Verfahrensgang
OVG Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 28.02.2014; Aktenzeichen 1 L 126.13) |
Tenor
Die weitere Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 28. Februar 2014 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Tatbestand
I
Die Parteien streiten um die Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs.
Die Kläger sind tariflich ungebundene Arbeitgeber und wenden sich mit ihrer Klage gegen die Erstreckung tarifvertraglicher Regelungen über die Einführung eines Mindestlohns für pädagogisches Personal im Verfahren nach § 7 AEntG durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Mit ihrer Klage begehren die Kläger die Feststellung, dass die Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für Aus- und Weiterbildungsdienstleistungen nach dem Dritten Buch SGB vom 17. Juli 2012 sowie die aktuell geltende Nachfolgeregelung vom 16. Juni 2013 rechtswidrig war bzw. ist und sie in ihren Rechten verletzt bzw. verletzt hat. Das Verwaltungsgericht hat vorab beschlossen, dass der Verwaltungsrechtsweg zulässig ist. Die hiergegen erhobene Beschwerde hat das Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen und die weitere Beschwerde gegen seine Entscheidung zugelassen.
Entscheidungsgründe
II
Die gemäß § 152 Abs. 1, § 173 Abs. 1 VwGO, § 17a Abs. 4 Satz 4 und 5 GVG zulässige weitere Beschwerde ist nicht begründet. Die Vorinstanzen haben zurecht angenommen, dass für den geltend gemachten Anspruch auf Feststellung, dass die durch die Beklagte erlassene Rechtsverordnung rechtswidrig ist bzw. war und die Kläger in ihren Rechten verletzt, der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet ist.
Dem steht Art. 2 Nr. 1b des am 16. August 2014 in Kraft getretenen Gesetzes zur Stärkung der Tarifautonomie (Tarifautonomiestärkungsgesetz) vom 11. August 2014 (BGBl I 1348 ≪1354≫), wonach die Zuständigkeit der Arbeitsgerichtsbarkeit für „die Entscheidung über die Wirksamkeit einer Rechtsverordnung nach § 7 des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes” gegeben ist, nicht entgegen. Dabei kann offenbleiben, ob die hier in Rede stehende Klage auf Feststellung der Verletzung eigener Rechte durch die Rechtsverordnung denselben Streitgegenstand betrifft. Die Regelung des Art. 2 Nr. 1b des Tarifautonomiestärkungsgesetzes ist hier jedenfalls gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 GVG unbeachtlich, weil sie bei Rechtshängigkeit des vorliegenden Rechtsstreits am 24. Juli 2012 (§ 90 Abs. 1 VwGO) noch nicht in Kraft getreten war; eine abweichende gesetzliche Regelung wurde nicht getroffen (Urteil vom 12. Oktober 1989 – BVerwG 6 C 38.88 – BVerwGE 84, 3 ≪8≫ = Buchholz 448.6 § 18 KDVG Nr. 4 S. 11). Nach der Rechtslage zum danach maßgeblichen Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit war der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten aus den nachfolgenden Gründen eröffnet.
Die Rechtsverordnung nach § 7 Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG) ist ein Akt staatlicher Rechtsetzung, mit welchem die nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer und Arbeitgeber – wie hier die Kläger – einseitig den Rechtsnormen des Tarifvertrags unterworfen werden. Es handelt sich somit um einen dem öffentlichen Recht zugehörenden staatlichen Hoheitsakt. Da Klagen auf Feststellung der Verletzung eigener subjektiv-öffentlicher Rechte durch eine Rechtsverordnung nach § 43 Abs. 1 VwGO weder verfassungsrechtlicher Art sind noch bis zum Erlass des Art. 2 Nr. 1b des Tarifautonomiestärkungsgesetzes eine Sonderzuweisung an die Arbeitsgerichtsbarkeit bestand (vgl. Urteil vom 3. November 1988 – BVerwG 7 C 115.86 – BVerwGE 80, 355 ≪357 ff.≫ = Buchholz 310 § 40 VwGO Nr. 238; Düwell, NZA-Beilage 2/2011 S. 80 ≪81≫), war bei Rechtshängigkeit die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichtsbarkeit gegeben (vgl. Urteil vom 28. Januar 2010 – BVerwG 8 C 38.09 – BVerwGE 136, 75 Rn. 30, 32 ff. = Buchholz 310 § 43 VwGO Nr. 149 Rn. 30 ff.).
