Verfahrensgang
Hamburgisches OVG (Urteil vom 27.04.2023; Aktenzeichen 12 Bf 189/21.F) |
VG Hamburg (Entscheidung vom 13.04.2021; Aktenzeichen 33 D 8273/16) |
Tenor
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 27. April 2023 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
Rz. 1
Der Beklagte wendet sich gegen seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis.
Rz. 2
1. Der im Jahr 1961 geborene Beklagte ist Gymnasiallehrer und seit 1998 im Schuldienst der Klägerin. Im Jahre 2001 wurde er zum Studienrat (Besoldungsgruppe A 13) ernannt. Er ist disziplinarrechtlich vorbelastet; im Jahre 2011 wurden durch Disziplinarverfügung seine Dienstbezüge um ein Zehntel für ein Jahr insbesondere deshalb gekürzt, weil er einen Jungen, dessen Klassenlehrer er gewesen war, wiederholt in seine Wohnung eingeladen und dort in seinem Bett neben sich hatte übernachten lassen.
Rz. 3
Im September 2013 stellte das Bundeskriminalamt (BKA) Strafanzeige gegen den Beklagten wegen des Verdachts der Verschaffung des Besitzes kinderpornographischer Schriften. Hintergrund waren Ermittlungen, in deren Rahmen das BKA von kanadischen Ermittlungsbehörden Zugriff auf die Kundendatenbank - namentlich die Daten von mehr als 800 in Deutschland wohnhaften Personen - eines kanadischen Unternehmens erhalten hatte, das über eine Internetseite u. a. Bild- und Filmmaterialien mit kinderpornographischen Inhalten vertrieben hatte.
Rz. 4
Mit rechtskräftig gewordenem Strafbefehl vom 23. Februar 2015 wurde gegen den Beklagten wegen des Besitzes kinderpornographischer Schriften, die ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergeben, eine Geldstrafe in Höhe von 50 Tagessätzen verhängt. Dem zugrunde lag der Besitz von drei CD-ROMs, auf denen u. a. 20 entsprechende kinderpornographische Bilddateien abgespeichert waren.
Rz. 5
Nach Kenntniserlangung von diesem Strafbefehl leitete die Klägerin ein Disziplinarverfahren gegen den Beklagten ein und dehnte es in der Folge auf weitere einschlägige Vorwürfe aus. Das Verwaltungsgericht hat auf die im Jahr 2016 erhobene Disziplinarklage den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der Beklagte habe durch die Verschaffung des Besitzes an neun kinderpornographischen Filmen in der Zeit zwischen dem 5. März 2010 und dem 14. Januar 2011 und deren strafbaren anschließenden Besitz sowie durch die strafbare Besitzverschaffung an zwei kinderpornographischen Bilddateien am 26. August 2003 und durch den strafbaren anschließenden Besitz dieser beiden Dateien ein Dienstvergehen begangen; mit der Speicherung kinder- und jugendpornographischer Dateien auf den CD-ROMs und deren anschließendem Besitz habe er auch insoweit eine disziplinarrechtlich relevante Verfehlung begangen, als dies seinerzeit noch nicht strafbar gewesen sei. Mit dem in der Zeit von Januar 2002 bis August 2003 erfolgtem Herunterladen kinder- und jugendpornographischer Bilddateien, deren Speicherung auf CD-ROMs und deren anschließendem Besitz habe der Beklagte bereits damals ernstliche Zweifel begründet, seinem Amt als Studienrat im Lehrerberuf gerecht zu werden. Dies gelte auch insoweit, als dieses Verhalten seinerzeit noch nicht strafbar gewesen sei und soweit er hinsichtlich des ab November 2008 strafbar gewordenen Besitzes keinen Vorsatz mehr gehabt haben sollte. Der Beklagte sei wegen dieses Dienstvergehens aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. Mit dem Bundesverwaltungsgericht sei davon auszugehen, dass bei einem beamteten Lehrer der außerdienstliche Besitz von kinderpornographischen Schriften - auch bei geringer Anzahl oder von niedrigschwelligem Inhalt - aufgrund des damit verbundenen Vertrauensverlusts beim Dienstherrn und der Allgemeinheit in aller Regel zur disziplinaren Entfernung aus dem Beamtenverhältnis führe. Das gelte nur dann nicht, wenn außergewöhnliche Umstände des Einzelfalls die Annahme des vollständigen Vertrauensverlusts in die Person des Beamten ausnahmsweise widerlegten. Solche außergewöhnlichen Umstände lägen hier nicht vor.
