Verfahrensgang
OVG Rheinland-Pfalz (Aktenzeichen 4 A 11141/98) |
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde im Beschluß des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz – Senat für Personalvertretungssachen (Bund) – vom 28. September 1999 wird zurückgewiesen.
Gründe
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg. Der angefochtene Beschluß weist nicht gemäß § 83 Abs. 2 BPersVG i.V.m. § 72 Abs. 2 Nr. 2, § 92 Abs. 1 Satz 2, § 92 a Satz 1 ArbGG von den in der Beschwerdebegründung zitierten Entscheidungen ab.
Eine die Rechtsbeschwerde eröffnende Divergenz besteht nur dann, wenn das Beschwerdegericht seinem Beschluß einen abstrakten, die Entscheidung tragenden Rechtssatz zugrunde gelegt hat, der im Widerspruch zu einem ebensolchen Rechtssatz in einem der als Divergenzentscheidung bezeichneten Beschlüssen steht. Eine solche Divergenz setzt weiterhin voraus, daß beide Entscheidungen entweder auf der Grundlage derselben Vorschrift oder auf der Grundlage wörtlich übereinstimmender und daher für eine Divergenz grundsätzlich in Betracht kommender Vorschriften des Bundes- oder Landesrechts ergangen sind. Fehlt es daran, ist eine Abweichung, welche die Zulassung der Rechtsbeschwerde rechtfertigen könnte, ausgeschlossen, weil zu Vorschriften, die einen unterschiedlichen sachlichen Regelungsgegenstand haben oder in anderem systematischen Zusammenhang stehen, abweichende Rechtssätze entwickelt werden können (stRspr, vgl. u.a. Beschlüsse vom 22. April 1999 – BVerwG 6 PB 1.99 – und vom 28. Juni 1996 – BVerwG 6 PB 11.95 – PersR 1997, 76).
1. Die Abweichungsrüge geht fehl, soweit sie sich auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 8. Juli 1997 – 1 BvR 1934/93 – (BVerfGE 96, 189) stützt (Abschnitt II 1. der Beschwerdebegründung).
a) Die Beschwerdebegründung beruft sich auf folgende Passage im vorbezeichneten Urteil: „Es liegt nahe, bei der Beantwortung der Frage, ob die Weiterbeschäftigung eines Arbeitnehmers zumutbar ist, in erster Linie die von ihm im Zeitpunkt der Kündigung wahrgenommene Stellung oder Funktion in den Blick zu nehmen” (a.a.O. S. 200). Damit wird jedoch eine verbindliche verfassungsrechtliche Aussage, die im vorliegenden Zusammenhang Anknüpfungspunkt einer Divergenzrüge sein könnte, nicht getroffen. Es sollte, wie sich aus dem Kontext ergibt, lediglich zum Ausdruck gebracht werden, daß die Auslegung des Sonderkündigungstatbestandes durch das Landesarbeitsgericht als das zuständige Fachgericht keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnete. Daß nur diese Auslegung verfassungsrechtlich geboten war, ist damit nicht zugleich ausgesagt.
b) Abgesehen davon ist die Sach- und Rechtslage, von der das Bundesverfassungsgericht im zitierten Urteil vom 8. Juli 1997 auszugehen hatte, wesensverschieden von der im vorliegenden Fall gegebenen. Im Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht ging es um eine außerordentliche Kündigung, die der öffentliche Arbeitgeber ausgesprochen und die im arbeitsgerichtlichen Verfahren Bestätigung erfahren hatte. Im vorliegenden Verfahren geht es jedoch um die Zustimmung des Personalrats zu einer vom Arbeitgeber beabsichtigten Kündigung eines Personalratsmitgliedes. Eine Kündigung liegt daher im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung noch nicht vor, sie ist vielmehr erst für den Fall in Aussicht genommen, daß die vom Personalrat verweigerte Zustimmung im personalvertretungsrechtlichen Beschlußverfahren durch die Verwaltungsgerichte ersetzt wird. Der Zeitpunkt der Kündigung kann daher für die vom Verwaltungsgericht zu beurteilende Sachlage nicht maßgeblich sein. Insofern kommt es vielmehr auf den Entscheidungszeitpunkt der gerichtlichen Tatsacheninstanz, hier also des Beschwerdegerichts, an. Im vorliegenden Fall kommt als Besonderheit hinzu, daß es sich bei dem Beteiligten zu 2 um ein von seiner dienstlichen Tätigkeit freigestelltes Personalratsmitglied handelt (vgl. § 46 Abs. 3 und 4 BPersVG). In einem solchen Fall kommt es im Rahmen der nach Abs. 5 Nr. 2 EV zu treffenden Würdigung auf die Tätigkeit an, die das Personalratsmitglied nach dem Ende der Freistellung voraussichtlich wahrnehmen wird. Darauf hat der Senat in seinem zwischen den Beteiligten ergangenen Beschluß vom 28. Januar 1998 – BVerwG 6 P 2.97 – (BVerwGE 106, 153) ausdrücklich hingewiesen (a.a.O., S. 162 und 165 bzw. Beschlußabdruck S. 17 und 21). Daran hat sich das Oberverwaltungsgericht zu Recht gehalten (Beschlußabdruck S. 21 f.).
