Entscheidungsstichwort (Thema)
Personalversammlung. Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit von Dienststelle und Personalvertretung
Normenkette
PersVG Berlin § 2 Abs. 1, § 47 Abs. 1-2; BPersVG § 2 Abs. 1, § 49 Abs. 1-2
Verfahrensgang
OVG Berlin (Beschluss vom 21.04.1983; Aktenzeichen PV Bln 10.82) |
VG Berlin (Beschluss vom 07.06.1982; Aktenzeichen FK Bln A 4.82) |
Tenor
Die Beschlüsse des Oberverwaltungsgerichts Berlin – Fachsenat für Personalvertretungssachen – vom 21. April 1983 und des Verwaltungsgerichts Berlin – Fachkammer für Personalvertretungssachen Berlin A – vom 7. Juni 1982 werden aufgehoben.
Es wird festgestellt, daß die Beteiligte nicht berechtigt ist, Veranstaltungen der Dienststelle, die nicht nach den Vorschriften des Personalvertretungsgesetzes Berlin einberufen werden, als „Personalversammlung” oder als „Personal-Versammlung” zu bezeichnen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligte, die Krankenhausleitung des H.-Krankenhauses – Krankenhausbetrieb von Berlin-R. –, lud die Beschäftigten durch ihren Verwaltungsleiter am 16. Oktober 1981 zu einer „Personalversammlung” im Mehrzweckraum des örtlichen Bereichs T. Straße ein, in der über den aktuellen Stand der Pflegesatzverhandlungen berichtet werden sollte. Obwohl der Antragsteller gegen die Verwendung des Begriffes „Personalversammlung” Bedenken erhoben hatte, berief die Beteiligte die Beschäftigten am 10. Dezember 1981 wiederum zu einer „Personal-Versammlung” in die Kantine des Krankenhauses T.-Süd zum Thema „Vereinbarung zwischen Land Berlin und Krankenkassen über Pflegesätze und strukturelle Maßnahmen der städtischen Krankenhäuser, Konsequenzen für das H.-Krankenhaus sowie Aussprache” ein. Der Antragsteller forderte daraufhin die Rücknahme dieser Einladung mit der Begründung, daß die Krankenhausleitung nach § 47 Abs. 2 PersVG lediglich die Einberufung einer Personalversammlung durch den Personalrat verlangen könne. Der Verwaltungsleiter vertrat demgegenüber die Auffassung, daß der Begriff der „Personalversammlung” rechtlich nicht geschützt sei, so daß er weiterhin derartige Einladungen aussprechen dürfe. Einen Antrag des Antragstellers, die Durchführung der „Personal-Versammlung” durch einstweilige Verfügung zu verhindern, lehnte das Verwaltungsgericht ab.
Der Antragsteller hat daraufhin das personalvertretungsrechtliche Beschlußverfahren eingeleitet mit dem Antrag,
festzustellen, daß die Beteiligte nicht berechtigt ist, Veranstaltungen der Dienststelle, die nicht nach den Vorschriften des Personalvertretungsgesetzes Berlin einberufen werden, als „Personalversammlung” zu bezeichnen.
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag abgewiesen. Gegen diesen Beschluß hat der Antragsteller Beschwerde eingelegt und seinen Antrag dahin erweitert, daß er sich auch auf die Verwendung des Wortes „Personal-Versammlung” bezieht. Das Oberverwaltungsgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen, im wesentlichen aus folgenden Gründen:
Als Personalversammlung im Sinne des Abschnitts III des Personalvertretungsgesetzes könnten nur solche Veranstaltungen angesehen werden, die unter Beachtung der in den §§ 45 ff. PersVG enthaltenen Bestimmungen durchgeführt würden; Versammlungen des Personals, die unter Nichtbeachtung dieser Vorschriften abgehalten würden, seien keine Personalversammlungen im Sinne des Gesetzes, sondern Beschäftigtenversammlungen eigener Art, selbst wenn sie als Personalversammlungen bezeichnet würden. Zwischen den Verfahrensbeteiligten sei unstreitig, daß die Beteiligte mit den Einladungen die Dienstkräfte zu Informationsveranstaltungen habe versammeln und nicht eine Personalversammlung im Sinne des Abschnitts III des Personalvertretungsgesetzes mit ihnen habe abhalten wollen. Auch der Text der Einladungen gebe keinen Hinweis darauf, daß die Beteiligte die Gesamtheit der Dienstkräfte des H.-Krankenhauses in ihrer Eigenschaft als Organ des Personalvertretungsrechts habe zusammenrufen wollen. Das Gesetz selbst verbiete es dem Dienststellenleiter nicht, für die von ihm einberufenen Zusammenkünfte der Dienststelle das Wort „Personalversammlung” zu verwenden. Dabei sei zu berücksichtigen, daß nach §§ 17 Abs. 2 und 3, 19 Abs. 2 PersVG auch Versammlungen von Dienstkräften einer Dienststelle ohne Personalrat als Personalversammlung bezeichnet würden.
