädigungsanspruch als davon unabhängige Anspruchsgrundlage berufen könnte. Die Beschwerde lässt jedoch bei ihren diesbezüglichen Divergenz-, Grundsatz- und Gehörsrügen die nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO erforderliche Befassung mit dieser entscheidungserheblichen Frage und der dazu einschlägigen höchstrichterlichen Rechtsprechung vermissen (vgl. dazu BVerwG, Beschlüsse vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO ≪n.F.≫ Nr. 26 S. 14 und vom 30. Juni 2006 - 5 B 99.05 - juris Rn. 3).
Rz. 37
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts besteht grundsätzlich keine völkerrechtliche Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland, für eine rechtswidrige Hoheitsmaßnahme der ehemaligen DDR oder der sowjetischen Besatzungsmacht einzustehen (BVerfG, Urteil vom 22. November 2000 - 1 BvR 2307/94 u.a. - BVerfGE 102, 254 ≪297≫ = juris Rn. 211; Beschluss vom 26. Oktober 2004 - 2 BvR 955/00 u.a. - BVerfGE 112, 1 ≪29≫ = juris Rn. 102 ff.). Daher hat das Bundesverwaltungsgericht in den Fällen der so genannten "steckengebliebenen Enteignungen" keine völkerrechtliche Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland anerkannt, das damit verbundene Unrecht durch Rückgängigmachung der Enteignung oder durch Übernahme von völkerrechtlichen Schadensersatz- oder Wiedergutmachungsansprüchen auszugleichen (BVerwG, Beschlüsse vom 24. Februar 1998 - 7 B 42.98 - Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 139 S. 420 = juris Rn. 4, vom 1. Juli 1999 - 7 B 2.99 - Buchholz 428 § 1 Abs. 1 VermG Nr. 5 S. 17 f. = juris Rn. 3 und vom 21. Februar 2017 - 8 B 49.16 - juris Rn. 24).
Rz. 38
Hingegen hat es das Bestehen eines völkerrechtlicher Grundsatzes festgestellt, dass mit dem Übergang des Vermögens des untergegangenen Staates auf den Nachfolgestaat zugleich etwaige noch unerfüllte Entschädigungsverpflichtungen auf diesen übergehen (BVerwG, Beschlüsse vom 1. Juli 1999 - 7 B 2.99 - Buchholz 428 § 1 Abs. 1 VermG Nr. 5 S. 17 f. = juris Rn. 3, vom 9. Mai 2005 - 7 B 144.04 - juris Rn. 11 und vom 21. Februar 2017 - 8 B 49.16 - juris Rn. 24). Dieser von der Rechtsprechung allein anerkannten völkerrechtlichen Verpflichtung hat der Gesetzgeber durch das DDR-Entschädigungserfüllungsgesetz Rechnung getragen (vgl. BT-Drs. 15/1180 S. 15 f.). Da es gerade der Zweck des Gesetzes ist, die zur Erfüllung dieser völkerrechtlichen Entschädigungsverpflichtung erforderlichen konkreten Entschädigungsbemessungsregelungen sowie die notwendigen Verfahrens-, Durchführungs- und Zuständigkeitsvorschriften zu schaffen, ist der völkerrechtlichen Verpflichtung vorrangig durch Anwendung des DDR-Entschädigungserfüllungsgesetzes Rechnung zu tragen (vgl. Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 14. Aufl. 2016, Art. 25 Rn. 4). Dabei ist das Gesetz gegebenenfalls so auszulegen, dass die Bundesrepublik Deutschland - wie von Art. 25 GG geboten - ihrer völkerrechtlichen Entschädigungspflicht nachkommt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 31. März 1987- 2 BvM 2/86 - BVerfGE 75, 1 ≪18 f.≫ = juris Rn. 41 und vom 26. Oktober 2004 - 2 BvR 955/00 u.a. - BVerfGE 112, 1 ≪26≫ = juris Rn. 95 ff.).
Rz. 39
Hat aber ein Staat einen völkerrechtlichen Entschädigungsanspruch in einem einfachen Gesetz ausgeformt oder in einem zwischenstaatlichen Entschädigungsabkommen abschließend befriedigt (vgl. dazu etwa BVerwG, Urteil vom 28. September 1995 - 7 C 50.94 - BVerwGE 99, 276 ≪281 ff.≫; BVerfG, Kammerbeschluss vom 14. Dezember 2006 - 2 BvR 1366/05 - BVerfGK 10, 79), ist für einen nochmaligen Rückgriff auf den völkerrechtlichen Entschädigungsanspruch als alternative Rechtsgrundlage grundsätzlich kein Raum erkennbar (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Februar 2017 - 8 B 49.16 - juris Rn. 24).
Rz. 40
4. Von einer weiteren Begründung wird nach § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO abgesehen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG.
Fundstellen
JZ 2017, 627 |
LKV 2017, 551 |