Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Aktenzeichen 4 B 96.3650) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 21. Juli 1999 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 2 364 DM festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Der Rechtssache kommt die allein geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung nicht zu (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
Grundsätzlich bedeutsam ist eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrundeliegenden Einzelfall hinausgehenden klärungsbedürftigen Rechtsfrage des revisiblen Rechts zu erwarten ist. Daran fehlt es hier.
Die Beschwerde bezeichnet als klärungsbedürftig die Frage
„der Zulässigkeit der Einschaltung einer Privat-GmbH mit privaten Gewinnerzielungsabsichten in die öffentlich-rechtliche Zwangslage des Anschluß- und Benutzungszwanges”.
Diese Frage betrifft zunächst dem irrevisiblen Landesrecht zuzuordnende Normen des kommunalen Satzungsrechts, deren Auslegung und Anwendung vom Revisionsgericht nicht nachgeprüft wird (vgl. § 137 Abs. 1 VwGO) und eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung nicht rechtfertigen kann. Denn die von der Beschwerde beanstandete Beauftragung der E. Verwertungs- und Abfallentsorgungsgesellschaft mbH (EVA) mit der Erfüllung der Entsorgungsaufgabe ist ebenso wie der im Landkreis W.-S. für die Abfallentsorgung geltende Anschluß- und Benutzungszwang in der dortigen Abfallwirtschaftssatzung (AbfWS) geregelt (vgl. § 2 Abs. 2 Satz 1 und § 5 AbfWS). Kommunales Satzungsrecht – nämlich die Gebührensatzung zur Abfallwirtschaftssatzung (GSAbfWS) – regelt ebenso die Abfallentsorgungsgebühren, deren Erhebung hier streitig ist.
Die aufgeworfene Frage wird auch nicht dadurch zu einer solchen des revisiblen Rechts, daß die Beschwerde zur Begründung, warum sie die Auslegung und Anwendung des Landesrechts durch das Berufungsgericht angreift, verfassungsrechtliche Erwägungen anführt (stRspr; vgl. z.B. Beschluß vom 3. Mai 1995 – BVerwG 1 B 222.93 – Buchholz 451.45 § 113 HwO Nr. 2 S. 1 ≪5≫). Das gilt vor allem für die Überlegung der Beschwerde, die Gebührenerhebung sei mit dem in Art. 20 GG niedergelegten Rechtsstaatsprinzip unvereinbar, weil hier „ein typisches Zwangswirtschaftssystem, welches in der ehemaligen DDR üblich war”, geschaffen worden sei. In der Rechtsprechung ist nämlich geklärt, daß eine Gebühr – unabhängig von ihrer landesrechtlichen Ausgestaltung – nicht in einem Mißverhältnis zu der von dem Träger öffentlicher Verwaltung erbrachten Leistung stehen darf. Dieses sog. Äquivalenzprinzip hat die Rechtsprechung aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und damit aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitet (vgl. Urteil vom 14. April 1967 – BVerwG 4 C 179.65 – BVerwGE 26, 305 ≪308 f.≫; Urteil vom 25. August 1999 – BVerwG 8 C 12.98 – UA S. 9 ≪zur Veröffentl. in der amtl. Sammlung vorgesehen≫). Es ist unzweifelhaft, daß das Äquivalenzprinzip auch dann zu beachten ist, wenn – wie hier – Entgelte für die Inanspruchnahme einer Fremdleistung in die Gebührenkalkulation eingestellt werden. Allerdings beantwortet sich die Frage, welche privatrechtlichen Entgelte im einzelnen berücksichtigt werden dürfen, im wesentlichen zunächst nach dem Kosten- und Vorteilsbegriff, der durch das – irrevisible – Landesabgabenrecht geprägt wird (vgl. z.B. Beschluß vom 4. Dezember 1998 – BVerwG 8 B 184.98 – NVwZ-RR 1999, 336). Die Übereinstimmung der streitigen Gebührenkalkulation mit den sich aus dem bayerischen Kommunalabgabengsetz (KAG) ergebenden Anforderungen hat das Berufungsgericht geprüft und bejaht. Die Beschwerde legt nicht einmal ansatzweise dar, unter welchem Aspekt sich hieraus neue Fragen hinsichtlich der Geltung des Äquivalenzprinzips ergeben, die der Klärung in einem Revisionsverfahren bedürfen.
