Verfahrensgang
VG Gera (Urteil vom 23.06.2010; Aktenzeichen 2 K 14/06 Ge) |
Tenor
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem aufgrund mündlicher Verhandlung vom 23. Juni 2010 ergangenen Urteil des Verwaltungsgerichts Gera wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 500 000 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
Rz. 2
1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, weil die Beschwerde keine bestimmte, höchstrichterlich noch ungeklärte Rechtsfrage des revisiblen Rechts formuliert, der eine allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukäme und die für die Revisionsentscheidung entscheidungserheblich wäre (vgl. Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 26).
Rz. 3
Die für grundsätzlich klärungsbedürftig gehaltenen Fragen,
ob eine auf der Grundlage des Aufbaugesetzes der DDR erfolgte Enteignung eines mit einem mehrstöckigen Wohn- und Geschäftshaus vollständig bebauten Grundstücks einen Machtmissbrauch im Sinne von § 1 Abs. 3 VermG darstellt, wenn für die Verwirklichung des der Enteignung zugrunde liegenden Aufbauzwecks lediglich 7 % der Gebäudegrundfläche bzw. 2 % der Gesamtmietfläche des Gebäudes benötigt wurden und die restliche Gebäudegrund- bzw. -mietfläche ohne bauliche Veränderungen selbstständig nutzbar war und auch genutzt wurde,
und,
ob die Enteignung von für die Verwirklichung einer Aufbaumaßnahme nicht benötigten Teilflächen eines komplett mit einem Wohn- und Geschäftshaus bebauten Grundstücks, die für sich genommen sinnvoll selbstständig hätten genutzt werden können, nur dann als machtmissbräuchlich im Sinne von § 1 Abs. 3 VermG anzusehen ist, wenn sich eine Teilenteignung aufdrängen musste,
würden sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen, weil sie zum einen keine klärungsbedürftige Rechtsfrage von fallübergreifendem Gewicht aufzeigen, sondern eine dem einzelfallverhaftete Subsumtionsfrage, und zum anderen einen Sachverhalt unterstellen, den das Verwaltungsgericht so nicht festgestellt hat. Überdies lassen sie sich anhand der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu Teilenteignungen verneinend beantworten.
Rz. 4
Nach den tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts, die den Senat mangels durchgreifender Verfahrensrügen binden (§ 137 Abs. 2 VwGO), begründen die Einzelumstände im vorliegenden Fall nicht die Annahme einer manipulativen Enteignung des Grundstücks insgesamt, obwohl nur eine geringe Teilfläche (18 m2) für die Aufbaumaßnahme erforderlich war. Eine nur teilweise Inanspruchnahme des mit einem viergeschossigen Wohnhaus mit angebautem Hintergebäude vollständig überbauten Grundstücks in geschlossener Bauweise kam danach nicht in Betracht. Eine vertikale Teilung des bebauten Grundstücks im Bereich des eingebauten Arkadendurchgangs schied infolge der Grundrisse der über dem geplanten Arkadendurchgang liegenden Wohnungen und der Konzeption des Gebäudes aus. Eine anderweitige Teilung des Grundstücks kam wegen der Nutzungsstruktur des Wohnhauskomplexes, der aus dem jeweils aneinandergebauten viergeschossigen Wohnhaus und Seitenwohngebäude und einem Hintergebäude bestand, nicht in Betracht. Nach dem Wertgutachten war im Erdgeschoss neben drei Läden der Zugang bzw. Hausflur zu den Wohnungen. Das Seitengebäude war in den jeweiligen Etagen mit Gängen zu dem Hintergebäude verbunden. Aus den von der Beigeladenen vorgelegten Grundrissplänen des Gebäudes S. 2 ergab sich für das Verwaltungsgericht, dass das gesamte Gebäude nur durch einen Hauseingang und einen Hausflur erschlossen war. Das Verwaltungsgericht ist auch nicht davon ausgegangen, dass sich vorliegend eine Teilenteignung nicht aufgedrängt hätte (vgl. UA S. 15/16).
