Verfahrensgang
VG Dresden (Urteil vom 24.06.2011; Aktenzeichen 7 K 1176/10) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 24. Juni 2011 ergangenen Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 100 000 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Der Kläger begehrt die Einräumung von Bruchteilseigentum an Grundstücken nach dem Vermögensgesetz. Sein Rechtsvorgänger, der jüdischen Glaubens war, war bis 1937 zu 50 % an einer Offenen Handelsgesellschaft beteiligt, die ein Bankhaus betrieb und der die Grundstücke gehörten. 1935 verkaufte die Gesellschaft die Grundstücke. 1937 übertrug der Rechtsvorgänger des Klägers seinen Gesellschaftsanteil unter Wert an seinen Mitgesellschafter. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen.
Rz. 2
Die auf sämtliche Zulassungsgründe gestützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg.
Rz. 3
1. Der Rechtssache kommt die vom Kläger behauptete grundsätzliche Bedeutung nicht zu (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine für die Revisionsentscheidung erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die bislang höchstrichterlich nicht oder nicht hinlänglich geklärt ist, und die im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf (stRspr, vgl. z.B. Beschlüsse vom 17. August 2009 – BVerwG 6 B 9.09 – Buchholz 421.2 Hochschulrecht Nr. 166 = NVwZ 2009, 1569 und vom 9. September 2011 – BVerwG 8 B 15.11 – ZOV 2011, 226). Daran fehlt es hier.
Rz. 4
Der Kläger meint, der Preis, zu dem sein Rechtsvorgänger seinen Gesellschaftsanteil 1937 an seinen Mitgesellschafter habe verkaufen müssen, sei bereits durch den ebenfalls unterwertigen Verkauf der Grundstücke im Jahre 1935 gedrückt worden. Darin sieht er eine so genannte gestreckte Schädigung seines Rechtsvorgängers. Im Hinblick hierauf bezeichnet er die Rechtsfrage,
ob im Falle einer Unternehmensschädigung durch eine gestreckte Schädigung gemäß § 1 Abs. 6 VermG für den geschädigten Gesellschafter, dessen Beteiligung in Höhe von 50 % erst später entzogen wurde, bei Entziehung eines einzelnen Vermögenswertes ein Rückgabeanspruch auf Bruchteilseigentum gemäß § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG besteht.
Rz. 5
Diese Rechtsfrage würde sich in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht stellen und kann der Rechtssache daher keine grundsätzliche Bedeutung verleihen.
Rz. 6
Zwar kann eine in dem unterwertigen Verkauf der Gesellschaftsbeteiligung im Jahre 1937 liegende Schädigung schon mit früheren Schmälerungen des Unternehmensvermögens begonnen haben, sofern schon diese Schmälerungen von einem auf den Entzug des Gesellschaftsanteils gerichteten Vorsatz getragen waren, wenn also der Schädiger mit seinen Maßnahmen von vornherein auf dessen vollständige Aneignung zielte und die sukzessiven Schädigungsmaßnahmen auf einem identischen Grund beruhten. Allein der Umstand, dass mehrere Teilenteignungen oder andere Schädigungen in ihrer Summe zum vollständigen Eigentumsverlust führen, verknüpft diese Teilakte nicht zu einer einheitlich zu beurteilenden Schädigungsmaßnahme; denn das bloße Zusammentreffen solcher Vorgänge stellt diese noch nicht in einen inneren Zusammenhang (Urteil vom 20. Februar 2003 – BVerwG 7 C 10.02 – Buchholz 428 § 2a VermG Nr. 7 = juris Rn. 12).
Rz. 7
Von einer solchen gestreckten Schädigung kann aber nach den vom Verwaltungsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen, an die das Bundesverwaltungsgericht mangels durchgreifender Verfahrensrügen (s.u.) gebunden ist, im vorliegenden Falle nicht ausgegangen werden. Das Verwaltungsgericht hat auf der Grundlage seiner tatsächlichen Feststellungen zwar angenommen, dass der Rechtsvorgänger des Klägers durch den unterwertigen Verkauf seines Gesellschaftsanteils im Jahre 1937 im Sinne von § 1 Abs. 6 VermG geschädigt wurde. In dem vor 1937 erfolgten Verkauf der Grundstücke können Schmälerungen des Unternehmensvermögens im Sinne einer so genannten gestreckten Schädigung aber jedenfalls deshalb nicht gesehen werden, weil nicht festgestellt oder dargetan ist, dass sie den 1937 erfolgten Entzug des Gesellschaftsanteils einleiteten, also auf den einheitlichen Vorsatz des Schädigers zurückzuführen waren.
