Tenor
Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Bescheid des Bundesministeriums des Innern vom 18. April 2008 wird abgelehnt.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird verworfen.
Der Antrag des Antragstellers, ihm für das vorliegende Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 16 500 € festgesetzt.
Tatbestand
I
Das Bundesministerium des Innern stellte durch Verfügung vom 18. April 2008 fest, dass der Verein “Internationales Studienwerk – Collegium Humanum e.V.” (im Folgenden: “Collegium Humanum”) einschließlich des Antragstellers als seiner Teilorganisation sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte und nach Zweck und Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufe. Das “Collegium Humanum” einschließlich des Antragstellers wurde verboten und aufgelöst. Ferner wurden die Bildung von Ersatzorganisationen und die Fortführung bestehender Organisationen als Ersatzorganisationen sowie die Verwendung von Kennzeichen für die Dauer der Vollziehbarkeit des Verbots verboten und das Vermögen der verbotenen Organisationen beschlagnahmt und eingezogen. Mit Ausnahme der Einziehungsanordnung wurde die Verfügung für sofort vollziehbar erklärt.
Der Antragsteller hat Klage erhoben, mit der er sich gegen seine Einbeziehung in die Verbotsverfügung wendet. Zudem begehrt er die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage, “hilfsweise” den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, dass von der Beschlagnahme des Vereinsvermögens der zur Deckung der Kosten des vorliegenden Verfahrens erforderliche Betrag ausgenommen wird sowie “weiter hilfsweise” die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten.
Die Antragsgegnerin tritt dem Begehren entgegen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
II
1. Der nach § 80 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO zulässige Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist unbegründet. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Verfügung vom 18. April 2008 hat, soweit sie den Antragsteller betrifft, in formeller (a) und materieller (b) Hinsicht Bestand.
a) Die Antragsgegnerin hat das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung der Verbotsverfügung schriftlich hinreichend begründet (§ 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO). Sie hat zum einen auf das besondere Gewicht der bei einer zu erwartenden Fortsetzung der Vereinstätigkeit bedrohten Rechtsgüter abgestellt. Zum anderen hat sie auf die Gefahr verwiesen, dass Vermögensgegenstände, nicht veröffentlichte Unterlagen, Propagandamaterial und dergleichen, die Grundlage der Vereinstätigkeit seien, beiseite geschafft und später zur Fortsetzung derselben verfassungswidrigen Tätigkeit verwendet werden würden. Die verfassungswidrigen Zwecke der Vereinstätigkeit werden in der Verfügung umfassend dargelegt. Damit ist dem formellen Begründungserfordernis genügt.
b) Der Antrag hat auch in der Sache keinen Erfolg, weil das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Verbotsverfügung das Interesse des Antragstellers an der Aussetzung der Vollziehung überwiegt. Dies folgt insbesondere daraus, dass die Klage voraussichtlich ohne Erfolg bleiben wird (stRspr, vgl. z.B. Beschlüsse vom 21. April 1995 – BVerwG 1 VR 9.94 – Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 21 S. 41 und vom 10. Januar 2003 – BVerwG 6 VR 13.02 – Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 38 S. 61). Nach gegenwärtigem Sach- und Streitstand spricht Überwiegendes dafür, dass die Erstreckung des Vereinsverbots auf den Antragsteller in § 3 Abs. 3 des Gesetzes zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts (Vereinsgesetz) – VereinsG – vom 5. August 1964 (BGBl I S. 593), zuletzt geändert durch Gesetz vom 21. Dezember 2007 (BGBl I S. 3198), ihre rechtliche Grundlage findet und den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
aa) Einer Anhörung des Antragstellers vor Erlass der Verfügung im Sinne von § 28 Abs. 1 VwVfG bedurfte es nicht.