Rz. 5
Das Bundesverwaltungsgericht hat die Frage, unter welchen Voraussetzungen die umfassende Enteignung eines Flurstücks, das nur teilweise für den Enteignungszweck benötigt wurde, als unlautere Machenschaft im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG anzusehen ist, bereits entschieden. Maßgeblich komme es darauf an, ob die für die Aufbaumaßnahme nicht benötigte Teilfläche noch in sinnvoller Weise eigenständig hätte genutzt werden können. Eine Einzelfallprüfung hält es vor dem Hintergrund der in § 4 Abs. 4 der Zweiten Durchführungsbestimmung zum Aufbaugesetz eröffneten Möglichkeit des Zugriffs auf nicht mehr zumutbar nutzbare Restflächen für geboten. Generalisierende Beurteilungsmaßstäbe – wie eine angebliche Praxis der DDR-Behörden, nicht benötigte Flächen eines Flurstücks mit zu enteignen – können erst dann als allgemeine Regel zur Beurteilung enteignender Eingriffe herangezogen werden, wenn der festgestellte Geschehensablauf von vornherein keine Anhaltspunkte für eine weitere Aufhellung der Umstände des Eigentumszugriffs biete oder entsprechende Ermittlungen erfolglos geblieben sind (Urteil vom 28. Oktober 1999 – BVerwG 7 C 38.98 – Buchholz 428 § 1 Abs. 3 VermG Nr. 6). Auch wenn die Entscheidung zu einem unbebauten Grundstück ergangen ist, lässt die sich darin enthaltene Aussage ohne Weiteres auch auf bebaute Grundstücke übertragen. Die Durchführung eines Revisionsverfahrens ist vor dem Hintergrund der vorliegenden Sachverhaltsvariante nicht geboten. Das Verwaltungsgericht hat die gebotene Einzelfallprüfung vorgenommen. Es hat dazu festgestellt, dass dem Zugriff auf das gesamte bebaute Grundstück keine sachfremden Motive zugrunde lagen.
Rz. 6
Die daran anschließende Frage,
ob eine auf der Grundlage des Aufbaugesetzes der DDR erfolgte Enteignung eines mit einem mehrstöckigen Wohn- und Geschäftshaus vollständig bebauten Grundstücks einen Machtmissbrauch im Sinne von § 1 Abs. 3 VermG darstellt, wenn zur Durchführung und rechtlichen Absicherung der betreffenden Aufbaumaßnahme die Belastung des Grundstücks mit einer Dienstbarkeit oder die Begründung eines schuldrechtlichen Nutzungsverhältnisses mit dem Eigentümer ausreichend gewesen wären,
unterstellt wiederum einen Sachverhalt, den das Verwaltungsgericht so nicht festgestellt hat. Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts war zur Erreichung des verfolgten Aufbauzwecks die Belastung des Grundstücks mit einer Dienstbarkeit oder die Begründung eines schuldrechtlichen Nutzungsverhältnisses als verhältnismäßigere Maßnahme rechtlich nicht möglich. § 14 Aufbaugesetz habe nicht nur die Entziehung des Eigentumsrechts ermöglicht, sondern auch die zeitweilige Belastung desselben, jedoch nur unter der Voraussetzung, dass es sich um eine vorübergehende Nutzung des Grundstücks gehandelt habe. Das ist vorliegend nicht der Fall. Das Verwaltungsgericht hat auch keinen Sachverhalt festgestellt, dass im vorliegenden Fall nicht benötigte Teilflächen des komplett enteigneten Wohn- und Geschäftshausgrundstücks für sich genommen noch hätten sinnvoll genutzt werden können. Dagegen sprach nach seiner Auffassung die Zugangssituation.
Rz. 7
Die Frage,
ob bei der Beurteilung der Frage, ob eine Aufbaumaßnahme durchgeführt wurde bzw. ihre Durchführung im Zeitpunkt der Inanspruchnahme konkret geplant war, allein auf den in der Aufbaugebietserklärung angegebenen Zweck abzustellen oder hierbei auch weitere, der Aufbaugebietserklärung vorausliegende, dort jedoch nicht erwähnte Zwecke zu berücksichtigen seien,
würde sich in einem Revisionsverfahren ebenfalls so nicht stellen, weil es hierauf nicht entscheidungserheblich ankommt. Die Beschwerde meint in diesem Zusammenhang, dass die Errichtung des Arkadendurchgangs und die zu diesem Zweck durchgeführte Enteignung des klägerischen Grundstücks durch die Behauptung der seinerzeit handelnden staatlichen Organe veranlasst worden sei, der Radius der Straßenbahngleise an der Ecke S…/J…straße müsse vergrößert werden. Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Aufbauzweck verwirklicht worden bzw. die Durchführung der Aufbaumaßnahme im Zeitpunkt der Inanspruchnahme konkret geplant gewesen sei, seien nicht nur die in der Aufbaugebietserklärung genannten Zwecke heranzuziehen, sondern alle im Kontext der betreffenden Maßnahme relevanten Gründe.
