Verfahrensgang
VG Berlin (Aktenzeichen 22 A 339.97) |
Tenor
Die Beschwerde der Beigeladenen gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 23. November 2000 wird zurückgewiesen.
Die Beigeladenen tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 337 500 DM festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde ist unbegründet. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, vgl. 1.). Es liegt auch kein geltend gemachter Verfahrensmangel vor, auf dem die verwaltungsgerichtliche Entscheidung beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, vgl. 2.).
1. Grundsätzlich bedeutsam im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegende Einzelfall hinausgehenden klärungsbedürftigen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. Daran fehlt es hier.
Die Beschwerde hält zunächst allgemein für klärungsbedürftig, wann beim Erwerb von Einfamilienhäusern durch Privatpersonen unter der Geltung der Wohnraumlenkungsverordnung vom 28. Oktober 1985 im Hinblick auf die Größe des Hauses der Rechtserwerb gemäß § 4 Abs. 3 Buchst. a VermG als unredlich anzusehen ist. Diese Frage wird durch das – erst nach Einlegung der Beschwerde ergangene – Urteil vom 28. Februar 2001 (BVerwG 8 C 3.00 – zur Veröffentlichung in Buchholz unter 428 § 4 VermG vorgesehen) beantwortet.
Nach § 11 der Verordnung über die Lenkung des Wohnraums vom 14. September 1967 (GBl II S. 733) konnten Personen, „die sich durch herausragende Leistungen bei der Stärkung, Festigung sowie zum Schutz der DDR verdient gemacht haben”, bevorzugt mit Wohnraum versorgt werden. Diese Bestimmung rechtfertigte allerdings keine unangemessene Überversorgung mit Wohnraum (vgl. Urteil vom 27. Januar 2000 – BVerwG 7 C 39.98 – Buchholz 428 § 4 Abs. 3 VermG Nr. 2). Die Verordnung über die Lenkung von Wohnraum vom 16. Oktober 1985 (GBl I S. 301) enthielt eine derartige Prominenten-Regelung nicht mehr. Eine Privilegierung von Bürgern aufgrund herausragender Leistungen bspw. auf dem Gebiet der Kunst war somit nach DDR-Recht nicht mehr gerechtfertigt. Ob ein Erwerb zu einer Überversorgung mit Wohnraum führte, bestimmt sich nach den Verhältnissen in der DDR.
Ein Rechtsverstoß hat manipulativen Charakter, wenn die Abweichung von allgemeinen Rechtsvorschriften der DDR bei objektiver Betrachtung die Absicht erkennen lässt, den Erwerbsvorgang gezielt zu beeinflussen. Dies ist der Fall, wenn die Abweichung sich darauf richtete, den Käufern den Erwerb des Eigentums an einem Grundstück erst zu ermöglichen (vgl. Urteil vom 19. Januar 1995 – BVerwG 7 C 42.93 – BVerwGE 97, 286 ≪290≫ = Buchholz 428 § 4 VermG Nr. 12 S. 21 ≪25≫). Wurde Käufern der Erwerb eines Einfamilienhauses, das sie nach den Bestimmungen über die Wohnraumlenkung nicht hätten erwerben dürfen, ermöglicht, ist der Rechtsverstoß somit manipulativ.
Ob die Erwerber hätten wissen müssen, dass gegen Rechtsvorschriften der DDR verstoßen wurde, ist eine Frage des Einzelfalls. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass offenkundig (§ 291 ZPO) in der DDR allgemein bekannt war, dass die Zuweisung von Wohnraum von dessen Größe und der Zahl der einziehenden Personen abhängig war (vgl. Urteil vom 28. Februar 2001 – BVerwG 8 C 3.00 ≪amtl. Umdruck S. 8 f.≫).
Von der vorliegenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ausgehend lassen sich ohne weiteres auch die weiteren von der Beschwerde gestellten Fragen, soweit sie entscheidungserheblich sind, beantworten, ohne dass es hierzu der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf.
Die Beschwerde hält für klärungsbedürftig,
ob für die Beurteilung der Rechts- und/oder Ordnungsmäßigkeit eines Gebäudekaufs im Hinblick auf die Vorschriften über die Wohnraumlenkung auf die abstrakten Vorschriften oder deren Handhabung in der Praxis der Wohnraumlenkungsbehörden abzustellen ist.
