Entscheidungsstichwort (Thema)
keine Kostenerstattung für die Schulung eines Personalratsmitglieds kurz vor Ende der Amtszeit. Schulung, keine Kostenerstattung für die – eines Personalratsmitglieds – kurz vor Ende der Amtszeit
Leitsatz (amtlich)
Kosten, die aus Anlaß der Schulung eines Personalratsmitglieds kurz vor Ende der Amtszeit entstehen, sind von der Dienststelle grundsätzlich nicht zu erstatten.
Normenkette
BPersVG § 44 Abs. 1 S. 1, § 46 Abs. 6
Verfahrensgang
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz – Fachsenat für Personalvertretungssachen (Bund) – vom 15. August 1990 wird zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 586 DM festgesetzt.
Tatbestand
I.
Gegenstand des Verfahrens ist die Frage, ob einem Personalratsmitglied Kosten zu erstatten sind, die durch die Teilnahme an einer Schulungsveranstaltung kurz vor Ende der Amtszeit entstanden sind.
Der Antragsteller ist als Angestellter in einem Betriebsstoffdepot der Bundeswehr tätig. Dort werden Betriebsstoffe (Benzin, Diesel und Petroleum) und Betriebshilfsstoffe (Motorenöle, Hydrauliköle, Schmierfette, Frostschutzmittel und Waschbenzin) umgefüllt, ausgegeben und gelagert. Im Korpsdepot 363 sind zwei Soldaten, ein Angestellter und 13 bis 14 Arbeiter beschäftigt. Es ist Teil der Dienststelle Korpsdepot III. Korps beim Nachschubkommando 3 und hat sich durch entsprechenden Beschluß personalvertretungsrechtlich verselbständigt.
Der Antragsteller wurde erstmals am 9. Mai 1985 als einziges Mitglied des Personalrats gewählt. Nachdem er bereits im März 1986 und Februar 1987 an zwei je etwa einwöchigen Seminaren zum Arbeitsrecht und zum Bundespersonalvertretungsrecht teilgenommen hatte, die sich unter anderem auch mit Fragen des Arbeitsschutzes und der Arbeitssicherheit befaßten, beschloß er im November 1987, sich zu einem Seminar Arbeitsschutz zu entsenden. Dieses wurde programmgemäß kurz vor den anstehenden Personalratswahlen vom 24. bis zum 30. April 1988 in einer ÖTV-Bildungsstätte durchgeführt. Der dafür vom Dienst freigestellte Antragsteller nahm daran teil, obwohl ihm die Truppenverwaltung vorher unter Hinweis auf das bevorstehende Ende der Amtszeit mitgeteilt hatte, daß eine Kostenerstattung nicht in Betracht komme.
Am 9. Mai 1988 wurde der Antragsteller wiedergewählt. Er beantragte die Erstattung von Kosten aus Anlaß der Teilnahme am Seminar in einer Höhe von insgesamt 586,56 DM. Dies lehnte die Truppenverwaltung des Panzergrenadierbataillons 342 mit Schreiben vom 13. Juni 1988 ab.
Daraufhin leitete der Antragsteller das Beschlußverfahren ein und beantragte, den Beteiligten zu verpflichten, an ihn 586,56 DM zu zahlen. Der Antrag hatte keinen Erfolg. Auch die Beschwerde des Antragstellers blieb erfolglos. Das Oberverwaltungsgericht hat sie mit im wesentlichen folgender Begründung zurückgewiesen:
Die Schulung sei zwar mit Blick auf die in dem verselbständigten Teil der Dienststelle objektiv anfallenden Aufgaben und den vom Antragsteller subjektiv zu fordernden Kenntnisstand an sich erforderlich gewesen. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts lasse sich jedoch die Erforderlichkeit dann nicht mehr ohne weiteres annehmen, wenn eine Schulung erst kurz vor Ende der Amtszeit stattfinde. In einem solchen Falle müsse dargelegt werden, warum das Personalratsmitglied mit Rücksicht auf die konkrete Situation in der Dienststelle und die während der restlichen Amtszeit zu bewältigenden Aufgaben auch unter Berücksichtigung bereits erworbener Kenntnisse und Erfahrungen im Personalvertretungsrecht der Schulung noch bedürfe. Diese Einschränkung sei unter zwei Gesichtspunkten gerechtfertigt: Zunächst müsse die Schulung im Interesse der Beschäftigten und der Dienststelle an einer ordnungsmäßigen Wahrnehmung der personalvertretungsrechtlichen Aufgaben liegen. Außerdem müsse das Gebot der sparsamen Verwendung öffentlicher Mittel beachtet werden. Auch unter dem Blickwinkel einer möglichen Wiederwahl komme eine andere Beurteilung der Erforderlichkeit nicht in Betracht. In Anwendung dieser Grundsätze könne der Antrag keinen Erfolg haben. Denn der Antragsteller habe nicht dargetan, daß eine Spezialschulung im Hinblick auf die Wahrnehmung konkreter in der Woche vor den Neuwahlen noch zu erledigender Aufgaben gefordert gewesen wäre.