Rz. 8
Das Bundesverwaltungsgericht hat dazu entschieden, dass der Anwendungsbereich des Aufbaugesetzes sehr weit verstanden worden sei. Das ergebe sich aus der Gemeinsamen Anweisung des Ministers für Bauwesen und des Ministers der Finanzen über die Erweiterung der Anwendung des Aufbaugesetzes vom 30. Mai 1958 (Verfügungen und Mitteilungen des Ministeriums für Bauwesen vom 15. September 1958, Nr. 10). Danach waren Erklärungen zum Aufbaugebiet und Inanspruchnahmen von Grundstücken zu Gunsten aller volkseigenen Betriebe, Organe, Institutionen zur Durchführung von Baumaßnahmen sozialistischer Genossenschaften sowie für Vorhaben der Parteien und Massenorganisationen zulässig. Ob eine zulässige Aufbaumaßnahme vorliegt, ist nach dem in der DDR maßgebenden Rechtsverständnis zu beurteilen. Ein dabei unterlaufener Rechtsanwendungsfehler wäre nach dem insoweit maßgeblichen Rechtsverständnis der DDR kein derart grober und offenkundiger Verstoß gegen die Enteignungsgrundsätze des Aufbaugesetzes, dass von einer willkürlichen Maßnahme gesprochen werden müsste, wie sie der Schädigungstatbestand des § 1 Abs. 3 VermG voraussetzt. Voraussetzung einer Enteignung nach dem Aufbaugesetz war jedenfalls, dass die Durchführung von Baumaßnahmen konkret geplant war (Urteile vom 5. März 1998 – BVerwG 7 C 8.97 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 140 und vom 25. Juli 2001 – BVerwG 8 C 3.01 – Buchholz 428 § 1 Abs. 3 VermG Nr. 28). Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts waren vor der Durchführung der Enteignung konkrete Baumaßnahmen geplant, die nach der Enteignung auch durchgeführt worden sind. Die Planungen, die 1965 begannen, um im Erdgeschoss des Hauses S. 2/J…straße einen arkadenähnlichen Durchgang für die Fußgänger zu schaffen, um die Unfallgefahr zu verringern, wurde dem Urteil zufolge auch realisiert. Dass in diesem Zusammenhang auch beabsichtigt gewesen sei, den Kurvenradius der Straßenbahngleise zu verändern, um einem erhöhten Verschleiß vorzubeugen, ist nicht entscheidungserheblich, weil die Aufbaumaßnahme primär dem Ziel gedient hat, die Unfallgefahr für die Fußgänger zu verringern. Dass in der folgenden Zeit der Kurvenradius der Straßenbahngleise nicht vergrößert worden ist, ändert nichts an der Tatsache, dass vor der Durchführung der Enteignung konkrete Baumaßnahmen geplant waren.
Rz. 9
2. Der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) ist nicht gegeben.
Rz. 10
Eine die Revision eröffnende Divergenz ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts aufgestellten ebensolchen deren Entscheidung tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (Beschluss vom 21. Juni 1995 – BVerwG 8 B 61.95 – Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 18). Das Aufzeigen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die das Bundesverwaltungsgericht in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat, genügt den Zulässigkeitsanforderungen einer Divergenzrüge nicht (Beschluss vom 17. Januar 1995 – BVerwG 6 B 39.94 – Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 342).
Rz. 11
Die Beschwerde meint, das Verwaltungsgericht habe entgegen den Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. Oktober 1999 – BVerwG 7 C 38.98 – (a.a.O.) und vom 11. Januar 2001 – BVerwG 7 C 2.00 – (Buchholz 428 § 1 Abs. 3 VermG Nr. 22) den Rechtssatz aufgestellt, “dass eine Enteignung von für die Verwirklichung einer Aufbaumaßnahme nicht benötigten Teilflächen nur dann als machtmissbräuchlich im Sinne von § 1 Abs. 3 VermG anzusehen ist, wenn sich eine Teilung des Grundstücks aufdrängen musste”. Im Gegensatz dazu habe das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass es nicht allein vom Größenverhältnis der benötigten von der nicht benötigten Teilfläche abhänge, ob ein Eigentumszugriff auf einen nicht benötigten Teil einer Grundfläche als unlauter anzusehen sei. Maßgeblich dafür, ob alles mit rechten Dingen zugegangen sei, müsse vor dem Hintergrund der in § 4 Abs. 4 der Zweiten Durchführungsbestimmung zum Aufbaugesetz getroffenen Regelung vielmehr sein, ob die für die Aufbaumaßnahme nicht benötigte Teilfläche noch in sinnvoller Weise eigenständig hätte genutzt werden können (Urteil vom 28. Oktober 1999 a.a.O.). Für den umgekehrten Fall einer Teilenteignung habe das Bundesverwaltungsgericht den Rechtssatz aufgestellt, dass die Teilenteignung eines unter staatlicher Verwaltung stehenden Grundstücks nach dem Aufbaugesetz als unlautere Machenschaft im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG zu beurteilen sei, wenn der Zuschnitt der enteigneten Fläche so beschaffen sei, dass eine Verwirklichung des Enteignungszwecks von vornherein die Indienstnahme des Restgrundstücks unter dauerhaftem Ausschluss seiner Nutzung durch den Eigentümer voraussetzt.
