Verfahrensgang
OVG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 03.05.2007; Aktenzeichen 4 B 23.05) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 3. Mai 2007 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 51 628,18 € festgesetzt.
Gründe
Der Kläger, der seit März 1994 Lebenszeitbeamter bei der Beklagten ist, wurde im Januar 1992 in das Beamtenverhältnis auf Probe (Landespolizeidienst in Sachsen) berufen. Seitdem wurde er in Sachsen eingesetzt. Seit dem 14. Januar 2002 ist der Kläger bei der Grenzschutzstelle in G… tätig, die auf polnischem Hoheitsgebiet liegt (sogenannte vorgeschobene Grenzdienststelle). Die Klage auf Zahlung einer nicht nach § 2 der Zweiten Verordnung über besoldungsrechtliche Übergangsregelungen nach Herstellung der Einheit Deutschlands (2. Besoldungs-Übergangsverordnung – 2. BesÜV –) gekürzten Besoldung blieb in beiden Vorinstanzen erfolglos.
Die allein auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, wenn sie eine konkrete, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts mit einer über den Einzelfall hinausgehenden allgemeinen Bedeutung aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Rechtsfortbildung der Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf. Gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO obliegt es dem Beschwerdeführer, diese Voraussetzungen darzulegen (Beschluss vom 2. Oktober 1961 – BVerwG 8 B 78.61 – BVerwGE 13, 90 ≪91≫; stRspr). Hieran fehlt es.
Die Beschwerde bezeichnet sinngemäß als klärungsbedürftig, ob zwölf Jahre nach dem Ende der in Art. 143 GG genannten Übergangsfrist eine pauschale Absenkung der Besoldung für das Beitrittsgebiet noch gerechtfertigt sei. Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Februar 2003 – 2 BvR 709/99 – (BVerfGE 107, 257) habe die Besoldungsabsenkung nur aufgrund der damaligen Lebensverhältnisse gebilligt. Diese träfen heute nicht mehr zu, im Gegenteil übertreffe in einigen Regionen und Ländern der Lebensstandard sogar das Westniveau.
Diese Frage bedarf schon deswegen keiner Klärung in einem Revisionsverfahren, weil nach den für das Revisionsgericht bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts wesentliche Veränderungen oder neue Tatsachen seit den beiden Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Februar 2003 (a.a.O.) und – 2 BvL 3/00 – (BVerfGE 107, 218) in den Lebensverhältnissen nicht eingetreten sind. Weitere Feststellungen hierzu enthält das Berufungsurteil nicht, Verfahrensrügen sind nicht geltend gemacht worden.
Die Beschwerde will weiter sinngemäß geklärt wissen, ob die einseitige Benachteiligung der Bürger im Beitrittsgebiet durch die 2. BesÜV gegen Art. 39 Abs. 2 EG-Vertrag verstoße. Es liege eine sogenannte verdeckte oder mittelbare Diskriminierung der früheren Bürger der DDR vor und keine zulässige Inländerdiskriminierung. Die DDR-Bürger seien ehemalige Drittstaatsangehörige, die über Art. 116 GG von Geburt an Träger von EU-Rechten seien und die die Bundesrepublik Deutschland aufgrund ihrer Herkunft bei gleicher Tätigkeit schlechter entlohne als die in Westdeutschland geborenen Bürger.
Zur Klärung der von der Beschwerde aufgeworfenen Rechtsfrage bedarf es nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens und ggf. der anschließenden Vorlage an den Europäischen Gerichtshof, da sie ohne Weiteres zu verneinen ist. Die Bezahlung abgesenkter Dienstbezüge gemäß der 2. Besoldungsübergangsverordnung an Beamte mit dienstlichem Wohnsitz im Gebiet der ehemaligen DDR verstößt nicht gegen Art. 39 Abs. 2 EG-Vertrag, weil die Freizügigkeit des Klägers nicht beschränkt wird. Die Absenkung der Besoldung auf der Grundlage des § 73 BBesG i.V.m. der Zweiten Besoldungs-Übergangsverordnung knüpft nicht an die Staatsangehörigkeit, sondern dem Grundsatz nach an den Ort der Verwendung (vgl. § 1 der 2. BesÜV) an und weist keinerlei Auslandsberührung auf (Beschluss vom 28. Oktober 2004 – BVerwG 2 B 60.04 –).