Nach § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG kann von der Anhörung abgesehen werden, wenn nach den Umständen des Einzelfalls eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint. Es genügt, dass die Behörde unter diesen Gesichtspunkten eine sofortige Entscheidung für notwendig halten durfte (vgl. Beschluss vom 10. Januar 2003 a.a.O. S. 61). Das war hier der Fall. Die Antragsgegnerin hat nach ihren Ausführungen in der Verbotsverfügung von einer Anhörung abgesehen, um den verbotenen Vereinen im Hinblick auf den mit einer Anhörung verbundenen “Ankündigungseffekt” keine Gelegenheit zu bieten, ihre Infrastruktur und ihr Vermögen dem behördlichen Zugriff zu entziehen. Diese Befürchtung ist nach den Umständen nicht zu beanstanden. Für die Einbeziehung von Teilorganisationenen gilt derselbe Grundsatz wie für das Verbot selbst, nämlich dass das Bestreben, ihr größtmögliche Wirksamkeit zu geben, das Absehen von der Anhörung in der Regel rechtfertigt (vgl. Beschluss vom 10. Januar 2003 a.a.O.). Dem steht hier nicht entgegen, dass das Verbot des Gesamtvereins vor Erlass der streitigen Verfügung Gegenstand der öffentlichen Erörterung war (vgl. BTDrucks 16/8214, 16/8497 und 16/9230). Dies hatte nicht den gleichen “Ankündigungseffekt” wie die Anhörung im Rahmen eines konkreten Verwaltungsverfahrens.
bb) Die Erstreckung des Verbots auf den Antragsteller erweist sich bei summarischer Prüfung als rechtmäßig.
Gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 VereinsG erstreckt sich das Verbot eines Vereins, wenn es nicht ausdrücklich beschränkt wird, auf alle Organisationen, die dem Verein derart eingegliedert sind, dass sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse als Gliederung dieses Vereins erscheinen (Teilorganisationen). Auf nichtgebietliche Teilorganisationen mit eigener Rechtspersönlichkeit erstreckt sich das Verbot nach § 3 Abs. 3 Satz 2 VereinsG nur, wenn sie in der Verbotsverfügung ausdrücklich benannt sind. Die angefochtene Verfügung benennt den Antragsteller ausdrücklich als verbotene Teilorganisation.
Voraussetzung für das Vorliegen einer Teilorganisation ist eine Identität zwischen dem Verein als Ganzem und seiner Gliederung. Die Gliederung muss tatsächlich in die Gesamtorganisation eingebunden sein und im Wesentlichen von ihr beherrscht werden, auch wenn eine totale organisatorische Eingliederung nicht notwendig ist. Indizien dafür können sich etwa aus der personellen Zusammensetzung, den Zielen, der Tätigkeit, der Finanzierung, aus Verflechtungen bei der Willensbildung, aus der Geschichte des Vereins, seinem Selbstverständnis und aus Weisungsgegebenheiten ergeben (vgl. Urteil vom 28. Januar 1997 – BVerwG 1 A 13.93 – Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 26 S. 98 f.; Beschluss vom 10. Januar 2003 a.a.O. S. 62; Gerichtsbescheid vom 3. April 2003 – BVerwG 6 A 5.02 – Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 39 S. 67 f.).
Soweit der Antragsteller die Verbotsverfügung auch deshalb für rechtswidrig hält, weil die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG nicht gegeben seien, kommt es darauf nicht an. Teilorganisationen werden aufgrund ihrer Identität mit dem Gesamtverein ohne Weiteres von dessen Verbot erfasst. Sie müssen nicht selbst einen Verbotsgrund erfüllen und können die Verbotsverfügung auch nur mit der Begründung anfechten, keine Teilorganisation zu sein (stRspr, vgl. Beschluss vom 6. Juli 1994 – BVerwG 1 VR 20.93 – Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 18 S. 14 und Urteil vom 28. Januar 1997 a.a.O. S. 96).
(1) Nach vorläufiger Würdigung hat die Antragsgegnerin den Antragsteller zu Recht als Teilorganisation des mit der angefochtenen Verfügung verbotenen Vereins “Collegium Humanum” angesehen.