Rz. 12
Das Verwaltungsgericht hat den von der Beschwerde behaupteten Rechtssatz nicht aufgestellt. Es hat sich vielmehr bei der Frage, ob die vollständige Enteignung des Wohnhausgrundstücks vorliegend deshalb als eine unlautere Machenschaft anzusehen ist, weil eine nur teilweise Inanspruchnahme zur Verwirklichung der Aufbaumaßnahme ausreichend gewesen wäre, an der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts orientiert, wonach maßgeblich dafür, ob alles mit rechten Dingen zugegangen ist, nicht das Größenverhältnis der benötigten zu der nicht benötigten Fläche ist, sondern ob die für die Aufbaumaßnahme nicht benötigte Teilfläche noch in sinnvoller Weise eigenständig hätte genutzt werden können. Es hat dies mit Blick auf die geschlossene Bebauung des Grundstücks und den Zugang zu den in den oberen Geschossen und im Hintergebäude liegenden Wohnungen nur über einen Hauszugang und Hausflur verneint. Was die behauptete Divergenz zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Januar 2001 – BVerwG 7 C 2.00 – (a.a.O.) anbelangt, fehlt es schon an einer Vergleichbarkeit des Sachverhalts (vgl. Beschlüsse vom 20. Oktober 2005 – BVerwG 8 B 63.05 – und vom 10. Januar 2007 – BVerwG 8 B 64.06).
Rz. 13
Soweit die Beschwerde meint, das Verwaltungsgericht weiche in einem anderen Punkt von der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. Oktober 1999 ab, genügt sie den Darlegungsanforderungen nicht. Das Verwaltungsgericht hat im Zusammenhang mit einer möglichen Belastung des Grundstücks mit einer Dienstbarkeit als milderes Mittel gegenüber einer vollständigen Enteignung den von der Beschwerde behaupteten Rechtssatz, “dass die Enteignung von für die Verwirklichung einer Aufbaumaßnahme nicht benötigten Teilflächen trotz eines offensichtlichen Missverhältnisses von benötigter und nicht benötigter Fläche und der selbstständigen Nutzbarkeit der nicht benötigten Fläche dann nicht als machtmissbräuchlich im Sinne von § 1 Abs. 3 VermG anzusehen ist, wenn als milderes Mittel gegenüber einem vollständigen Eigentumsentzug nur die Belastung des Grundstücks mit einer Dienstbarkeit in Betracht kam”, nicht aufgestellt. Es hat vielmehr einen Sachverhalt festgestellt, der eine Belastung des Grundstücks mit einer Dienstbarkeit ausgeschlossen hat, weil die Maßnahme nach dem Aufbaugesetz nicht nur vorübergehender Natur war. Zudem ist es infolge der Beschaffenheit des Wohn-Miethausgrundstücks davon ausgegangen, dass eine sinnvolle Nutzung nicht benötigter Teilflächen ausgeschlossen ist. Seine Aussage dazu, dass die unterbliebene Belastung des Grundstücks mit einer Dienstbarkeit, um die Aufbaumaßnahme umzusetzen, keine durch unlautere Machenschaften gekennzeichnete Enteignung begründe, steht nicht im Widerspruch zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. Oktober 1999 (a.a.O.), wonach ein Eigentumszugriff auf einen nicht benötigten Teil einer Grundfläche nicht schon deshalb als unlauter anzusehen ist, wenn das Größenverhältnis der benötigten von der nicht benötigten Fläche erheblich abweicht. Maßgeblich dafür, ob alles mit rechten Dingen zugegangen sei, müsse vor dem Hintergrund der in § 4 Abs. 4 der Zweiten Durchführungsbestimmung getroffenen Regelung vielmehr sein, ob die für die Aufbaumaßnahme nicht benötigte Teilfläche noch in sinnvoller Weise eigenständig hätte genutzt werden können.
Rz. 14
Die Beschwerde unterstellt dem Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang, dass es in einem vorgezogenen Prüfungsschritt frage, ob die zum Enteignungsentzug führende staatliche Maßnahme eine solche war, die auf Dauer angelegt oder nur vorübergehender Natur war. Das Verwaltungsgericht hat erkennbar keine vorgezogene Prüfung hinsichtlich der Dauer der Aufbaumaßnahme unternommen. Es hat vielmehr geprüft, ob eine Dienstbarkeit für die beabsichtigte Aufbaumaßnahme als milderes Mittel zur Enteignung rechtlich nach dem Aufbaugesetz zulässig gewesen wäre und dies verneint.
Rz. 15
Es besteht auch keine Divergenz zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. März 1998 – BVerwG 7 C 8.97 – (Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 140). Das Zitat der Beschwerde aus dem angegriffenen Urteil, “dass ein nicht verwirklichter Aufbauzweck nicht ohne Weiteres die Annahme einer unlauteren Machenschaft begründet”, ist aus dem Zusammenhang gerissen und bezieht sich auf die beiden vorangehenden Sätze, dass das Projekt der Veränderung des Kurvenradius der Straßenbahntrasse nur im Zusammenhang mit der durchgeführten Aufbaumaßnahme gestanden habe. Selbst wenn man die Aufbaumaßnahme darauf erstrecke und von einer dann teilweise nicht verwirklichten Maßnahme ausginge, führe dies zu keinem anderen Ergebnis. Hieran schließt sich dann das Zitat der Beschwerde an. Eine Abweichung zur zitierten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, dass bei einer Enteignung zu Gunsten des FDGB auf der Grundlage des Aufbaugesetzes eine unlautere Machenschaft angenommen werden könne, wenn die Durchführung von Baumaßnahmen von vornherein nicht konkret geplant gewesen sei, ist nicht erkennbar, weil ein teilweise nicht verwirklichter Aufbauzweck nicht gleichzusetzen ist mit einer unkonkreten Planung von Baumaßnahmen. Soweit sich die Beschwerde auf Erkenntnisse bezieht, die sie nach Schluss der mündlichen Verhandlung gewonnen haben will und die einen vorgeschobenen Aufbauzweck belegen sollen, sind diese im Beschwerdeverfahren unbeachtlich.
