Verfahrensgang
OVG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 12.11.2008; Aktenzeichen 9 A 3.08) |
Tenor
Die Beschwerde der Antragsteller gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 12. November 2008 wird zurückgewiesen.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5 000 EUR festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde kann keinen Erfolg haben.
Rz. 2
1. Die gerügten Verfahrensfehler (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegen nicht vor.
Rz. 3
Einen Verstoß gegen § 86 Abs. 1 VwGO und Art. 103 Abs. 1 GG sieht die Beschwerde darin, dass das Oberverwaltungsgericht den Beweisantrag der Antragsteller zur Häufigkeit von selbständig bewohnbaren Dachgeschosswohnungen in den Einfamilienhäusern des Wohngebietes der Antragsteller abgelehnt hat. Die Beschwerde hält die Würdigung des Beweisantrags durch das Oberverwaltungsgericht für fehlerhaft, da sich dieser nicht nur auf ihr Grundstück, sondern auf die Vielzahl entsprechend bebauter Grundstücke bezogen habe. Diese Rüge greift nicht durch, weil es nach der bei der Prüfung einer Aufklärungsrüge maßgeblichen Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts (vgl. Beschluss vom 11. Februar 1988 – BVerwG 1 B 136.87 – Buchholz 402.24 § 13 AuslG Nr. 9 S. 3) für die Rechtmäßigkeit des Steigerungsfaktors für Vollgeschosse von 0,25 nicht auf die Möglichkeit der selbständigen Nutzbarkeit der Geschosse ankam. Das Oberverwaltungsgericht hat in seinem Urteil den schriftlich gestellten Beweisantrag, über den es wegen des gleichzeitig erklärten Verzichts auf mündliche Verhandlung nicht vorab entscheiden musste (vgl. hierzu Urteil vom 30. Mai 1989 – BVerwG 1 C 57.87 – Buchholz 402.24 § 8 AuslG Nr. 13 S. 23), mit der Begründung abgelehnt, der normierte Vollgeschossmaßstab beruhe auf dem Erfahrungssatz, dass mit zunehmender Zahl der Vollgeschosse eine Steigerung der baulichen Nutzung und eine Erhöhung des durch den Beitrag abzugeltenden Vorteils einhergehe. Diese Beziehung zwischen Beitragserhebung und abzugeltendem Vorteil werde durch die von den Antragstellern beschriebene Einfamilienhausbebauung im Gebiet des Antragsgegners nicht aufgehoben, weshalb es keiner weiteren Sachaufklärung bedürfe (UA S. 12).
Rz. 4
Die Rüge, das Oberverwaltungsgericht habe seine Amtsermittlungspflicht dadurch verletzt, dass es nicht aufgeklärt hat, wann die erste Schmutzwasserbeitragssatzung für den streitgegenständlichen Kreis der Abgabenschuldner bekannt gemacht worden ist, geht ebenfalls fehl. Nach dem Rechtsstandpunkt des Oberverwaltungsgerichts war auch insoweit eine Sachaufklärung nicht erforderlich. Das Gericht hat das Vorliegen einer aus Vertrauensschutzgesichtspunkten grundsätzlich verbotenen echten Rückwirkung verneint. Da es damit entgegen der Ansicht der Antragsteller nicht „bei der alten Rechtslage zu verbleiben” hatte, kam es auch nicht auf den Zeitpunkt der Bekanntmachung der ersten Schmutzwasserbeitragssatzung an.
Rz. 5
2. Grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) kommt der Rechtssache nicht zu.
Rz. 6
Die von der Beschwerde sinngemäß aufgeworfene Frage, ob der Satzungsgeber den Vollgeschossmaßstab verwenden durfte oder mit Blick auf das landesrechtliche Vorteilsprinzip und die in § 8 Abs. 6 Satz 2 KAG für das Land Brandenburg geforderte Typengerechtigkeit den Beitragsmaßstab den örtlichen Verhältnissen hätte anpassen müssen, betrifft ausschließlich Grundsätze und Normen des brandenburgischen Landesrechts, deren Auslegung und Anwendung als solche vom Revisionsgericht nicht nachgeprüft werden (§ 137 Abs. 1 VwGO) und eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung nicht begründen können.