(a) Die Geschichte des Antragstellers und sein Selbstverständnis weisen deutlich in die Richtung, dass er eine Teilorganisation des “Collegium Humanum” ist.
Der Antragsteller wurde im Jahr 1987 als nicht rechtsfähiger Verein unter der Bezeichnung “Bauernhilfe des WSL-D” gegründet. Wie bereits der Name nahelegt, war er in den Verein “Weltbund zum Schutze des Lebens – Bundesverband Deutschland e.V.” (im Folgenden: WSL-D) eingegliedert. Bestätigt wird dies durch die “Statuten der Bauernhilfe des WSL-D”, die auf der Bundesvorstandssitzung des WSL-D am 24./25 Juli 1987 verabschiedet wurden. Gegenstand der Vereinstätigkeit sollte danach die Verwaltung aller für den ökologischen Land- und Gartenbau zweckgebundenen Spenden des WSL-D sein (§ 1 Satz 3). Nach § 4 Satz 1 und 2 mussten die Mitglieder des zur Verwaltung des Antragstellers gebildeten Kuratoriums mehrheitlich Mitglieder des WSL-D sein. Änderungen der Statuten bedurften der Genehmigung durch den WSL-D (§ 6 Satz 3). § 8 Satz 2 sah vor, dass die Bundesgeschäftsstelle des WSL-D dem Vorsitzenden des Antragstellers für die Abwicklung der Arbeit zur Verfügung stehe, und gemäß § 11 sollten die Bundeskassenprüfer des WSL-D alle zwei Jahre die Kassenabschlüsse und Berichte prüfen. Diese Regelungen zielten allesamt erkennbar darauf ab, die tatsächliche Beherrschung durch den WSL-D sicherzustellen. Für die organisatorische Einbindung in den WSL-D spricht weiterhin § 12 der Statuten, demzufolge bei Auflösung des WSL-D oder bei Wegfall des bisherigen Zwecks des Antragstellers dessen Vermögen an das “Collegium Humanum” fallen sollte. Die Existenz der “Bauernhilfe des WSL-D” sollte also nach deren Selbstverständnis von derjenigen des WSL-D abhängen.
Der WSL-D wurde zum 31. Dezember 2000 aufgelöst. Seine Funktionsnachfolge trat das “Collegium Humanum” e.V. an, das seit 1972 Mitglied des WSL-D war. Dies klingt bereits in der Einladung zu der Mitgliederversammlung des WSL-D am 3. Dezember 2000 vom 11. Oktober 2000 an. Dort wird u.a. dargelegt, dass auf einer erweiterten Vorstandssitzung mit Vorstandsmitgliedern des “Collegium Humanum” beschlossen worden sei, dass “eine Fusion bzw. Auflösung des Vereins Weltbund zum Schutze des Lebens wünschenswert erscheint”. Als Tagesordnungspunkt 3 war u.a. vorgesehen ein Bericht über “die Überlegungen zu einer Fusion des WSL mit dem Verein COLLEGIUM HUMANUM”. In dem Protokoll der Mitgliederversammlung des WSL-D am 3. Dezember 2000 kommt deutlich zum Ausdruck, dass das “Collegium Humanum” die Nachfolge des WSL-D antreten sollte. So wurde der Antrag angenommen, “den WSL-D zum 31.12.2000 aufzulösen und zum 1.1.2001 in den gemeinnützigen Verein COLLEGIUM HUMANUM zu überführen (…)”. Das Bestreben, den WSL-D in das “Collegium Humanum” aufgehen zu lassen, fand seinen Niederschlag auch in dem auf der Mitgliederversammlung am 3. Dezember 2000 gefassten Beschluss, dass “die Konten des WSL bei der Volksbank in V… (…) in ihrer Kontonummer und auch bei der gleichen Bank bestehen bleiben” sollten und dass “lediglich der Name WSL geändert (werden sollte) in COLLEGIUM HUMANUM als Kontoeigentümer”.