Rz. 6
2. Die gegen die Nichtzulassung der Revision gerichtete und auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung und des Verfahrensfehlers gestützte Beschwerde des Beklagten hat keinen Erfolg. Sie ist zum Teil unzulässig und im Übrigen unbegründet.
Rz. 7
a) Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 65 Abs. 1 HmbDG, § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.
Rz. 8
aa) Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung i. S. v. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, wenn sie eine Frage des revisiblen Rechts von allgemeiner, über den Einzelfall hinausreichender Bedeutung aufwirft, die im konkreten Fall entscheidungserheblich ist. Ein derartiger Klärungsbedarf besteht nicht, wenn die Rechtsfrage bereits geklärt ist oder auf der Grundlage der bestehenden Rechtsprechung mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregeln auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens eindeutig beantwortet werden kann (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 24. Januar 2011 - 2 B 2.11 - NVwZ-RR 2011, 329 Rn. 4, vom 9. April 2014 - 2 B 107.13 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 20 Rn. 9, vom 20. Juni 2017 - 2 B 84.16 - juris Rn. 9 und vom 26. April 2023 - 2 B 41.22 - juris Rn. 5). Die Prüfung des Bundesverwaltungsgerichts ist dabei auf die mit der Beschwerde dargelegten Rechtsfragen beschränkt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).
Rz. 9
bb) Keine der drei von der Beschwerde der Sache nach aufgeworfenen Fragen rechtfertigt die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung.
Rz. 10
(1) Die Beschwerde hält zum einen für grundsätzlich klärungsbedürftig,
"wie das Spannungsverhältnis zwischen den nach § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG notwendigen Feststellungen im Einzelfall und der Praxis der Disziplinargerichte, für bestimmte Delikte und Verhaltensweisen allgemeine Grundsätze zu deren disziplinarrechtlicher Bewertung, einschließlich der Maßnahmebemessung, aufzustellen, aufzulösen ist",
und verweist in diesem Zusammenhang auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Oktober 2019 - 2 C 3.18 - (BVerwGE 166, 389) zur disziplinaren Ahndung des außerdienstlichen Besitzes kinderpornographischen Bildmaterials bei Lehrern, in dem das Bundesverwaltungsgericht Bewertungsmaßstäbe aus gesetzgeberischen Entscheidungen abgeleitet habe, ohne sich mit dem sich daraus ergebenden Spannungsfeld zu der nach § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG für den Einzelfall vorzunehmenden Entscheidung auseinandergesetzt zu haben. Dies rechtfertigt die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung nicht.
Rz. 11
Zwar kann auch eine bereits revisionsgerichtlich geklärte Rechtsfrage wieder im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO klärungsbedürftig werden. Das setzt aber voraus, dass neue Gesichtspunkte vorgebracht werden, die die bisherige Rechtsprechung in Frage stellen und eine erneute revisionsgerichtliche Entscheidung geboten erscheinen lassen (BVerwG, Beschluss vom 14. Mai 2014 - 2 B 96.13 - Buchholz 449 § 46 SG Nr. 22 Rn. 9 m. w. N.). Solche Gesichtspunkte sind der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen.
Rz. 12
Die Beschwerde hat zutreffend die im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urteil vom 24. Oktober 2019 - 2 C 3.18 - BVerwGE 166, 389 Rn. 20 ff. und 31) entwickelten Maßstäbe zur Bemessung der Disziplinarmaßnahme nach § 13 BDG und den inhaltsgleichen Bemessungsregelungen der Länder - hier § 11 Abs. 1 HmbDG (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 19. August 2010 - 2 C 5.10 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 12 Rn. 20 f.) - wiedergegeben, wonach der außerdienstliche Besitz kinderpornographischer Schriften bei Lehrern - auch bei geringer Anzahl oder niederschwelligem Inhalt - aufgrund des damit verbundenen Vertrauensverlustes beim Dienstherrn und der Allgemeinheit in aller Regel zur disziplinaren Entfernung aus dem Dienst führt, wenn nicht außergewöhnliche Umstände des Einzelfalls die Annahme eines vollständigen Vertrauensverlustes ausnahmsweise widerlegen. Diese grundsätzliche Maßnahmebestimmung steht aber - entgegen der Beschwerde - nicht in dem von ihr angenommenen Spannungsverhältnis zur Regelung des § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG über die Disziplinarwürdigkeit außerdienstlichen Verhaltens.
