Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Urteil vom 06.03.2013; Aktenzeichen 3d A 84/12.O) |
Tenor
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 6. März 2013 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
Rz. 1
Die auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sowie auf Divergenz gestützte Beschwerde (vgl. § 67 Satz 1, § 3 Abs. 1 des Disziplinargesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen – LDG NRW – i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO) hat keinen Erfolg. Die gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO auf die in der Beschwerdebegründung vorgebrachten Gesichtspunkte beschränkte Prüfung zeigt keinen Grund auf, der die Zulassung der Revision zu rechtfertigen vermag.
Rz. 2
1. Der Beklagte steht als Polizeikommissar (Besoldungsgruppe A 9) im Dienst des Klägers. Im Jahr 2009 wurde er durch Strafbefehl wegen des Besitzes und der Verbreitung kinderpornographischer Schriften in 7 Fällen nach § 184b Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 4 StGB zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 9 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Der Beklagte hatte sich in den Jahren 2004 und 2008 mindestens 352 Bilder und 6 Videos mit kinderpornografischem Inhalt verschafft, besessen und durch die Nutzung eines Filesharing-Tools öffentlich zugänglich gemacht. Im sachgleichen Disziplinarverfahren hat ihn das Verwaltungsgericht wegen des außerdienstlich begangenen Dienstvergehens aus dem Dienst entfernt. Das Oberverwaltungsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten zurückgewiesen.
Rz. 3
Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Beklagte habe sich eines so schweren außerdienstlichen Dienstvergehens schuldig gemacht, dass es bei einer Gesamtwürdigung aller für und gegen ihn sprechenden Umstände und seines Persönlichkeitsbildes unumgänglich sei, ihn aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. Aus den vom Beklagten nicht bestrittenen strafgerichtlichen Feststellungen ergebe sich, dass er ein Dienstvergehen begangen habe, das wegen der Anzahl der kinderpornografischen Darstellungen, ihres Inhalts mit teilweise massivem Missbrauch von Kleinkindern und der erheblichen Zeitspanne von fast vier Jahren besonders schwer wiege. Aus dem Persönlichkeitsbild des Beklagten seien keine durchgreifenden Anhaltspunkte für eine andere Einschätzung zu entnehmen, zumal sich auf dem beschlagnahmten Computer auch tierpornographische Bilder befunden hätten.
Rz. 4
2. Die vom Beklagten geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache rechtfertigt die Durchführung eines Revisionsverfahrens nicht. Die mit der Beschwerde aufgeworfene Frage, unter welchen Voraussetzungen das außerdienstliche Verhalten eines Beamten die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis zu rechtfertigen vermag, ist für die vom Beklagten begangene Straftat nach § 184b Abs. 1 StGB in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hinreichend geklärt.
Rz. 5
Welche Disziplinarmaßnahme im Einzelfall erforderlich ist, richtet sich gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 BDG und den inhaltsgleichen Bemessungsregelungen der Landesdisziplinargesetze (hier: § 13 Abs. 2 Satz 1 bis 3 LDG NRW) nach der Schwere des Dienstvergehens unter angemessener Berücksichtigung der Persönlichkeit des Beamten und des Umfangs der durch das Dienstvergehen herbeigeführten Vertrauensbeeinträchtigung. Der Bedeutungsgehalt dieser gesetzlichen Begriffe ist in der Rechtsprechung des Senats geklärt (stRspr; vgl. Urteile vom 20. Oktober 2005 – BVerwG 2 C 12.04 – BVerwGE 124, 252 ≪258 ff.≫ = Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 1 S. 5 sowie vom 25. Juli 2013 – BVerwG 2 C 63.11 – ZBR 2014, 47 Rn. 13 ≪zur Veröffentlichung in den Entscheidungssammlungen BVerwGE und Buchholz vorgesehen≫). Danach müssen die sich aus § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 BDG ergebenden Bemessungskriterien mit dem ihnen im Einzelfall zukommenden Gewicht ermittelt und in die Entscheidung eingestellt werden. Dieses Erfordernis beruht letztlich auf dem im Disziplinarverfahren geltenden Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Übermaßverbot). Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller belastenden und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen (vgl. grundlegend: Urteil vom 20. Oktober 2005 a.a.O. S. 258 f. bzw. S. 5; stRspr).