Da die “Bauernhilfe des WSL-D” in den WSL-D eingegliedert war, bewirkte die Überführung des WSL-D in das “Collegium Humanum”, dass die Bauernhilfe ebenfalls in das “Collegium Humanum” integriert wurde. Schon zuvor bestanden enge Beziehungen zwischen der “Bauernhilfe im WSL-D” und dem “Collegium Humanum”. So sollte nach § 4 Satz 1 der Statuten der “Bauernhilfe im WSL-D” dem Kuratorium immer ein Vorstandsmitglied des “Collegium Humanum” angehören. Darüber hinaus wurde in § 9 Satz 2 der Statuten die seit 1986 von WSL-D und “Collegium Humanum” gemeinsam herausgegebene Zeitschrift “Lebensschutz-Informationen LSI – Stimme des Gewissens” (LSI) zum Publikationsorgan des Kuratoriums bestimmt. Dass mit der Überführung des WSL-D in das “Collegium Humanum” auch die Eingliederung der Bauernhilfe in die zuletzt genannte Vereinigung einhergehen sollte, ergibt sich zweifelsfrei aus der Erwägung in dem Protokoll der Mitgliederversammlung vom 3. Dezember 2000: “Es wird in Zukunft aber nicht mehr die Bauernhilfe des WSL-D heißen können, da dieser aufgelöst wird, sondern die Bauernhilfe im COLLEGIUM HUMANUM, vormals des WSL-D”. Darin kommt das Bestreben der Mitglieder des WSL-D zum Ausdruck, aus der Bauernhilfe als eine dem WSL-D selbst eingegliederte, nachgeordnete Organisationseinheit eine solche des “Collegium Humanum” zu machen.
(b) Die sich aus den vorliegenden Unterlagen ergebenden Verknüpfungen des Antragstellers mit dem “Collegium Humanum” in finanzieller und vermögensmäßiger Hinsicht sprechen ebenfalls dafür, dass der Antragsteller eine Teilorganisation ist.
Auf der Mitgliederversammlung des WSL-D am 3. Dezember 2000 wurde beschlossen, das Vermögen des aufzulösenden Vereins auf den Antragsteller zu übertragen. Die Vermögensübertragung bewirkte indes nicht, dass der Antragsteller über die Konten des WSL-D verfügen konnte. Die Mitglieder des WSL-D hatten nämlich auf ihrer Versammlung am 3. Dezember 2000 – wie bereits dargelegt – auch beschlossen, dass die Konten des WSL-D nach seiner Auflösung von dem “Collegium Humanum” unter dessen Namen weitergeführt werden sollten. Die gleichzeitige Übertragung des sonstigen Vermögens des WSL-D auf den Antragsteller erweist sich als gewichtiges Indiz dafür, dass der Antragsteller integrierter Teil des “Collegium Humanum” ist.
Auf der Grundlage entsprechender Beschlüsse der Mitgliederversammlungen des “Collegium Humanum” und des Antragstellers übertrug der zuerst genannte Verein dem Antragsteller mit Vertrag von 31. Januar 2006 mehrere Grundstücke, ohne dafür eine Gegenleistung zu erlangen. Bereits in der unentgeltlichen Überlassung der Grundstücke kommt die besondere Beziehung zwischen dem Antragsteller und dem “Collegium Humanum” zum Ausdruck. Die Verflechtung beider Vereine hinsichtlich ihres Vermögens zeigt sich auch daran, dass dem “Collegium Humanum” nach den vertraglichen Vereinbarungen ein unentgeltliches Nutzungsrecht an einem der übertragenen Grundstücke zusteht. So behielt sich das “Collegium Humanum” einen Nießbrauch an diesem Grundstück vor, um in dem dort belegenen Gebäude weiter seine Schulungsarbeit leisten zu können (§ 4 Nr. 3 des Vertrags). Nach § 9 des Vertrags steht dem “Collegium Humanum” ein durch Vormerkung gesichertes Rückerwerbsrecht gegen Zahlung von 1 € für den Fall zu, dass der Antragsteller insolvent wird, sich auflöst oder die Grundbesitzung veräußert.