Hiergegen richtet sich die vom Oberverwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Rechtsbeschwerde. Der Antragsteller rügt eine unrichtige Anwendung des § 46 Abs. 6 BPersVG und trägt zur Begründung vor: Die Auslegung des Beschwerdegerichts finde im Gesetz keine Stütze. Sie begegne auch Bedenken, weil eine zeitliche Grenzziehung nicht möglich sei. Das Personalvertretungsrecht erlaube es nicht, daß ein Personalrat seine Aufgaben zu irgendeinem Zeitpunkt weniger gründlich erfülle. Vielmehr obliege ihm die pflichtgemäße Aufgabenerfüllung für die gesamte Amtszeit. Der Gesichtspunkt der Aktualität einer Schulung sei gerade in Fragen des Arbeitsschutzes bis zum letzten Tag der Amtsperiode gegeben. Dies liege angesichts der bei einem Verstoß gegen Bestimmungen über die Arbeitssicherheit zu besorgenden Gefahren für Leben und Gesundheit der Dienstkräfte auf der Hand. Bei entsprechenden Gefahrenlagen könne sich jederzeit die Notwendigkeit z.B. der Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes oder der Ausübung eines Initiativrechts ergeben. Im übrigen habe er bereits im Beschwerdeverfahren vorgetragen, daß seine Wiederwahl hinreichend sicher gewesen sei. Die in der ablaufenden Amtsperiode erworbenen Kenntnisse seien daher auch für die weitere Personalratstätigkeit als verfügbar zu erwarten gewesen. Selbst wenn er wider Erwarten nicht wiedergewählt worden wäre, hätte er neue Erkenntnisse bei der ordnungsmäßigen Übergabe der Amtsgeschäfte weitervermitteln können. Der Antragsteller beantragt,
den Beteiligten unter Abänderung der Beschlüsse des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz – Fachsenat für Personalvertretungssachen (Bund) – vom 15. August 1990 und des Verwaltungsgerichts Koblenz – Fachkammer für Personalvertretungssachen (Bund) – vom 13. Februar 1989 zu verpflichten, an ihn 586,56 DM zu zahlen.
Der Beteiligte tritt der Rechtsbeschwerde entgegen. Er hält die Beschwerdeentscheidung für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II.
Die zulässige Rechtsbeschwerde ist nicht begründet. Das Oberverwaltungsgericht hat die Beschwerde des Antragstellers gegen den ablehnenden Beschluß des Verwaltungsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Der Antragsteller hat gegen den Beteiligten keinen Anspruch auf Erstattung der von ihm geltend gemachten Schulungskosten.