Rz. 6
Hiernach ist die Schwere des Dienstvergehens maßgebendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Dies bedeutet, dass das festgestellte Dienstvergehen nach seiner Schwere einer der im Katalog des § 5 BDG aufgeführten Disziplinarmaßnahme zuzuordnen ist. Für die Bestimmung der Schwere des Dienstvergehens hat die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts generelle Maßstäbe für einzelne Fallgruppen entwickelt. Davon ausgehend kommt es für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme darauf an, ob Erkenntnisse zum Persönlichkeitsbild des Beamten und zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung nach § 13 Abs. 1 Satz 3 und 4 BDG im Einzelfall derart ins Gewicht fallen, dass eine andere als die durch die Schwere indizierte Maßnahme geboten ist (stRspr; vgl. zuletzt Urteil vom 25. Juli 2013 a.a.O. Rn. 17 m.w.N.).
Rz. 7
Für die disziplinarrechtliche Relevanz außerdienstlicher Straftaten (Disziplinarwürdigkeit) und für die Bestimmung der hierfür angemessenen Disziplinarmaßnahme kommt dem gesetzlichen Strafrahmen maßgebende Bedeutung zu. Die Orientierung am Strafrahmen gewährleistet eine rationale und gleichmäßige disziplinarrechtliche Bewertung außerdienstlichen Fehlverhaltens (stRspr, vgl. Urteile vom 25. März 2010 – BVerwG 2 C 83.08 – BVerwGE 136, 173 = Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 11, jeweils Rn. 18 und vom 19. August 2010 – BVerwG 2 C 13.10 – Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 12 Rn. 17). Disziplinarwürdigkeit und Schwere außerdienstlichen Fehlverhaltens hängen maßgebend davon ab, ob ein Bezug zur Dienstausübung des Beamten gegeben ist. Dies setzt voraus, dass das Fehlverhalten nachteilige Schlüsse auf die Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben zulässt oder eine Beschädigung von Autorität und Ansehen des Beamten zur Folge hat, die ihn in der Amtsführung dauerhaft beeinträchtigt (Urteile vom 19. August 2010 – BVerwG 2 C 13.10 – a.a.O. Rn. 14 ff. und – BVerwG 2 C 5.10 – Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 12 Rn. 14 f. und 23).
Rz. 8
Für die disziplinarrechtliche Ahndung des außerdienstlichen Besitzes kinderpornografischer Schriften hat der Senat aus dem seit April 2004 geltenden Strafrahmen des § 184b Abs. 4 StGB von bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe geschlossen, dass für die Maßnahmebemessung jedenfalls dann auf einen Orientierungsrahmen bis zur Zurückstufung abzustellen ist, wenn das Dienstvergehen keinen Bezug zu den dienstlichen Aufgaben des Beamten aufweist (Urteil vom 19. August 2010 – BVerwG 2 C 13.10 – a.a.O. Rn. 26). Hat der Beamte nicht nur kinderpornografische Schriften besessen, sondern diese auch öffentlich zugänglich gemacht, sieht § 184b Abs. 1 StGB in der Fassung des Gesetzes vom 27. Dezember 2003 (BGBl I S. 3007) für dieses Vergehen eine Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren vor. Dieser höhere Strafrahmen ist nach den dargestellten Grundsätzen bei der Maßnahmebemessung erschwerend zu berücksichtigen, sodass der Orientierungsrahmen bis zur Dienstentfernung reicht (Beschluss vom 26. Juni 2012 – BVerwG 2 B 28.12 – juris Rn. 12).
Rz. 9
Von diesen Grundsätzen ist das Oberverwaltungsgericht bei der Bestimmung des Orientierungsrahmens auch ausgegangen. Die darauf aufbauende Annahme des Oberverwaltungsgerichts, das Fehlverhalten des Beklagten wiege in seiner Gesamtheit so schwer, dass er das Vertrauen seines Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig verloren habe, ist einer Grundsatzrüge aber nicht zugänglich. Insoweit richtet sich die Beschwerde gegen die fallbezogene disziplinarrechtliche Würdigung.
