Verfahrensgang
Hamburgisches OVG (Urteil vom 06.02.2009; Aktenzeichen 12 Bf 363/07.F) |
Tenor
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 6. Februar 2009 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
Rz. 1
Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
Rz. 2
1. Der Beklagte, ein Polizeihauptmeister, wurde wegen (außerdienstlichen) sexuellen Missbrauchs von Kindern (§ 176 Abs. 1 StGB) in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten (mit Bewährung) rechtskräftig verurteilt. Ein weiteres Strafverfahren wegen sexuellen Missbrauchs eines Mädchens wurde nach § 153a Abs. 2 StPO gegen Zahlung einer Geldbuße eingestellt. Zu den zwischen 9-12 Jahre alten Mädchen hatte der Beklagte als Übungs- und Jugendgruppenleiter in einem Sportverein Kontakt; die Übergriffe ereigneten sich in Trainingscamps und auf Wochenendfreizeiten. Überwiegend streichelte er die Mädchen länger an der Brust und zumeist auch am Bauch (stets unter der Kleidung), zweimal im entblößten Intim-/Genitalbereich und Po…. Die Handlungen erregten ihn sexuell. Im sachgleichen Disziplinarklageverfahren hat das Berufungsgericht die Entfernung aus dem Dienst bestätigt.
Rz. 3
2. Die vom Beklagten geltend gemachte rechtsgrundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 65 Abs. 1 HmbDG iVm § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kommt der Sache nicht zu.
Rz. 4
a) Der Beklagte macht unter Bezugnahme auf den Beschluss vom 10. Dezember 2008 im Verfahren BVerwG 2 B 73.07 (jetzt BVerwG 2 C 83.08) geltend, das Verfahren sei geeignet zur Klärung der Frage beizutragen, wie das Dienstvergehen des außerdienstlichen sexuellen Missbrauchs eines Kindes nach seiner Schwere bei der prognostischen Gesamtwürdigung zu gewichten sei. Sein Fall unterscheide sich insoweit von dem Verfahren BVerwG 2 B 73.07 (jetzt BVerwG 2 C 83.08), als dort zusätzlich zur Verurteilung wegen Kindesmissbrauchs nach § 176 StGB in Tateinheit eine Verurteilung wegen Missbrauchs Schutzbefohlener gemäß § 174 StGB im Raum stehe.
Rz. 5
Diese Ausführungen rechtfertigen nicht mehr die Zulassung der Revision, nachdem der Senat mit Urteil vom 25. März 2010 – BVerwG 2 C 83.08 – (zur Veröffentlichung vorgesehen) entschieden hat, dass die Schwere des Dienstvergehens gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 BDG – gleiches gilt gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 HmbDG (vgl. Beschluss vom 29. Januar 2009 – BVerwG 2 B 34.08 –) – richtungweisend für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme ist. Sie indiziert bei einem außerdienstlichen sexuellen Missbrauch eines Kindes gemäß § 176 Abs. 1 StGB, der mit einer Freiheitsstrafe geahndet wurde, die Höchstmaßnahme, wenn es in der Gesamtheit an hinreichend gewichtigen entlastenden Gesichtspunkten fehlt (Urteil vom 25. März 2010 a.a.O. Rn. 18 und LS).
Rz. 6
Ungeachtet der Schwere des mit einer Freiheitsstrafe geahndeten sexuellen Missbrauchs eines Kindes im Sinne des § 176 Abs. 1 StGB können über das Eigengewicht der Tat hinaus weitere erschwerende Umstände hinzutreten. Darauf kommt es an, wenn dem Beamten nach dem Grundsatz “in dubio pro reo” mildernde Umstände von erheblichem Gewicht zugute kommen (Urteil vom 25. März 2010 a.a.O. Rn. 21).
Rz. 7
Der Umstand, dass in Tateinheit mit dem Kindesmissbrauch der Missbrauch einer Schutzbefohlenen (§ 174 StGB) verwirklicht wird, wirkt sich neben dem Eigengewicht der Tat nicht zusätzlich erschwerend aus. Etwas anderes könnte dann gelten, wenn dem Beamten – etwa einem Lehrer – dienstlich Kinder anvertraut sind, da dann dem außerdienstlichen Fehlverhalten zugleich eine Indizwirkung für die Erfüllung der Dienstpflichten zukommt (Urteil vom 25. März 2010 a.a.O. Rn. 22).
Rz. 8
b) Der Beklagte hält außerdem für grundsätzlich klärungsbedürftig, welche Bedeutung bei einem außerdienstlichen sexuellen Missbrauchs eines Kindes nach § 176 StGB bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme der Feststellung zukomme, dass es bei dem Beamten im privaten Bereich – verglichen mit anderen Kollegen – ein erhöhtes Risiko für strafbare sexuelle Übergriffe gegenüber Kindern gebe und welche Feststellungen hierfür erforderlich seien.