Die Einladung der Dienststelle zu einer „Personalversammlung” verstoße auch nicht gegen das Verbot der Behinderung der Personalratsarbeit in § 107 BPersVG. Der Begriff der Behinderung sei zwar umfassend auszulegen, weshalb als Behinderung jede Form der Beeinträchtigung der Aufgabenwahrnehmung anzusehen sei, von der Erschwerung und Störung bis zu der Verhinderung. Der Sachverhalt des vorliegenden Verfahrens biete jedoch keinen Anhaltspunkt dafür, daß der Tatbestand der Behinderung objektiv erfüllt sein könnte.
Schließlich könne der von dem Antragsteller erhobene Anspruch auch nicht aus dem Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit in § 2 Abs. 1 PersVG hergeleitet werden. Die Erhaltung eines dem Wohl der Dienstkräfte und der Erfüllung der dienstlichen Aufgaben förderlichen Arbeits- und Betriebsklimas lasse es zwar als angemessen erscheinen, daß sowohl von Seiten der Dienststelle als auch von Seiten der Personalvertretung keine mehrdeutigen oder mißverständlichen Bezeichnungen für ihre Aufgabenerfüllung verwendet würden. Zur vertrauensvollen Zusammenarbeit gehöre die Vermeidung einer Ausdrucksweise, die den Anschein erwecke, es werde in den Zuständigkeitsbereich des jeweils anderen Partners eingegriffen, zumal wenn eine andere Wortwahl unschwer möglich sei und sich anbiete. Daraus folge jedoch kein Anspruch des Antragstellers auf Unterlassen der Verwendung der streitigen Bezeichnung durch die Beteiligte. Es sei nichts dafür vorgetragen oder ersichtlich, daß durch die Wortwahl des Verwaltungsleiters der Beteiligten die Arbeit des antragstellenden Personalrats beeinträchtigt worden sei oder bei einer künftigen Verwendung beeinträchtigt sein könnte.
Gegen diesen Beschluß hat der Antragsteller die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Rechtsbeschwerde eingelegt, mit der er sein Feststellungsbegehren weiterverfolgt. Er macht geltend, entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts handele es sich bei dem Begriff „Personalversammlung” („Personal-Versammlung”) um einen geschützten Rechtsbegriff. Dieser Begriff sei im Rechtsbewußtsein der Bevölkerung derart verankert, daß es sich nur um eine Veranstaltung nach dem Personalvertretungsgesetz handeln könne. Die Beteiligte verstoße gegen das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit, wenn sie Informationsveranstaltungen mit diesem Begriff bezeichne.
Die Beteiligte beantragt,
die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig. Insbesondere hat der Antragsteller ein Rechtsschutzbedürfnis an der begehrten Feststellung, auch wenn sich die Maßnahmen der Beteiligten, die das personalvertretungsrechtliche Beschlußverfahren ausgelöst haben, bereits vor Einleitung des Verfahrens erledigt haben. Denn die Streitfrage, ob der Dienststellenleiter Veranstaltungen der Dienststelle, die nicht nach den Vorschriften des Personalvertretungsgesetzes Berlin einberufen werden, als „Personalversammlung” oder „Personal-Versammlung” bezeichnen darf, kann sich jederzeit erneut stellen. Die Beteiligte hat zwar erklärt, daß es sich bei den von ihr einberufenen Informationsveranstaltungen nicht um Personalversammlungen im Sinne des Personalvertretungsgesetzes gehandelt habe. Sie ist jedoch weiterhin der Auffassung, daß sie nicht aus rechtlichen Gründen gehindert ist, bei Einladungen zu Informationsversammlungen diese Begriffe zu verwenden. Es ist daher schon aus Gründen der Prozeßwirtschaftlichkeit geboten, die Streitfrage in dem anhängigen Beschlußverfahren zu klären.
Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Das Oberverwaltungsgericht hat die Beschwerde des Antragstellers gegen den erstinstanzlichen Beschluß zu Unrecht zurückgewiesen. Es hätte vielmehr diesen Beschluß aufheben und dem Feststellungsbegehren des Antragstellers entsprechen müssen. Der Dienststellenleiter verstößt gegen den Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Dienststelle und Personalvertretung (vgl. § 2 Abs. 1 PersVG Berlin = § 2 Abs. 1 BPersVG), wenn er eine von ihm zur Information der Beschäftigten einberufene Versammlung als „Personalversammlung” oder als „Personal-Versammlung” bezeichnet.