Rz. 8
Unabhängig davon fehlte es an der in § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG normierten Voraussetzung, dass die im Wege der Singularrestitution zurückverlangten Vermögensgegenstände nach der Entziehung des Unternehmens aus dem Unternehmensvermögen ausgeschieden sein müssen. Das Verwaltungsgericht hat im angegriffenen Urteil einen Anspruch des Klägers aus § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG deshalb verneint, weil die Grundstücke nicht, wie die Vorschrift voraussetzt, erst nach diesem Zeitpunkt, sondern schon zuvor aus dem Vermögen des von der Offenen Handelsgesellschaft betriebenen Unternehmens – des Bankhauses – ausgeschieden waren.
Rz. 9
Das entspricht der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Der Kläger beruft sich für seine Rechtsauffassung ohne Erfolg auf das Urteil des erkennenden Senats vom 28. April 2004 – BVerwG 8 C 12.03 – (BVerwGE 120, 362 = Buchholz 428 § 1 Abs. 6 VermG Nr. 25). Auch dort wird nicht davon abgewichen, dass der Vermögensgegenstand nur dann im Wege der Singularrestitution verlangt werden kann, wenn er nach der Schädigung aus dem Vermögen des Unternehmens ausgeschieden ist. In jenem Fall hatte das Bundesverwaltungsgericht die Schädigung nicht in dem Entzug eines Unternehmens gesehen (§ 3 Abs. 1 Satz 4 Halbs. 1 VermG), sondern im Entzug einer Beteiligung am Unternehmensträger, zudem in einer Konstellation mit gestufter Beteiligung (§ 3 Abs. 1 Satz 4 Halbs. 2 VermG), und sich im Übrigen mit der Frage der Konkurrenz zwischen Restitutionsansprüchen der (unmittelbar geschädigten) Muttergesellschaft und deren (mittelbar geschädigten) Gesellschaftern auseinandergesetzt. All dies stellte aber den – dort völlig zweifelsfreien – Umstand nicht in Frage, dass die im Wege der Singularrestitution zurückverlangten Vermögensgegenstände (Grundstücke) erst nach der Schädigung, nämlich erst nach dem Entzug der Anteilsrechte am Tochterunternehmen aus dessen Vermögen ausgeschieden waren.
Rz. 10
2. Auch die mit der Beschwerde erhobene Divergenzrüge hat keinen Erfolg. Eine Divergenz ist nicht dargelegt. Der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts oder eines anderen der in der Vorschrift aufgeführten Gerichte aufgestellten ebensolchen (abstrakten) Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. Die nach Auffassung eines Beschwerdeführers divergierenden Rechtssätze müssen einander gegenübergestellt werden (stRspr, vgl. u.a. Beschlüsse vom 20. Dezember 1995 – BVerwG 6 B 35.95 – Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 9 = NVwZ-RR 1996, 712 und vom 17. Dezember 2010 – BVerwG 8 B 38.10 – ZOV 2011, 45 = juris Rn. 15). Das bloße Aufzeigen einer vermeintlich fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die das Bundesverwaltungsgericht oder der Gemeinsame Senat der obersten Bundesgerichte oder das Bundesverfassungsgericht in ihrer Rechtsprechung aufgestellt haben, genügt den Darlegungsanforderungen einer Divergenzrüge nicht (Beschluss vom 17. Januar 1995 – BVerwG 6 B 39.94 – Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 342). So liegt der Fall hier.
Rz. 11
Der Beschwerdeführer benennt zwar vier Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. April 2004 (BVerwG 8 C 12.03), 23. Februar 2006 (BVerwG 7 C 4.05), 13. Dezember 2006 (BVerwG 8 C 3.06) und vom 13. Dezember 2007 (BVerwG 5 C 11.07). Er rügt aber lediglich eine unrichtige Anwendung von in diesen Entscheidungen enthaltenen Rechtssätzen durch das Verwaltungsgericht, zeigt jedoch nicht auf, welche abstrakten entscheidungstragenden Rechtssätze im angefochtenen Urteil ebensolchen in den angeführten Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts widersprechen.
Rz. 12
Nichts Anderes folgt daraus, dass der Beschwerdeführer bei Zugrundelegung der von ihm für verfehlt gehaltenen Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts eine “Wiedergutmachungslücke” sowie eine Ungleichbehandlung des Klägers gegenüber der JCC konstatiert und kritisiert.
