Verfahrensgang

OVG für das Land NRW (Aktenzeichen 19 A 3147/97)

 

Tenor

Der Antrag des Klägers, ihm Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 24. Februar 2000 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 8 000 DM festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Dem Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts kann nicht entsprochen werden. Wie sich aus den nachstehenden Gründen ergibt, bietet seine Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg (§ 166 VwG0 in Verbindung mit § 114 ZPO).

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

1. Soweit sie geltend macht, die Rechtssache werfe Fragen grundsätzlicher Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO auf, wird sie schon den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO nicht gerecht. Danach sind die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe erforderlich, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll (vgl. BVerwGE 13, 90 ≪91 f.≫). Daran fehlt es.

2. Die Verfahrensrügen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) führen ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision.

a) Zu Unrecht macht die Beschwerde sinngemäß geltend, der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts beruhe auf einer Verletzung der § 130 a Satz 2, § 125 Abs. 2 Satz 3 und § 67 Abs. 3 Satz 3 VwGO, weil das Schreiben des Oberverwaltungsgerichts vom 9. Juli 1999 auf das nicht wirksam zugestellte Anhörungsschreiben des Gerichts vom 12. Mai 1999 Bezug nehme.

Nach § 153 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit § 589 Abs. 1 Satz 2 und § 585 ZPO sowie § 125 Abs. 2 VwGO kann das Berufungsgericht die Restitutionsklage nach vorheriger Anhörung des Klägers durch Beschluss als unzulässig verwerfen (vgl. Beschluss vom 31. Oktober 1995 – BVerwG 5 B 176.95 – Buchholz 310 § 153 VwGO Nr. 29 S. 2). Von dieser Befugnis hat das Oberverwaltungsgericht Gebrauch gemacht. Die Beteiligten sind dazu gemäß § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO durch gerichtliche Verfügungen vom 12. Mai und 9. Juli 1999 gehört worden. Die Anhörungsmitteilung vom 12. Mai 1999 ist zwar unter Verstoß gegen § 67 Abs. 3 Satz 3 VwGO dem anwaltlich vertretenen Kläger selbst durch einfachen Brief übersandt worden. Seine prozessbevollmächtigten Rechtsanwälte haben jedoch nachweislich Kenntnis von dieser Anhörungsmitteilung erhalten. Das ergibt sich zweifelsfrei aus ihrem am 27. Mai 1999 bei dem Oberverwaltungsgericht eingegangenen Schriftsatz vom 25. Mai 1999, in dem ausdrücklich „auf die Verfügung der Berichterstatterin vom 12.05.1999 mitgeteilt wird, dass wir den Wiederaufnahmekläger auch weiterhin vertreten”, und in dem es weiterhin heißt: „Eine (mit der gerichtlichen Verfügung vom 12. Mai 1999 angemahnte) Stellungnahme wegen Zulässigkeit und Begründetheit der Restitutionsklage unseres Mandanten könnte erst erfolgen, sobald ….”. Die Beschwerde macht dementsprechend auch selbst nicht geltend, die Prozessbevollmächtigten des Klägers hätten keine Kenntnis des Inhalts der Anhörungsmitteilung vom 12. Mai 1999 erlangt. Sie rügt vielmehr lediglich den Mangel der gebotenen Zustellung dieser Anhörungsmitteilung an die Prozessbevollmächtigten. Dieser Verfahrensfehler kann jedoch gemäß § 173 VwGO in Verbindung mit §§ 295, 558 ZPO nicht mehr gerügt werden, weil sich aus den Umständen ergibt, dass die Prozessbevollmächtigten des Klägers auf eine Rüge des ihnen bekannten Mangels verzichtet haben (zum konkludenten Rügeverzicht vgl. Beschluss vom 29. Mai 1991 – BVerwG 4 B 71.91 – Buchholz 303 § 295 ZPO Nr. 12 S. 8). Das Berufungsgericht konnte aufgrund ihrer rügelosen Äußerung zu der Anhörungsmitteilung vom 12. Mai 1999 davon ausgehen, dass die Prozessbevollmächtigten des Klägers den Inhalt der Verfügung kannten und auf die Nachholung ihrer förmlichen Zustellung an sie selbst verzichteten. Anders war ihre rügelose Einlassung auf die Anhörungsmitteilung aus der Sicht des Berufungsgerichts nicht zu verstehen. Wenn die Prozessbevollmächtigten des Klägers die an ihn selbst gerichtete Anhörungsmitteilung nicht als wirksam hätten gelten lassen wollen, hätten sie dies dem Oberverwaltungsgericht ausdrücklich mitteilen müssen. Dies gilt umso mehr, als sie in ihrem Schriftsatz vom 25. Mai 1999 ausdrücklich darauf hingewiesen haben, dass eine dem Kläger selbst in beglaubigter Ablichtung überlassene Sitzungsniederschrift einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht unverwertbar sei, weil sie nach § 67 Abs. 3 Satz 3 VwGO dem Prozessbevollmächtigten zuzustellen sei. Das Absehen von einer entsprechenden Rüge hinsichtlich der in diesem Schriftsatz ausdrücklich in Bezug genommenen Anhörungsmitteilung kann deswegen nur als konkludenter Rügeverzicht verstanden werden.

