Entscheidungsstichwort (Thema)
Fachplanungsrecht. Alternativlösungen. Trassenvarianten. Grobanalyse. Abwägungsmaterial. Sachverhaltsermittlung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Anforderungen des Abwägungsgebots richten sich auch und gerade an das Berücksichtigen planerischer Alternativen.
2. Der Planfeststellungsbehörde ist bei der Alternativenprüfung ein gestuftes Verfahren gestattet, bei dem sich die Anforderungen an den Umfang der Sachverhaltsermittlung und -bewertung nach dem erreichten Planungsstand und den im Laufe des Verfahrens gewonnenen Erkenntnissen richten.
Normenkette
FStrG § 17
Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Urteil vom 04.11.2008; Aktenzeichen 8 A 07.40043) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers zu 1 gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 4. November 2008 wird zurückgewiesen.
Der Kläger zu 1 trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 20 000 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Die von der Beschwerde geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) kommt der Rechtssache nicht zu.
Rz. 2
Die von dem Kläger zu 1 als grundsätzlich bedeutsam angesehene Frage,
“ob und inwieweit Trassenalternativen, die das Planziel, wie die gewählte Plantrasse erreichen, in jedem Planungsprozess mit der identischen Planungstiefe und dem identischen Optimierungsgrad in das Verfahren einbezogen werden müssen, um damit eine vergleichbare Entscheidungsgrundlage zu erreichen”,
Rz. 3
würde sich in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht stellen. Sie wäre nicht entscheidungserheblich, weil der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung ausdrücklich festgestellt hat (UA Rn. 45), dass der Trassenabwägungsentscheidung der Planfeststellungsbehörde eine eingehende Untersuchung und ein detaillierter Vergleich der Varianten, insbesondere auch der von dem Kläger zu 1 bevorzugten Variante Rischberg, vorausgegangen sind. Eine nochmalige vergleichende Gegenüberstellung von Plantrasse und Rischberg-Variante hat bei einem Ortstermin u.a. mit dem Kläger zu 1 am 24. Oktober 2006 stattgefunden. Die von den Beteiligten bei diesem Ortstermin für die Rischberg-Trasse gemachten Optimierungsvorschläge sind in die Prüfung und Beurteilung einbezogen worden. Nach diesen tatsächlichen Feststellungen im angegriffenen Urteil, die von dem Kläger zu 1 nicht mit Verfahrensrügen angegriffen werden und die daher das Revisionsgericht binden (§ 137 Abs. 2 VwGO), ist nicht erkennbar, dass die von ihm bevorzugte Variante weniger intensiv als die Vorzugstrasse geprüft worden wäre. Auch mit der Beschwerde legt der Kläger zu 1 in der Sache nicht dar, warum er die von der Planfeststellungsbehörde angestellten Ermittlungen für defizitär erachtet.
Rz. 4
Abgesehen von der fehlenden Entscheidungserheblichkeit hat der Kläger zu 1 auch nicht darzulegen vermocht (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), weshalb trotz der bereits vorhandenen höchstrichterlichen Rechtsprechung zu den Anforderungen an eine Alternativenprüfung im Fachplanungsrecht noch weiterer Klärungsbedarf besteht. Soweit er die Gefahr sieht, dass sich ohne weitere höchstrichterliche Rechtsprechung die Rechtsentwicklung hinsichtlich der planungsrechtlichen Beurteilung von Trassierungsalternativen dahingehend verschiebt, dass in jedem Fall und ohne weitere vertiefende Auseinandersetzung jede Trassenalternative, die sich nicht aufdrängt, von vornherein gegenüber einer gewählten Plantrasse planungsrechtlich hintangestellt werden kann, ergibt sich daraus nicht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache. Die vom Kläger zu 1 angesprochene Gefahr besteht bei richtigem Verständnis und richtiger Anwendung der bereits existierenden Rechtsprechung nicht.
