Verfahrensgang
OVG der Freien Hansestadt Bremen (Urteil vom 06.03.1996; Aktenzeichen 2 BA 12/94) |
Tenor
Der Antrag des Klägers, ihm für eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen vom 6. März 1996 Prozeßkostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.
Gründe
Dem Kläger kann Prozeßkostenhilfe nicht bewilligt werden; denn eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 166 VwGO, §§ 114, 121 Abs. 1 ZPO). Ein die Zulassung der Revision rechtfertigender Grund nach § 132 Abs. 2 VwGO ist weder vom Kläger dargelegt worden noch sonst ersichtlich.
Eine Zulassung der Revision wegen Vorliegens entscheidungserheblicher Verfahrensfehler (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) kommt nicht in Betracht. Soweit der Kläger rügt, das Berufungsgericht hätte die Prozeßfähigkeit seiner Mutter aufklären müssen, verkennt er, daß es hierauf nach der materiellrechtlichen Sicht des Berufungsgerichts nicht ankam. Denn das Berufungsgericht geht davon aus, daß Kriegsopfer fürsorgerechtliche Ansprüche der Mutter, selbst wenn sie der Erblasserin zugestanden haben sollten, jedenfalls von dem Kläger nicht weiterverfolgt werden könnten. Auf der Grundlage dieser Rechtsansicht kam es auf die vom Kläger in diesem Zusammenhang für erforderlich gehaltene Aufklärung nicht an. Damit scheidet insoweit ein Verstoß gegen § 86 Abs. 1 VwGO aus. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist für den Umfang der Verpflichtung zur Sachaufklärung die materiellrechtliche Auffassung des Tatsachengerichts maßgebend (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. März 1987 – BVerwG 6 C 10.84 – ≪Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 183 S. 4≫).
Auch soweit der Kläger die tatsächlichen Grundlagen dieser Rechtsansicht angreift, sind Verfahrensfehler des Berufungsgerichts nicht erkennbar. Das Berufungsgericht hat festgestellt: „Zudem ist nicht vorgetragen, daß Dritte für die beanspruchten Leistungen in Vorlage getreten sind.” Hieraus hat es die Überzeugung gewonnen, daß Dritthilfe tatsächlich nicht gewährt worden ist, und deshalb den Anspruchsübergang für ausgeschlossen erachtet. Das greift der Kläger zu Unrecht mit der Aufklärungsrüge an. Da der Kläger im Berufungsverfahren keinen entsprechenden Beweisantrag (vgl. § 86 Abs. 2 VwGO) gestellt hat, käme ein Verstoß gegen § 86 Abs. 1 VwGO nur dann in Betracht, wenn sich dem Berufungsgericht eine Sachaufklärung in der von dem Kläger aufgezeigten Richtung von Amts wegen hätte aufdrängen müssen (vgl. BVerwG, Beschluß vom 2. März 1978 – BVerwG 6 B 24.78 – ≪Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 164 S. 44≫; Urteil vom 3. Juli 1992 – BVerwG 8 C 72.90 – ≪NVwZ 1993, 62/63≫). Hierfür hat der Kläger weder etwas Substantiiertes vorgetragen noch ist hierfür sonst etwas ersichtlich. Die erst im Prozeßkostenhilfeverfahren vor dem Revisionsgericht vorgelegte Mitteilung der Postbank konnte dem Berufungsgericht keine Sachaufklärungsnotwendigkeit vermitteln.
