Verfahrensgang
VG Greifswald (Urteil vom 18.12.2014; Aktenzeichen 6 A 859/10) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 18. Dezember 2014 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 3. Die übrigen Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Gründe
Rz. 1
Die klagende Stadt wendet sich gegen einen Bescheid des Bundesamts für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen, soweit ihr damit ein in ihrer Gemarkung liegendes Grundstück von Amts wegen nach den Vorschriften des Vermögenszuordnungsgesetzes zugeordnet wird. Das Grundstück ist Teil eines Geländes, auf dem bis Februar 1991 eine Abfalldeponie betrieben wurde. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen, weil es sich bei dem Grundstück um Verwaltungsvermögen gehandelt habe und die Abfallbeseitigung nach Art. 28 Abs. 2 des Grundgesetzes grundsätzlich den Gemeinden als örtliche Körperschaften zugewiesen sei. Eine Einstufung der Abfallbeseitigungsanlage als Sonderabfalldeponie mit der Folge einer Zuordnung des Grundstücks an das beigeladene Land komme nicht in Betracht, weil keine hinreichenden Umstände dafür vorlägen, aus denen auf eine Entscheidung des zuständigen Rates des Bezirks für eine bestimmungsgemäße Nutzung der Deponie zur Lagerung von Sonderabfällen geschlossen werden könne.
Rz. 2
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil bleibt ohne Erfolg. Die Rechtssache weist weder die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO auf (1.) noch weicht das angegriffene Urteil nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO von den von der Klägerin herangezogenen Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts ab (2.). Schließlich sind auch die nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gerügten Verfahrensmängel nicht erkennbar (3.).
Rz. 3
1. a) Die Klägerin hält für grundsätzlich klärungsbedürftig,
welche Anforderungen an den Widmungsakt staatlicher Stellen der DDR zu stellen seien, um eine tatsächlich mit Sonderabfall beschickte Deponie als Sondermülldeponie im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteile vom 24. September 1998 – 3 C 13.97 – und vom 27. April 2006 – 3 C 23.05) zu klassifizieren, welche Verwaltungsvermögen seien, das im weiteren Zeitpunkt den Ländern zugefallen sei,
und
ob es im Falle von Sondermülldeponien eines förmlichen Widmungsaktes bedurft habe oder ob die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur öffentlich-rechtlichen Widmung von Straßen, die auch konkludent möglich gewesen sei, entsprechend heranzuziehen sei.
Rz. 4
Die Klägerin ist der Auffassung, das Verwaltungsgericht überspanne für eine Zweckbestimmung als Sondermülldeponie die Anforderungen an einen förmlichen Widmungsakt, den die DDR-Rechtsordnung als solchen überhaupt nicht gekannt habe.
Rz. 5
Beide von der Klägerin im Zusammenhang gestellten Fragen verleihen der Rechtssache schon deswegen keine grundsätzliche Bedeutung, weil sie an den Ausführungen des Verwaltungsgerichts vorbeigehen. Es hat unmissverständlich darauf hingewiesen, dass man für die Einstufung der Anlage als Sonderabfalldeponie nicht unbedingt einen förmlichen Widmungsbeschluss verlangen könne, sondern nur hinreichende Umstände, aus denen auf eine entsprechende planerische und lenkende Entscheidung der zuständigen DDR-Behörde geschlossen werden könne. Das Verwaltungsgericht hält also eine förmliche Entscheidung über die Zweckbestimmung der Deponie gerade nicht für unabweisbar. Das steht ohne weiteres im Einklang mit der von der Klägerin erwähnten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu einer konkludenten Widmung, die zwar durchaus eine Entscheidung der zuständigen Behörde zur Zweckbestimmung der öffentlichen Sache oder Einrichtung fordert, allerdings keinen förmlichen Widmungsbeschluss (BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2002 – 8 C 24.01 – Buchholz 428 § 5 VermG Nr. 37).
Rz. 6
b) Auch die im Anschluss daran gestellte Frage der Klägerin,
ob nach der Rechtswirklichkeit der DDR im Sinne eines Anscheinsbeweises davon auszugehen sei, dass dem geordneten Betrieb einer Sondermülldeponie zugleich eine bewusste Zweckbestimmung (Widmung) staatlicher Stellen der DDR zugrunde liege, dies mit der Folge, dass grundsätzlich eine Zuordnung zum Verwaltungsvermögen des Landes vorzunehmen sei und eine Zuordnung zum Verwaltungsvermögen der Gemeinde nur dann erfolgen könne, wenn der sich aus dem geordneten Betrieb einer Sondermülldeponie ergebende Anscheinsbeweis positiv widerlegt werde,
verfehlt die das Revisionsgericht bindenden tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts. Es hat den geordneten Betrieb einer Sondermülldeponie nicht festgestellt, sondern ist auf der Grundlage der vorgelegten Unterlagen lediglich davon ausgegangen, dass auf der Deponie tatsächlich in nicht unerheblichem Maße überwachungsbedürftiger Sonderabfall abgelagert worden sei.