Die Grundstücksübertragung diente ersichtlich nicht den eigenen Interessen des Antragstellers, sondern ausschließlich dazu, die Grundstücke für den Fall eines befürchteten Verbots des “Collegium Humanum” der Beschlagnahme zu entziehen. Diese Motivation kommt zweifelsfrei zum Ausdruck in der Einladung zu der Mitgliederversammlung des “Collegium Humanum” am 20. Juni 2004, wo auch mit Blick auf die später vollzogene Grundstücksübertragung dargelegt wird, dass “alles verhältnismäßig schnell über die Bühne gehen (muss), um von vornherein eine Möglichkeit der Beschlagnahme des Vereinsvermögens des COLLEGIUM HUMANUM zu verhindern”. Dementsprechend wird in einem nach Abschluss des Grundstücksübertragungsvertrags verfassten Schreiben der Vorsitzenden des Antragstellers vom 2. Februar 2006 mit Blick auf das zu Schulungszwecken genutzte Gebäude, das sich auf einem der übertragenen Grundstücke befindet, dargelegt: “Da im Augenblick eine Schließung der Tagungsstätte aus politischen Gründen nicht möglich ist, da sie der Bauernhilfe gehört, sollten wir also noch einige Jahre ganz gut über die Runden kommen.” Mithin war die Grundstücksübertragung nur Mittel zum Zweck der Sicherung der Liegenschaften vor einer Beschlagnahme. Der Antragsteller verfolgte in diesem Zusammenhang also ausschließlich Belange des “Collegium Humanum”. Ihm war eine den Erhalt von Vermögen des “Collegium Humanum” unterstützende Rolle zugewiesen, was sich als weiterer gewichtiger Hinweis auf die Eingliederung des Antragstellers in das “Collegium Humanum” erweist.
(c) Auch die personellen Überschneidungen des Antragstellers mit dem “Collegium Humanum” sprechen deutlich dafür, dass der Antragsteller eine Teilorganisation ist.
Besonderes Gewicht kommt insoweit dem Umstand zu, dass die am 20. Juni 2004 zur Vorsitzenden des Antragstellers gewählte Frau U… H…-W… zugleich langjährige Vorsitzende des “Collegium Humanum” ist. Die stellvertretende Vorsitzende des Antragstellers, Frau R… M…, und einer der zwei gewählten Beisitzer des Vorstands, Herr Dr. T… M…, gehören ebenfalls dem “Collegium Humanum” an, letzterer seit dem 3. Dezember 2005 in der Funktion des Schatzmeisters. Nicht nur auf Vorstandsebene, sondern auch im weiteren Mitgliederbestand des Antragstellers und des “Collegium Humanum” sind personelle Überschneidungen zu verzeichnen. Ein Vergleich der von dem Antragsteller nicht bestrittenen Mitgliederlisten beider Vereine mit Stand vom 24. Januar 2008 weist aus, dass zu jenem Zeitpunkt sieben der 13 Mitglieder des Antragstellers zugleich dem “Collegium Humanum” angehörten.
(d) Die Eingebundenheit des Antragstellers in das “Collegium Humanum” kommt in weiteren Umständen zum Ausdruck. So hält der Antragsteller, der seinen Vereinssitz in der Gemeinde S… im Landkreis K… hat, seine Mitgliederversammlungen in der Tagungsstätte des “Collegium Humanum” in V… ab. Die Mitgliederversammlungen werden in der vom “Collegium Humanum” herausgegebenen Zeitschrift “Lebensschutz-Informationen – LSI” angekündigt. Sie haben in unmittelbarer zeitlicher Nähe zu den Mitgliederversammlungen des “Collegium Humanum” stattgefunden, wobei Einladungen für beide Organisationen einheitlich ausgesprochen wurden. An den Mitgliederversammlungen des Antragstellers nahmen als Gäste auch Mitglieder des “Collegium Humanum” teil. In die Richtung einer Eingliederung des Antragstellers weist auch die Präambel des zwischen dem Antragsteller und dem “Collegium Humanum” geschlossenen Grundstücksübertragungsvertrags vom 31. Januar 2006. Dort wird ausgeführt, der Antragsteller sei bisher “mit einer gewissen Selbstständigkeit innerhalb” des “Collegium Humanum” “tätig” gewesen. Diese Aussage hat jedenfalls vor dem Hintergrund der anderen aufgezeigten Hinweistatsachen, die für eine Einbindung streiten, Gewicht. Sie erhärtet den Eindruck, der sich in Würdigung der zahlreichen anderen Tatsachen ergibt.