2. Auf den in Abschnitt II 1. der Beschwerdebegründung ebenfalls zitierten Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Februar 1995 – 1 BvR 1397/93 – (BVerfGE 92, 140) kann die Divergenzrüge schon deswegen nicht gestützt werden, weil dieser nicht zu dem hier in Rede stehenden Sonderkündigungstatbestand für die außerordentliche Kündigung (Abs. 5 Nr. 2 EV), sondern zu demjenigen für die ordentliche Kündigung (Abs. 4 EV) ergangen ist. Im übrigen gelten die Ausführungen zu 1. b) entsprechend.
3. An fehlender Deckungsgleichheit des entscheidungserheblichen Regelwerks scheitert die Abweichungsrüge auch, soweit sie sich auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. September 1997 – BVerwG 2 WD 54.96 – (BVerwGE 113, 131) bezieht (Abschnitt II 2. der Beschwerdebegründung). Die auf S. 7 der Beschwerdebegründung aus dem vorbezeichneten Beschluß zitierten Passagen (a.a.O. S. 137 f.) sind Bestandteil der Zumessungserwägungen, die nach den einschlägigen Bestimmungen der Wehrdisziplinarordnung anzustellen waren, nachdem festgestellt war, daß der betreffende Soldat durch unzutreffende Angaben über seine Tätigkeit beim Ministerium für Staatssicherheit (MfS) vorsätzlich gegen seine Dienstpflichten verstoßen und damit ein Dienstvergehen begangen hatte (a.a.O. S. 133 ff.). Zwar werden „als Zumessungsgründe in der Person” verschiedene Alternativen konspirativer Tätigkeit eines Soldaten für das MfS berücksichtigt (a.a.O. S. 140 ff.). Ungeachtet dessen ist primärer Anknüpfungspunkt für die disziplinarische Ahndung des Dienstvergehens ein Verhalten des Soldaten nach der Wiedervereinigung.
Ganz anders liegt es hier. Bei der vom Oberverwaltungsgericht allein vorgenommenen Prüfung der Frage, ob der Arbeitnehmer den Sonderkündigungstatbestand nach Abs. 5 Nr. 2 EV erfüllt, kommt es wegen des Tatbestandsmerkmals „Tätigkeit für das MfS” primär auf das Verhalten des Arbeitnehmersvor der Wiedervereinigung an. Falsche Angaben des Arbeitnehmers auf Fragen des Dienstherrn nach einer Tätigkeit für das MfS können daher als solche nicht den genannten Sonderkündigungstatbestand erfüllen. Ein derartiges Fehlverhalten kann im Rahmen der Würdigung nach Abs. 5 Nr. 2 EV, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar erscheint, allenfalls die den Arbeitnehmer entlastende Feststellung hindern, daß dieser nach der Wiedervereinigung beanstandungsfrei tätig gewesen ist (Beschluß vom 28. Januar 1998, a.a.O. S. 166 f., 170 bzw. Beschlußabdruck S. 25 f. und 28; Beschluß vom 3. Mai 1999 – BVerwG 6 P 2.98 – Der Personalrat 1999, 494, 497).
Nach alledem unterscheidet sich das im angefochtenen Beschluß angewandte Regelwerk nach tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolge so wesentlich von demjenigen, welches dem Beschluß des Wehrdienstsenats vom 3. September 1997 zugrunde lag, daß dieser Beschluß als divergenzfähige Entscheidung hier ausscheidet. Dies gilt auch in bezug auf die in Abschnitt II 4. der Beschwerdebegründung zitierte Passage, wonach ein Erschwernisgrund in der Person des Soldaten dann vorliegt, wenn er für seine Tätigkeiten finanzielle Zuwendungen erhalten hatte (a.a.O. S. 141). Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, daß das Oberverwaltungsgericht bei der Würdigung der Falschangaben des Beteiligten zu 2 diesem nachgesehen hat, daß er sich an die einmalige und geringfügige Zuwendung von 30 Mark im November 1975 nicht mehr erinnert hat (Beschlußabdruck S. 24). Im übrigen durfte es diesen Bagatellsachverhalt bei seiner Würdigung unerwähnt lassen.