Rz. 10
3. Die Revision ist auch nicht wegen Divergenz zuzulassen. Der Vortrag, das Oberverwaltungsgericht habe es unterlassen, sich mit der Tatsache auseinanderzusetzen, dass eine Ansehensschädigung hier nicht tatsächlich, sondern nur potentiell erfolgt sei, zeigt eine “Abweichung” im Sinne des § 67 Satz 1, § 3 Abs. 1 LDG NRW i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO bereits nicht auf.
Rz. 11
Die Behauptung einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die das Bundesverwaltungsgericht in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat, genügt den Zulässigkeitsanforderungen einer Divergenzrüge nicht. Eine die Revision eröffnende Divergenz setzt gemäß § 67 Satz 1, § 3 Abs. 1 LDG NRW i.V.m. § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO vielmehr voraus, dass die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen die Entscheidung tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. Zwischen den Gerichten muss ein prinzipieller Auffassungsunterschied über den Bedeutungsgehalt einer bestimmten Rechtsvorschrift oder eines Rechtsgrundsatzes bestehen (stRspr; vgl. Beschlüsse vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 26 S. 14 f. = NJW 1997, 3328 und vom 1. August 2013 – BVerwG 2 B 77.12 – juris Rn. 22). Derartiges ist der Beschwerde nicht zu entnehmen.
Rz. 12
Im Übrigen weicht das Berufungsurteil auch nicht von den Bemessungsgrundsätzen ab, die der Senat in dem benannten Urteil vom 19. August 2010 – BVerwG 2 C 5.10 – (Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 12 Rn. 20 ff.) für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme bei einem außerdienstlichen Dienstvergehen im Zusammenhang mit kinderpornografischen Schriften aufgestellt hat. Vielmehr kommt es für die maßgebliche Bewertung der Vertrauensbeeinträchtigung nicht darauf an, ob und inwieweit das Dienstvergehen im konkreten Einzelfall in der Öffentlichkeit bekannt geworden ist.
Rz. 13
Bei der disziplinarischen Ahndung eines Dienstvergehens sind das Schuldprinzip und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Aus dem Zusammenspiel von Art. 2 Abs. 1 GG und dem Rechtsstaatsprinzip sowie der wertsetzenden Entscheidung des Art. 1 Abs. 1 GG folgt, dass jede Strafe, nicht nur die Strafe für kriminelles Unrecht, sondern auch die strafähnliche Sanktion für sonstiges Unrecht Schuld voraussetzt. Die Strafe muss in einem gerechten Verhältnis zur Schwere der Tat und dem Verschulden des Täters stehen (BVerfG, Beschlüsse vom 7. Mai 1974 – 2 BvR 276/71 – BVerfGE 37, 167 ≪185≫ und vom 4. Oktober 1977 – 2 BvR 80/77 – BVerfGE 46, 17 ≪27≫; Kammerbeschlüsse vom 19. Februar 2003 – 2 BvR 1413/01 – NVwZ 2003, 1504 = juris Rn. 28 und vom 18. Januar 2008 – 2 BvR 313/07 – NVwZ 2008, 669 f. = juris Rn. 10). Mit dem Schuldprinzip wäre es nicht zu vereinbaren, die Schwere der Sanktionierung eines Dienstvergehens von der Zufälligkeit abhängig zu machen, ob die Medien den gegen einen Beamten erhobenen Vorwurf eines Dienstvergehens als so bedeutsam ansehen, dass sie darüber berichten (Urteil vom 28. Februar 2013 – BVerwG 2 C 62.11 – NVwZ-RR 2013, 693 Rn. 56 f.).
Rz. 14
Im Übrigen hat das Oberverwaltungsgericht die Tatsache, dass der Beklagte den Strafbefehl akzeptiert hat, auch nicht in erschwerender Weise “angelastet”. Ausgeführt ist vielmehr allein, dass dieser Umstand den Beklagten nicht nachhaltig entlasten könne.
Rz. 15
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 74 Abs. 1 LDG NRW i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren bedarf es nicht, weil die Gerichtskosten streitwertunabhängig bestimmt werden (§ 75 Satz 1 LDG NRW i.V.m. Nr. 10 und 62 des Gebührenverzeichnisses zu § 75 LDG NRW).
Unterschriften
Domgörgen, Dr. Kenntner, Dollinger
Fundstellen