Rz. 16
3. Die Beschwerde ist auch nicht erfolgreich, soweit sie Verfahrensmängel gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO geltend macht.
Rz. 17
Das Verwaltungsgericht hat den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) nicht verletzt, weil es den Prozessbevollmächtigten im Anschluss an die Beweisaufnahme keine Schriftsatzfrist eingeräumt hat, um zum Ergebnis der Beweisaufnahme Stellung beziehen zu können.
Rz. 18
Gemäß § 108 Abs. 2 VwGO darf ein Urteil nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten. Sich “äußern” kann sich im Sinne des Gesetzes derjenige, der die Möglichkeit hatte, sich Gehör zu verschaffen. Die Einräumung einer Äußerungsfrist hat nicht den Zweck, einer Prozesspartei weitere Sachverhaltsermittlungen zu ermöglichen. Wenn weitere Ermittlungen erforderlich sind, muss das Gericht sie von Amts wegen vornehmen. Unterlässt es dies, so verletzt es seine Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO). Sind sie nicht erforderlich, so wird regelmäßig auch kein Anlass bestehen, einem Prozessbevollmächtigten Zeit für weitere Ermittlungen einzuräumen (Beschluss vom 10. Juli 1995 – BVerwG 9 B 18.95 – Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 264). § 108 Abs. 2 VwGO hat nicht den Zweck, Gehör zu allen Fragen zu gewähren, die ein Prozessbeteiligter für entscheidungserheblich hält (vgl. Höfling, in: Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 3. Aufl. 2010, § 108 Rn. 181 mit weiteren Hinweisen auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts).
Rz. 19
Mit der Gewährung einer Schriftsatzfrist wollten die Prozessbevollmächtigten der Kläger sich nicht zum Ergebnis der Beweisaufnahme äußern, vielmehr wollten sie dem Vorbringen der Beschwerde zufolge weitere Nachforschungen betreiben, wann die “Tatra”-Straßenbahnen in Gera eingeführt worden sind und dass der Sicherheitsaspekt erst mit der Einführung dieser Straßenbahnen im Jahre 1980 zum Tragen gekommen sei. Anhand der nunmehr aus dem Staatsarchiv Rudolstadt zugänglich gewordenen Unterlagen hätten die Kläger nachweisen können, dass unter den gegebenen baulichen Verhältnissen eine Vergrößerung des Radius der Straßenbahntrasse an der Ecke S…/J…straße nicht hätte durchgeführt werden können und dies von den zuständigen Behörden auch nicht beabsichtigt gewesen sei.
Rz. 20
Unabhängig davon, dass dieser Vortrag auf weitere Sachverhaltsermittlungen abzielt und nicht auf das Ergebnis der Beweisaufnahme, wäre dieses Vorbringen für das Verwaltungsgericht nicht entscheidungserheblich gewesen. Nach seinen Feststellungen erfüllte die tatsächlich durchgeführte Maßnahme eines Arkadendurchgangs mit der Entfernung jeweils zweier Schaufenster im Eckbereich S…/J…straße der im Erdgeschoss befindlichen Läden die Voraussetzungen nach dem Aufbaugesetz und waren von dieser Rechtsgrundlage gedeckt. Sie diente der Sicherung des Fußgängerverkehrs vor der in diesem Bereich des Grundstücks passierenden Straßenbahn. Die in diesem Zusammenhang diskutierten Möglichkeiten zur Veränderung des Radius der Straßenbahntrasse in diesem Bereich waren für das Verwaltungsgericht von untergeordneter Bedeutung, weil bei dieser Maßnahme der Verschleiß durch die enge Kurvenführung im Vordergrund stand. Hinsichtlich der Gefährdung der Fußgänger durch die Straßenbahn im Bereich des Grundstücks hat sich das Verwaltungsgericht neben der Aussage des Zeugen J… auch auf die Angaben des Zeugen S… zu dieser Frage sowie den Akteninhalt bezogen, so dass die Entscheidung nicht nur auf der Aussage des Zeugen beruht, dessen Glaubwürdigkeit die Beschwerde anzweifelt.