Das Beschwerdegericht ist zutreffend von den Grundsätzen ausgegangen, die der Senat zur Auslegung des § 44 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 46 Abs. 6 BPersVG entwickelt hat (vgl. insbesondere den Beschluß vom 27. April 1979 – BVerwG 6 P 45.78 – Buchholz 238.3 A § 46 BPersVG Nr. 2; zuletzt Beschluß vom 23. April 1991 – BVerwG 6 P 19.89 – PersR 1991, 289 = ZTR 1991, 390 = PersV 1992, 115). Danach beurteilt sich die Frage, ob eine Schulung im Sinne des § 46 Abs. 6 BPersVG für die Tätigkeit im Personalrat erforderliche Kenntnisse vermittelt, nach objektiven und nach subjektiven Kriterien. Die Erforderlichkeit der Schulung ist also sach- und personenbezogen zu würdigen. Die Schulungsveranstaltung muß objektiv von ihrer Thematik her die Vermittlung von Kenntnissen zum Gegenstand haben, die ihrer Art nach für die Tätigkeit des betreffenden Personalrats benötigt werden. Außerdem muß ein Schulungsbedürfnis gerade für das zu entsendende Mitglied bestehen; dieses Mitglied muß für seinen möglichst sachgerechten Einsatz im Personalrat der Schulung in der fraglichen Materie bedürfen, weil es damit noch nicht vertraut ist.
Bei der Würdigung der Erforderlichkeit ist darüber hinaus der in der genannten Rechtsprechung des Senats ebenfalls schon herausgearbeitete Grundsatz der Aktualität zu beachten. Danach kommt es für die Erforderlichkeit der Teilnahme an einer Schulungsveranstaltung auch drauf an, ob die zu vermittelnden Kenntnisse für das betreffende Mitglied aktuell sind. Dies ist danach zu beurteilen, ob gegenwärtig Anlaß besteht, ein Personalratsmitglied auf einem bestimmten Sachgebiet, mit dem es innerhalb der Personalvertretung befaßt ist, zu schulen (aktueller Anlaß von der Materie her), oder aber danach, ob das betreffende Mitglied aufgrund seiner allgemeinen mitgliedschaftlichen Stellung der Schulung zur Ausübung dieser allgemeinen Tätigkeit bedarf (aktueller Anlaß von der Person her).
An dieser Auslegung ist festzuhalten. Sie richtet sich aus am Ziel des § 46 Abs. 6 BPersVG, sicherzustellen, daß Personalvertretungsmitglieder im Bedarfsfall mit dem notwendigen Rüstzeug an Kenntnissen versehen werden, um die ihnen gesetzlich obliegenden Aufgaben zum Wohl der Beschäftigten und auch im Interesse einer vertrauensvollen und sachlichen Zusammenarbeit mit der Dienststelle zu erfüllen. Sie berücksichtigt außerdem das von den Personalvertretungen als Bestandteile der öffentlichen Verwaltung zu beachtende Gebot der sparsamen Verwendung öffentlicher Mittel; mit diesem Gebot wäre es nicht zu vereinbaren, Personalratsmitglieder in Sachgebieten zu schulen, mit denen der betreffende Personalrat nicht oder nur am Rande befaßt wird.
Über die Teilnahme an Schulungsveranstaltungen hat der Personalrat in eigener Verantwortung zu befinden. Die Entscheidungsverantwortung enthebt ihn indessen nicht der Verpflichtung, seine Entscheidung zumindest bei Vorliegen besonderer Umstände zu begründen und diese Begründung der Dienststelle gegenüber darzulegen (vgl. Beschluß vom 22. Juli 1982 – BVerwG 6 P 42.79 – Buchholz 238.3 A § 46 BPersVG Nr. 12; vgl. auch Beschluß vom 9. Oktober 1991 – BVerwG 6 P 1.90 –). Denn die Entscheidungszuständigkeit des Personalrats schließt nicht die Prüfung der Dienststelle aus, ob die Voraussetzungen einer erforderlichen Schulung bei grundsätzlich anerkennungsfähigen Maßnahmen im Einzelfall dienststellenbezogen und aktuell gegeben sind.
