Verfahrensgang
Hamburgisches OVG (Urteil vom 09.07.2015; Aktenzeichen 12 Bf 20/15.F) |
VG Hamburg (Entscheidung vom 09.12.2014; Aktenzeichen 33 D 1927/14) |
Gründe
Rz. 1
Auf die Beschwerde des Beklagten ist der Rechtsstreit nach § 133 Abs. 6 VwGO unter Aufhebung der Berufungsentscheidung zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen. Die Berufungsentscheidung beruht auf einem Verfahrensmangel im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.
Rz. 2
Der 1962 geborene Beklagte steht als Erster Justizhauptwachtmeister (Besoldungsgruppe A 5) im Landesdienst der Klägerin. Mit rechtskräftig gewordenem Strafbefehl vom 16. März 2011 verurteilte ihn das Amtsgericht H. wegen vollendeten und versuchten Beihilfebetrugs in Tateinheit mit Urkundenfälschung zu einer Geldstrafe in Höhe von 150 Tagessätzen. Im sachgleichen Disziplinarverfahren hat ihn das Verwaltungsgericht aus dem Dienst entfernt. Die Berufung des Beklagten beim Oberverwaltungsgericht ist erfolglos geblieben.
Rz. 3
Der mit der Beschwerde geltend gemachte Verfahrensmangel im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO liegt vor, weil eine vorschriftswidrige Besetzung des Berufungsgerichts dargelegt worden ist. Auf diesem Mangel kann die Berufungsentscheidung beruhen (§ 138 Nr. 1 VwGO).
Rz. 4
1. Eine Rüge der vorschriftswidrigen Besetzung eines Spruchkörpers, die sich auch auf die Anwendung eines Geschäftsverteilungsplans beziehen kann, ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur dann zulässig vorgebracht, wenn der Beschwerdeführer die nach seiner Meinung den Mangel begründenden Tatsachen in einer Weise vorträgt, die dem Revisionsgericht deren Beurteilung ermöglichen. Dies erfordert eine Auseinandersetzung mit den Einzelheiten der einschlägigen Geschäftsverteilung sowie ggf. die Einholung von Erkundigungen und die Vornahme eigener Ermittlungen, um sich über das Vorgehen des Gerichts Aufklärung zu verschaffen; andernfalls handelt es sich um eine unbeachtliche Rüge "auf Verdacht". Die Rüge einer vorschriftswidrigen Besetzung eines Spruchkörpers ist hiernach nur dann in der erforderlichen Weise bezeichnet, wenn unter Wiedergabe der maßgeblichen, in den Geschäftsverteilungsplänen des (Gesamt-)Gerichts bzw. des Spruchkörpers niedergelegten Heranziehungs- und Vertretungsregeln konkret dargelegt wird, dass und warum ein bestimmter Richter nicht zur Mitwirkung an der Entscheidung berufen war (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. Januar 2016 - 2 B 34.14 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 3 VwGO Nr. 75 Rn. 12 m.w.N.). Die Beschwerde genügt diesen Anforderungen.
Rz. 5
2. Die Beschwerde rügt zu Recht, dass der im Zeitpunkt der Berufungsverhandlung geltende Geschäftsverteilungsplan des Berufungsgerichts die einschlägigen gesetzlichen Vorgaben für die Heranziehung des ersten Beamtenbeisitzers in den Disziplinarspruchkörpern missachtet:
Rz. 6
Nach § 45 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 des Hamburgischen Disziplinargesetzes (HmbDG) vom 18. Februar 2004 (HmbGVBl. S. 69), zuletzt geändert durch Gesetz vom 8. Juli 2014 (HmbGVBl. S. 299, 326), verhandelt der Fachsenat für Disziplinarsachen des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts in der Besetzung von drei Berufsrichtern und zwei Beamtenbeisitzern. Einer dieser beiden Beamtenbeisitzer soll nach § 45 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 4 HmbDG der Laufbahnfachrichtung und der Laufbahnfachgruppe mit dem jeweiligen Eingangsamt des Beamten angehören, gegen den sich das Disziplinarverfahren richtet.
