Verfahrensgang
Hessischer VGH (Urteil vom 07.07.2009; Aktenzeichen 3 C 1203/08.N) |
Tenor
Die Beschwerde der Antragsteller gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 7. Juli 2009 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Antragsteller zu 1 und zu 2 als Gesamtschuldner zu einem Viertel, die Antragsteller zu 3 und zu 4 jeweils zu einem Viertel und die Antragsteller zu 5 und zu 6 als Gesamtschuldner zu einem Viertel zu tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 80 000 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Die auf die Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nr. 2 und 3 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
Rz. 2
1. Eine Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegt nicht vor.
Rz. 3
1.1 Die Beschwerde macht geltend, das angefochtene Urteil weiche von dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. September 1998 – BVerwG 4 CN 2.98 – (BVerwGE 107, 215) ab. In diesem Urteil hat der Senat den Rechtssatz aufgestellt, dass an die Geltendmachung einer Rechtsverletzung nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO keine höheren Anforderungen gestellt werden können, als sie auch für die Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO gelten. Danach genügt der Antragsteller seiner Darlegungspflicht, wenn er hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch Festsetzungen des Bebauungsplans in einem Recht verletzt wird (a.a.O. S. 217). Macht der Antragsteller eine Verletzung des Abwägungsgebots geltend, so muss er allerdings einen eigenen Belang als verletzt benennen, der für die Abwägung überhaupt zu beachten war. Nicht jeder private Belang ist in der Abwägung zu berücksichtigen, sondern nur solche, die in der konkreten Planungssituation einen städtebaulich relevanten Bezug haben. Insoweit kann auf die Rechtsprechung des Senats zum Nachteilsbegriff nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO a.F. zurückgegriffen werden (a.a.O. S. 219). Nach dieser Rechtsprechung beschränkt sich die Abwägungsbeachtlichkeit auf solche Betroffenheiten, die erstens mehr als geringfügig, zweitens in ihrem Eintritt zumindest wahrscheinlich und drittens – dies vor allem – für die planende Stelle bei der Entscheidung über den Plan als abwägungsbeachtlich erkennbar sind (Beschluss vom 9. November 1979 – BVerwG 4 N 1.78 u.a. – BVerwGE 59, 87 ≪103≫).
Rz. 4
Die Beschwerde macht geltend, der Verwaltungsgerichtshof habe hiervon abweichend den Rechtssatz aufgestellt, dass eine Rechtsverletzung nicht nur möglich, sondern hinreichend wahrscheinlich sein müsse. Das trifft nicht zu. Der Verwaltungsgerichtshof hat unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die genannten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts den oben dargelegten Maßstab zugrunde gelegt. Anderes ergibt sich auch nicht aus dem Satz, die Antragsteller seien nicht antragsbefugt, da eine oberhalb der Geringfügigkeitsgrenze zu erwartende planbedingte konkrete Verletzung ihrer Rechte nicht hinreichend wahrscheinlich sei (UA S. 11). Die nachfolgende Begründung zeigt, dass der Verwaltungsgerichtshof insoweit bereits das Vorliegen eines abwägungsbeachtlichen Belangs, dessen Verletzung im Rahmen des Abwägungsgebots die Antragsteller gemäß § 47 Abs. 2 VwGO geltend machen könnten, verneint hat. Die planbedingt zu erwartende Verkehrszunahme stelle sich als so geringfügig dar, dass sie eine Antragsbefugnis der Antragsteller nicht zu begründen vermöge. Das legt der Verwaltungsgerichtshof im Folgenden nicht nur für die Verkehrszunahme durch die Kapazitätserweiterung des Hotels (UA S. 11 bis 14), sondern auch für die durch das Konferenzzentrum zu erwartenden zusätzlichen Fahrzeugbewegungen (UA S. 14 f.) dar. In Bezug auf Letztere ist der Verwaltungsgerichtshof davon ausgegangen, dass bei größeren Veranstaltungen eine gewisse Deckungsgleichheit hinsichtlich der Besucher des Hotels sowie des Konferenzzentrums bestehen werde (UA S. 14). Aufgrund der besonderen Lage des Kongresszentrums im Park der Villa Rothschild sei ein vollständig eigenständiger Betrieb des Kongresszentrums mehr als unwahrscheinlich (UA S. 16). Der Verwaltungsgerichtshof hat mithin das Interesse der Antragsteller, vor vermehrten Lärmimmissionen bewahrt zu bleiben, im vorliegenden Fall nicht als abwägungsbeachtlich angesehen, weil ihre Belastung durch die zu erwartende Verkehrszunahme geringfügig und eine darüber hinausgehende Verkehrszunahme nicht wahrscheinlich, sondern im Gegenteil mehr als unwahrscheinlich sei. Ausgehend hiervon kam eine Verletzung des Abwägungsgebots, die die Antragsteller gemäß § 47 Abs. 2 VwGO hätten geltend machen können, von vornherein nicht in Betracht.