Die Notwendigkeit entsprechender Darlegungen mag entfallen, wenn es auf der Hand liegt, daß ein bestimmtes Personalratsmitglied aktuell der Schulung bedarf. Das wird der Fall sein, wenn es bei einem erstmals gewählten Personalratsmitglied zu Beginn seiner Amtszeit um die Vermittlung des erforderlichen Grundwissens geht. Dem Beschwerdegericht – und dem Bundesarbeitsgericht, dem es sich angeschlossen hat (vgl. BAGE 62, 74) – ist jedoch darin zuzustimmen, daß die Dinge anders liegen, wenn sich ein Personalratsmitglied kurz vor Ende seiner Amtszeit trotz entsprechender Erfahrungen und trotz Überschaubarkeit der noch anstehenden Aufgaben einer Schulung unterziehen soll. Eine Grundschulung, die der generellen Befähigung zur sachgemäßen Amtsführung dienen soll, dürfte zu einem Zeitpunkt, in dem die Amtszeit nahezu vollständig beendet ist, nicht mehr erforderlich sein oder jedenfalls zu spät kommen. Insoweit ist es allen Beteiligten zuzumuten, das Personalratsmitglied zur Bewältigung der üblichen Aufgaben während der nur kurzen Restzeit auf die inzwischen gewonnenen Erfahrungen zu verweisen. Geht es hingegen bei der Schulung um die Vermittlung von Spezialwissen, so reicht zur Begründung der aktuellen Dienststellenbezogenheit ein Hinweis auf eine generell zu erwartende Verwertbarkeit im Verlaufe einer Amtszeit nicht mehr aus. Die Überschaubarkeit der Verhältnisse in einem nur kurzen und unmittelbar bevorstehenden Zeitraum ermöglicht und erfordert dann vielmehr eine konkretere und situationsangepaßte Form der Darlegung. Denn bei allem, was mit Auswirkung auf das Schulungsbedürfnis konkret vorhersehbar ist, handelt es sich um wesentliche Umstände, die der Personalrat in einer entsprechenden Situation aus seiner Prognoseentscheidung nicht ausklammern darf.
Von diesen Überlegungen ausgehend erweist sich die Rechtsanwendung des Beschwerdegerichts im vorliegenden Einzelfall als zutreffend. Das Beschwerdegericht hat entscheidend darauf abgestellt, der Antragsteller als einziges Personalratsmitglied habe nicht dargetan, daß eine Spezialschulung im Bereich der Arbeitssicherheit noch im Hinblick auf konkrete Aufgaben erforderlich gewesen sei, die während der letzten Woche vor der für den 9. Mai 1988 festgesetzten Neuwahl auf ihn zukamen. Bei einem derart kurzen Zeitraum der Nutzanwendung konnte und durfte eine Spezialschulung ohne konkrete Veranlassung nicht mehr als erforderlich angesehen werden. Generelle Unwägbarkeiten, auf die sich die Rechtsbeschwerde allein berufen hat, hätten zu diesem Zeitpunkt nicht mehr zur Begründung herangezogen werden dürfen, weil die Verhältnisse nunmehr überschaubar waren. Nach den mit der Rechtsbeschwerde nicht angegriffenen Tatsachenfeststellungen des Beschwerdegerichts hat der Antragsteller selbst rückschauend keine konkreten Aufgaben benennen können, deren Bewältigung die Schulung erleichtert oder verbessert oder gar erst ermöglicht hätte. Hiervon abgesehen reicht es zur Erfüllung der Darlegungslast unter den gegebenen Umständen auch nicht etwa aus, die Entscheidung im nachhinein mit ursprünglich nicht vorhersehbaren Umständen zu rechtfertigen.
Zuzustimmen ist dem Beschwerdegericht schließlich darin, daß bei der vorliegenden Fallgestaltung die Möglichkeit einer Wiederwahl auf die Beurteilung der Erforderlichkeit keinen Einfluß nehmen kann. Allein die Möglichkeit einer mehr oder weniger wahrscheinlichen Wahl für eine nachfolgende Amtszeit kann in bezug auf die auslaufende Amtszeit ein aktuelles Schulungsbedürfnis nicht begründen (vgl. Beschluß vom 23. April 1991 – BVerwG 6 P 19.89 – a.a.O.; vgl. ferner BAGE 62, 74 ≪82≫).
Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 10 Abs. 1 BRAGO in Verbindung mit § 8 Abs. 2 BRAGO.
Unterschriften
Niehues, Nettesheim, Seibert, Albers, Vogelgesang
Fundstellen
Haufe-Index 1214357 |
ZBR 1992, 379 |