Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Beschluss vom 21.07.2006; Aktenzeichen 13 A 2132/03) |
Tenor
Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 21. Juli 2006 wird aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 10 000 € festgesetzt.
Tatbestand
I
Die in Serbien geborene Klägerin hat von 1985 bis 1989 in Belgrad eine Ausbildung zur Krankenschwester absolviert. Im Januar 1989 erhielt sie dort ein “Diplom über den Grad der Fachbildung”. Darin wird bescheinigt, dass sie in der medizinischen Schule den 4. Grad der Fachbildung “Beruf: Krankenschwester-Techniker, Fach: Gesundheitswesen” erlangt habe. Vom 7. August 1989 bis zum 25. März 1995 war sie in Belgrad als Krankenschwester auf der Kardiologie-Station des Instituts für Herz- und Blutgefäßerkrankungen tätig.
Im Jahre 2000 beantragte die Klägerin beim Beklagten die Erlaubnis zur Führung der Berufungsbezeichnung “Krankenschwester”. Daraufhin teilte ihr der Beklagte mit, sie habe zwar eine abgeschlossene Ausbildung zur Krankenschwester nachgewiesen; die Gleichwertigkeit des Ausbildungsstandes sei jedoch nicht gegeben. Diese könne nachgewiesen werden durch die erfolgreiche Ableistung eines mindestens 9-monatigen Anerkennungspraktikums in einem hiesigen Krankenhaus sowie den Erwerb hinreichender deutscher Sprachkenntnisse für den Beruf der Krankenschwester. Daraufhin nahm die Klägerin vom 21. August 2000 bis zum 22. Mai 2001 bei der Zentralen Ausbildungsstätte für Pflegeberufe im Kreis Gütersloh gGmbH an einem Anerkennungspraktikum zur Krankenschwester teil.
Unter dem 22. Mai 2001 erteilte der Beklagte der Klägerin die Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung “Krankenpflegehelferin”. Mit Schreiben vom nächsten Tag teilte er ihr mit, die Erlaubnis zur Führung der Bezeichnung Krankenschwester habe nicht erteilt werden können, da das Leistungsspektrum der Klägerin nach den Feststellungen der Zentralen Ausbildungsstätte für Pflegeberufe im Kreis Gütersloh dafür nicht ausreiche. Die Aussage dieser Stelle im Prüfungsbogen, dass die Klägerin ausreichende Leistungen erbracht habe, bezöge sich auf das Anforderungsprofil einer Krankenpflegehelferin und nicht einer Krankenschwester. Den Widerspruch der Klägerin wies die Bezirksregierung Detmold durch Bescheid vom 13. November 2001 zurück.
Die Klägerin hat Verpflichtungsklage erhoben und darauf verwiesen, dass ihre Klausuren mit ausreichend und befriedigend bewertet worden seien und dass der mit “Gesamtergebnis: 4 (3,9)” abschließende Beurteilungsbogen der Zentralen Ausbildungsstätte in seiner Überschrift als “Beurteilungsbogen zum Anerkennungspraktikum zur Krankenschwester/Krankenpfleger” bezeichnet sei. Dagegen berief der Beklagte sich darauf, nach den Auskünften der Zentralen Ausbildungsstätte bezögen sich die vergebenen Noten auf das Leistungsniveau einer Krankenpflegehelferin.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 27. März 2003 abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hat das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen durch Beschluss vom 21. Juli 2006 zurückgewiesen. Dazu hat es ausgeführt, nach § 2 Abs. 4 Satz 2 des Krankenpflegegesetzes 1985/93 könne der Klägerin die Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung Krankenschwester nur erteilt werden, wenn sie außerhalb des Geltungsbereichs des Gesetzes eine abgeschlossene Ausbildung erworben habe und die Gleichwertigkeit des Ausbildungsstandes gegeben sei. Diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Schriftliche Nachweise, die insoweit eine eindeutige Wertung ermöglicht hätten, seien von der Klägerin nicht vorgelegt worden. Das von ihr vorgelegte Diplom sei hinsichtlich der Gleichwertigkeit des Ausbildungsstandes ohne Aussagewert, weil darin Angaben zur Ausbildungsdauer und zur Ausbildungsintensität nicht enthalten seien und daher ein nominaler und formaler Vergleich mit einer nach der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für die Berufe in der Krankenpflege absolvierten Ausbildung nicht möglich sei. Es sei nicht zu beanstanden, dass sich der Beklagte zur Ermittlung des Gleichwertigkeitskriteriums des Sachverstandes der Zentralen Ausbildungsstätte für Pflegeberufe im Kreis Gütersloh bedient habe. Danach könne ein gleichwertiger Ausbildungsstand bei der Klägerin nicht angenommen werden. Die Leistungen der Klägerin während der Anpassungsmaßnahme seien von der Zentralen Ausbildungsstätte als nicht ausreichend für die Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung Krankenschwester bewertet worden. Auch auf der Grundlage des seit Januar 2004 geltenden Krankenpflegegesetzes 2003 könne die Klage keinen Erfolg haben. Auch dieses Gesetz stelle in erster Linie auf die Gleichwertigkeit des Ausbildungsstandes ab und sehe bei deren Fehlen den Nachweis eines gleichwertigen Kenntnisstandes durch Ablegen einer Prüfung vor.
Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision rügt die Klägerin die Verletzung von § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO. Sie sieht als grundsätzlich klärungsbedürftig die Fragen an, was unter einer abgeschlossenen Ausbildung zu verstehen sei und was unter der Gleichwertigkeit des Ausbildungsstandes zu verstehen sei. Zu beidem habe das Berufungsgericht keine ausreichende Prüfung durchgeführt. Schon der Beklagte sei auf Grund des Amtsermittlungsprinzips verpflichtet gewesen, die jeweiligen Prüfungsinhalte sowie die Voraussetzungen und Berechtigungen der Befähigungsnachweise zu überprüfen. Dies hätte entweder durch eine Nachfrage bei der Medizinischen Schule in Belgrad oder beim Klinischen Zentrum Serbiens in Belgrad oder bei der serbischen Botschaft in der Bundesrepublik oder bei der deutschen Botschaft in Serbien oder bei der Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen geschehen können. All das sei aber nicht erfolgt. Stattdessen beschränke sich der angefochtene Beschluss auf die Aussage, dass das von der Klägerin vorgelegte Diplom keine Angaben zur Ausbildungsdauer und zur Ausbildungsintensität enthalte. Die vom Berufungsgericht in diesem Zusammenhang angeführten unzureichenden deutschen Sprachkenntnisse der Klägerin seien nicht Bestandteil des Ausbildungsstandes einer Krankenschwester.
Die Klägerin meint weiter, der angefochtene Beschluss weiche vom Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Dezember 1979 – BVerwG 3 C 115.79 – (NJW 1980, 1346 f.) ab. Nach dieser Entscheidung komme es für die Frage, ob eine abgeschlossene Ausbildung zur Krankenschwester vorliege, auf das Recht des Staates an, in dem die Ausbildung absolviert worden sei. Das Berufungsgericht hätte deshalb prüfen müssen, welcher Aussagewert dem Diplom nach dem Recht der sozialistischen Republik Serbien zukomme; die Klägerin habe eine vierjährige Ausbildung absolviert und sie mit einer Prüfung abgeschlossen.
Der Beklagte hält den angefochtnen Beschluss für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II
Die Beschwerde ist begründet. Der angefochtene Beschluss beruht auf einem Verfahrensfehler i.S.d. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Das Berufungsgericht hat seine Verpflichtung zur Sachverhaltsaufklärung nach § 86 VwGO nicht erfüllt. Das führt gemäß § 133 Abs. 6 VwGO zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
Allerdings hat die Klägerin in der Beschwerdebegründung nicht ausdrücklich auf § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO Bezug genommen. Stattdessen beruft sie sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Sache und auf die Divergenz zu einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts. Zur Begründung beider Rügen trägt sie aber im Wesentlichen vor, weder der Beklagte noch die Vorinstanzen hätten die gebotenen Maßnahmen zur Sachverhaltserforschung ergriffen. Sie hätten es unterlassen, die zur Verfügung stehenden Auskunftsmittel zu Dauer, Inhalt und Abschlussform der von der Klägerin in Serbien absolvierten Ausbildung in Anspruch zu nehmen. Bezogen auf das Berufungsgericht liegt darin die Rüge eines Aufklärungsmangels nach § 86 VwGO. Angesichts der eindeutigen inhaltlichen Darlegung ist es unschädlich, dass die Beschwerde § 86 VwGO und § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht ausdrücklich benennt.
Die Rüge, das Berufungsgericht habe den Sachverhalt nicht ausreichend erforscht, ist berechtigt. Entgegen der Annahme der Klägerin gilt dies allerdings nicht für das Merkmal der abgeschlossenen Ausbildung zur Krankenschwester. Zwar heißt es im angefochtenen Beschluss, “diese Voraussetzungen” seien im Fall der Klägerin nicht gegeben – das bezieht sich auf beide zuvor aufgeführten Voraussetzungen der abgeschlossenen Ausbildung und der Gleichwertigkeit des Ausbildungsstandes. Die weiteren Ausführungen des Berufungsgerichts betreffen dann aber allein die Gleichwertigkeit des Ausbildungsstandes. Dementsprechend ist das Vorliegen einer abgeschlossenen Ausbildung vom Beklagten auch von Anfang an anerkannt worden und kann vernünftigerweise nicht bezweifelt werden.
