Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Beschluss vom 25.10.2005; Aktenzeichen 2 N 04.2476) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers zu 4 wird der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 25. Oktober 2005 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 20 000 € festgesetzt.
Gründe
Die zulässige Beschwerde des Antragstellers zu 4 führt zum Erfolg. Der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs leidet unter einem Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Zum Zwecke der Verfahrensbeschleunigung macht der beschließende Senat von der Möglichkeit der Zurückverweisung der Sache gemäß § 133 Abs. 6 VwGO Gebrauch.
Das Urteil beruht auf der von der Beschwerde gerügten Verletzung des rechtlichen Gehörs sowie der Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO).
Der Verwaltungsgerichtshof ist zu dem Ergebnis gelangt, die Festsetzung des MK 2 erweise sich nicht als abwägungsfehlerhaft, weil der Bebauungsplan hier die bauliche Nutzung “sortimentsbezogen in der Verkaufsfläche” beschränke (Urteilsabdruck S. 9). Er führt im Anschluss daran näher aus, dass sich eine Beschränkung auf bestimmte Sortimente nach der Rechtsprechung des beschließenden Senats (Beschluss vom 4. Oktober 2001 – BVerwG 4 BN 45.01 – BRS 64 Nr. 28; vgl. ferner Beschluss vom 27. Juli 1998 – BVerwG 4 BN 31.98 – Buchholz 406.12 § 1 BauNVO Nr. 25 = BRS 60 Nr. 29 m.w.N.) auf § 1 Abs. 9 BauNVO stützen lässt, sofern die Differenzierung marktüblichen Gepflogenheiten entspricht. Die Beschwerde stellt hierzu selbst nicht in Frage, dass die vorliegend betroffenen Branchen des Einzelhandels (Elektroartikel, Sportartikel, Schuhe und Haushaltswaren) in der sozialen und ökonomischen Realität existieren.
Das Normenkontrollurteil lässt jedoch jegliche Auseinandersetzung mit der von den Antragstellern im Normenkontrollverfahren angesprochenen (vgl. insbesondere Schriftsatz vom 4. Oktober 2005) Frage vermissen, ob sich auch die im angegriffenen Bebauungsplan erfolgten Festsetzungen von Verkaufsflächen im dem Rahmen halten, der der Gemeinde durch die im BauGB und der BauNVO vorgegebenen Festsetzungsmöglichkeiten für ein Kerngebiet eingeräumt wird. § 1 Abs. 9 BauNVO gestattet es zwar über § 1 Abs. 5 BauNVO hinaus, einzelne Unterarten von Nutzungen mit planerischen Festsetzungen zu erfassen. Gegenstand einer solchen Festsetzung können jedoch nur bestimmte Anlagentypen sein. Unproblematisch sind Gattungsbezeichnungen oder ähnliche typisierende Umschreibungen. Der Gemeinde ist es nicht grundsätzlich verwehrt, die Zulässigkeit auch nach der Größe der Anlagen, wie etwa der Verkaufs- und Geschossfläche von Handelsbetrieben, unterschiedlich zu regeln. Den Anforderungen des § 1 Abs. 9 BauNVO entspricht eine solche Planung allerdings nur, wenn durch die Größenangabe bestimmte Arten von baulichen oder sonstigen Anlagen zutreffend gekennzeichnet werden. Betriebe, bei denen die Verkaufs- oder die Geschossfläche eine bestimmte Größe überschreitet, sind nicht schon allein deshalb auch “bestimmte Arten” im Sinne des § 1 Abs. 9 BauNVO. Die Begrenzung der höchstzulässigen Verkaufs- oder Geschossfläche trägt die Umschreibung eines bestimmten Anlagentyps nicht gleichsam in sich selbst. Vielmehr muss die Gemeinde darlegen, warum Betriebe unter bzw. über den von ihr festgesetzten Größen generell oder doch jedenfalls unter Berücksichtigung der besonderen örtlichen Verhältnisse einem bestimmten Anlagentyp entsprechen (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Mai 1987 – BVerwG 4 C 77.84 – BVerwGE 77, 317 ≪322≫; Beschlüsse vom 17. Juli 2001 – BVerwG 4 B 55.01 – BRS 64 Nr. 29 und vom 8. November 2004 – BVerwG 4 B 39.04 – BRS 67 Nr. 34). Die Bezugnahme auf die landesplanerische Stellungnahme der Regierung von Oberbayern ersetzt die Umschreibung eines bestimmten Anlagentyps nicht; das Normenkontrollgericht führt die Stellungnahme lediglich als Beleg für die besondere städtebauliche Rechtfertigung im Sinne von § 1 Abs. 9 BauNVO an.
Der Verwaltungsgerichtshof hat auch weder erörtert, ob die auf das Plangebiet bezogenen Verkaufsflächenbegrenzungen überhaupt auf die Umschreibung eines bestimmten Anlagentyps zielen, noch hat er Ermittlungen zu der Frage angestellt, ob die Verkaufsflächenbegrenzung auf insgesamt 5 100 m(2), für den Food-Bereich auf 3 100 m(2) und den Non-Food-Bereich auf 2 000 m(2) eine bestimmte Art oder bestimmte Arten von Einzelhandelsbetrieben umschreibt, die auch im Hinblick auf ihre Auswirkungen in dem in § 11 Abs. 3 Satz 2 BauNVO umschriebenen Sinn als in der sozialen und ökonomischen Realität existierende Anlagentypen abgrenzbar sind.
Auf diesen Verstößen beruht das angegriffene Normenkontrollurteil.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Dr. Paetow, Dr. Jannasch, Dr. Philipp
Fundstellen