Von einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör kann danach ebenfalls keine Rede sein. Ein solcher Verstoß kann zudem nur dann durchgreifend gerügt werden, wenn der Betroffene zuvor sämtliche ihm verfahrensrechtlich eröffneten und nach Lage der Sache tauglichen Möglichkeiten (erfolglos) ausgeschöpft hat, um sich das rechtliche Gehör zu verschaffen (vgl. BVerfGE 15, 256 ≪267≫; 74, 220 ≪225≫; 79, 80 ≪83 f.≫; BVerwG, Urteil vom 3. Juli 1992 – BVerwG 8 C 58.90 – Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 248 S. 96 ≪99≫ m.w.N.; Beschluss vom 21. Januar 1997 – BVerwG 8 B 2.97 – Buchholz 310 § 102 VwGO Nr. 21 S. 3; stRspr). Das gilt insbesondere dann, wenn Verfahrensvorschriften verletzt werden, deren Haupt- oder Nebenzweck gerade darin besteht, den Beteiligten entsprechend dem verfassungsrechtlichen Gebot des Art. 103 Abs. 1 GG die Gewährung rechtlichen Gehörs zu gewährleisten. Ein solcher Verfahrensverstoß rechtfertigt nur dann die Rüge der Versagung rechtlichen Gehörs, wenn es der betroffenen Partei oder ihrem Prozessbevollmächtigten nicht möglich war, sich mit den Mitteln des Prozessrechts rechtliches Gehör zu verschaffen. Eine anwaltlich vertretene Partei, die von einer ihr insoweit eingeräumten Möglichkeit keinen Gebrauch macht, kann sich später nicht darauf berufen, ihr sei das rechtliche Gehör versagt worden (vgl. Beschluss vom 21. Januar 1997, a.a.O. S. 4 m.w.N.). So liegt es hier.

Die Prozessbevollmächtigten des Klägers hatten die Möglichkeit, den ihnen bekannten Zustellungsmangel zu rügen und das Berufungsgericht zur Zustellung der Anhörungsmitteilung an sie aufzufordern. Das wäre namentlich dann geboten gewesen, wenn ihnen der Kläger die Anhörungsmitteilung vom 12. Mai 1999 nicht übergeben haben sollte und die Anwälte sich deswegen zuverlässige Kenntnis von deren Inhalt hätten verschaffen müssen.