Diese Frage lässt sich anhand der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts beantworten, ohne dass es dazu der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedürfte. Grundsätzlich ist beim Tatbestand des § 4 Abs. 3 Buchst. a VermG – wie der Wortlaut der Norm zeigt – neben den Normen auch auf die tatsächliche Anwendung der Vorschriften in der Praxis abzustellen.
Ausgangspunkt der Betrachtung sind aber die normativen Regelungen. Eine offensichtlich gegen die Vorschriften verstoßende Verwaltungsübung wäre keine ordnungsgemäße Verwaltungspraxis im Sinne von § 4 Abs. 3 Buchst. a VermG (vgl. Urteil vom 19. Juli 2000 – BVerwG 8 C 20.99 – zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung und in Buchholz vorgesehen). Ob danach im Einzelfall eine Überversorgung mit Wohnraum vorlag, lässt sich nicht abstrakt, sondern nur anhand der Verhältnisse im Einzelfall beantworten. Das gilt auch für die Frage, ob der bauliche Zustand der Räume ihre Berücksichtigung ausschließt.
Die weitere Frage, wann nach den Wohnraumlenkungsvorschriften bzw. der relevanten Praxis von einer Überversorgung mit Wohnraum auszugehen ist, wurde oben bereits beantwortet. Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang die weitere Frage aufwirft, inwieweit dabei der Bedarf für anderweitige (z.B. freiberufliche oder künstlerische Tätigkeiten) zu berücksichtigen ist, ist sie nicht entscheidungserheblich. Nach den – nicht mit erfolgreichen Verfahrensrügen angegriffenen (vgl. 2.) – tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts bestand hier kein solcher Bedarf. Vielmehr sollte das Atelier des Beigeladenen gerade nicht in dem Wohngebäude, sondern in dem auf dem Grundstück liegenden Werkstattgebäude untergebracht werden.
Die Beschwerde hält weiter die Frage für klärungsbedürftig,
ob die staatliche Seite in der Absicht gehandelt haben muss, den Erwerber durch einen ungerechtfertigten Vorteil zu begünstigen.
Damit stellt sie die Frage, wann ein Rechtsverstoß im Sinne des § 4 Abs. 3 Buchst. a VermG manipulativ ist. Diese wurde oben bereits beantwortet.
Zur subjektiven Seite des unredlichen Rechtserwerbs im Sinne des § 4 Abs. 3 Buchst. a VermG hält die Beschwerde für klärungsbedürftig,
- ob sich die Kenntnis bzw. das Kennenmüssen auf der Seite des Erwerbers auf die Rechts- bzw. Ordnungswidrigkeit oder auch auf die staatliche Manipulation beziehen muss,
- ob auf Seiten des Erwerbers eine eigene Privilegierungsabsicht und ggf. eine entsprechende Mitwirkung beim Handeln des Staates erforderlich ist und
- ob eine Manipulation zurechenbar ist, wenn dem Erwerber ohne dessen Bitten oder Zutun vom Staat ein ungerechtfertigter Vorteil angedient wird.
Entscheidend ist, ob der Erwerber den manipulativen Rechtsverstoß kannte oder hätte kennen müssen. Wie sich aus obigen Ausführungen ergibt, sind Manipulation und Rechtsverstoßein Vorgang. Der Erwerb ist unredlich, wenn der Erwerber diesen kannte oder hätte kennen müssen. In subjektiver Hinsicht setzt das Regelbeispiel des § 4 Abs. 3 Buchst. a VermG nichts weiter voraus.
Schließlich hält die Beschwerde für klärungsbedürftig,
ob die nach § 4 Abs. 3 Buchst. a VermG erforderliche subjektive Zurechnung trotz einer objektiv ungerechtfertigten Bevorzugung und trotz Kennenmüssens der Manipulation ausgeschlossen sein kann, wenn der Erwerber aus anderen, schwerwiegenden Gründen auf den Erwerb angewiesen ist.
Diese Frage ist im Wesentlichen nicht entscheidungserheblich. Das Verwaltungsgericht hat nicht festgestellt, dass der Beigeladene aus schwerwiegenden Gründen auf den Erwerb gerade des streitgegenständlichen Hauses angewiesen war. Im Übrigen war es gerade Sinn und Zweck der Bestimmungen über die Wohnraumlenkung Bürgern der DDR, die mehr Wohnraum benötigten (bzw. auf mehr Wohnraum angewiesen waren) in angemessenem Umfang mehr Wohnraum zu verschaffen und gleichzeitig eine Überversorgung, die zwangsläufig zu Lasten anderer Bürger gegangen wäre, zu vermeiden. Im Übrigen handelt es sich auch insoweit um eine Frage des jeweiligen Einzelfalls.
