Verfahrensgang
OVG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 23.06.2015; Aktenzeichen 10 B 7.13) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 23. Juni 2015 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 10 385 EUR festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
Rz. 2
1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung.
Rz. 3
Grundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. Daran fehlt es hier. Die von der Klägerin für grundsätzlich klärungsbedürftig gehaltenen Fragen zu Inhalt und Anwendungsbereich des § 6 Abs. 2 Nr. 8 BauNVO 1990 und zur Anwendbarkeit des bauplanungsrechtlichen Gebots der Rücksichtnahme bei nach § 173 Abs. 3 Satz 1 BBauG i.d.F. vom 18. August 1976 übergeleiteten Bebauungsplänen führen nicht zur Zulassung der Revision, weil die Fragen in einem Revisionsverfahren nicht klärungsfähig wären. Das Oberverwaltungsgericht hat angenommen, dass die mit einer Nutzungsuntersagung nach § 79 Satz 2 BauO Bln belegte Spielhalle der Klägerin zwar gemäß § 7 Nr. 9 Buchst. c) der Bauordnung für Berlin in der Fassung vom 21. November 1958 (BauO Bln 1958) im Bebauungsplangebiet allgemein zulässig sei (UA S. 9 f.). Gleichwohl sei die Spielhalle materiell illegal, weil sie gegen das landesrechtliche Gebot der Rücksichtnahme nach § 7 Nr. 5 BauO Bln 1958 verstoße (UA S. 10 f.). Zur Konkretisierung der entsprechenden Anforderungen hat das Oberverwaltungsgericht auf § 15 Abs. 1 BauNVO und die Rechtsprechung zum bauplanungsrechtlichen Gebot der Rücksichtnahme (UA S. 11 f.) sowie auf § 6 Abs. 2 Nr. 8 BauNVO 1990 (UA S. 13 ff.) zurückgegriffen. Zum revisiblen Bundesrecht im Sinne von § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO zählen jedoch nur solche Normen, die kraft Gesetzesbefehls des Bundesgesetzgebers oder des auf Grund seiner Delegation tätigen Verordnungsgebers gelten (BVerwG, Urteil vom 24. September 1992 – 3 C 64.89 – BVerwGE 91, 77 ≪81≫). Wird in landesrechtlichen Vorschriften auf Bundesrecht verwiesen oder Bezug genommen, so sind die bundesrechtlichen Vorschriften ebenso wenig revisibel wie die landesrechtlichen, denn sie gelten nicht auf Grund eines Gesetzesbefehls des Bundesgesetzgebers (BVerwG, Beschluss vom 29. Januar 1954 – 4 B 8.53 – BVerwGE 1, 76 ≪78≫; Urteil vom 25. Oktober 1961 – 5 C 134.60 – Buchholz 310 § 137 VwGO Nr. 11 m.w.N.). Auch wenn Lücken des Landesrechts durch entsprechende Vorschriften des Bundesrechts geschlossen werden oder im Rahmen des Landesrechts allgemeine, dem Bundesrecht entnommene Rechtsgrundsätze, wie zum Beispiel der Grundsatz von Treu und Glauben, angewendet werden, handelt es sich nicht um revisibles Bundesrecht (BVerwG, Urteil vom 24. Juni 1955 – 5 C 73.54 – BVerwGE 2, 161 ≪162≫; Beschlüsse vom 8. Juli 2008 – 6 B 25.08 – Buchholz 422.2 Rundfunkrecht Nr. 45 Rn. 4 m.w.N. und vom 27. Juli 1956 – 5 B 56.56 – Buchholz 321 § 56 BVerwGG Nr. 23). Dasselbe gilt, wenn das Landesrecht Begriffe verwendet, die auch das Bundesrecht kennt, mag sich ihr Inhalt mit dem Bundesrecht decken oder davon abweichen, oder wenn es sich um übereinstimmendes Landesrecht handelt (BVerwG, Urteile vom 21. Januar 1955 – 2 C 177.54 – BVerwGE 2, 22 ≪22≫, vom 5. November 1965 – 7 C 119.64 – BVerwGE 22, 299 ≪300≫, vom 27. Juni 1969 – 7 C 20.67 – BVerwGE 32, 252 ≪254 f.≫ und vom 15. April 1988 – 7 C 125.86 – Buchholz 442.01 § 45a PBefG Nr. 2 S. 5; Beschlüsse vom 29. Dezember 2009 – 8 B 46.09 – juris Rn. 2 und vom 17. März 2015 – 4 BN 29.14 – juris Rn. 7). Die von der Klägerin formulierten Fragen betreffen damit nicht revisibles Recht, sondern beziehen sich auf die Auslegung und Anwendung des § 7 Nr. 5 BauO Bln 1958 durch das Oberverwaltungsgericht, mithin auf Landesrecht (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 1965 – 4 C 88.65 – Buchholz 406.12 § 4 BauNutzVO Nr. 1 S. 1 f.).