Zu Recht beanstandet die Klägerin aber eine unzureichende Sachverhaltsaufklärung im Hinblick auf das Merkmal der Gleichwertigkeit des Ausbildungsstandes. Die Aussage des angefochtenen Beschlusses, das von der Klägerin vorgelegte Diplom sei hinsichtlich der Gleichwertigkeit des Ausbildungsstandes ohne Aussagewert, weil darin Angaben zur Ausbildungsdauer und zur Ausbildungsintensität nicht enthalten seien, belegt, dass das Berufungsgericht diese beiden Kriterien als maßgeblich ansieht für die Feststellung der Gleichwertigkeit der im Ausland absolvierten und einer in Deutschland durchgeführten Ausbildung zur Krankenschwester. Dies deckt sich mit der ständigen Rechtsprechung des Senats zum gleichlautenden Merkmal der Gleichwertigkeit des Ausbildungsstandes bei einer im Ausland absolvierten ärztlichen oder zahnärztlichen Ausbildung (vgl. Urteil vom 18. Februar 1993 – BVerwG 3 C 64.90 – BVerwGE 92, 88 = Buchholz 418.0 Ärzte Nr. 85; Beschluss vom 15. Oktober 2001 – BVerwG 3 B 134.00 – Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 316 = NJW 2002 S. 455). Diese Rechtsprechung hat der Gesetzgeber aufgenommen, indem er im Krankenpflegegesetz vom 16. Juli 2003 (BGBl I S. 1442) die Gleichwertigkeit des Ausbildungsstandes als primäre Anerkennungsvoraussetzung einer im Ausland abgeschlossenen Ausbildung beibehalten und für den Fall der fehlenden Gleichwertigkeit des Ausbildungsstandes oder eines unangemessenen Aufwandes zu seiner Feststellung den Nachweis eines gleichwertigen Kenntnisstandes durch Ablegen einer Prüfung vorgesehen hat.
Die Beschwerde macht zu Recht geltend, dass es eine ganze Reihe von Möglichkeiten gegeben habe, den von der Klägerin erreichten Ausbildungsstand zu ermitteln. Neben einer Auskunft der Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen kam beispielsweise eine Anfrage bei der Ausbildungsstelle, der Medizinischen Schule in Belgrad, unter Vermittlung der deutschen Botschaft in Serbien in Betracht.
Die Notwendigkeit einer solchen Aufklärung hätte sich dem Berufungsgericht aufdrängen müssen. Der Hinweis, die Klägerin habe keine schriftlichen Unterlagen vorgelegt, reichte insoweit schon deshalb nicht aus, weil die Klägerin hierzu niemals aufgefordert worden war. Es kommt hinzu, dass der beschließende Senat des Berufungsgerichts aus einer Vielzahl von Verfahren zur Anerkennung von im Ausland abgeschlossenen ärztlichen Ausbildungen die Möglichkeiten und die Notwendigkeit, die Gleichwertigkeit eines Ausbildungsstandes aufzuklären, kannte (vgl. Beschluss vom 15. Oktober 2001 – BVerwG 3 B 134.00 – a.a.O.). Es konnte nicht ernsthaft angenommen werden, dass diese Anforderungen bei der Anerkennung einer im Ausland absolvierten Ausbildung zur Krankenschwester nicht gelten sollten.
Demgegenüber ist die Klägerin mit ihrer Aufklärungsrüge nicht deshalb ausgeschlossen, weil sie es versäumt hat, entsprechende Beweisanträge zu stellen. Obwohl sie anwaltlich vertreten war, war ihr – anders als dem Berufungsgericht – der Unterschied zwischen einem gleichwertigen Ausbildungsstand und dem individuellen Kenntnisstand ersichtlich nicht bewusst. Das belegt ihr gesamtes Vorbringen in den Vorinstanzen. Unter diesen Umständen war von ihr jedenfalls ohne gerichtlichen Hinweis die Stellung eines entsprechenden Beweisantrages nicht zu erwarten.
Im Interesse eines zügigen Fortgangs des Verfahrens macht der Senat von der Möglichkeit der Aufhebung und Zurückverweisung im Rahmen des Beschwerdeverfahrens nach § 133 Abs. 6 VwGO Gebrauch.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 VwGO.
Unterschriften
Kley, van Schewick, Dr. Dette
Fundstellen