Es führt unter diesen Umständen nicht weiter, wenn man den Vortrag der Beschwerde in den Blick nimmt, ein „gravierender Verstoß” liege darin, „daß der Bürger über den Umweg des Anschluß- und Benutzungszwangs gezwungen wird, einer privaten GmbH Gewinne zukommen zu lassen”. Das Berufungsgericht verweist zu diesem Einwand auf sein Urteil vom 25. April 1995 – 4 N 94.2947 –, in dem es über eine gegen die Gebührensatzung gerichtete Normenkontrolle entschieden und festgestellt hat, daß die in die Gebührenkalkulation eingestellten Gewinne mit weniger als 2 % des Gesamthaushalts unterdurchschnittlich für die gewerbliche Wirtschaft seien und durch Kostensenkung als Folge der privatwirtschaftlichen Organisation der Abfallentsorgungseinrichtung ausgeglichen würden (UA S. 9). Mangels einer durchgreifenden Verfahrensrüge wäre das Revisionsgericht an diese tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz gebunden (vgl. § 137 Abs. 2 VwGO). Dem Beschwerdevorbringen ist nicht zu entnehmen, warum – ausgehend von diesem Sachverhalt – die Einbeziehung der Gewinne in die Gebührenkalkulation unter dem Aspekt des Äquivalenzprinzips eine klärungsbedürftige Rechtsfrage aufwirft. Die auch bundesrechtlich begründete Befugnis der entsorgungspflichtigen Körperschaft, sich zur Erfüllung der Entsorgungsaufgabe Dritter zu bedienen (früher § 3 Abs. 2 Satz 2 AbfG a.F., jetzt § 16 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG), beinhaltet zwar nicht, daß die dadurch entstehenden Kosten ohne Rücksicht auf ihre Höhe gebührenfähig sind. Sie setzt aber voraus, daß die kalkulatorisch ansatzfähigen Entgelte üblicherweise auch Unternehmergewinne enthalten. Das Äquivalenzprinzip kann gegen dieses Ergebnis zumindest dann nicht ins Feld geführt werden, wenn – wie hier – die Gewinne als kostenneutral anzusehen sind.
Wenn die Beschwerde in diesem Zusammenhang ferner rügt, „daß der Bürger Gebühren bezahlen muß unabhängig davon, ob er Abfall produziert oder überhaupt die Dienste des Abfallentsorgungsunternehmens in Anspruch nimmt”, wendet sie sich speziell gegen die Festsetzung einer Grundgebühr, die sie offenbar für zu hoch hält. Das Berufungsgericht hat sich mit der Frage auseinandergesetzt, ob bei einem Verhältnis von Grundgebühr zu Leistungsgebühr von ca. 55 % zu ca. 45 % der Gebührenmaßstab das Äquivalenzprinzip wahrt. Es bejaht dies zum einen unter Hinweis darauf, daß die verbrauchsunabhängigen Vorhaltekosten der örtlichen Abfallwirtschaft, zu deren Deckung die Grundgebühr beitragen soll, unstreitig mehr als 55 % der Gesamtkosten ausmachen. Zum anderen verweist das Berufungsgericht darauf, daß zumindest in der Mehrzahl der Fälle mit der gewählten Aufteilung zwischen Grund- und Leistungsgebühr noch eine angemessene Abrechnung nach der tatsächlichen Nutzung gewährleistet bleibe (UA S. 11). Hiergegen ist aus bundesrechtlicher Sicht nichts zu erinnern. Zumindest zeigt die Beschwerde nicht überzeugend auf, daß – bei Beachtung der örtlichen Verhältnisse und der Verwaltungspraktikabilität – das Äquivalenzprinzip einen anderen Gebührenmaßstab fordert. Letztlich muß sich die Beschwerde entgegenhalten lassen, daß bei Anwendung des Äquivalenzprinzips – wie bei jeder Verhältnismäßigkeitsprüfung (vgl. Beschluß vom 22. November 1993 – BVerwG 1 B 184.93 – Buchholz 402.24 § 10 AuslG Nr. 134 S. 57 ≪58≫) – Fragen des konkreten Einzelfalls im Vordergrund stehen, so daß fallübergreifende klärungsbedürftige Rechtsfragen nicht verbleiben.