Rz. 21
Die Verfahrensrüge greift auch nicht insoweit, als die Beschwerde meint, das Verwaltungsgericht habe gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO verstoßen, weil es seine Überzeugung nicht aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnen habe. Es habe vielmehr unberücksichtigt gelassen, dass die Vergrößerung des Radius der Straßenbahngleise im Zusammenhang mit der Einführung der “Tatra”-Bahnen in Gera bestanden habe und dies erst 1980 gewesen sei. Erst im Zusammenhang mit dieser Maßnahme sei die Errichtung eines Arkadendurchgangs für erforderlich gehalten worden, weil infolge der Veränderung des Radius befürchtet worden sei, dass die “Tatra”-Straßenbahnwagen auf den Gehweg schwengten und damit die Passanten gefährdeten. Dies ergebe sich aus dem bautechnischen Erläuterungsbericht (Anlage K 3) vom 26. Juni 1965 und den Zeugenaussagen. Das Verwaltungsgericht hat den bautechnischen Erläuterungsbericht vom 26. Juni 1965 berücksichtigt (vgl. UA S. 14 oben), wonach es zur Verbesserung der Straßenbahnschienenlage an der Ecke S…/J…straße für den Fußgängerverkehr erforderlich war, im Erdgeschoss des Eckhauses B… einen Durchgang diagonal von S… zur J…straße zu schaffen. Von einer Maßnahme im Zuge der Einführung von “Tatra”-Straßenbahnen ist in diesem Bericht nicht die Rede. Was die Aussagen der Zeugen J… und S… anbelangt, hat das Verwaltungsgericht anhand dieser Aussagen nicht die Erkenntnis gewinnen müssen, die “Tatra”-Bahnen seien erst 1980 in Gera eingeführt worden und die Kurvenführung sei hinsichtlich der bis dahin eingesetzten Straßenbahnen an der Ecke S…/J…straße problemlos gewesen. Der Zeuge J… hat angegeben, dass die “Tatra”-Bahnen in den 60er Jahren als Straßenbahnen eingeführt worden seien und dass es 1965 im Bereich “S…” auch um die Problematik gegangen sei, den Fußgängerverkehr im Kurvenbereich zu schützen. Den genauen Zeitpunkt für die Einführung der “Tatra”-Bahnen in Gera konnte der Zeuge S… nicht benennen. Nach seiner Erinnerung gab es in Gera nur “Tatra”-Bahnen. Inwieweit das Verwaltungsgericht aufgrund des vorliegenden Akteninhalts und der Beweisaufnahme zu dem von der Beschwerde gezogenen Schluss hätte kommen müssen, dass die “Tatra”-Bahnen erst 1980 in Gera eingeführt worden seien und erst im Zuge daran als notwendige Folgemaßnahme eine Vergrößerung des Radius der Straßenbahngleise angesehen worden sei, erschließt sich in Anbetracht der genannten Zeugenaussagen und des bautechnischen Berichts nicht.
Rz. 22
Soweit die Beschwerde anhand ihrer Recherchen im Staatsarchiv Rudolstadt meint, diese belegten, dass als notwendige Folgemaßnahme der Einführung der “Tatra”-Straßenbahnen 1980 eine Vergrößerung des Radius der Straßenbahngleise von den Behörden angesehen worden sei und diese ohne größere Abrissarbeiten undurchführbar gewesen seien, setzt sie ihre eigene Wertung des Vorgangs um die Enteignung auf der Grundlage des Aufbaugesetzes der Wertung des Verwaltungsgerichts entgegen. Unabhängig davon ergibt sich aus diesen Unterlagen weder der Zeitpunkt, wann die “Tatra”-Bahnen in Gera tatsächlich eingeführt worden sind, noch stehen sie im Widerspruch zur Annahme des Verwaltungsgerichts.
Rz. 23
Auch der von der Beschwerde gerügte Verstoß gegen das Aufklärungsgebot (§ 86 Abs. 1 VwGO) liegt nicht vor. Eine erfolgreiche Aufklärungsrüge setzt nach ständiger Rechtsprechung voraus, dass die Beschwerde darlegt, welche Tatsachen auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Auffassung des Verwaltungsgerichts, auf die es allein kommt, ermittlungsbedürftig gewesen wären, welche Beweismittel zu welchen Themen zur Verfügung gestanden hätten, welches Ergebnis diese Beweisaufnahme voraussichtlich gehabt hätte, inwiefern das verwaltungsgerichtliche Urteil unter Zugrundelegung seiner materiell-rechtlichen Auffassung auf der unterbliebenen Sachaufklärung beruhen kann und dass die Nichterhebung der Beweise vor dem Tatsachengericht rechtzeitig gerügt worden ist oder aufgrund welcher Anhaltspunkte sich die unterbliebene Beweisaufnahme dem Gericht hätte aufdrängen müssen (vgl. Beschlüsse vom 28. Juli 2008 – BVerwG 8 B 31.08 – und vom 19. Dezember 2008 – BVerwG 8 B 69.08 – Buchholz 428 § 1 Abs. 8 VermG Nr. 39).