Im Übrigen kommt es nicht darauf an, ob sich Bürger der DDR seinerzeit im Verhältnis zur Bundesrepublik Deutschland auf Rechte nach den Gemeinschaftsverträgen hätten berufen können. Für den durch das Merkmal der “Staatsangehörigkeit” (Art. 39 Abs. 2 EG-Vertrag) vorgegebenen persönlichen Anwendungsbereich ist maßgeblich die Rechtslage, die im Zeitpunkt der Anwendung der potentiell freizügigkeitsbeschränkenden Vorschrift gilt. Als das Beamtenverhältnis des Klägers begründet wurde, bestand keine besondere DDR-Staatsbürgerschaft mehr, da die DDR mit dem Wirksamwerden des Beitritts am 3. Oktober 1990 untergegangen war und die Staatsangehörigkeitsvorschriften der Bundesrepublik Deutschland übergangs- und einschränkungslos auch auf diejenigen anzuwenden waren, die zuvor den staatsbürgerschaftlichen Bestimmungen der DDR unterfielen (vgl. Art. 8 Einigungsvertrag). Jedenfalls ab diesem Zeitpunkt waren alle Bürger der Bundesrepublik Deutschland in staatsangehörigkeitsrechtlicher Hinsicht originär gleichgestellt. Das Gemeinschaftsrecht schließt eine unterschiedliche Besoldung der Bürger eines Staates nicht allgemein aus. Art. 39 EG-Vertrag statuiert keine Pflicht der Mitgliedstaaten, die eigenen Staatsbürger unter Einengung von Spielräumen, die das nationale Verfassungsrecht belässt, strikt gleich zu behandeln (vgl. zum Ganzen: Beschluss vom 28. Oktober 2004 a.a.O.).
Schließlich wirft die Beschwerde die Frage als klärungsbedürftig auf, ob die Tätigkeit auf dem Territorium der Volksrepublik Polen wegen der Nähe zur deutsch-polnischen Grenze so verstanden werden müsse, dass es sich hierbei um eine Tätigkeit im Beitrittsgebiet handele. Die 2. Besoldungs-Übergangsverordnung kenne die Begriffe “im Beitrittsgebiet” und “außerhalb des Beitrittsgebiets”, so dass die Verwendung des Klägers in Polen nach dem eindeutigen Wortlaut außerhalb des Beitrittsgebiets erfolge. Hierdurch würde eine weitere besoldungsrechtliche Grauzone um die Bundesrepublik Deutschland gezogen, die zudem der Schreibtischtheorie des Berufungsgerichts widerspreche.
Der Kläger sieht mithin die Frage als klärungsbedürftig an, ob er dadurch, dass er seinen Dienst in der gemeinsamen deutsch-polnischen, auf polnischem Territorium gelegenen Grenzabfertigungsstelle verrichtet, nicht im Beitrittsgebiet verwendet wird, sondern, wie er meint, Dienst im Ausland leistet. Diese Frage lässt sich auf der Grundlage des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Interpretation ohne Weiteres beantworten, ohne dass es der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf. Die Bestimmungen des deutsch-polnischen Abkommens vom 29. Juli 1992, wonach in den gemeinsamen Grenzdienststellen auf dem Territorium eines der beiden vertragschließenden Staaten auch die Bediensteten des anderen Staates tätig sein dürfen, stellen Regelungen zu Gunsten der vertragschließenden Staaten dar. Art. 3 Abs. 3 des genannten Abkommens enthält lediglich eine hoheitsrechtliche Zuordnung und keine dienstrechtliche Regelung. Das Dienstverhältnis der in derartigen gemeinsamen Grenzdienststellen eingesetzten Bundespolizeibeamten wird durch den Vertrag nicht gestaltet, insbesondere wird nicht ihr Dienst im Verhältnis zur Bundesrepublik Deutschland als ihrem Dienstherrn als ein Dienst im Ausland definiert. Die finanziellen Leistungen bei einem Dienst, den der Beamte im Ausland leistet, sind in dienst- und besoldungsrechtlichen Gesetzen und Verordnungen, vorrangig dem Bundesbesoldungsgesetz (vgl. §§ 52 ff.) und der Auslandsverwendungszuschlagsverordnung, geregelt. Diese sind hier nicht einschlägig. Der Kläger fällt insbesondere nicht unter die besoldungsrechtliche Sonderregelung für Beamte, die sich wegen ihrer Tätigkeit im Grenzverkehr im Ausland aufhalten; die dafür maßgebliche Regelung knüpft an einen dienstlichen Wohnsitz in einem ausländischen Ort in Grenznähe an (§ 52 Abs. 3 BBesG). Liegt besoldungsrechtlich kein Auslandsdienst und keine Verwendung im Ausland vor, kann es sich nur um eine Verwendung entweder im bisherigen Bundesgebiet oder aber im Beitrittsgebiet handeln. Zu der Auslegung, dass die Verwendung als eine solche in der Gemeinde der Bundesrepublik Deutschland zu betrachten ist, in deren Bereich sich der Grenzübergang befindet, bietet das Besoldungsrecht keine sinnvolle Alternative. Die 2. Besoldungs-Übergangsverordnung kennt als geografische Differenzierungskriterien nur das “bisherige Bundesgebiet”, das “Beitrittsgebiet” und – im Falle einer nur vorübergehenden Verwendung – den Begriff “außerhalb des Beitrittsgebiets” (vgl. § 1 Satz 2 2. BesÜV), nicht aber das “Ausland” (vgl. zum Ganzen: Beschluss vom 8. März 2007 – BVerwG 2 B 5.07 –).