Dieser die Dienststellenverfassung beherrschende Grundsatz ist nicht nur bei der Auslegung der im Personalvertretungsgesetz konkret normierten Verhaltensvorschriften und Beteiligungsbefugnisse zu beachten, sondern enthält ein allgemeines Verhaltensgebot für den Dienststellenleiter und den Personalrat. Ausfluß dieses Grundsatzes ist das für den Dienststellenleiter in § 107 BPersVG enthaltene Verbot, die Mitglieder personalvertretungsrechtlicher Einrichtungen in der Ausübung ihrer Tätigkeit zu behindern. Darüber hinaus soll durch den Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Dienststelle und Personalrat sichergestellt werden, daß jede Seite es der anderen ermöglicht, die ihr obliegenden Aufgaben zu erfüllen, und daß etwaige Meinungsverschiedenheiten in den vom Gesetz vorgesehenen Formen bereinigt werden. Dienststellenleiter und Personalrat müssen, wie das Beschwerdegericht zutreffend darlegt, zur einvernehmlichen Lösung von Streitfragen bereit sein und gegenseitig ihren gesetzlichen Aufgabenbereich respektieren. Sie sind daher zur Erhaltung eines dem Wohl der Beschäftigten und der Erfüllung der dienstlichen Aufgaben förderlichen Arbeits- und Betriebsklimas gehalten, mehrdeutige oder mißverständliche Bezeichnungen für ihre Aufgabenerfüllung zu vermeiden.
Der Begriff der Personalversammlung hat aber im Personalvertretungsrecht eine bestimmte rechtliche Bedeutung. Die Personalversammlung ist ein Organ der Personalvertretung (BVerwGE 14, 206 ≪208≫; 49, 259 ≪268≫), das als örtliche Einheit der Gesamtheit der Beschäftigten einer Dienststelle der zuständigen Personalvertretung gegenübersteht (Fürst, GKÖD V, K § 48 Rz 5). Sie hat fast ausschließlich den Zweck, die Beschäftigten der Dienststelle über die Arbeit des in der Dienststelle gebildeten Personalrats zu unterrichten, ihnen darüber hinaus weitere mit ihrem Beschäftigungsverhältnis und der Dienststelle zusammenhängende Informationen zu verschaffen und ihnen Gelegenheit zu Aussprache und Erfahrungsaustausch zu geben. Nach ihrem Zweck und ihrer rechtlichen Ausgestaltung hat die Personalversammlung mithin den Charakter eines dienststelleninternen Ausspracheforums. Die in der Personalversammlung zusammengefaßten Beschäftigten haben zwar keine Entscheidungsbefugnisse; sie können jedoch durch ihre Anregungen auf die Meinungsbildung und die Arbeit des Personalrats als des eigentlichen und allein entscheidungsbefugten personalvertretungsrechtlichen Organs indirekten Einfluß nehmen (vgl. BVerwGE 70, 69 ≪71≫). Zuständig zur Einberufung der Personalversammlung ist – soweit es sich nicht ausnahmsweise um eine Personalversammlung zur Wahl eines Wahlvorstandes handelt (§§ 17 Abs. 2 und 3, 19 Abs. 2 PersVG Berlin = § 20 Abs. 2, § 23 Abs. 1 BPersVG) – der Personalrat, und zwar auch dann, wenn der Dienststellenleiter oder ein Viertel der Beschäftigten dies verlangen (§ 47 Abs. 1 und 2 PersVG Berlin = § 49 Abs. 1 und 2 BPersVG).
Die Einladung zu einer „Personalversammlung” oder einer „Personal-Versammlung” durch den Dienststellenleiter ist demnach geeignet, bei den Beschäftigten einmal schon den Irrtum, daß eine solche Versammlung tatsächlich einberufen ist, entstehen zu lassen, zum anderen aber vor allem Mißverständnisse über den gesetzlichen Aufgabenbereich der Personalvertretung hervorzurufen. Denn der Dienststellenleiter erweckt damit den Anschein, als sei er entgegen der gesetzlichen Zuständigkeitsregelung zur Einberufung einer Personalversammlung im personalvertretungsrechtlichen Sinn befugt und als sei er berechtigt, die Tagesordnung dieser Versammlung festzulegen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob nach den Umständen des konkreten Falles dieses Mißverständnis bei dem Beschäftigten entstehen kann und ob durch die Wortwahl die Tätigkeit des Personalrats tatsächlich beeinträchtigt wird. Im Interesse einer vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Dienststelle und Personalvertretung muß schon die Möglichkeit eines derartigen Mißverständnisses vermieden werden. Dies gilt umsomehr, als der Dienststellenleiter eine von ihm zur Information der Beschäftigten einberufene Versammlung auch anders bezeichnen kann, ohne deren Zweck dadurch zu beeinträchtigen.
Unterschriften
Prof. Dr. Gützkow, Dr. Eckstein, Dr. Schinkel, Nettesheim, Ernst
Fundstellen