Rz. 24
Die Beschwerde meint, das Verwaltungsgericht hätte unter Beachtung seiner Rechtsauffassung ein bautechnisches Sachverständigengutachten einholen müssen zu den Tatsachen, ob das Grundstück S. 2 bei einer Teilenteignung in Form einer vertikalen Teilung in bautechnischer Hinsicht noch selbstständig hätte genutzt werden können und ob in der DDR-Rechtspraxis Dienstbarkeiten nur bei vorübergehender Inanspruchnahme von Grundstücken – wie von ihm angenommen – in Betracht gekommen seien. Ein bautechnisches Sachverständigengutachten zu diesen Fragen hätte voraussichtlich ergeben, dass eine vertikale Teilung des Grundstücks S. 2 ohne größeren bautechnischen Aufwand nicht möglich gewesen wäre und dass der Anwendungsbereich von Dienstbarkeiten keineswegs nur auf vorübergehende Inanspruchnahmen von Grundstücken beschränkt gewesen sei.
Rz. 25
Die Beschwerde versäumt es in diesem Zusammenhang darzulegen, dass die Nichterhebung dieses Beweises vor dem Tatsachengericht rechtzeitig gerügt worden ist und dass sich dem Tatsachengericht die Einholung eines Sachverständigengutachtens hätte aufdrängen müssen. Die Frage der Teilbarkeit des Grundstücks wurde ausweislich der Sitzungsniederschrift bereits in der mündlichen Verhandlung vom 13. August 2008 anhand von Grundriss- und Lageplänen sowie eines Grundrisskonzeptes erörtert. Sie war auch Gegenstand der Beweisaufnahme in der Sitzung vom 23. Juni 2010 (s. Beweisbeschluss). Die Bevollmächtigten der Kläger haben weder in der Sitzung vom 13. August 2008 noch in der Sitzung vom 23. Juni 2010 einen Beweisantrag gestellt. Dem Verwaltungsgericht musste sich anhand seiner Feststellungen zu den vorgelegten Lageplänen und zu dem Ergebnis der Beweisaufnahme auch nicht aufdrängen, zu dieser Frage noch ein Sachverständigengutachten einzuholen. Die Beschwerde räumt selbst ein, dass ein bautechnisches Sachverständigengutachten zu dieser Frage voraussichtlich zu dem Ergebnis geführt hätte, dass eine vertikale Teilung des Grundstücks S. 2 ohne größeren bautechnischen Aufwand nicht möglich gewesen wäre. Das Verwaltungsgericht hat gerade im Hinblick auf die Besonderheit des Einzelfalles eines vollständig und in geschlossener Bauweise bebauten Grundstücks mit Hintergebäude und nur einer Zugangsmöglichkeit eine vertikale Teilung als mögliche Alternative zur gesamten Enteignung verneint und deshalb in dem Enteignungsvorgang keine unlautere Machenschaft gesehen. Die Annahme wird gestützt durch die Aussage des Zeugen S… in der mündlichen Verhandlung vom 23. Juni 2010, der in der fraglichen Zeit Mitglied des Rates des Bezirkes und Bezirksbaudirektor war. Der Zeuge hatte mit Maßnahmen nach dem Aufbaugesetz zu tun. Es war ihm kein Fall bekannt, wo durch ein Gebäude eine Linie gezogen wurde, um eine Teilenteignung vorzunehmen. Eine Teilenteignung hing von der bautechnischen Situation ab. Diese hat der Zeuge im konkreten Fall so eingeschätzt, dass eine nur teilweise Inanspruchnahme nicht in Betracht gekommen ist. Dem Verwaltungsgericht musste sich daher im Hinblick auf die konkreten Gegebenheiten und die Sachkunde des Zeugen keine weitere Beweisaufnahme aufdrängen.
Rz. 26
Bei der Frage, ob im vorliegenden Fall die Einräumung einer Dienstbarkeit ausreichend gewesen wäre, handelt es sich um eine Rechts- und nicht um eine Tatsachenfrage. Von einer Tatsachenfrage wäre in diesem Zusammenhang nur insoweit auszugehen, als sie auf eine von der Rechtslage abweichende Verwaltungspraxis bezogen gewesen wäre. Nach der maßgeblichen Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts ist der Anwendungsbereich des Aufbaugesetzes sehr weit verstanden worden. Die Belastung des Grundstücks nur mit einer Dienstbarkeit kam deshalb nicht in Betracht, weil es nicht nur um eine vorübergehende Nutzung des Grundstücks gegangen ist, sondern um eine teilweise Umgestaltung und Einbeziehung in den öffentlichen Verkehr. Unabhängig davon hat der Zeuge S… bei seiner Einvernahme auch nichts Gegenteiliges bestätigt. Verwaltungstechnisch war seinen Angaben zufolge die Teilung von Häusern nicht möglich.