Rz. 13
Zwar bestimmt § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 2 BBG für Bundesbeamte), dass außerdienstliches Verhalten von Beamten nur als Dienstvergehen zu qualifizieren ist, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für ihr Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. August 2000 - 1 D 37.99 - BVerwGE 112, 19 Rn. 13 ff.). Dies schließt aber nach der Rechtsprechung des Senats nicht aus, dass außerdienstliches Fehlverhalten auch nach seiner Typik geeignet sein kann, regelmäßig den erforderlichen Amtsbezug i. S. d. § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG und damit die Disziplinarwürdigkeit entsprechender Verfehlungen zu begründen. Dies ist gerade auch im Fall des hier in Rede stehenden außerdienstlichen Besitzes kinderpornographischer Schriften bei Lehrern anzunehmen (BVerwG, Urteil vom 24. Oktober 2019 - 2 C 3.18 - BVerwGE 166, 389 Rn. 16 ff.). Dieses Verhalten indiziert bei einem Lehrer einen Persönlichkeitsmangel, der Anlass zu Zweifeln gibt, dass er der einem Lehrer als Dienstpflicht obliegenden Erziehungsaufgabe gegenüber den ihm anvertrauten Schülern jederzeit gerecht werden kann. Mit dem Bekanntwerden eines derartigen Fehlverhaltens ist ein Lehrer in der Aufgabenwahrnehmung zumindest stark beeinträchtigt, weil er elementare Rechte gerade derjenigen Personengruppe verletzt hat, deren Schutz und Erziehung ihm als Dienstpflicht obliegen und anvertraut sind. Die mit § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG (vgl. auch § 77 Abs. 1 Satz 2 BBG für Bundesbeamte) beabsichtigte Begrenzungswirkung für die disziplinarrechtliche Relevanz außerdienstlicher Pflichtenverstöße kommt bei Lehrern als Beamten mit einer besonderen Aufgaben- und Vertrauensstellung gegenüber einer besonders verletzlichen Personengruppe - den ihnen anvertrauten Schülern - daher nicht zum Tragen (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - BVerwGE 152, 228 Rn. 12 ff., 39 zum außerdienstlichen Besitz kinderpornographischer Schriften bei Polizeibeamten und Urteil vom 16. Juni 2020 - 2 C 12.19 - BVerwGE 168, 254 Rn. 27 zum außerdienstlichen Besitz kinderpornographischer Bild- und Videodateien bei Justizvollzugsbeamten).
Rz. 14
Die Beschwerde zeigt hierzu keinen neuen Klärungsbedarf auf. Soweit sie auf ihrer Ansicht nach bestehende Besonderheiten im Falle des Beklagten verweist, die bei der Maßnahmebemessung eine abweichende Betrachtung zu seinen Gunsten rechtfertigten, verkennt sie, dass damit keine grundsätzlich klärungsbedürftige Frage benannt wird. Welche außergewöhnlichen Umstände in einem konkreten Fall ausnahmsweise die Annahme des vollständigen Vertrauensverlusts in die Person des betreffenden Beamten widerlegen können, kann nicht in verallgemeinerungsfähiger Form, sondern nur fallbezogen beantwortet werden. Insbesondere lassen sich keine Umstände benennen, die in allen Fällen so außergewöhnlich sind, dass sie stets die Annahme des vollständigen Vertrauensverlusts in die Person des betreffenden Beamten widerlegen könnten (BVerwG, Beschluss vom 16. November 2020 - 2 B 67.20 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 82 Rn. 8).
Rz. 15
(2) Auch die Frage,
"ob bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme neben der Höhe der abstrakten Strafandrohung in den durch den Beamten verletzten Strafgesetzen auch sonstige einschlägige gesetzliche Regelungen zu den Folgen der begangenen Straftat - wie beispielsweise das Bundeszentralregistergesetz und das Jugendarbeitsschutzgesetz - zu berücksichtigen sind",
rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung. Sie ist auf der Grundlage der bisherigen Senatsrechtsprechung zu beantworten, ohne dass es der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf.
