Verfahrensgang
Niedersächsisches OVG (Beschluss vom 26.05.1998; Aktenzeichen 12 L 7027/96) |
Tenor
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluß des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 26. Mai 1998 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die vorgetragenen Gründe rechtfertigen die Zulassung der Revision nicht.
Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kommt der Rechtssache nicht zu. Grundsätzliche Bedeutung in diesem Sinne hat eine Rechtssache nur dann, wenn zu erwarten ist, daß die Entscheidung im künftigen Revisionsverfahren dazu dienen kann, die Rechtseinheit in ihrem Bestand zu erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern (BVerwGE 13, 90 ≪91≫). Daran fehlt es, wenn die als rechtsgrundsätzlich bedeutsam aufgeworfenen Fragen sich bereits auf der Grundlage der vorhandenen höchstrichterlichen Rechtsprechung beantworten lassen. So liegt es hier.
Die Beschwerde sieht unter Hinweis auf ein Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 14. April 1997 – 7 S 1816/95 – (FEVS 48, S. 29 ff.) die Notwendigkeit einer rechtsgrundsätzlichen Klärung der Anforderungen des § 122 BSHG für den Nachweis der „eheähnlichen Gemeinschaft” und einer Weiterentwicklung der hierzu im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Mai 1995 – BVerwG 5 C 16.93 – (BVerwGE 98, 195 ff.) entwickelten Grundsätze; als grundsätzlich klärungsbedürftig wirft sie die Rechtsfrage auf, „ob bei langjähriger Wohngemeinschaft, im vorliegenden Fall mittlerweile 14 Jahre in verschiedenen Wohnungen, eine Beweislastumkehr zu Lasten des Hilfeempfängers eintritt”.
Die aufgeworfene Frage ist auf der Grundlage des Urteils vom 17. Mai 1995 ohne weiteres zu verneinen. In dieser Entscheidung hat der Senat unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung und im Anschluß an das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 17. November 1992 – 1 BvL 8/87 – (BVerfGE 87, 234, 264 f.) die Anforderungen an das Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft im Sinne des § 122 Satz 1 BSHG dahin gehend konkretisiert, daß eine eheähnliche Gemeinschaft nur dann vorliegt, wenn sie „als auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaft zwischen einem Mann und einer Frau über eine reine Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgeht und sich – im Sinne einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft – durch innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner für einander begründen”. Gemäß diesem Urteil sind die Tatsacheninstanzen im Rahmen der Anwendung des § 122 Satz 1 BSHG gehalten, in tatsächlicher Hinsicht das Vorliegen einer auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaft im Sinne einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft zwischen den beiden Partnern festzustellen (a.a.O. S. 199). Als Hinweistatsachen hat der Senat beispielhaft eine lange Dauer des Zusammenlebens hervorgehoben (gewichtigstes Indiz), bei Zusammenfall des Beginns des Zusammenlebens mit dem Beginn des streitgegenständlichen Leistungszeitraums auch Dauer und Intensität der Bekanntschaft vor Begründung der Wohngemeinschaft, den Anlaß für das Zusammenziehen, die konkrete Lebenssituation der Partner während der streitgegenständlichen Zeit und die – nach außen erkennbare – Intensität der gelebten Gemeinschaft genannt (a.a.O. S. 199, 200). Entscheidend ist stets das Gesamtbild der für den streitgegenständlichen Zeitraum feststellbaren Indizien (a.a.O. S. 201). Diese Maßstäbe erleichtern infolge der Indizwirkung äußerer Umstände die tatrichterliche Feststellung einer auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaft, erfordern aber in jedem Fall eine Würdigung des Gesamtbildes der für den streitgegenständlichen Zeitraum feststellbaren Indizien und lassen damit für die Annahme einer Umkehr der Beweislast bei Vorliegen einer langjährigen Wohngemeinschaft keinen Raum. In Anwendung dieser Grundsätze hat die Vorinstanz unter Ablehnung der Auffassung des Beklagten, bereits das Bestehen einer Wohngemeinschaft begründe die Vermutung solcher inneren Bindungen, das lange Bestehen der Wohngemeinschaft des Klägers mit der Zeugin R. als gewichtiges Indiz für das Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft gewertet, dieses Indiz aber durch die Besonderheiten des Einzelfalles als relativiert angesehen (S. 8 der Entscheidung) und die Verhältnisse insgesamt dahin gehend gewürdigt, daß das lange Bestehen der Wohngemeinschaft zwar als gewichtiges Indiz für das Vorliegen einer Gemeinschaft im Sinne des § 122 Satz 1 BSHG spreche, als alleiniges Indiz aber nicht ausreiche.
Eine rechtsgrundsätzliche Klärungsbedürftigkeit der von der Vorinstanz zutreffend zugrunde gelegten Maßstäbe ergibt sich auch nicht daraus, daß der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in einem Urteil vom 14. April 1997 unter Hinweis auf die Schwierigkeiten der Feststellung im persönlichen, intimen Bereich liegender Umstände die Ansicht geäußert hat, es müsse deshalb „auch die Verteilung der Sachverhaltsermittlungs- bzw. Beweislast neu bestimmt” werden und hierbei könne dem Träger der Sozialhilfe nichts aufgebürdet werden, was er schlechterdings nicht erfüllen könne (a.a.O. S. 31). Auch der Verwaltungsgerichtshof hat im konkreten Fall in inhaltlicher Übereinstimmung mit den Grundsätzen des Urteils des Senats vom 17. Mai 1995 (a.a.O.) aufgrund einer Wertung der Gesamtumstände entschieden; der Umstand, daß er in einer nicht urteilstragenden Erwägung eine Neubestimmung der Beweislast in Betracht gezogen hat, begründet auch unter dem Gesichtspunkt der Erhaltung der Einheit des Rechts keinen rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf für die von der Beschwerde aufgeworfene Rechtsfrage.
Auch die behauptete Divergenz zu dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Mai 1995 liegt nicht vor. Der Senat hat in dem genannten Urteil festgestellt, daß die in Würdigung der Hinweistatsachen gewonnenen Erkenntnisse auch „durch Ereignisse nach Ergehen der Widerspruchsentscheidung bestätigt werden” können; gegebenenfalls könne „auch ein langes Fortdauern der Gemeinschaft über den streitgegenständlichen Zeitraum hinaus Berücksichtigung finden” (a.a.O. S. 200). Damit setzt die angefochtene Entscheidung sich nicht in Widerspruch, wenn sie es ablehnt, die am 11. November 1996 erfolgte Weigerung des Klägers, einen unangemeldeten „Hausbesuch” von Mitarbeitern des Beklagten zuzulassen, als gewichtiges Indiz für das Bestehen einer eheähnlichen Gemeinschaft im streitgegenständlichen Zeitraum (April bis November 1994) zu werten (S. 8 der Entscheidung). Ersichtlich handelt es sich hier nicht um einen Widerspruch im Rechtssatz, sondern um eine Tatsachenwürdigung im Einzelfall, welche zur Begründung einer Divergenz nicht geeignet ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 188 Satz 2 VwGO.
Unterschriften
Dr. Pietzner, Schmidt, Dr. Franke
Fundstellen