Verfahrensgang
VG Potsdam (Urteil vom 06.06.2002; Aktenzeichen 1 K 3043/01) |
Tenor
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 6. Juni 2002 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 4 090 EUR festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde ist unbegründet. Mit dem Streitverfahren verbindet sich keine Frage von rechtsgrundsätzlicher Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, wie die Beschwerde allein geltend macht.
Die Beschwerde will als rechtsgrundsätzlich geklärt wissen, “ob bei der Wahl des nutzungsartabhängigen Vervielfältigers allein auf die zum Schädigungszeitpunkt bestehende wirtschaftliche Einheit abzustellen ist (so die Ansicht des Beklagten) oder ob hierfür allein die Nutzungsverhältnisse auf der zu entschädigenden Teilfläche maßgeblich sind (so die Auffassung des VG Potsdam)”.
Hintergrund dieser Fragestellung ist der Umstand, dass der Klägerin von einem ursprünglich einheitlichen Buchgrundstück, welches mit einem Wohnhaus bebaut war, zwar ein ca. 800 m(2) großer Grundstücksanteil mit Wohnhaus zurückübertragen wurde, nicht aber ein annähernd 1 200 m(2) großer Grundstücksanteil, der unverändert unbebaut ist und für den die Klägerin – dem Grunde nach unbestritten – Entschädigung nach dem Entschädigungsgesetz begehrt.
Während die Klägerin, der Beklagte sowie das Verwaltungsgericht übereinstimmend davon ausgehen, dass zwar für das ursprüngliche Gesamtgrundstück ein Einheitswert (in Höhe von 13 700 RM/M) vorliege, nicht aber für den unbebauten Teil, so dass im Sinne des § 3 Abs. 3 Satz 1 EntschG ein sog. Hilfswert nach den Vorschriften des Reichsbewertungsgesetzes vom 16. Oktober 1934 (RGBl I S. 1035) in der Fassung des Bewertungsgesetzes der Deutschen Demokratischen Republik vom 18. September 1970 (Sonderdruck Nr. 674 des Gesetzblatts = Bundesanzeiger Nr. 117a vom 27. Juni 1995, abgedruckt in: Kimme, Offene Vermögensfragen, Anhang I, Anlage I. 1. EntschG) ermittelt werden muss, der nach übereinstimmender Auffassung der Vorgenannten mit 850 DM zu bewerten sei, will der Beklagte der Klägerin nur den 4,8-fachen Vervielfältiger im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EntschG (Bemessungsgrundlage bei Mietwohngrundstücken mit mehr als zwei Wohnungen) zugestehen, während das Verwaltungsgericht den 20-fachen Vervielfältiger für unbebaute Grundstücke des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 EntschG zugesprochen hat.
Die aufgeworfene Frage rechtfertigt die Durchführung eines Revisionsverfahrens nicht, weil sie eindeutig in anderem als im Sinne der Beschwerde zu beantworten ist.
Im Streitverfahren geht es – wie dargelegt – um die Entschädigung für die aus Rechtsgründen nicht mögliche Rückgabe eines tatsächlich unbebauten Grundstücks. Deshalb könnte kein Zweifel daran bestehen, dass im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 EntschG auf das 20-fache des vor der Schädigung zuletzt festgestellten Einheitswertes abzustellen wäre, wenn es sich bei dem Vermögensgegenstand – erstens – um ein von Anfang an selbständiges unbebautes Grundstück gehandelt hätte, für welches – zweitens – vor der Schädigung ein Einheitswert festgestellt worden wäre; die Berechtigte würde dann in finanzieller Hinsicht in etwa so gestellt sein, wie sie stünde, wenn ihr zum Beitrittszeitpunkt das unbebaute Grundstück mit einem sich aus dem vervielfältigten Einheitswert abzuleitenden angenäherten Verkehrswert übertragen worden wäre. Im Hinblick auf den im Beschwerdeverfahren allein streitigen Vervielfältiger nichts anderes gilt für Fälle der in Rede stehenden Art, die dadurch gekennzeichnet sind, dass – erstens – erst nach der Schädigung und bewirkt durch den Umstand der fehlenden Rückübertragsfähigkeit eines Teilgrundstücks aus einem ursprünglich unselbständigen ein rechtlich selbständiges Grundstück geworden ist, für das – zweitens – naturgemäß kein gesonderter Einheitswert vor der Schädigung festgestellt worden ist:
In einem solchen Fall muss, was zunächst den Faktor Einheitswert anlangt, in erster Linie ein auf das unbebaute Teilgrundstück bezogener Ersatzeinheitswert im Sinne des § 3 Abs. 2 EntschG und in zweiter Linie ein Hilfswert im Sinne des § 3 Abs. 3 EntschG ermittelt werden, wie im Ausgangspunkt zwischen den Beteiligten unstreitig ist. Weil für das gesamte einigungsbedingte Vermögensrecht – wie hier im Einzelnen nicht ausgeführt werden muss – davon auszugehen ist, dass je nach den ein Grundstück prägenden Besonderheiten (insbesondere nach den jeweiligen Nutzungen zu Stichtagen) Grundstückteilflächen eines ursprünglichen Buchgrundstücks verschiedene zuordnungs- bzw. restitutionsrechtliche Schicksale erleiden können, wie der Streitfall erweist, muss die an einen solchen Ersatzeinheits- oder Hilfswert anknüpfende weitere Entschädigungsberechnung nach § 3 EntschG, soll sie zu vernünftigen und sachgerechten Ergebnissen führen, selbstverständlich an die Eigenart des nicht rückgabefähigen Grundstücksteils anknüpfen und darf deshalb nicht zurückgreifen auf die Qualität des ursprünglichen Buchgrundstücks bzw. anderer, rückgabefähiger Grundstücksteile. Dem tragen die unterschiedlichen Vervielfältigter in § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 – 5 EntschG auch in den hier in Rede stehenden Fällen dadurch Rechnung, dass bei mangelnder Rückgabefähigkeit eines unbebauten Teilgrundstücks auf das 20-fache des Einheits-, Ersatzeinheits- oder Hilfswerts abzustellen ist.