Rz. 16
Während Zweck des Disziplinarrechts ist, die Integrität des Berufsbeamtentums und die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung aufrechtzuerhalten, ist Zweck des Verwertungsverbots des § 51 Abs. 1 BZRG, den verurteilten Straftäter nach einer gewissen Zeit vom Makel der Bestrafung zu befreien, um seine Resozialisierung zu erleichtern. Mit dem Zweck des Disziplinarrechts wäre es nicht zu vereinbaren, wenn der Umstand, dass eine Dienstpflichtverletzung zugleich auch eine Straftat darstellt und deshalb als solche geahndet wird, privilegierende Wirkung in der Weise hätte, dass sie eine disziplinarrechtliche Ahnung bei Eintritt der Tilgungsreife nach § 51 Abs. 1 BZRG ausschließen würde. Das Verwertungsverbot nach § 51 Abs. 1 BZRG, wonach die Tat und die Verurteilung dem Betroffenen im Rechtsverkehr nicht mehr vorgehalten und nicht zu seinem Nachteil verwertet werden dürfen, wenn die Eintragung über eine Verurteilung im Register getilgt worden ist oder zu tilgen ist, hat deshalb in Disziplinarverfahren nur die Bedeutung, dass im Rahmen der Bemessung der Disziplinarmaßnahme, bei der das Persönlichkeitsbild des Beamten angemessen zu berücksichtigen ist (vgl. § 11 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 HmbDG, § 13 Abs. 1 Satz 3 BDG), nicht zu Lasten des Beamten auf von § 51 BZRG erfasste Verurteilungen wegen anderer - nicht den Gegenstand des Disziplinarverfahrens bildender - Vergehen abgestellt werden darf. Es hindert dagegen nicht die disziplinarrechtliche Ahndung eines Dienstvergehens, das zugleich eine Straftat darstellt und auch als solche strafrechtlich geahndet worden ist (BVerwG, Beschluss vom 21. November 2013 - 2 B 86.13 - DokBer 2014, 98 Rn. 9 f. m. w. N.).
Rz. 17
Ausgehend hiervon besteht weder Klärungsbedarf für die disziplinarrechtliche Relevanz der von der Beschwerde angeführten Regelungen des Bundeszentralregistergesetzes für die Aufnahme von Verurteilungen wegen Straftaten in Führungszeugnisse und für die Tilgung von Eintragungen im Bundeszentralregister noch für die Regelungen im Jugendarbeitsschutzgesetz zu der Dauer von Beschäftigungs- und Ausbildungsverboten wegen bestimmter Straftaten. Diese Regelungen hindern nicht die disziplinarische Ahndung eines Dienstvergehens, das zugleich eine Straftat ist, und ein Verwertungsverbot nach Eintritt der Tilgungsreife kann nur bei einer nicht den Gegenstand des Disziplinarverfahrens bildenden Straftat von Bedeutung sein. Dementsprechend können beim außerdienstlichen Besitz kinderpornographischen Bildmaterials bei Lehrern Regelungen des Bundeszentralregistergesetzes und des Jugendarbeitsschutzgesetzes einen endgültigen Vertrauensverlust beim Dienstherrn und der Allgemeinheit (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Oktober 2019 - 2 C 3.18 - BVerwGE 166, 389 Rn. 27 ff.) nicht in Frage stellen.
Rz. 18
(3) Dass die Beschwerde schließlich der Sache nach für grundsätzlich klärungsbedürftig hält,
"ob der Umstand, dass einer von mehreren Tatvorwürfen bei Einleitung des Disziplinarverfahrens strafrechtlich verjährt war und disziplinarrechtlich einem Maßnahmeverbot unterlag, der Verhängung der Höchstmaßnahme entgegenstand bzw. ob ein solcher Umstand über die Rechtsfigur der Einheit des Dienstvergehens Teil der rechtlichen Betrachtung werden und als solcher die Verhängung der Höchstmaßnahme rechtfertigen kann",
rechtfertigt ebenfalls nicht die Zulassung der Revision.