Rz. 7
Dieser gesetzlichen Vorgabe wird der im Zeitpunkt der Ladung zur mündlichen Verhandlung und am Verhandlungstag im Juli 2015 geltende Geschäftsverteilungsplan des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts (in der Fassung vom Juni 2015 - im Folgenden: GVP 2015) nicht gerecht: Nach Nr. VI Satz 1 GVP 2015 wird der erste Beamtenbeisitzer "vorrangig nach der Laufbahngruppe und soweit möglich nach dem Verwaltungszweig ausgesucht". Nr. VI Satz 3 GVP 2015 bestimmt: "Ist eine Heranziehung nach den Laufbahngruppen wegen Verhinderung nicht möglich, so gilt die alphabetische Reihenfolge" und schließt damit an die Regelung in Nr. VI Satz 2 GVP 2015 für die Heranziehung des zweiten Beamtenbeisitzers an, die ebenfalls die alphabetische Reihenfolge vorsieht. Der Geschäftsverteilungsplan sieht eine einheitliche Liste für die Beamtenbeisitzer aller Laufbahngruppen und Fachrichtungen vor, die 93 Personen in alphabetischer Reihenfolge und unter Nennung ihrer Amtsbezeichnung verzeichnet.
Rz. 8
Damit enthält der Geschäftsverteilungsplan eine abgestufte Regelung, die im Falle der Unmöglichkeit der Heranziehung nach der Laufbahngruppe eine Heranziehung ausschließlich nach der alphabetischen Reihenfolge vorschreibt, also auch dann, wenn eine Heranziehung nach dem Verwaltungszweig möglich wäre. Dies wird der gesetzlichen Vorgabe der Gleichordnung von Laufbahngruppe und Verwaltungszweig nicht gerecht. Ein sachlicher Grund für diese Regelung, nach der im vorliegenden Fall verfahren worden ist, wird im Geschäftsverteilungsplan nicht benannt (zur ggf. bestehenden Dokumentationspflicht in Geschäftsverteilungsplänen vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 18. März 2009 - 2 BvR 229/09 - BVerfGK 15, 247 ≪253≫= juris Rn. 26 m.w.N.) und ist auch sonst nicht erkennbar. Insbesondere sind Praktikabilitätsgründe nicht ersichtlich, denn statt der alphabetischen Reihenfolge hätte - in gleicher Weise praktikabel - durch Heranziehung eines Beamten desselben Verwaltungszweigs der gesetzlichen Vorgabe Rechnung getragen werden können, so wie dies im Übrigen in der aktuellen, für das Jahr 2017 geltenden Regelung des Geschäftsverteilungsplans geschehen ist.
Rz. 9
Wenn man die Regelung in Nr. VI Satz 3 GVP 2015 im Zusammenhang mit der Regelung in Nr. VI Satz 1 GVP 2015 dahingehend verstehen würde, dass der alphabetisch nachfolgende Beamte desselben Verwaltungszweigs heranzuziehen ist, ergäbe sich kein anderes Ergebnis. Denn im vorliegenden Fall wurde der alphabetisch nachfolgende Beamte - der einem anderen Verwaltungszweig angehörte -, nicht aber der alphabetisch nachfolgende Justizbeamte herangezogen. Dann wäre nicht eine rechtsfehlerhafte Regelung des Geschäftsverteilungsplans richtig angewendet, sondern eine rechtsfehlerfreie Regelung falsch angewendet worden.
Rz. 10
3. Nicht entschieden werden muss, ob das Berufungsgericht außerdem auch deshalb unvorschriftsmäßig besetzt war, weil nach der Liste der ehrenamtlichen Richter im Geschäftsverteilungsplan für den einfachen Justizdienst nur ein einziger Beamtenbeisitzer zur Verfügung stand. Damit war eine erhöhte Gefahr verbunden, dass wegen Krankheit, Urlaub, Befangenheit - wie hier - oder aus anderen Gründen der von § 45 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 4 HmbDG vorgesehene, nach Laufbahngruppe und Verwaltungszweig zutreffende ehrenamtliche Richter verhindert war. Einer Aufklärung der Gründe dafür, dass nur ein einziger Beamter des einfachen Justizdienstes auf der Liste der ehrenamtlichen Richter verzeichnet war, bedarf es aber nicht, weil das Verfahren - wie unter 2. dargelegt - bereits wegen eines anderen Verfahrensfehlers an das Berufungsgericht zurückzuverweisen war. Auch über die anderen Verfahrensrügen muss deshalb nicht entschieden werden.
Rz. 11
4. Einer Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren bedarf es nicht, weil für das Verfahren streitwertunabhängig Gebühren nach dem Gebührenverzeichnis der Anlage zu § 76 HmbDG erhoben werden.
Fundstellen
Dokument-Index HI10408526 |