2. Es liegt kein geltend gemachter Verfahrensmangel vor, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
a) Das Verwaltungsgericht hat nicht gegen den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verstoßen. Die Beschwerde meint, das Verwaltungsgericht nehme in seinem Urteil (amtl. Umdruck S. 7) eingangs der Subsumtion zum Tatbestand des § 4 Abs. 3 Buchst. a VermG im Sinne eines vorweggenommenen Ergebnisses an, dass beim Erwerb der in Rede stehenden Gebäude und des dinglichen Nutzungsrechts seitens der staatlichen Stellen manipulativ Einfluss genommen wurde mit dem Ziel, die Beigeladenen ungerechtfertigt zu begünstigen. Die Beschwerde verkennt insoweit, dass diese Ausführungen in dem angefochtenen Urteil nicht der Beginn der Subsumtion und ein vorweggenommenes Ergebnis sind, sondern das aufgrund der gesamten Subsumtion gewonnene abschließende Ergebnis. Wie allgemein in Urteilen üblich hat das Verwaltungsgericht dieses Ergebnis seinen entsprechenden Ausführungen vorangestellt. Im Anschluss daran wird das gewonnene Ergebnis umfassend und schlüssig begründet. Davon, dass das Verwaltungsgericht seine Überzeugung nicht aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnen hat, kann keine Rede sein.
Die Beschwerde meint weiter, das Verwaltungsgericht habe seine Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) verletzt, indem es weitere Ermittlungen zur Zahl der in dem Gebäude vorhandenen Wohnräume, zum Zustand des Gebäudes und seiner Räume sowie zum Bedarf des Beigeladenen für seine berufliche Tätigkeit unterlassen habe. Insoweit genügt die Beschwerde nicht dem Darlegungsgebot (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Sie trägt nämlich nicht vor, welche Beweismittel dem Verwaltungsgericht zur Verfügung gestanden hätten, welche Ermittlungen es also nach Meinung der Beschwerde hätte anstellen müssen. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht seine Aufklärungspflicht auch nicht verletzt. Bei der Prüfung der Frage, ob ein Verfahrensmangel, insbesondere eine Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) vorliegt, ist von der materiellrechtlichen Auffassung des angefochtenen Urteils auszugehen. Das Verwaltungsgericht setzt sich ausdrücklich mit dem Raumbedarf für die Tätigkeit des Beigeladenen als Kunstmaler auseinander. Es ist zu dem Ergebnis gelangt, dass für diese förderungswürdige Tätigkeit kein weiterer Raumbedarf im Wohnhaus bestand, weil zu diesem Zweck das damals auf dem Grundstück befindliche Werkstattgebäude vorgesehen war. Dass später doch Wohnräume zu beruflichen Zwecken genutzt wurden, ändert – nach der materiellrechtlichen Auffassung des Verwaltungsgerichts – nichts an dem Verstoß gegen die Wohnraumlenkungsverordnung. Den von den Beigeladenen angeführten heruntergekommenen Bauzustand des Hauses hat es als wahr unterstellt. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts führt dies aber nicht dazu, dass dem Einfamilienhaus die Wohnraumqualität teilweise abzusprechen ist. Diese Mängel waren – nach den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts – behebbar und sind auch behoben worden. Die Feststellung des Verwaltungsgerichts, es habe sich um ein Einfamilienhaus mit sieben Zimmern gehandelt, ist nach dem eigenen Vortrag der Beschwerde im Ergebnis zutreffend. Die Beschwerde trägt vor, das Haus habe über fünf Wohnräume und zwei unausgebaute Mansardenräume verfügt. Das Verwaltungsgericht hat diese beiden Mansardenräume, obwohl sie nach seinen Feststellungen unausgebaut waren, zu den Zimmern des Hauses gezählt. Begründet hat es dies ebenfalls mit den Wohnverhältnissen in der DDR und damit, dass diese Mängel behebbar waren und auch behoben worden sind. Das Verwaltungsgericht kommt also – von den gleichen Tatsachen wie die Beschwerde ausgehend – zu einem anderen – nach Auffassung der Beschwerde falschen – Ergebnis. Darin kann kein Verfahrensmangel liegen.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 2. Halbsatz VwGO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf den §§ 13 und 14 GKG.
Unterschriften
Dr. Müller, Krauß, Golze
Fundstellen