(e) Entgegen der Auffassung des Antragstellers sprechen seine im September 2005 erfolgte Eintragung in das Vereinsregister und die damit einhergehende Erlangung der Rechtsfähigkeit nicht gegen die Annahme seiner Eingliederung in das “Collegium Humanum”. Ebenso wenig, wie es für den Vereinsbegriff des § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG auf die Rechtsform ankommt, ist es für das Vorliegen einer Teilorganisation erheblich, ob die betreffende Organisation eine eigene Rechtspersönlichkeit besitzt oder nicht (vgl. § 3 Abs. 3 Satz 2 VereinsG). Davon abgesehen spricht insbesondere die zeitliche Nähe der Vereinsregistereintragung zu dem Abschluss des Grundstücksübertragungsvertrags vom 31. Januar 2006 dafür, dass mit der Erlangung der Rechtsfähigkeit allein der Zweck verfolgt wurde, die Voraussetzungen für die Eintragung der erlangten Liegenschaften in das Grundbuch zu schaffen, wie die Antragsgegnerin überzeugend darlegt.
(f) Soweit der Antragsteller der Auffassung ist, gegen die Annahme seiner Einbindung spreche, dass der Mehrzahl seiner als praktische Landwirte tätigen Mitglieder die Zielsetzungen des “Collegium Humanum” fremd seien und es ihnen um die Förderung des ökologischen Landbaus gehe, kann dem nicht gefolgt werden.
Nach § 2 Satz 2 der Satzung des Antragstellers vom 23. August 2005 wird dieser “die Tradition des Weltbundes zum Schutze des Lebens, aus dem er seinerzeit hervorgegangen ist, fortsetzen”. Der WSL-D war – wie bereits dargelegt – über einen langen Zeitraum gemeinsam mit dem “Collegium Humanum” Herausgeber der Zeitschrift “Lebensschutz-Informationen – LSI”. Dass die Unterstützung der in dieser Zeitschrift verbreiteten ideologischen Ziele des “Collegium Humanum” in den Vereinsaktivitäten des Antragstellers eindeutig den Vorrang vor einer allenfalls als Nebenzweck angestrebten Förderung des ökologischen Landbaus genießt, erschließt sich aus einer Reihe von Hinweistatsachen.
Das Finanzamt Kassel-Hofgeismar stellte in seiner Einspruchsentscheidung vom 15. Januar 2007, mit der die Aufhebung der Gemeinnützigkeit des Antragstellers bestätigt wurde, fest, der Antragsteller habe für die Veranlagungsjahre 2002 bis 2005 “nicht erkennbar aufgezeigt, wie eine Förderung der Allgemeinheit auf dem Gebiet des Umweltschutzes erreicht wurde” und “eine eigene Vortrags- und Informationstätigkeit durch Veranstaltungen und Seminare zum ökologischen Landbau konnte nicht belegt werden”. Weiter heißt es, der Antragsteller habe “Mittel für satzungsfremde Zwecke … verausgabt” und “nicht alle Tätigkeiten auf die Erreichung der satzungsmäßigen steuerbegünstigten Zwecke ausgerichtet.”