Rz. 4
Auch die Frage,
ob eine landesrechtliche Regelung in einem Spielhallengesetz bzw. Ausführungsgesetz zum Glücksspielstaatsvertrag, wonach in Ausfüllung der Vorgabe des § 25 des Ersten Staatsvertrages zur Änderung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland vom 15. Dezember 2011 Spielhallen untereinander einen Mindestabstand von 500 m (§ 2 Abs. 1 Satz 3 des Spielhallengesetzes Berlin – SpielhG Bln –) einzuhalten haben, die Befürchtung eines bauplanungsrechtlichen Trading-down-Effekts unberührt lässt oder ob eine solche Regelung zumindest geeignet ist, die Befürchtung eines Trading-down-Effekts zu relativieren,
führt nicht zur Zulassung der Revision, denn auch sie betrifft mit § 2 Abs. 1 Satz 3 SpielhG Bln wiederum nicht revisibles Landesrecht. Die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts zu den negativen Auswirkungen der klägerischen Spielhalle im Sinne eines Trading-down-Effekts (UA S. 19 f.) stehen im Übrigen im Kontext mit § 7 Nr. 5 BauO Bln 1958 und dem dort normierten landesrechtlichen Rücksichtnahmegebot und betreffen – wie ausgeführt – auch unter diesem Blickwinkel ausschließlich Landesrecht.
Rz. 5
2. Die Revision ist auch nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen.
Rz. 6
Zur Darlegung des Zulassungsgrundes der Divergenz ist gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO erforderlich, dass die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung u.a. des Bundesverwaltungsgerichts tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift des revisiblen Rechts widersprochen hat (BVerwG, Beschlüsse vom 19. August 1997 – 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 26, vom 13. Juli 1999 – 8 B 166.99 – Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 9 und vom 17. März 2015 – 4 BN 29.14 – juris Rn. 11; Kraft, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 132 Rn. 32). Die Beschwerde meint, das Urteil des Oberverwaltungsgerichts weiche in dieser Weise von den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. November 1983 – 4 C 64.79 – (BVerwGE 68, 207 ≪212≫ = juris Rn. 12) und vom 21. Februar 1986 – 4 C 31.83 – (Buchholz 406.12 § 6 BauNVO Nr. 7 S. 9 ff. = juris Rn. 11 f., 14) und von dem Beschluss vom 6. März 1989 – 4 NB 8.89 – (Buchholz 406.11 § 30 BBauG/BauGB Nr. 27 S. 2 = juris Rn. 7 f.) ab. Dies kann schon deswegen nicht zur Zulassung der Revision wegen Divergenz führen, weil die abstrakten Rechtssätze, welche die Beschwerde den genannten Entscheidungen entnehmen zu können glaubt, nicht zum (irrevisiblen) landesrechtlichen Rücksichtnahmegebot nach § 7 Nr. 5 BauO Bln 1958 ergangen sind.
Rz. 7
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO und die Festsetzung des Streitwerts auf § 47 Abs. 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 und 3 GKG.
Unterschriften
Prof. Dr. Rubel, Petz, Dr. Decker
Fundstellen