Rz. 27
Das Verwaltungsgericht hat auch nicht deshalb gegen § 86 Abs. 1 VwGO verstoßen, weil es nicht durch Beiziehung von Unterlagen diverser Archive, wie etwa denen des Stadtarchivs Gera, des Hauptstaatsarchivs Weimar und des Staatsarchivs Rudolstadt erforscht hat, wann in Gera “Tatra”-Straßenbahnen eingeführt und ab wann mithin eine Vergrößerung des Radius der Straßenbahngleise zur Vermeidung von Abnutzungserscheinungen und dem Schutz von Fußgängern relevant geworden sei. Im Hinblick auf die Vergrößerung des Radius der Straßenbahngleise hätte es durch Beiziehung von Unterlagen zu klären gehabt, ob eine Gleisverlegung technisch bzw. wirtschaftlich möglich gewesen wäre. Anhand dieser Unterlagen wäre dem Verwaltungsgericht nicht verschlossen geblieben, dass eine Vergrößerung des Radius der Straßenbahntrasse bautechnisch und ohne weitreichende bauliche Veränderungen, die unwirtschaftlich gewesen wären und von den verantwortlichen Stellen verworfen worden seien, nicht möglich gewesen wäre. Das lege den Schluss nahe, dass die Maßnahme nach dem Aufbaugesetz nicht ernsthaft geplant gewesen, sondern nur vorgeschoben worden sei.
Rz. 28
Die Frage, wann die “Tatra”-Straßenbahnen in Gera tatsächlich eingeführt worden sind, war für das Verwaltungsgericht nicht entscheidungserheblich, weil es den Zweck der Inanspruchnahme des streitgegenständlichen Grundstücks unabhängig von einer notwendigen Vergrößerung des Radius der Straßenbahngleise mit der Inbetriebnahme dieser Straßenbahnen gesehen hat. Die ursprüngliche Straßenbahntrasse führte nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts an dem streitgegenständlichen Eckgrundstück vorbei in einer engen Linkskurve auf die Johannisstraße. In diesem Bereich bestand nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts für den Fußgängerverkehr aufgrund der engen Schienenführung erhebliche Unfallgefahr, weil die Fußgänger kaum Ausweichmöglichkeiten hatten. Die Frage nach der Vergrößerung des Kurvenradius der Schienenführung stand für das Verwaltungsgericht deswegen im Raum, weil nach einer Mitteilung des VEB Verkehrsbetriebe der Stadt Gera an den Rat der Stadt Gera vom 17. Juli 1965 er durch die Bahnaufsicht beauflagt worden sei, den Kurvenradius in der Sorge/Johannisstraße zu verändern. Die für den VEB Waggonbau Gotha hergestellten Straßenbahnwagen Typen ET 57 und BB 57 hätten vorgeschriebene Mindestradien von 20 m. Durch die enge Kurvenführung sei ein erhöhter Verschleiß der Schienen eingetreten. Aus dieser Tatsache heraus, sei es erforderlich, eine Veränderung der Kurve S…/J…straße herbeizuführen. Nach dem Einbau einer Arkade im Erdgeschoss des Grundstücks könne die Kurve verändert werden, sodass ein Radius von 17 m entstehe. Die derzeitige Kurve stelle eine ständige Unfallgefahr für die Fußgänger auf den Bürgersteigen dar, weil die neuen Straßenbahnwagen beim Befahren der Kurve über den Bordstein des Fußweges schwenkten. In der Hauptgeschäftszeit könne der vorhandene Fußgängerweg die Fußgänger nicht aufnehmen, die sich dann zum Teil auf der Straße bewegten (vgl. UA S. 3, 13). Die Frage der Gefährdung der Fußgänger war somit bereits zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Grundstücks auf der Grundlage des Aufbaugesetzes relevant und nicht erst im Jahre 1980. Ob eine Vergrößerung des Radius bautechnisch möglich oder unmöglich bzw. unwirtschaftlich gewesen wäre und von den verantwortlichen Stellen im Vorfeld der Enteignung verworfen worden ist, war nicht entscheidungserheblich. Im Vordergrund der Maßnahme stand der Schutz der Fußgänger in diesem Bereich. Eine mögliche Vergrößerung des Radius der Straßenbahngleise stand den Ausführungen des Verwaltungsgerichts zufolge nur im Zusammenhang mit dieser Maßnahme und war nicht von ihr abhängig. Dessen ungeachtet sind die von der Beschwerde eingereichten Unterlagen aus den Jahren 1962 und 1965 nicht geeignet zu belegen, dass die geplante und durchgeführte Aufbaumaßnahme nur vorgeschoben gewesen sei. Das Verwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung die Diskussionen um die Vergrößerung des Radius der Straßenbahngleise berücksichtigt und ihnen im Hinblick auf den Schädigungstatbestand des § 1 Abs. 3 VermG keine entscheidungserhebliche Bedeutung zuerkannt. Dass diese Diskussionen bereits 1962 geführt und wegen des nicht vertretbaren Aufwandes abgelehnt worden sind, hatte auf die Entscheidung keinen Einfluss. Das Urteil kann mithin nicht auf der unterbliebenen weiteren Sachverhaltsaufklärung beruhen.
Rz. 29
Von einer weiteren Begründung der Beschwerde wird abgesehen, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist (§ 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO).
Rz. 30
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf den §§ 47, 52 GKG.
Unterschriften
Dr. von Heimburg, Dr. Deiseroth, Dr. Hauser
Fundstellen