Rz. 5
1.2 Das angefochtene Urteil weicht auch nicht, wie die Beschwerde weiter geltend macht, von dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. Juni 2004 – BVerwG 4 BN 19.04 – (BRS 67 Nr. 19) ab. Dort hat der Senat den Rechtssatz aufgestellt, dass das Lärmschutzinteresse der Betroffenen, sofern es in abwägungserheblicher Weise zu Buche schlage, als Teil des Abwägungsmaterials bei der Planungsentscheidung zu berücksichtigen sei, wenn ein mit vermehrten Lärmimmissionen verbundenes erhöhtes Verkehrsaufkommen in der Umgebung des Plangebiets nicht das Ergebnis einer allgemeinen Veränderung der Verkehrslage, sondern – entfernungsunabhängig – eine planbedingte Folge sei. Den hiervon abweichenden Rechtssatz, dass es für die Geringfügigkeit der Betroffenheit auf die Verkehrszunahme außerhalb des Plangebietes nicht ankomme, hat der Verwaltungsgerichtshof weder ausdrücklich noch konkludent aufgestellt. Er hatte keine Anhaltspunkte dafür, dass der Zu- und Abgangsverkehr zum Hotel und zum Konferenzzentrum innerhalb des Plangebiets auch zu einer für die Abwägung relevanten Zunahme des Verkehrs auf der an das Plangebiet angrenzenden Graf-Stolberg-Straße, an der die Antragsteller wohnen, führen könnte. Dass eine etwaige planbedingte Verkehrszunahme auf anderen Straßen außerhalb des Plangebiets die Antragsteller belasten könnte, ist ebenfalls nicht ersichtlich.
Rz. 6
2. Die Verfahrensrügen greifen nicht durch.
Rz. 7
2.1 Die Beschwerde meint, der Verwaltungsgerichtshof habe zur Klärung der Frage, ob die Antragsteller durch die zu erwartende Verkehrszunahme mehr als geringfügig belastet werden, eine Lärmimmissionsprognose einholen müssen. Einen entsprechenden Beweisantrag hatten die Antragsteller jedoch nicht gestellt. Gegen den Amtsermittlungsgrundsatz hätte der Verwaltungsgerichtshof deshalb nur dann verstoßen, wenn sich ihm die Erforderlichkeit einer Immissionsprognose von sich aus hätte aufdrängen müssen (vgl. Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261/97 – NJW 1997, 3328). Das ist nicht der Fall. Der Verwaltungsgerichtshof hat zur Beurteilung der Beeinträchtigungen die Verwaltungsvorgänge ausgewertet und das Plangebiet sowie die Grundstücke der Antragsteller in Augenschein genommen. Er hat die Geringfügigkeit der Beeinträchtigungen nicht – wie die Beschwerde meint – allein mit der Entfernung der Grundstücke der Antragsteller zu der Zufahrt und den vorhandenen oberirdischen Stellplätzen, mit den geografischen Besonderheiten (Wall, abfallendes Gelände), der Vorbelastung durch die vorhandenen Stellplätze sowie der Vorbelastung durch die Graf-Stolberg-Straße, sondern auch mit einer Abschätzung der durch die Kapazitätserweiterung des Hotels und das Konferenzzentrum bedingten Verkehrszunahme begründet. Dass dem Verwaltungsgerichtshof die Sachkunde zur Beurteilung der zu erwartenden Beeinträchtigungen gefehlt habe, macht die Beschwerde nicht geltend. Sie meint, dem Verwaltungsgerichtshof habe sich die Einholung einer Immissionsprognose