Dass diese Ablagerungen einem auf die Deponie ausgerichteten Konzept oder Plan gefolgt seien, ergibt sich aus den Ausführungen des Urteils nicht. Dem Hinweis des Verwaltungsgerichts, für eine entsprechende Nutzungsbestimmung der zuständigen Organe reiche es nicht aus, dass mit deren Willen und Wollen im Einzelfall Sonderabfälle auf eine vorhandene Mülldeponie verbracht worden seien, lässt sich im Gegenteil entnehmen, dass es eine betrieblich vorgesehene regelmäßige Ablagerung solcher Abfälle auf der in Rede stehenden Deponie nicht gab. Ausgehend davon stellt sich die Frage, ob der geordnete Betrieb einer Sondermülldeponie eine Indizwirkung für eine entsprechende Zweckbestimmung der Abfallbeseitigungsanlage äußert, von vornherein nicht.
Rz. 7
2. Ebenso wenig liegen die von der Klägerin nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO gerügten Abweichungen von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vor.
Rz. 8
a) Die Klägerin entnimmt den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. September 1998 – 3 C 13.97 – (Buchholz 115 Sonstiges Wiedervereinigungsrecht Nr. 17), vom 8. Juli 1994 – 7 C 36.93 – (BVerwGE 96, 231 ≪233≫) und vom 27. April 2006 – 3 C 23.05 – (BVerwGE 126, 7) sinngemäß den Rechtssatz, für die Frage, wem der umstrittene Vermögenswert zuzuordnen sei, sei ausschließlich von Bedeutung, dass dort tatsächlich Sonderabfälle deponiert worden seien; dem widerspreche das vom Verwaltungsgericht aufgestellte Erfordernis einer staatlichen Widmung.
Rz. 9
Den herangezogenen Entscheidungen lässt sich der behauptete Rechtssatz nicht entnehmen. Im Urteil vom 24. September 1998 ging es unstreitig um eine als solche betriebene Sondermülldeponie, so dass dort die hier maßgebliche Frage gar nicht aufgeworfen wurde. Das Urteil vom 8. Juli 1994 betrifft nicht die Rückgabe einer Abfallbeseitigungsanlage, sondern eines Waldgrundstücks und stellt den Grundsatz auf, dass Vermögen so zurückzugeben ist, „wie es steht und liegt”. Dieser Rechtssatz zum Umfang des Restitutionsanspruchs hat keinerlei nachvollziehbaren Bezug zu dem von der Klägerin in Zweifel gezogenen Rechtssatz des Verwaltungsgerichts. Schließlich wird im Urteil vom 27. April 2006 – 3 C 23.05 – (BVerwGE 126, 7 ≪10≫) der Entscheidung die Feststellung der Vorinstanz, der Vermögenswert sei als Sonderabfalldeponie gewidmet worden, zugrunde gelegt, ohne dass die Notwendigkeit dieser Widmung problematisiert wird. Auch insoweit scheidet daher die gerügte Divergenz aus.
Rz. 10
b) Die Klägerin rügt weiterhin eine Abweichung von den Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Oktober 2001 – 3 B 56.01 – (Buchholz 111 Art. 26 EV Nr. 8) und vom 30. Oktober 2002 – 8 C 24.01 – (Buchholz 428 § 5 VermG Nr. 37), weil dort für die öffentlich-rechtliche Zweckbestimmung eines Vermögenswerts dessen bestimmungsgemäße Nutzung und damit eine konkludente Widmung für ausreichend gehalten worden sei, während das Verwaltungsgericht hier einen besonderen förmlichen Widmungsakt fordere. Dass dies so nicht zutrifft, wurde bereits oben unter 1. ausgeführt. Eine Abweichung ergibt sich auch nicht insoweit, als im Beschluss des Senats vom 24. Oktober 2001 dargelegt wird, dass in Ermangelung anderer Indizien aus einer zulässigen Nutzung in der Regel auf einen nutzungskonformen Widmungswillen und Widmungsakt geschlossen werden könne; denn es geht hier gerade darum, ob die generelle Nutzung der Deponie zur Sonderabfallbeseitigung zulässig war. Dies vermochte das Verwaltungsgericht gerade nicht festzustellen.
Rz. 11
3. Schließlich führen auch die gerügten Verfahrensmängel nicht zur Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.
Rz. 12
a) Soweit die Klägerin beanstandet, dass das Verwaltungsgericht ihrem im Schriftsatz vom 13. November 2014 gestellten Antrag, die Akte „Deponie Bendhof” beizuziehen, nicht nachgekommen sei, ist ein Mangel richterlicher Sachaufklärung nicht erkennbar. Da die Klägerin in der mündlichen Verhandlung keinen entsprechenden förmlichen Beweisantrag gestellt hat, gäbe es den Verfahrensfehler nur, wenn sich dem Verwaltungsgericht eine solche Aktenanforderung hätte aufdrängen müssen. Das ist nicht der Fall; denn die Klägerin hatte mit ihrem Schriftsatz bereits die von ihr für wesentlich gehaltenen Teile dieser Akte in Kopie vorgelegt und keine substantiierten Angaben dazu gemacht, welche weiteren Aktenbestandteile für die Frage der Zweckbestimmung der Deponie von Bedeutung seien.