Rz. 5
Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Fachplanungsrecht, dass sich die Anforderungen des Abwägungsgebots auch und gerade an das Berücksichtigen von planerischen Alternativen richten. Ernsthaft sich anbietende Alternativlösungen müssen bei der Zusammenstellung des abwägungserheblichen Materials berücksichtigt werden und mit der ihnen objektiv zukommenden Bedeutung in die vergleichende Prüfung der von den möglichen Alternativen jeweils berührten öffentlichen und privaten Belange Eingang finden (Beschluss vom 20. Dezember 1988 – BVerwG 7 NB 2.88 – BVerwGE 81, 128 ≪136 f.≫ m.w.N.; Urteil vom 9. Juni 2004 – BVerwG 9 A 11.03 – Buchholz 406.400 § 61 BNatSchG 2002 Nr. 5 S. 41 [insoweit nicht veröffentlicht in BVerwGE 121, 72]). Zu diesen in das Verfahren einzubeziehenden und zu untersuchenden Alternativen gehören neben den von Amts wegen ermittelten auch solche, die von dritter Seite im Laufe des Verfahrens vorgeschlagen werden (Urteil vom 12. Dezember 1996 – BVerwG 4 C 29.94 – BVerwGE 102, 331 ≪342≫). Die Planfeststellungsbehörde ist indes nicht verpflichtet, die Variantenprüfung bis zuletzt offen zu halten und alle von ihr zu einem bestimmten Zeitpunkt erwogenen oder von dritter Seite vorgeschlagenen Alternativen gleichermaßen detailliert und umfassend zu untersuchen. Auch im Bereich der Planungsalternativen braucht sie den Sachverhalt nur so zu klären, wie dies für eine sachgerechte Entscheidung und eine zweckmäßige Gestaltung des Verfahrens erforderlich ist. Sie ist befugt, Alternativen, die sich aufgrund einer Grobanalyse als weniger geeignet erweisen, schon in einem frühen Verfahrensstadium auszuscheiden (vgl. Urteile vom 25. Januar 1996 – BVerwG 4 C 5.95 – BVerwGE 100, 238 ≪249 f.≫ und vom 20. Mai 1999 – BVerwG 4 A 12.98 – NVwZ 2000, 555 [insoweit nicht veröffentlicht in Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 154]; Beschluss vom 26. Juni 1992 – BVerwG 4 B 1-11.92 – Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 89 S. 91 f.). Stellt sich im Rahmen einer solchen Vorprüfung heraus, dass das mit der Planung zulässigerweise verfolgte Konzept bei Verwirklichung der Alternativtrasse nicht erreicht werden kann und daher die Variante in Wirklichkeit auf ein anderes Projekt hinausliefe, so kann die Planfeststellungsbehörde diese Variante ohne weitere Untersuchungen als ungeeignet ausscheiden (vgl. Urteil vom 19. Mai 1998 – BVerwG 4 A 9.97 – BVerwGE 107, 1 ≪13 f.≫).
Rz. 6
Über die Fälle der fehlenden Eignung zur Zielverwirklichung hinaus ist die Planfeststellungsbehörde befugt, Alternativen bereits in einem frühen Verfahrensstadium auszuscheiden, die sich nach den in diesem Stadium des Planungsprozesses angestellten Sachverhaltsermittlungen hinsichtlich der berührten öffentlichen und privaten Belange als weniger geeignet erweisen als andere Trassenvarianten. Ergibt sich dagegen nicht bereits bei einer Grobanalyse des Abwägungsmaterials die Vorzugswürdigkeit einer Trasse, so muss die Planfeststellungsbehörde die dann noch ernsthaft in Betracht kommenden Trassenvarianten im weiteren Planungsverfahren detaillierter untersuchen und in ihre Überlegungen ebenso einbeziehen wie die von ihr favorisierte Trasse. Insoweit ist die Ermittlung des Sachverhalts und der berührten öffentlichen und privaten Belange relativ zur jeweiligen Problemstellung und der erreichten Planungsphase (vgl. Beschluss vom 26. Juni 1992 a.a.O. S. 91). Der Planfeststellungsbehörde ist bei der Trassenprüfung ein gestuftes Verfahren gestattet, bei dem sich die Anforderungen an den Umfang der Sachverhaltsermittlung und -bewertung jeweils nach dem erreichten Planungsstand und den bereits im Laufe des Verfahrens gewonnenen Erkenntnissen richten (vgl. Urteil vom 25. Januar 1996 a.a.O. S. 250; Beschluss vom 26. Juni 1992 a.a.O. S. 92).
Rz. 7
Neben diesen in erster Linie die Zusammenstellung des Abwägungsmaterials betreffenden Vorgaben ist zu berücksichtigen, dass die eigentliche planerische Entscheidung zwischen zwei oder mehreren Trassenvarianten nur eingeschränkter gerichtlicher Kontrolle unterliegt. Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind die Grenzen der planerischen Gestaltungsfreiheit bei der Auswahl zwischen verschiedenen Trassenvarianten erst dann überschritten, wenn eine andere als die gewählte Linienführung sich unter Berücksichtigung aller abwägungserheblichen Belange eindeutig als die bessere, weil öffentliche und private Belange insgesamt schonendere darstellen würde, wenn sich mit anderen Worten diese Lösung der Behörde hätte aufdrängen müssen (vgl. etwa Urteile vom 25. Januar 1996 a.a.O. S. 249 f. und vom 20. Mai 1999 a.a.O. sowie Beschluss vom 14. Mai 1996 – BVerwG 7 NB 3.95 – BVerwGE 101, 166 ≪173 f.≫).
Rz. 8
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Dr. Storost, Dr. Nolte, Prof. Dr. Korbmacher
Fundstellen
Haufe-Index 2166280 |
DÖV 2010, 148 |
NuR 2009, 480 |
VR 2009, 323 |
DVBl. 2009, 861 |