Die Kläger meinen demgegenüber, dass das einschränkende Tatbestandsmerkmal des § 47 Abs. 1 VwGO, wonach das Oberverwaltungsgericht „im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit” über die Gültigkeit von Rechtsvorschriften entscheidet, analog auf Klagen zur Feststellung der Verletzung eigener Rechte durch Normen nach § 43 Abs. 1 VwGO anzuwenden sei. Danach sei der Verwaltungsrechtsweg nicht eröffnet, weil für Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern in Bezug auf die Rechte und Pflichten aus dem sie bindenden Tarifvertrag ausschließlich die Arbeitsgerichte zuständig seien. Dem kann nicht gefolgt werden.
Ein Oberverwaltungsgericht ist nur dann i.S.d. § 47 Abs. 1 VwGO „im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit” zur Kontrolle von untergesetzlichen Rechtsvorschriften berufen, wenn sich aus der Anwendung der angegriffenen Rechtsvorschrift Rechtsstreitigkeiten ergeben können, für die der Verwaltungsrechtsweg gegeben ist (Beschluss vom 27. Juli 1995 – BVerwG 7 NB 1.95 – BVerwGE 99, 88 ≪96 f.≫ = Buchholz 451.22 § 3 AbfG Nr. 1 S. 9). Damit soll verhindert werden, dass Gerichte anderer Gerichtszweige für Streitigkeiten präjudiziert werden, zu deren Entscheidung im Einzelfall sie sonst ausschließlich zuständig sind (BTDrucks 3/55 S. 33; Kopp/Schenke, VwGO 20. Aufl. 2014, § 47 Rn. 17; Schmidt, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 47 Rn. 32). Dieser Regelungszweck ist bei der hier relevanten Klage auf Feststellung der Verletzung eigener subjektiv-öffentlicher Rechte durch eine Rechtsverordnung nach § 7 AEntG nicht berührt. Denn Entscheidungen über Feststellungsklagen nach § 43 Abs. 1 VwGO sind nicht wie die Erklärung der Unwirksamkeit einer Rechtsnorm gemäß § 47 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO allgemein verbindlich, sondern gelten nur inter partes (lat. „zwischen den Parteien”). Die Gerichte anderer Gerichtszweige werden daher durch die Feststellung der Verletzung subjektivöffentlicher Rechte durch die zur Prüfung gestellte Norm nicht hinsichtlich von Rechtsstreitigkeiten präjudiziert, welche die Anwendung derselben Norm betreffen. So hindert etwa eine bereits getroffene verwaltungsgerichtliche Feststellung der Rechtsverletzung durch eine Erstreckungsregelung tariflicher Rechtsnormen die Arbeitsgerichte nicht, im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten über Rechte und Pflichten aus dem Tarifvertrag die Rechtmäßigkeit der Rechtsverordnung erneut inzident zu prüfen und ihrer Entscheidung ein abweichendes Ergebnis zugrunde zu legen (vgl. Düwell a.a.O. S. 83; BAG Beschluss vom 26. Oktober 2009 – 3 AZB 24/09 – NZA 2009, 1436 ff. und Urteil vom 26. September 2012 – 4 AZR 5/11 – juris Rn. 14). Davon zu unterscheiden ist das – vom Gesetzgeber nunmehr durch Konzentration der Entscheidungen über die Wirksamkeit von Rechtsverordnungen nach § 7 AEntG bei den Arbeitsgerichten und die Anordnung einer inter omnes – Wirkung (lat. „unter allen”) entsprechender rechtskräftiger Beschlüsse (Art. 2 Nr. 5 Tarifautonomiestärkungsgesetz) gelöste – rechtspolitische Problem, dass es infolge fehlender Bindungswirkung zu sich widersprechenden Entscheidungen der Verwaltungsgerichte und der Gerichte anderer Gerichtszweige zur Frage der Rechtmäßigkeit von Normen kommen kann (vgl. Düwell a.a.O. S. 84 f.).
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Eine Kostenentscheidung ist hier nicht gemäß § 17b Abs. 2 Satz 1 GVG entbehrlich. Denn die Kosten im „Verfahren vor dem angegangenen Gericht” sind nur die Kosten des erstinstanzlichen Gerichts. Das Beschwerdegericht hat daher über die Kosten eines Beschwerdeverfahrens nach § 17a Abs. 4 Satz 3 und 4 GVG selbst eine Kostenentscheidung zu treffen (vgl. Beschluss vom 15. Oktober 1993 – BVerwG 1 DB 34.92 – BVerwGE 103, 26 ≪32≫; Zimmermann, in: Münchener Kommentar, ZPO, 3. Aufl. 2008, Band 3, § 17b GVG Rn. 10; anderer Ansicht Rennert, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 41 ≪§ 17 – 17b GVG≫ Rn. 45).
Unterschriften
Dr. Christ, Dr. Deiseroth, Dr. Hauser
Fundstellen