Rz. 19
Soweit die Beschwerde von einer disziplinarrechtlichen "Verjährung" - mithin eines Disziplinarmaßnahmeverbots wegen Zeitablaufs gemäß § 17 HmbDG (vgl. auch § 15 BDG) - im vorliegenden Fall ausgeht, steht dies nicht in Übereinstimmung mit den Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts. Das Oberverwaltungsgericht geht zwar bezüglich der Besitzverschaffung der kinderpornographischen Bilder vom 26. August 2003 von einer strafrechtlichen Verjährung, aber nicht von einem Disziplinarmaßnahmeverbot aus. Zwar sind die Formulierungen (S. 43 des Urteilsumdrucks unter aaaa) etwas missverständlich, aber letztlich doch eindeutig so zu verstehen, dass die Pflichtverletzung nur "für sich allein betrachtet" dem Maßnahmeverbot nach § 17 HmbDG unterfallen würde, aber wegen des Grundsatzes der Einheitlichkeit des Dienstvergehens in die disziplinarrechtliche Betrachtung einbezogen werden kann.
Rz. 20
Die Zulässigkeit der Einbeziehung einer strafrechtlich verjährten Pflichtverletzung in die disziplinarrechtliche Betrachtung einschließlich der Maßnahmebemessung über den Grundsatz der Einheitlichkeit des Dienstvergehens ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aber geklärt, ohne dass die Beschwerde weiteren Klärungsbedarf aufzeigt.
Rz. 21
Nach dem Grundsatz der Einheit des Dienstvergehens (§ 77 Abs. 1 Satz 1 BBG, § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG) sind Pflichtverletzungen eines Beamten einheitlich zu würdigen. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass es im Disziplinarrecht nicht primär um die Feststellung und Maßregelung einzelner Verfehlungen geht, sondern um die dienstrechtliche Bewertung des Gesamtverhaltens des Beamten, das im Dienstvergehen als der Summe der festgestellten Pflichtverletzungen seinen Ausdruck findet. Der Beamte wird disziplinarisch nicht gemaßregelt, weil er bestimmte Pflichten verletzt hat, sondern weil er dadurch Persönlichkeitsmängel offenbart, die eine Pflichtenmahnung oder eine Beendigung des Beamtenstatus für geboten erscheinen lassen (BVerwG, Urteile vom 25. August 2009 - 1 D 1.08 - NVwZ 2010, 713 Rn. 63 und vom 17. November 2017 - 2 C 25.17 - BVerwGE 160, 370 Rn. 96). Für den Verlust des disziplinarrechtlichen "Maßregelungsanspruchs" kann danach nicht der bloße Zeitablauf bestimmend sein, sondern allein das Wissen darum, ob das Verhalten des Beamten in seiner Persönlichkeit wurzelt oder nur als ein wesensfremdes Versagen zu werten ist; der Zeitablauf dient in diesem Zusammenhang nur als Beweisanzeichen. Diese Einbettung des Verjährungsgedankens in den Grundsatz der Einheit des Dienstvergehens führt zum Beispiel dazu, dass auch lange zurückliegende Pflichtverletzungen, die für sich allein betrachtet eine Disziplinarmaßnahme wegen Zeitablaufs nicht gerechtfertigt hätten, in die disziplinarische Betrachtung einbezogen werden können und müssen, wenn weitere Pflichtverletzungen hinzutreten, die für sich allein oder zusammen mit den älteren eine nicht der "Verfolgungsverjährung" unterliegende Disziplinarmaßnahme notwendig machen. Die spätere Wiederholung ähnlicher Pflichtverletzungen zeigt nämlich, dass das Verhalten in der Persönlichkeit des Beamten wurzelte. Folgerichtig sind aus der einheitlichen Betrachtungsweise nur solche Pflichtverletzungen auszuscheiden, die mit den übrigen, später hinzugetretenen in keinem inneren oder äußeren Zusammenhang stehen (BVerwG, Urteil vom 14. November 2007 - 1 D 6.06 - Buchholz 235 § 4 BDO Nr. 3 Rn. 58 m. w. N.).
Rz. 22
b) Die Revision ist auch nicht wegen eines Verfahrensfehlers (§ 65 Abs. 1 HmbDG, § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen.