aufdrängen müssen, weil die Antragsgegnerin es bei Aufstellung des Bebauungsplans pflichtwidrig unterlassen habe, eine solche Prognose stellen zu lassen. Für die Antragsbefugnis kommt es jedoch nicht – wie im Rahmen der Begründetheit des Normenkontrollantrags – darauf an, ob die Antragsgegnerin die abwägungsbeachtlichen Lärmbelange insgesamt hinreichend ermittelt hat; maßgebend ist, ob die Lärmbelange der Antragsteller mehr als geringfügig beeinträchtigt werden. Insoweit zeigt die Beschwerde einen konkreten Ermittlungsbedarf jedoch nicht auf. Auch aufgrund des Vortrags der Antragsgegnerin zur Erforderlichkeit einer Lärmschutzwand musste sich dem Verwaltungsgerichtshof die Erforderlichkeit einer Immissionsprognose nicht aufdrängen. Im Bebauungsplan ist festgesetzt (B.7.), dass zum Schutz der Nachbarschaft der Nachweis geführt werden müsse, dass die Werte der TA-Lärm für allgemeine Wohngebiete eingehalten werden. Der Sachbeistand der Antragsgegnerin hat im Rahmen der Augenscheinseinnahme ausgeführt, Untersuchungen hätten ergeben, dass eine Lärmschutzwand nicht erforderlich sei; gleichwohl gebe es Planungen für eine solche Wand. Anhaltspunkte dafür, dass die Auswirkungen der planbedingten Verkehrszunahme auf die Grundstücke der Antragsteller mehr als geringfügig sein könnten, ergaben sich aus diesem Vortrag nicht.
Rz. 8
2.2 Einen weiteren Aufklärungsmangel sieht die Beschwerde darin, dass der Verwaltungsgerichtshof es unterlassen habe, zu prüfen, inwieweit ein zusätzlicher Verkehr durch auswärtige Gäste, die nicht im Hotel wohnen, durch die Vorhaben im Plangebiet, insbesondere die Errichtung des Kongresszentrums generiert werde und zu welchen Zeiten der zusätzliche planbedingte Verkehr im Hinblick auf die Erheblichkeit der Lärmbelastung voraussichtlich erfolgen werde. Dass der Verwaltungsgerichtshof diese Frage nicht geprüft hat, trifft nicht zu. Der Verwaltungsgerichtshof ist auf der Grundlage der Planunterlagen und der Ortsbesichtigung davon ausgegangen, dass die planerische Zulassung des Kongresszentrums nur im Zusammenhang mit der Erweiterung der Hoteleinrichtung gesehen werden könne und sinnvoll erscheine und dass bei größeren Veranstaltungen eine gewisse Deckungsgleichheit hinsichtlich der Besucher des Hotels sowie des Konferenzzentrums bestehen werde; soweit dort Konferenzen durchgeführt würden, die nicht gleichzeitig eine Belegung der Hotelanlage bedingten, würden die dadurch ausgelösten Fahrbewegungen eher zu üblichen Geschäftszeiten und nicht wie bei sonstigen Feierlichkeiten auch in den Abend- und Nachtstunden stattfinden (UA S. 14, 16 f.). Welche zusätzlichen Erkenntnismöglichkeiten ein Sachverständiger insoweit hätte haben sollen, zeigt die Beschwerde nicht auf.
Rz. 9
2.3 Der Verwaltungsgerichtshof hat auch nicht – wie die Beschwerde weiter meint – die prozessuale Bedeutung des § 47 Abs. 2 VwGO verkannt. Wie bereits dargelegt, hat er die Anforderungen an die Geltendmachung einer Rechtsverletzung nicht überspannt.