Dass der Vereinszweck der Förderung des ökologischen Landbaus eher nachrangige Bedeutung hat, ergibt sich aus Äußerungen der Vorsitzenden des Antragstellers. Mit Blick auf die Erfüllung des Vereinszwecks stellte sie in dem bereits angesprochenen Schreiben vom 2. Februar 2006 folgende Überlegungen an: “In jedem Fall müssen wir damit rechnen, dass von der Bauernhilfe auch, alle drei Jahre etwa, ein Antrag auf Gemeinnützigkeit erneuert werden muss, und dazu müssen die Abrechnungen und Jahresschlussrechnungen der letzten drei Jahre sowie ein Tätigkeitsnachweis erbracht werden. (…) Das heißt aber auch, dass wir wenigstens ein oder zwei ökologische landwirtschaftliche Maßnahmen machen müssen. Wie das geht, weiß ich noch nicht.” In einem anderen Schreiben führte die Vorsitzende des Antragstellers aus: “Wäre es nicht im Augenblick sinnvoller, mit aller Macht Feldbestellung usw. durchzuführen, um nachzuweisen, dass wir ernsthaft die Förderung des ökologischen Landbaues betreiben, gerade auch im Hinblick auf die völlig unsichere Wirtschaftslage allgemein?”
Angesichts der vorstehenden Erwägungen kann ein ernsthaftes Bemühen des Antragstellers um den ökologischen Landbau nicht angenommen werden. Soweit er überhaupt Aktivitäten in dieser Richtung entfaltet hat oder entfalten will, hat er dabei insbesondere steuerrechtliche Vorteile im Auge. Mit seinem Vortrag, der landwirtschaftliche Betrieb auf den Vereinsgrundstücken sei erst 2006 aufgenommen worden, die zur Verfügung stehenden Mittel hätten zu einer Ausweitung der landwirtschaftlichen Tätigkeit bislang nicht ausgereicht und der Betrieb werde durch Gerätediebstähle und die Verweigerung behördlicher Genehmigungen behindert, vermag der Antragsteller nicht darzulegen, dass ihm die Verwirklichung des ökologischen Landbaus tatsächlich ein gewichtiges Anliegen ist.
(g) Bei Gesamtwürdigung der aufgezeigten Umstände ergibt sich, dass der Antragsteller eine Teilorganisation des “Collegium Humanum” ist. Im Hinblick auf seine Geschichte, sein Selbstverständnis und die festzustellenden finanziellen und vermögensmäßigen Verflechtungen sowie personellen Überschneidungen mit dem “Collegium Humanum” bestehen daran nach dem bisherigen Sach- und Streitstand keine vernünftigen Zweifel. Der Antragsteller erfüllt für das “Collegium Humanum” insbesondere die Aufgabe der Sicherung seines Vereinsvermögens vor staatlichem Zugriff.
(2) Die Verbotsverfügung weist in dem hier in Rede stehenden Umfang nach summarischer Prüfung auch sonst keine rechtlichen Mängel auf. Die weiteren in der Verfügung hinsichtlich des Antragstellers getroffenen und mit der Anordnung der sofortigen Vollziehung versehenen Regelungen (Auflösung, Verbot der Bildung von Ersatzorganisationen, Kennzeichenverbot, Beschlagnahme des Vereinsvermögens) finden ihre Rechtsgrundlage in § 3 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 und Satz 2 Nr. 1, § 8 Abs. 1 und § 9 Abs. 1 Satz 1 VereinsG. Die Klage des Antragstellers wird auch insoweit voraussichtlich keinen Erfolg haben.
cc) Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist auch nicht aufgrund einer weiteren Abwägung der widerstreitenden Interessen der Beteiligten geboten. Die mit der Anordnung der sofortigen Vollziehung für den Antragsteller verbundene Beschränkung, seine Vereinstätigkeit bis zur Entscheidung der Hauptsache nicht fortsetzen zu dürfen, hat besonderes Gewicht. Diesem Nachteil stehen die Gefahren gegenüber, die für die Allgemeinheit bei Fortsetzung der Vereinstätigkeit bestehen, wenn sich im gerichtlichen Hauptsacheverfahren die in der Verbotsverfügung getroffene Einschätzung als zutreffend erweisen sollte, dass der Antragsteller eine Teilorganisation des verbotenen Vereins “Collegium Humanum” ist. Diese Gefahren sind höher zu gewichten als die für den Antragsteller mit der Anordnung der sofortigen Vollziehung einhergehenden Belastungen. Sie rechtfertigen auch die Annahme der besonderen Dringlichkeit der Vollziehung der Verfügung.