Rz. 7
Eine klärungsbedürftige Frage des Bundesrechts wird auch nicht mit dem Hinweis auf den bei der Bestimmung des Beitragsmaßstabs zu beachtenden Gleichheitssatz und das Äquivalenzprinzip dargelegt. Die Beschwerde beschränkt sich darauf, die Nichteinhaltung dieser bundesrechtlichen Grundsätze bei der Bestimmung des anzuwendenden Beitragsmaßstabs zu kritisieren, ohne darzulegen, welcher weitere grundsätzliche Klärungsbedarf sich für diese Vorgaben aus dem vorliegenden Fall ergeben soll. In der Sache wird damit ein Rechtsanwendungsfehler, der eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung nicht zu begründen vermag, geltend gemacht.
Rz. 8
3. Auch die Divergenzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) greift nicht.
Rz. 9
Die Beschwerde meint, das angefochtene Urteil weiche, indem es davon ausgehe, dass ein Fall echter Rückwirkung nicht vorliege, von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschlüsse vom 8. Juni 1977 – 2 BvR 499/74 und 1042/75 – BVerfGE 45, 142 ≪167 f. ≫ und vom 14. Mai 1986 – 2 BvL 2/83 – BVerfGE 72, 200 ≪258, 261 ff. ≫) ab, wonach der rechtsunterworfene Bürger nicht über die Verlässlichkeit der Rechtsordnung getäuscht werde dürfe und Ausnahmen vom Verbot der echten Rückwirkung nur zulässig seien, wenn der Betroffene mit einer Änderung der Rechtslage in dem Zeitpunkt, auf den der Eintritt der Rechtsfolge zurückbezogen wird, rechnen musste. Es kann offen bleiben, ob dieses Vorbringen den Anforderungen genügt, die § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO an die Darlegung einer Divergenz stellt (vgl. hierzu Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 26 S. 14). Eine Divergenz besteht jedenfalls nicht. Die von der Beschwerde zitierten Grundsätze hat das Oberverwaltungsgericht weder ausdrücklich noch in der Sache in Frage gestellt. Das Oberverwaltungsgericht ist in seinem Urteil vom 12. Dezember 2007 (– 9 B 44.06 – NJ 2008, 278), auf das das angefochtene Urteil Bezug nimmt, zu dem Ergebnis gekommen, dass das Rückwirkungsverbot einer Beitragsheranziehung so genannter altangeschlossener Grundstücke nicht entgegensteht. Die Nichtzulassungsbeschwerde gegen dieses Urteil hat der Senat mit Beschluss vom 14. Juli 2008 – BVerwG 9 B 22.08 – (juris) zurückgewiesen und ausgeführt, es lasse keine unrichtige Anwendung von Bundes(verfassungs)recht erkennen, wenn das Oberverwaltungsgericht eine echte Rückwirkung im Hinblick darauf verneine, dass eine Beitragspflicht vor der Neuregelung nicht rechtswirksam entstanden gewesen sei und der Gesetzgeber lediglich für die Zukunft neue abgabenrechtliche Folgerungen an eine andauernde Vorteilslage geknüpft habe.
Rz. 10
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO; die Antragsteller haften für die Kosten des Rechtsstreits als Gesamtschuldner, da die Entscheidung über den Normenkontrollantrag ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen konnte (vgl. Beschluss vom 17. Oktober 2000 – BVerwG 4 BN 48.00 – Buchholz 310 § 159 VwGO Nr. 1 S. 1). Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.
Unterschriften
Domgörgen, Buchberger, Prof. Dr. Korbmacher
Fundstellen