Rz. 13
Dasselbe gilt für die von der Klägerin vermisste und seinerzeit ebenfalls nicht förmlich beantragte Vernehmung des Zeugen L. Auch insoweit ist nicht ersichtlich, warum eine solche Beweisaufnahme unabweisbar gewesen sein soll; denn welche konkreten Tatsachen die Klägerin in das Wissen des Zeugen stellen will, ergibt sich aus ihrer Beschwerdebegründung nicht und lässt sich auch nicht ihrem Schriftsatz vom 13. November 2014 entnehmen. Dort wird lediglich dargelegt, dass der Zeuge den mit dem Schriftsatz vorgelegten Bericht über die ehemaligen Sonderabfall- und Betriebsdeponien Mecklenburg-Vorpommern, September 1998, verfasst habe und weiterhin in der Nachfolgebehörde der seinerzeit zuständigen Behörde tätig sei. Die dem Bericht zu entnehmende Tatsache, dass auf der Deponie Bendhof auch Sonderabfälle abgelagert wurden, hat das Verwaltungsgericht anhand der vorgelegten Unterlagen und mangels substantiierten Bestreitens der Beklagten ohnehin festgestellt, so dass es in dieser Hinsicht keinen weiteren Aufklärungsbedarf gab. Dass der Zeuge über die im Bericht enthaltenen Ausführungen hinaus dem Gericht hätte Aufklärung über konkrete Tatsachen verschaffen können, aus denen sich auf ne – gegebenenfalls konkludente – Bestimmung der Abfallbeseitigungsanlage zur Sonderabfalldeponie hätte schließen lassen, legt die Klägerin nicht dar. Dies stünde auch in gewissem Widerspruch zu dem Inhalt des Berichts, in dem die Deponie Bendhof ausdrücklich in der Gruppe 1: „Hausmülldeponien mit tw. paralleler Ablagerung von Sonderabfällen” geführt wird, während in der Gruppe 2: „Betriebsdeponien mit tw. paralleler Ablagerung von Betriebsabfällen, Hausmüll und Sonderabfällen” und in der Gruppe 3: „Spezielle Sonderabfall- und Betriebsdeponien” genannt werden.
Rz. 14
b) Die in diesem Zusammenhang von der Klägerin erhobene Gehörsrüge ist ebenfalls nicht berechtigt. Sie sieht die Verletzung von § 108 Abs. 2 VwGO und Art. 103 Abs. 1 GG darin, dass das Verwaltungsgericht einen Vergleich der umstrittenen Deponie Bendhof mit den Deponien Bobitz-Dalliendorf und Langen Trechow anstelle, die nach seinen Ausführungen als genehmigte Sondermülldeponien betrieben worden seien, ohne dass diese Deponien Gegenstand des Verfahrens gewesen seien und ohne den Beteiligten offenzulegen, woher es sein Wissen über den Genehmigungsstatus jener Deponien habe.
Rz. 15
Der Verfahrensfehler besteht nicht. Das beigeladene Land hat mit dem den übrigen Beteiligten des Verfahrens übersandten Schriftsatz vom 30. Oktober 2013 (Bl. 139 der GA) darauf hingewiesen, dass für das Gebiet Schwerin und Umgebung seinerzeit lediglich die Deponien Bobitz-Dalliendorf bei Wismar sowie Langen Trechow bei Bützow als genehmigte Sondermülldeponien betrieben worden seien und die Deponie Bendhof nach den vorliegenden Unterlagen als Ablagerungsort für Siedlungsmüll und hausmüllähnliche Gewerbeabfälle sowie Bauschutt gedient habe. Dies steht überdies im Einklang mit dem eben erwähnten von der Klägerin selbst vorgelegten Bericht über die Sonderabfall- und Betriebsdeponien in Mecklenburg-Vorpommern, in dem die Deponien Bobitz-Dalliendorf und Langen Trechow in der Gruppe 3 aufgeführt werden und die Deponie Bendhof – wie bereits dargelegt – der Gruppe 1 zugeordnet wird.
Rz. 16
Von einer weiteren Begründung seines Beschlusses sieht der Senat gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO ab.
Rz. 17
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 VZOG nicht erhoben. Wegen des Gegenstandswerts wird auf § 6 Abs. 3 Satz 2 VZOG hingewiesen.
Unterschriften
Kley, Liebler, Dr. Wysk
Fundstellen