4. Die Ausführungen zu § 626 BGB (Abschnitt II 3. der Beschwerdebegründung) gehen schon deswegen fehl, weil sich das Oberverwaltungsgericht im angefochtenen Beschluß mit jenem Kündigungstatbestand nicht befaßt und deswegen dazu keinen Rechtssatz aufgestellt hat, auf den sich eine Divergenzrüge beziehen könnte. Soweit der Antragsteller eine Passage auf S. 8 des angefochtenen Beschlusses zitiert, übersieht er, daß es sich dabei nicht um Rechtsausführungen des Beschwerdegerichts handelt, sondern lediglich um die im Rahmen der Sachverhaltsdarstellung erfolgte Wiedergabe von Ausführungen des Senats im Beschluß vom 28. Januar 1998. Eine lückenhafte oder sonst unrichtige Sachdarstellung kann nicht Gegenstand einer Abweichungsrüge, sondern allenfalls einer Verfahrensrüge sein, die hier im Beschwerdeverfahren wegen Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde jedoch ausscheidet (§ 83 Abs. 2 BPersVG i.V.m. § 72 Abs. 2, § 92 Abs. 1 Satz 2, § 92 a Satz 1 ArbGG).
5. Schließlich weicht der angefochtene Beschluß nicht vom Senatsbeschluß vom 28. Januar 1998 (a.a.O.) ab (Abschnitt II 5. der Beschwerdebegründung). Dort hat der Senat es für nicht zu beanstanden gehalten, daß das Oberverwaltungsgericht das noch jugendliche Alter des Beteiligten zu 2 bei Abgabe der Verpflichtungserklärung zu dessen Gunsten berücksichtigt hat (a.a.O. S. 162 bzw. Beschlußabdruck S. 17). Zugleich hat der Senat jedoch einschränkend hinzugefügt, daß jugendliches Alter bei Abgabe der Verpflichtungserklärung allein den betreffenden Mitarbeiter nicht entscheidend zu entlasten vermag, wenn er seine Tätigkeit für das MfS noch während eines Lebensalters fortgesetzt hat, in welchem eine kritische Beurteilung jener Tätigkeit und der Institution, für die sie erfolgte, erwartet werden konnte (a.a.O. S. 163 bzw. Beschlußabdruck S. 18; vgl. ferner Beschluß vom 3. Mai 1999, a.a.O. S. 497). Die Formulierung „entlastet nicht entscheidend” läßt Raum für die differenzierte Bewertung unterschiedlicher Lebenssachverhalte, die eine Berücksichtigung zu Gunsten des betroffenen Arbeitnehmers entweder ganz ausschließen oder in geringem Maße noch erlauben. In diesem Rahmen bewegt sich die Würdigung durch das Oberverwaltungsgericht mit Blick auf die von ihm getroffenen Feststellungen. Danach wurde der Beteiligte zu 2 zwar vom MfS über einen Zeitraum von zehn Jahren als inoffizieller Mitarbeiter geführt, die aktive Zusammenarbeit beschränkte sich jedoch auf drei Teilzeiträume: Januar 1972, Februar 1976 bis Januar 1977, April 1980 bis Juni 1981. Nur bezüglich des ersten, sehr kurz bemessenen Zeitraums, der sich unmittelbar an die Abgabe der Verpflichtungserklärung anschloß und nach der Einschätzung des Oberverwaltungsgerichts hinsichtlich Umfang und Intensität der Tätigkeit ohnehin nicht ins Gewicht fiel (Beschlußabdruck S. 15), hat es das damals jugendliche Alter des Beteiligten zu 2 zu dessen Gunsten berücksichtigt, während es für die beiden späteren, wesentlich länger bemessenen Zeiträume eine dementsprechende Entlastung nicht mehr angenommen hat (Beschlußabdruck S. 20 f.). Diese Bewertung enthält weder ausdrücklich noch sinngemäß einen Rechtssatz, der von einem solchen im Senatsbeschluß vom 28. Januar 1998 abweicht.
Unterschriften
Niehues, Eckertz-Höfer, Büge
Fundstellen