Zwar ist nicht zu verkennen, daß mit zunehmender Höhe der Grundgebühr ein Gebührenmaßstab geschaffen wird, von dem Anreize zur Abfallvermeidung nicht ausgehen können. Der Hinweis der Beschwerde, daß hier eine Verletzung des Art. 20 a GG gegeben sei, geht aber fehl, so daß sich auch daraus der geltend gemachte Grund für eine Zulassung der Revision nicht ergibt. Es ist in der Rechtsprechung geklärt, daß Art. 20 a GG eine Staatszielbestimmung enthält, die dem Normgeber, an den sie sich in erster Linie richtet, zur Konkretisierung einen weiten Gestaltungsspielraum beläßt, ohne ihn auf bestimmte zur Erreichung des Staatsziels heranzuziehende Mittel festzulegen (vgl. Beschluß vom 13. April 1995 – BVerwG 4 B 70.95 – Buchholz 406.11 § 35 BauGB Nr. 309; Beschluß vom 21. September 1995 – BVerwG 4 B 263.94 – Buchholz 406.401 § 20 g BNatSchG Nr. 1; Beschluß vom 19. Dezember 1997 – BVerwG 8 B 234.97 – Buchholz 415.1 Allg.KommR Nr. 142). Wird dennoch – wie hier von der Beschwerde – geltend gemacht, Art 20 a GG gebiete ein bestimmtes Handeln des Normgebers, bedarf es einer vertieften Darlegung, woraus sich eine solche Verpflichtung des Normgebers gerade zu dieser Regelung im einzelnen ergeben und wie der Normgeber ihr auch unter Beachtung der darüber hinaus geltenden Maßstäbe nachkommen kann (vgl. Beschluß vom 10. September 1999 – BVerwG 11 B 22.99 – n.v.). Solche Darlegungen enthält die Beschwerde nicht. Sie fordert in diesem Zusammenhang lediglich, daß „das Gebührenaufkommen des Landkreises rein mengenmäßig festgesetzt” werden solle, und denkt offenbar daran, daß der EVA das vertraglich vereinbarte Entgelt teilweise vorenthalten werden könne. Daß damit noch kein gangbarer Weg aufgezeigt wird, wie ein wirksamer Anreiz für ein umweltschonendes Verhalten der Benutzer geschaffen werden könnte, liegt auf der Hand. Die an das beauftragte Unternehmen zu zahlenden Entgelte stellen tatsächlich anfallende Kosten der Abfallentsorgung dar. Wollte man die Ansatzfähigkeit derartiger Kosten verneinen, hätte dies lediglich zur Folge, daß der allgemeine Verwaltungshaushalt für die nicht durch Gebühren gedeckten Kosten aufzukommen hätte (zutreffend OVG NW, Teilurteil vom 15. Dezember 1994 – 9 A 2251/93 – NVwZ 1995, 1238 ≪1240≫).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 13 Abs. 2, § 14 GKG.
Unterschriften
Hien, Vallendar, Prof. Dr. Rubel
Fundstellen