Jede andere Betrachtungsweise würde dem ausdrücklichen gesetzgeberischen Anliegen nicht gerecht werden, anstelle eines – ursprünglich vorgesehenen (vgl. BTDrucks 12/4887) – einheitlichen Multiplikators 1,3 “nach Grundstücksarten differenzierende, höhere Faktoren” vorzusehen, womit “der Wegfall der Vermögensabgabe bei Restitutionen zur Minderung der Wertschere kompensiert werden” soll (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses, BTDrucks 12/7588, S. 37, zu § 3 Abs. 1 Satz 1). Die Faktoren orientieren sich hiernach “an angenommenen Verkehrswerten zum Stichtag 3. Oktober 1990” (a.a.O.; vgl. auch Zimmermann, in: RVI, § 3 EntschG Rn. 36; s. dort – Rn. 6 ff. – auch dazu, dass im Entschädigungsgesetz ein anderer Grundstücksbegriff zugrunde zu legen ist als im Sachenrecht). Dieser ins Auge gefasste angenäherte Verkehrswert von unbebauten Grundstücken würde verfehlt werden, folgte man dem Anliegen der Beschwerde, die zu Unrecht auf die Umstände zum Schädigungszeitpunkt abstellen will.
Nur auf den ersten Blick vermag das Argument der Beschwerde zu beeindrucken, es könne nicht angehen, dass in den hier in Rede stehenden Fällen unter der Voraussetzung, es seien mehrere Grundstücksteile (teils mit Bebauung, teils ohne) zu entschädigen, eine höhere Entschädigung zu erzielen sei, als vom Gesetzgeber für das gesamte bebaute Grundstück vorgesehen worden sei, wie die Beschwerde für das Streitverfahren errechnet.
Zum einen spricht in Fällen, die durch die fehlende Rückgabefähigkeit eines gesamten Buchgrundstücks gekennzeichnet werden, nichts für eine gespaltene Entschädigungsberechnung, sondern alles für eine einheitliche. Zum anderen wäre das von der Beschwerde ermittelte unterschiedliche Ergebnis in erster Linie der pauschalierenden und damit zwangsläufig zu gewissen Ungereimtheiten führenden gesetzlichen Festsetzung der Vervielfältigter geschuldet.
Im Übrigen vermag der beschließende Senat nicht nachzuvollziehen, weshalb bei der Ermittlung des Hilfswerts für das unbebaute Teilgrundstück im Ansatz von dem Charakter des ursprünglichen Gesamtgrundstücks (Mietwohngrundstücks) auszugehen sein soll, wie es der Beklagte vertritt und hieraus unzutreffende Folgerungen für den Vervielfältigter ableitet, anstatt gemäß § 53 i.V.m. § 10 des vorstehend erwähnten DDR-Bewertungsgesetzes (a.a.O.) für das – als bereits vor der Schädigung als rechtlich selbständig gedachte – unbebaute Grundstück den ursprünglichen Verkehrswert zu ermitteln, der sich hinter dem Begriff des Preises verbirgt, “der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsgutes bei einer Veräußerung zu erzielen wäre” (vgl. auch Rodenbach, in: Motsch u.a., EALG, § 3 EntschG Rn. 42 “eingefrorene Vorkriegs-Bodenpreise”).
Von einer weiteren Begründung sieht der beschließende Senat gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO ab.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Bei der Streitwertfestsetzung orientiert sich der beschließende Senat an der verwaltungsgerichtlichen Festsetzung, die der Sache nach auf den Regelstreitwert im Sinne des § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG abstellt.
Unterschriften
Prof. Dr. Driehaus, van Schewick, Dr. Brunn
Fundstellen