Rz. 9
Auch diese Frage rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision, denn sie ist nicht entscheidungserheblich. Wie der Senat im Urteil vom 25. März 2010 (a.a.o. Rn. 21) entschieden hat, kommt es wegen der Schwere des mit einer Freiheitsstrafe geahndeten sexuellen Missbrauchs eines Kindes im Sinne des § 176 Abs. 1 StGB auf weitere erschwerende Umstände nur dann an, wenn dem Beamten nach dem Grundsatz “in dubio pro reo” mildernde Umstände von erheblichem Gewicht zugute kommen (Urteil vom 25. März 2010 a.a.O. Rn. 21). Solche mildernden Umstände von erheblichem Gewicht hat das Berufungsgericht aber nicht festgestellt und werden vom Beklagten auch nicht ansatzweise mit der Beschwerde geltend gemacht.
Rz. 10
c) Der Beklagte sieht als grundsätzlich bedeutsam außerdem die Frage an, ob die bloße Möglichkeit eines Ansehensverlustes genügt oder ob und in welchem Umfang ein Ansehensverlust tatsächlich festgestellt werden muss.
Rz. 11
Diese Frage lässt sich bereits anhand des Gesetzeswortlauts beantworten. Zwar wird der Ansehensverlust in § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 und Abs. 2 HmbDG erwähnt, er lässt sich aber nicht vom Dienstvergehen nach § 81 Abs. 1 Satz 2 HmbLBG a.F. (heute § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG, entsprechend § 77 Abs. 1 Satz 2 BBG) trennen, dessen Schwere Maßstab für die Disziplinarmaßnahme ist. Nach § 81 Abs. 1 Satz 2 HmbLBG a.F. (seit 1. April 2009 § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG) stellt – auch strafbares – außerdienstliches Verhalten nur dann ein disziplinarrechtlich relevantes Fehlverhalten dar, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, Achtung und Vertrauen in einer für das Amt des Beamten oder das Ansehen des Beamtentums bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Damit stellt das Gesetz allein auf die besondere “Eignung” der Pflichtverletzung ab, zu einer bedeutsamen (Vertrauens- oder) Ansehensschädigung des Beamtentums zu führen.
Rz. 12
Für den mit einer Freiheitsstrafe geahndeten außerdienstlichen sexuellen Missbrauch eines Kindes im Sinne des § 176 Abs. 1 StGB hat der Senat im Urteil vom 25. März 2010 (a.a.O. Rn. 18) ausgeführt, dass vorsätzlich begangene schwerwiegende Straftaten, die mit einer Freiheitsstrafe geahndet worden sind, auch ohne Bezug auf das konkrete Amt in der Regel zu einer schwerwiegenden Ansehensschädigung führen, wie die gesetzgeberische Wertung in § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtStG (bzw. § 53 Satz 1 Nr. 1 HmbLBG a.F., entsprechend § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BBG, vormals § 48 Satz 1 Nr. 1 BBG a.F.) zeigt. Ein vorsätzlich begangenes außerdienstliches Sexualdelikt gegen ein Kind, das mit einer Freiheitsstrafe geahndet worden ist, ist – unabhängig vom konkreten Amt, das der Beamte innehat – geeignet, das Ansehen des Berufsbeamtentums derart schwerwiegend zu beeinträchtigen, dass als Richtschnur für die Maßnahmebemessung die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis bzw. die Aberkennung des Ruhegehalts zugrunde gelegt werden kann.
Rz. 13
3. a) Zudem sieht der Beklagte eine Divergenz (§ 65 Abs. 1 HmbDG, § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, das konkrete Feststellungen zum Ansehensverlust fordere (Beschlüsse vom 8. Dezember 2004 – 2 BvR 52/02 – und vom 19. Februar 2003 – 2 BvR 1413/01), ebenso zur Rechtsprechung des Wehrdisziplinarsenats des Bundesverwaltungsgerichts zu § 16 Abs. 1 Nr. 2 WDO (Urteil vom 13. Februar 2008 – BVerwG 2 WD 5.07).
Rz. 14
Auch diese Ausführungen rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision, denn den genannten Entscheidungen liegen zum Einen andere Normen zugrunde. Zum Anderen handelt es sich bei den den Entscheidungen zugrundeliegenden außerdienstlichen Verhaltensweisen nicht einmal um Straftaten, schon gar nicht um schwerwiegende Straftaten, die mit einer Freiheitsstrafe geahndet worden sind. Dieser Umstand ist aber im Hinblick auf die gesetzgeberische Wertung in § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtStG (bzw. § 53 Satz 1 Nr. 1 HmbLBG a.F.) ausschlaggebend.