Rz. 23
Die Beschwerde macht geltend, das Berufungsurteil verstoße gegen Denkgesetze, indem es den Vortrag des Beklagten, er sei bei der Bestellung der Filme in Kanada davon ausgegangen, es handele sich um normale, strafrechtlich unbedenkliche Spielfilme, lediglich als (unbeachtlichen) Verbotsirrtum, nicht aber als den Vorsatz ausschließenden Tatbestandsirrtum angesehen habe. Sie rügt damit einen Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Rz. 24
aa) Gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Die Sachverhalts- und Beweiswürdigung einer Tatsacheninstanz ist der Beurteilung des Revisionsgerichts nur insoweit unterstellt, als es um Verfahrensfehler im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO geht. Rügefähig ist damit nicht das Ergebnis der Beweiswürdigung, sondern nur der Verfahrensvorgang auf dem Weg dorthin. Derartige Mängel liegen insbesondere vor, wenn das angegriffene Urteil von einem falschen oder unvollständigen Sachverhalt ausgeht, also beispielsweise entscheidungserheblichen Akteninhalt übergeht oder auf einer aktenwidrigen Tatsachengrundlage basiert. Die Einhaltung der verfahrensmäßigen Verpflichtungen des Tatsachengerichts ist nicht schon dann in Frage gestellt, wenn ein Beteiligter ein aus seiner Sicht fehlerhaftes Ergebnis der gerichtlichen Verwertung des vorliegenden Tatsachenmaterials rügt, aus dem er andere Schlüsse ziehen will als das angefochtene Urteil. Die Beweiswürdigung des Tatsachengerichts darf vom Revisionsgericht nicht daraufhin überprüft werden, ob sie überzeugend ist, ob festgestellte Einzelumstände mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die abschließende Beweiswürdigung eingegangen sind und ob diese Einzelumstände die Würdigung tragen. Solche Fehler sind revisionsrechtlich regelmäßig nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem materiellen Recht zuzuordnen und können einen Verfahrensmangel im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO grundsätzlich nicht begründen. Ein Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz hat jedoch dann den Charakter eines Verfahrensfehlers, wenn das Tatsachengericht allgemeine Sachverhalts- und Beweiswürdigungsgrundsätze verletzt (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 8. Februar 2017 - 2 B 2.16 - juris Rn. 15 und vom 8. Juni 2017 - 2 B 5.17 - juris Rn. 17). Das Ergebnis der gerichtlichen Beweiswürdigung selbst ist vom Revisionsgericht nur daraufhin nachzuprüfen, ob es gegen Logik (Denkgesetze) und Naturgesetze verstößt oder gedankliche Brüche und Widersprüche enthält (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Mai 2007 - 2 C 30.05 - Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 50 Rn. 16 sowie Beschlüsse vom 23. September 2013 - 2 B 51.13 - juris Rn. 19, vom 28. März 2017 - 2 B 9.16 - juris Rn. 17 und vom 30. August 2023 - 2 B 44.22 - juris Rn. 6).
Rz. 25
bb) Danach hat die Beschwerde einen Verfahrensfehler nicht dargetan. Das Berufungsurteil geht davon aus, dass der Beklagte die Filme zur Kenntnis genommen hat und verweist u. a. darauf, dass er nicht geltend mache, sie bis zu deren Löschung niemals angesehen zu haben. Gegen diese im Ergebnis einer Beweiswürdigung getroffene Feststellung erhebt die Beschwerde keine Verfahrensrüge, sondern stellt ihr lediglich den Vortrag entgegen, die Interpretation des Sachvortrags des Beklagten widerspreche den Denkgesetzen. Ausgehend von der Feststellung, dass der Beklagte die Filme zur Kenntnis genommen hat, ist die Einordnung des Berufungsgerichts, dass der Beklagte die Filme bis zu deren Löschung für rechtlich unproblematisch gehalten habe, sei - lediglich - als Verbotsirrtum zu qualifizieren, folgerichtig und keinesfalls ein Verstoß gegen Denkgesetze.
Rz. 26
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren bedarf es nicht, weil für das Verfahren streitwertunabhängig Gebühren nach dem Gebührenverzeichnis der Anlage zu § 76 HmbDG erhoben werden.
Fundstellen
Dokument-Index HI16198266 |