Verfahrensgang
VG Magdeburg (Urteil vom 29.12.2009; Aktenzeichen 9 A 357/07 MD) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg vom 29. Dezember 2009 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Der Kläger begehrt seine Rehabilitierung nach dem Beruflichen Rehabilitierungsgesetz (BerRehaG). Er macht berufliche Benachteiligungen geltend, weil seine Studiengänge der Pädagogik und der Geschichte in den Jahren 1965 und 1973 durch Exmatrikulationen unterbrochen worden waren und weil ihm nach erfolgreichem Abschluss als Diplomhistoriker zwischen Januar 1977 und November 1985 (seiner Ausreise aus der DDR) trotz zahlreicher Bewerbungen eine adäquate Beschäftigung verwehrt worden sei. Der Beklagte hat die Jahre 1965 bis 1977 als Verfolgungszeit anerkannt. Die Klage auf Anerkennung weiterer Verfolgungszeiten hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Die Folgen der Exmatrikulation im Jahr 1965 seien von der anerkannten Verfolgungszeit abgedeckt; der Exmatrikulation von 1973 komme für die weiter beanspruchten Zeiten keine eigenständige Bedeutung zu, denn ihre nachteiligen Folgen seien infolge des Erwerbs des Diploms im Jahr 1977 überholt. Die Erfolglosigkeit der zahlreichen Bewerbungen beruhe nicht auf einer politischen Verfolgung des Klägers. Es könne dahinstehen, welche Gründe letztlich dafür maßgebend gewesen seien. Maßnahmen eines Staates, mit denen einem Betroffenen der Zugang zu Forschung und Lehre und zu anderen staatlichen Institutionen verwehrt worden sei, hätten jedenfalls keinen politischen Charakter; denn jeder Staat habe das Recht, an seine Bediensteten Anforderungen in persönlicher Hinsicht zu stellen.
Rz. 2
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts bleibt ohne Erfolg. Weder liegen die gerügten Abweichungen von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vor (1.) noch hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung (2.).
Rz. 3
1. Das angefochtene Urteil weicht nicht vom Beschluss des Senats vom 29. Juli 2003 – BVerwG 3 B 72.03 – juris ab. Eine Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegt vor, wenn sich das vorinstanzliche Gericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem seine Entscheidung tragenden (abstrakten) Rechtssatz zu einem ebensolchen Rechtssatz, der in einer Entscheidung eines divergenzfähigen Gerichts aufgestellt worden ist, in Widerspruch gesetzt hat und das Urteil auf dieser Abweichung beruht (stRspr, vgl. u.a. Beschluss vom 11. August 1999 – BVerwG 11 B 61.98 – Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 19 m.w.N.). Die Beschwerde stellt zwar abstrakte Rechtssätze einander gegenüber, der vermeintliche Widerspruch besteht aber nicht. Weder in der vom Kläger bezeichneten Passage des angefochtenen Urteils (UA S. 7) noch an anderer Stelle wird der rechtliche Ausgangspunkt geleugnet, die Feststellung des Verfolgungscharakters einer Maßnahme bedürfe einer Einzelfallprüfung, wie sie im Beschluss des Senats vom 29. Juli 2003 für erforderlich gehalten wird. Der in der Beschwerdeschrift formulierte Satz, eine Einzelfallprüfung sei bei (angestrebter) Tätigkeit im Staatsdienst nicht vorzunehmen, da grundsätzlich keine Rehabilitierung in Betracht komme, liegt dem Urteil nicht zugrunde. Vielmehr gelangt das Verwaltungsgericht in erkennbarer Würdigung der Umstände des Einzelfalls zu der Einschätzung, die im Fall des Klägers in Betracht kommenden Maßnahmen hätten nicht den Charakter politischer Verfolgung. Sollte diese Bewertung sachlich falsch sein, wie es die Beschwerde geltend macht, so läge ein Rechtsanwendungsfehler vor, der die Abweichungsrüge grundsätzlich nicht zu begründen vermag (Beschluss vom 13. Dezember 2007 – BVerwG 4 BN 52.07 – juris ≪Rn. 4≫; stRspr).
Rz. 4
Nur ergänzend ist anzumerken, dass das Urteil auf der geltend gemachten Abweichung auch nicht beruhen könnte. Maßnahmen der DDR, durch die einem Einstellungsbewerber der Zugang zu einer neuen berufsadäquaten Tätigkeit verwehrt worden ist, sind als so genannte Aufstiegsschäden einzuordnen und stellen keine berufliche Benachteiligung im Sinne des § 1 Abs. 1 BerRehaG dar. Rehabilitierungsfähig sind nur Eingriffe in eine innegehabte berufliche oder berufsbezogene Position; davon ist auch das Verwaltungsgericht ausgegangen (UA S. 7). Der Gesetzgeber hat sich dagegen entschieden, bloß hypothetische berufliche Chancen – wie sie mit Bewerbungen um Stellen verbunden sind – in die Schutzwirkung der genannten Norm einzubeziehen (vgl. Urteil vom 18. März 2010 – BVerwG 3 C 34.09 – juris ≪Rn. 18≫ m.w.N.). Danach hat es das Verwaltungsgericht zu Recht dahinstehen lassen, welchen Charakter die Gründe für die Ablehnungen der Bewerbungen jeweils besaßen: Fehlt es an einem berücksichtigungsfähigen Eingriff in eine hinreichend verfestigte berufsbezogene Position, ist unerheblich, von welchen Motiven die Ablehnungsentscheidungen jeweils getragen wurden. Daher wäre – was der Kläger weiter als Abweichung rügt – in einem Revisionsverfahren auch nicht entscheidungserheblich, ob die Annahme des Verwaltungsgerichts zutrifft, dass Maßnahmen eines Staates, mit denen einem Bewerber der Zugang zu staatlichen Stellen oder Institutionen verwehrt wird, der politische Verfolgungscharakter generell abzusprechen ist.
Rz. 5
2. Der Rechtssache kommt auch keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu.
Rz. 6
Die zunächst aufgeworfene Frage, ob eine “linientreue” politische Einstellung eine berechtigterweise geforderte persönliche Voraussetzung für eine Anstellung in den öffentlichen Dienst der DDR war, ist aus den vorgenannten Gründen nicht klärungsbedürftig.
Rz. 7
Die weiter aufgeworfene Frage, ob die Verfolgungszeit mit dem Abschluss einer weiteren Berufsausbildung oder einem Studienabschluss endet, lässt sich in dieser Allgemeinheit nicht klären. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BerRehaG verlangt für die Bestimmung der Verfolgungszeit einen konkreten Ursachenzusammenhang zwischen einer Verfolgungsmaßnahme und eingetretenen beruflichen Nachteilen. Von daher hat das Verwaltungsgericht zu Recht anhand der konkreten Umstände geprüft, ob der Exmatrikulation des Klägers im Januar 1965 für die vom Kläger weiter begehrte Verfolgungszeit (1978 bis 1985) Bedeutung zukommt (UA S. 5 f.). Ob das Ergebnis dieser Prüfung zutrifft, ist eine Frage des Einzelfalls und keiner grundsätzlichen Klärung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugänglich.
Rz. 8
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG.
Unterschriften
Kley, Liebler, Dr. Wysk
Fundstellen