Rz. 15
Ein mit einer Freiheitsstrafe geahndetes vorsätzlich begangenes außerdienstliches Sexualdelikt gegen ein Kind beeinträchtigt Achtung und Vertrauen in einer für das Amt des Beamten oder das Ansehen des Beamtentums bedeutsamen Weise. Dies folgt aus der in hohem Maße schädlichen Wirkung eines sexuellen Missbrauchs für die Persönlichkeit des Kindes (Art. 2 Abs. 1 GG), verbunden mit einer schweren Verletzung seiner Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG), die auch in dem hohen Strafrahmen des § 176 Abs. 1 StGB zum Ausdruck kommt. Hierzu hat der Senat im Urteil vom 25. März 2010 (a.a.O. Rn. 19) weiter ausgeführt:
Der strafbare sexuelle Missbrauch eines Kindes ist in hohem Maße persönlichkeitsschädigend, weil er in den Reifeprozess eines jungen Menschen eingreift und nachhaltig die Entwicklung seiner Gesamtpersönlichkeit gefährdet. Ein Kind oder Jugendlicher kann wegen seiner fehlenden bzw. noch nicht hinreichenden Reife das Erlebte intellektuell und gefühlsmäßig in der Regel gar nicht oder nur sehr schwer verarbeiten. Zugleich benutzt der Täter sein kindliches Opfer als Mittel zur Befriedigung seines Geschlechtstriebs. In dieser Herabminderung zum bloßen Objekt seines eigenen Sexualverhaltens liegt eine grobe Missachtung der Menschenwürde und der Persönlichkeitsrechte des betroffenen Kindes. Sexualdelikte gegen Kinder unterliegen mittlerweile durchgängig einer starken gesellschaftlichen Ächtung. Der Gesetzgeber hat in Reaktion hierauf Kinder unter 14 Jahren unter einen uneingeschränkten strafrechtlichen Schutz gestellt. Die Tatbestände des sexuellen Missbrauchs von Kindern (§§ 176, 176a, 176b, ebenso § 184b, vgl. auch § 5 Nr. 8b StGB) bezwecken, die Entwicklung des Kindes vor vorzeitigen sexuellen Erlebnissen zu schützen. Deshalb führt auch der außerhalb des Dienstes begangene sexuelle Missbrauch eines Kindes durch einen Beamten in der Vorstellungswelt eines vorurteilsfrei wertenden Betrachters zu einer erheblichen Ansehensbeeinträchtigung des Beamten, wenn nicht zu völligem Ansehensverlust, also zu einem Verlust des Vertrauens der Allgemeinheit in die Integrität des Beamtentums. Insbesondere in einem freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat ist das Vertrauen der Allgemeinheit in die Integrität der Beamtenschaft für den geordneten Ablauf der öffentlichen Verwaltung unabdingbar. Dieses Vertrauen wird auch durch das persönliche Ansehen eines jeden Beamten bestimmt (vgl. zuletzt Urteil vom 24. Februar 1999 – BVerwG 1 D 72.97 – juris, m.w.N.).
Rz. 16
b) Die gerügte Divergenz zum Beschluss des Senats vom 18. November 2008 – BVerwG 2 B 63.08 –, nach dem erschwerende Umstände nur dann in die Gesamtwürdigung eingestellt werden dürfen, wenn sie zur Überzeugung des Gerichts feststehen, ist nicht gegeben. Denn bei dem durch Sexualdelikte bewirkten Ansehensverlust geht es nicht um erschwerende Umstände, sondern um die Feststellung, ob ein außerdienstliches Verhalten ein Dienstvergehen darstellt, und um die Einordnung dieses Dienstvergehens nach seiner Schwere in den Maßnahmenkatalog des Disziplinarrechts.
Rz. 17
4. Schließlich ist der Beklagte der Auffassung, das Berufungsgericht werde den Zumessungserwägungen nach § 11 Abs. 1 Nrn. 3, 4, 7 und 9 HmbDG (Auswirkungen auf den Dienstbetrieb, die weitere dienstliche Verwendbarkeit, Tatumstände und Tatmotive und die bisherige und künftig zu erwartende dienstliche Leistung) nicht gerecht. Außerdem gebe es keine verlässlichen Feststellungen zu den Auswirkungen seiner Tat auf die Opfer und zu deren Vertrauen im Hinblick auf die berufliche Stellung des Beamten sowie zum tatsächlichen Ansehensverlust.
Rz. 18
Abgesehen davon, dass mit diesen Ausführungen kein Zulassungsgrund im Sinne von § 65 Abs. 1 HmbDG, § 132 Abs. 2 VwGO, dargelegt wird (§ 65 HmbDG, § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), wären sie nur dann entscheidungsrelevant, wenn ihnen allein, in der Zusammenschau oder gemeinsam mit anderen mildernden Umständen ein derart erhebliches Gewicht zukäme, dass die Höchstmaßnahme, die ein außerdienstlicher sexueller Missbrauch eines Kindes gemäß § 176 Abs. 1 StGB, der mit einer Freiheitsstrafe geahndet wurde, indiziert, nicht mehr gerechtfertigt ist. Hierfür fehlt es aber an jedem konkreten Anhaltspunkt sowohl in den Feststellungen des Berufungsurteils als auch in den Ausführungen der Beschwerde.
Rz. 19
Die Kostenentscheidung folgt aus § 76 Abs. 4 HmbDG. Das Verfahren ist gemäß § 75 Abs. 1 HmbDG gerichtskostenfrei.
Unterschriften
Herbert, Thomsen, Dr. Maidowski
Fundstellen