Rz. 13
Ebenso wenig zeigt er hinsichtlich der von ihm angenommenen gestreckten Schädigung des Bankhauses … in der Zeit vom 30. Januar 1933 bis zum 29. April 1937 auf, dass das Verwaltungsgericht dem angegriffenen Urteil einen anderen entscheidungstragenden abstrakten Rechtssatz als das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 13. Dezember 2007 (BVerwG 5 C 11.07) zugrunde gelegt hat.
Rz. 14
Das gilt auch für sein Vorbringen, entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts komme es “für die Annahme einer gestreckten Schädigung nicht darauf an, dass ein vollständiger Vermögensentzug vorliegt”. Zwar ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass eine gestreckte Schädigung zumindest voraussetzt, “dass dem Anteilseigner sämtliche Vermögenswerte entzogen bzw. der oder die Anteilseigner als Unternehmensträger ersetzt worden sind”, was hier nicht der Fall gewesen sei. Es wird jedoch kein Widerspruch zwischen diesem Rechtssatz im angegriffenen Urteil und einem gegenteiligen in der angeführten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nachvollziehbar dargetan. Der Beschwerdeführer rügt auch insoweit letztlich allein eine unrichtige Rechtsanwendung durch das Verwaltungsgericht.
Rz. 15
3. Der Beschwerdeführer hat auch keinen Verfahrensfehler im Sinne von § 133 Abs. 2 Nr. 3 VwGO dargetan.
Rz. 16
a) Die Rüge mangelnder Sachaufklärung erfordert nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts u.a. die substantiierte Darlegung (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), welche Tatsachen auf der Grundlage der materiellrechtlichen Auffassung des Tatsachengerichts aufklärungsbedürftig waren, welche für erforderlich und geeignet gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht kamen, welche tatsächlichen Feststellungen dabei voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern diese unter Zugrundelegung der materiellrechtlichen Auffassung des Verwaltungsgerichts zu einer für den Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung hätten führen können (vgl. Urteil vom 22. Januar 1969 – BVerwG 6 C 52.65 – BVerwGE 31, 212 ≪217 f.≫ = Buchholz 237.5 § 106 HessBG 62 Nr. 1, Beschlüsse vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 (n.F.) VwGO Nr. 26 S. 14 f. und vom 18. Juni 1998 – BVerwG 8 B 56.98 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 154 S. 475). Dem genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Rz. 17
In der Ablehnung des Beweisantrages liegt auch keine Verletzung des Anspruchs aus Art. 103 Abs. 1 GG. Das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei der Entscheidungsfindung in Erwägung zu ziehen. Demnach muss das Gericht einem Beweisangebot nachgehen, wenn die unter Beweis gestellte Tatsachenbehauptung nach seinem Rechtsstandpunkt erheblich ist und die Nichtberücksichtigung des Beweisangebots im Prozessrecht keine Stütze findet (Beschlüsse vom 14. Juni 2005 – BVerwG 2 B 108.04 – Buchholz 235.1 § 58 BDG Nr. 1 und vom 15. September 2011 – BVerwG 5 B 23.11 –; BVerfG, Kammerbeschluss vom 22. Januar 2001 – 1 BvR 2075/98 – NJW-RR 2001, 1006). Die Ablehnung des auf Einholung eines Sachverständigengutachtens gerichteten Beweisantrages wegen mangelnder Entscheidungserheblichkeit war hiernach nicht rechtsfehlerhaft. Denn das Verwaltungsgericht hat bereits den Anwendungsbereich der zugunsten eines Anspruchs des Beschwerdeführers in Betracht kommenden Vorschriften verneint, so dass die Ablehnung des Beweisantrages unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts keinen Verfahrensmangel darstellen kann, auf dem das angegriffene Urteil beruhen könnte.
Rz. 18
Auch im Übrigen ist ein – sinngemäß – vom Beschwerdeführer geltend gemachter Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) und gegen den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) wegen nach seiner Auffassung unvollständiger Berücksichtigung seines Vorbringens nicht ersichtlich. Es fehlt auch insoweit bereits an einer hinreichenden Darlegung der Entscheidungserheblichkeit des angesprochenen Vorbringens.
Rz. 19
Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO abgesehen.
Rz. 20
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf §§ 47, 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Prof. Dr. Dr. h.c. Rennert, Dr. von Heimburg, Dr. Deiseroth
Fundstellen