Die Beschwerde macht ferner geltend, dass die Absenkung der Ostbesoldung gleichheitswidrig sei. Damit wird keine in einem Revisionsverfahren klärungsbedürftige verfassungsrechtliche Frage von grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits entschieden, dass der Besoldungsgesetzgeber das Alimentationsprinzip nicht verletzt, wenn er bei der Bemessung der Bezüge der Beamten, die das gleiche Amt innehaben, an Wohnsitz oder Dienstort anknüpfende Abstufungen vorsieht, sofern sich solche regionalen Unterscheidungen nach Anlass und Ausmaß der Differenzierung vor Art. 3 Abs. 1 GG rechtfertigen lassen (BVerfG, Beschluss vom 12. Februar 2003 – 2 BvL 3/00 – a.a.O.). Der Gesetzgeber überschreitet die Grenzen der ihm zustehenden weitgehenden Gestaltungsfreiheit mit der Folge einer Verletzung des Art. 3 Abs. 1 und 2 GG erst dann, wenn die ungleiche Behandlung der geregelten Sachverhalte mit Gesetzlichkeiten, die in der Natur der Sache selbst liegen, und mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise nicht mehr vereinbar ist; mit anderen Worten, (wo) bezogen auf den in Rede stehenden Sachbereich und seine Eigenart ein vernünftiger, einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung fehlt, es sich also um Regelungen handelt, die unter keinem sachlich vertretbaren Gesichtspunkt gerechtfertigt erscheinen, so dass die Unsachlichkeit der getroffenen Regelung evident ist (stRspr, vgl. u.a. Urteil vom 25. Februar 1988 – BVerwG 2 C 65.86 – Buchholz 240.1 BBesO Nr. 2 m.w.N., vgl. auch BVerfG, Beschlüsse vom 12. Februar 2003 – 2 BvL 3/00 – und – 2 BvR 709/99 – a.a.O. und vom 9. September 2004 – 2 BvR 669/02 – juris). Das ist hier nicht der Fall. Das Berufungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass im Gegenteil die Auffassung des Klägers mit dem Gleichbehandlungsgebot nicht vereinbar wäre. Denn diejenigen Bediensteten, die auf den vorgeschobenen Grenzdienststellen an der Grenze zu Polen in Polen ihren Dienst verrichteten, dürfen nicht anders behandelt werden als diejenigen, die auf den nicht vorgeschobenen, weiterhin im Beitrittsgebiet belegenen Grenzdienststellen an der Grenze zu Polen tätig sind. Hiermit setzt sich die Beschwerde nicht auseinander. Im Übrigen ist es im Hinblick auf Art. 3 GG unmaßgeblich, ob der Gesetzgeber die vom Kläger erstrebte Regelung hätte treffen können. Denn es kommt insoweit nicht darauf an, ob der Gesetzgeber im Einzelnen die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung gefunden hat (vgl. u.a. Urteile vom 22. März 1990 – BVerwG 2 C 11.89 – Buchholz 240 § 19a BBesG Nr. 10 und vom 25. April 1996 – BVerwG 2 C 27.95 – BVerwGE 101, 116 ≪123≫ je m.w.N., BVerfG, Beschlüsse vom 12. Februar 2003 und vom 9. September 2004 a.a.O.).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG (Differenzbetrag für den Zeitraum vom 1. März 1994 bis zum 30. Dezember 2007).
Unterschriften
Herbert, Thomsen, Dr. Burmeister
Fundstellen