2. Der hilfsweise gestellte Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO mit dem Inhalt, dass von der Beschlagnahme des Vereinsvermögens der zur Deckung der Verfahrenskosten erforderliche Betrag ausgenommen wird, ist unzulässig, weil dem Antragsteller insoweit das Rechtsschutzbedürfnis fehlt.
Die Beschlagnahme und die (nicht für sofort vollziehbar erklärte) Einziehung seines Vereinsvermögens hindern den Antragsteller nicht daran, aus diesem Vermögen die Kosten der Prozessführung aufzubringen (vgl. Beschlüsse vom 27. März 2003 – BVerwG 6 PKH 8.02 ≪6 A 10.02/6 VR 10.02≫ – BA S. 2 und vom 1. August 2005 – BVerwG 6 PKH 3.05 ≪6 A 1.05≫ – BA S. 2). Das beschlagnahmte und eingezogene Vermögen ist Gegenstand der Abwicklung nach § 11 Abs. 2 Satz 4 i.V.m. § 13 VereinsG. Die dem Verein nach dem Verbot durch die Inanspruchnahme von Rechtsbehelfen entstandenen Prozesskosten gelten für den Fall eines Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeiten (§ 13 Abs. 3 Satz 3 VereinsG), die gemäß § 53 InsO aus der Insolvenzmasse vorweg zu berichtigen sind. Der Antragsteller kann zudem bereits vor einer endgültigen Vermögensfeststellung, die erst im Rahmen der Abwicklung erfolgt, verlangen, dass ihm die zur Rechtsverfolgung, namentlich für einen seinem Prozessbevollmächtigten zustehenden Vorschuss (§ 9 RVG) erforderlichen Beträge zur Verfügung gestellt werden. Dies folgt aus § 13 Abs. 1 Satz 2 VereinsG, demzufolge die Befriedigung von Gläubigern, die im Falle des Insolvenzverfahrens Insolvenzgläubiger wären (§ 38 InsO), soweit nicht eine Rechtsverordnung etwas anderes bestimmt (vgl. § 16 VereinsG-DVO), erst zulässig ist, wenn die Verwertung des eingezogenen Vermögens eine zur Befriedigung aller Gläubiger ausreichende bare Masse ergeben hat. Die Beschränkungen, denen die vorzeitige Befriedigung von Insolvenzverbindlichkeiten unterliegt, gelten, wie ein Umkehrschluss ergibt, nicht für Masseverbindlichkeiten (vgl. Schnorr, Öffentliches Vereinsrecht, 1965, § 13 Rn. 4, für die frühere, auf die Konkursordnung bezogene, insoweit aber vergleichbare Fassung). Umstände, die es dem Antragsteller unmöglich machen könnten, auf das beschlagnahmte Vermögen zur prozessualen Wahrung seiner Rechte zurückzugreifen, sind nicht ersichtlich. Auch der Antragsteller hat nicht geltend gemacht, dass ihm die Antragsgegnerin insoweit den Zugriff auf das beschlagnahmte Vermögen verwehren würde.
3. Der Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe sowie Beiordnung eines Rechtsanwalts ist jedenfalls mangels hinreichender Erfolgsaussicht abzulehnen, weil das Begehren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes aus den vorstehenden Gründen keinen Erfolg versprach (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1, § 121 Abs. 1 ZPO).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Festsetzung des Wertes der Streitgegenstandes auf § 53 Abs. 3 Nr. 2, § 52 Abs. 1 i.V.m. § 45 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Dr. Bardenhewer, Dr. Hahn, Vormeier
Fundstellen