Rz. 10
2.4 Einen Verstoß gegen Denkgesetze und damit zugleich gegen den Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 108 Abs. 1 VwGO) sieht die Beschwerde darin, dass der Verwaltungsgerichtshof von zwei Fahrzeugbewegungen pro zusätzlichem Hotelzimmer und Tag ausgegangen sei, ohne zu berücksichtigen, dass bis zu 40 Hotelzimmer/Appartements zum Langzeitwohnen genutzt werden könnten. Ein Tatsachengericht hat jedoch nicht schon dann gegen die Denkgesetze verstoßen, wenn es nach Meinung des Beschwerdeführers unrichtige oder fernliegende Schlüsse gezogen hat; ebenso wenig genügen objektiv nicht überzeugende oder sogar unwahrscheinliche Schlussfolgerungen; es muss sich vielmehr um einen aus Gründen der Logik schlechthin unmöglichen Schluss handeln (Urteil vom 20. Oktober 1987 – BVerwG 9 C 147.86 – Buchholz 310 § 86 Abs. 3 VwGO Nr. 37 S. 1 ≪4≫). Nach dem Sachverhalt darf denkgesetzlich ausschließlich eine einzige Folgerung möglich sein, die das Gericht nicht gezogen hat (Beschluss vom 12. Januar 1995 – BVerwG 4 B 197.94 – Buchholz 406.12 § 22 BauNVO Nr. 4 S. 1 ≪4≫). Die Frage, wie viele Fahrzeugbewegungen durch ein Hotelzimmer einerseits und ein langfristig genutztes Hotelzimmer andererseits verursacht werden, ist keine Frage der Logik, sondern der prognostischen Bewertung. Der Verwaltungsgerichtshof hat insoweit auch keine Erfahrungssätze aufgestellt, sondern im Rahmen seiner nur überschlägigen Abschätzung auf eine Differenzierung zwischen “normalen” und langfristig genutzten Hotelzimmern verzichtet (UA S. 13).
Rz. 11
Entgegen der Auffassung der Beschwerde widerspricht angesichts der Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs zu den topografischen Verhältnissen auch die Annahme, dass der Wall abschirmende Wirkung für die Grundstücke der Antragsteller entfalte, nicht den Denkgesetzen. Der Verwaltungsgerichtshof hat festgestellt, dass der Wall nicht nur zu den Grundstücken der Antragsteller, sondern auch im Plangebiet selbst abfalle. Zudem müsse eine Tiefgaragenzufahrt bezogen auf das Niveau der bestehenden und als Vorbelastung einzustellenden Stellplätze tiefer gelegt werden (UA S. 13). Ausgehend hiervon ist es nicht unmöglich, dass der Wall abschirmende Wirkung für die Grundstücke der Antragsteller entfaltet.
Rz. 12
2.5 Die Beschwerde legt auch nicht dar, dass die Feststellungen zum Wall aktenwidrig sind. Ihr Vorbringen, die Existenz des Walls ergebe sich nicht aus den Akten, ist nicht geeignet, einen die Aktenwidrigkeit kennzeichnenden Widerspruch zwischen den tatsächlichen Annahmen des Verwaltungsgerichtshofs und den sich aus dem insoweit unumstrittenen Akteninhalt ergebenden Tatsachenumständen aufzuzeigen.
Rz. 13
2.6 Das Urteil stellt schließlich kein den Anspruch der Antragsteller auf rechtliches Gehör verletzendes Überraschungsurteil dar. Der Verwaltungsgerichtshof hat nach der Ortsbesichtigung, die sich auf die Grundstücke aller Antragsteller erstreckt hatte, darauf hingewiesen, dass die Beweisaufnahme der weiteren Klärung der Zulässigkeit der Normenkontrollanträge dienen sollte. Jedenfalls aufgrund dieses Hinweises mussten nicht nur die Antragsteller zu 5 und 6, deren Antragsbefugnis die Antragsgegnerin bereits in der Antragserwiderung bestritten hatte, sondern auch die übrigen Antragsteller damit rechnen, dass der Verwaltungsgerichtshof ihre Anträge mangels Antragsbefugnis ablehnen würde.
Rz. 14
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO und § 159 Satz 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Prof. Dr. Rubel, Dr. Jannasch, Dr. Philipp
Fundstellen