Die weitere Rüge, das Berufungsgericht habe das Verfahren aussetzen müssen, greift ebenfalls nicht durch. Zwar sind nach § 153 VwGO in Verbindung mit § 578 Abs. 2 ZPO die Verhandlung und Entscheidung über die Restitutionsklage bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Nichtigkeitsklage auszusetzen. Eine Verfahrensrüge, die sich gegen die Ablehnung der Aussetzung durch das Berufungsgericht wendet, muss jedoch einen Mangel aufzeigen, der als Folge der beanstandeten Nichtaussetzung des Verfahrens weiterwirkend der angefochtenen Entscheidung über die Restitutionsklage anhaftet (vgl. auch Beschluss vom 22. Dezember 1997 – BVerwG 8 B 255.97 – Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 3 VwGO Nr. 16 S. 11 ≪12≫). Das lässt die Beschwerde vermissen. Sie beanstandet die fehlerhafte Ablehnung der Aussetzung des Verfahrens, rügt also deren Unrichtigkeit. Sie legt aber keinen daraus resultierenden Mangel der Verwerfung der Restitutionsklage als unzulässig dar. Das Berufungsgericht hat die Restitutionsklage in erster Linie deshalb für unzulässig erachtet, weil der Kläger nicht ohne Verschulden außerstande gewesen sei, den Restitutionsgrund in dem früheren Verfahren geltend zu machen. Dass und aus welchen Gründen das Berufungsgericht insoweit bei einer Aussetzung des Verfahrens zu einem für den Kläger günstigeren Ergebnis gelangt wäre, ist der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen. Diese zeigt auch keinen sonstigen Mangel auf, der zum Nachteil des Klägers der angefochtenen Entscheidung fortwirkend anhaftet.

b) Mit der Rüge, der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts beruhe auf dem Verfahrensmangel fehlerhafter Sachverhaltsaufklärung im Sinne des § 86 Abs. 1 VwGO, kann die Beschwerde nicht mehr gehört werden. Dieser Verfahrensfehler wurde nicht innerhalb der gesetzlichen Frist des § 133 Abs. 3 Satz 1 VwGO geltend gemacht.

aa) Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nicht binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses gestellt (§ 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO).

Der angefochtene Beschluss des Oberverwaltungsgerichts wurde den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 7. März 2000 (vgl. Bl. 332 der Gerichtsakte) zugestellt. Die Frist für die Beschwerdebegründung lief am 8. Mai 2000 ab (§ 133 Abs. 3 Satz 1 VwGO). Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ging am 19. Juni 2000 beim Oberverwaltungsgericht ein. Er wird damit begründet, dass das Oberverwaltungsgericht den Prozessbevollmächtigten des Klägers erst aufgrund einer Berichterstatterverfügung vom 4. Mai 2000 (vgl. Bl. 356[R] der Gerichtsakte) Hausarbeitsunterlagen zugesandt habe, die diese zu der Beurteilung benötigt hätten, ob der angefochtene Beschluss auch auf einer fehlerhaften Sachverhaltsaufklärung beruht. Ausweislich der Gerichtsakte teilte das Oberverwaltungsgericht den Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Verfügung vom 15. Mai 2000 (vgl. Bl. 427[R]) mit, dass die Hausarbeitsunterlagen auf der Senatsgeschäftsstelle zur Einsichtnahme bereitlägen. Spätestens drei Tage danach bestand für den Kläger und seine Prozessbevollmächtigten die Möglichkeit der Einsichtnahme. Ab diesem Zeitpunkt entfiel das Hindernis. Die Frist des § 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO begann zu laufen. Der Antrag auf Wiedereinsetzung und die Nachholung der versäumten Handlung gingen erst nach Ablauf der Zweiwochenfrist ein.

bb) Davon abgesehen ist die Rüge der unzureichenden Sachverhaltsaufklärung unbegründet. Denn nach der zu Grunde zu legenden Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts war die Restitutionsklage schon als unzulässig zu verwerfen, so dass es auf die von der Beschwerde vermisste Sachverhaltsaufklärung nicht angekommen wäre.

c) Die Frage eines Verfahrensverstoßes wegen Nichtvorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG stellt sich nicht. Voraussetzung einer Vorlage ist nämlich, dass das Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig hält. Dies ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG.

 

Unterschriften

Dr. Silberkuhl, Dawin, Dr. Kugele

 

Fundstellen

Dokument-Index HI565937

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