Soweit der Kläger dem Berufungsgericht vorhält, es hätte aufklären müssen, ob er entsprechende Pflegeleistungen erbracht und ob er ein entsprechendes Pflegegeld bereits erhalten habe, geht er zu Unrecht davon aus, daß das Urteil des Senats vom 5. Mai 1994 – BVerwG 5 C 43.91 – (BVerwGE 96, 18) die Vererblichkeit des Anspruchs auf Pflegegeld bejaht habe. Gegenstand dieses Rechtsstreits waren vielmehr konkrete Aufwendungen der Pflegeperson im Sinne des § 69 Abs. 2 Satz 2 BSHG, die neben dem geleisteten Pflegegeld begehrt wurden. Daß der Kläger derartige Kosten der Pflege aus eigenem Einkommen oder Vermögen erbracht und seiner Mutter gestundet hat, ist von ihm nicht vorgetragen worden. Vielmehr hatte er nach seinen eigenen Angaben in der genannten Zeit keine eigenen Einnahmen und wurde von seiner Mutter unterhalten. Insbesondere war in bezug auf die vom Kläger geltend gemachte Vererblichkeit des Pflegegeldanspruchs keine Aufklärung im Tatsächlichen geboten. Denn es ist nicht ersichtlich, daß der Kläger als Dritter an seine Mutter Hilfeleistungen anstelle eines von der Beklagten nicht rechtzeitig gewährten Pflegegeldes erbracht hat. Dabei ist zweierlei zu beachten; zum einen ist die vom Kläger seiner Mutter geleistete Pflege keine Hilfeleistung in bezug auf pauschaliertes Pflegegeld, zum anderen stellt Pflegegeld kein Entgelt für die Pflegeperson (für deren Pflegeleistungen) dar (vgl. BVerwGE 92, 220 ≪227≫).
Scheidet demnach eine Rechtsnachfolge des Klägers in einen etwaigen Pflegegeldanspruch seiner Mutter aus, kann das Berufungsurteil auf den vom Kläger behaupteten Abweichungen von höchstrichterlichen Entscheidungen in sozialverwaltungsverfahrensrechtlichen Fragen nicht beruhen.
Zu Unrecht wirft der Kläger dem Berufungsgericht weiterhin vor, es habe in verfahrensfehlerhafter Weise unterlassen aufzuklären, ob die nach Kriegsopferfürsorgerecht beantragten Mittel außer für seine Mutter direkt oder indirekt auch für ihn bestimmt gewesen seien. Hierauf kam es nach der vom Berufungsgericht zutreffend eingeschätzten Rechtslage nicht an. Zwar hat der Senat in dem vom Kläger zitierten Urteil vom 29. September 1994 – BVerwG 5 C 41.92 – (Buchholz 436.7 § 27 a BVG Nr. 16 = NVwZ-RR 1995, 676/677) unter Hinweis auf BVerwGE 36, 252 auch einen auf das Recht der Kriegsopferfürsorge gestützten Anspruchsübergang diskutiert, bei dem der noch beim Beschädigten entstandene Anspruch auf den Bedarf eines Angehörigen nicht mit dem Tode des Beschädigten erlischt, sondern auf eben jenen Angehörigen übergeht, wenn diesem im Bedarfsfall nach dem Tode des Beschädigten ein eigener Anspruch als Hinterbliebener zugestanden hätte. Diese Rechtsprechung setzt jedoch voraus, daß dem verstorbenen Kriegsopferfürsorgeberechtigten Leistungen der Kriegsopferfürsorge auch für sein Familienmitglied nach § 25 Abs. 4 BVG zugestanden haben. Dies scheidet im vorliegenden Fall aus; denn die Mutter des Klägers war nicht Beschädigte im Sinne des § 25 Abs. 4 Satz 1 BVG, sondern als Kriegerwitwe Hinterbliebene. Als solche standen ihr für ihren Sohn, sollte er Familienmitglied im Sinne des § 25 Abs. 4 Satz 2 BVG gewesen sein, keine Leistungen der Kriegsopferfürsorge zu, die auf den Kläger hätten übergehen können. Nicht von ungefähr hat der Kläger deshalb auch in Hamburg für die hier streitgegenständliche Zeit Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz beantragt und teilweise auch erhalten (vgl. Urteil des Senats vom 31. August 1995 – BVerwG 5 C 11.94 – ≪BVerwGE 99, 158≫).
Soweit der Kläger Aufklärungsrügen „hinsichtlich der Nichtigkeitsklage und angeblicher Verwirkung” erhebt, übersieht er, daß das Berufungsgericht auch insoweit die Zurückweisung der Berufung doppelt begründet hat, und zwar mit dem Hinweis, daß die Klage auch in der Sache keinen Erfolg hätte haben können, da die Ansprüche, die der Kläger aus abgeleitetem Recht geltend mache, nicht auf ihn hätten übergegangen sein können. Ist aber das Berufungsurteil auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt, kann auf eine Beschwerde die Revision nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder Begründung ein Revisionszulassungsgrund geltend gemacht wird und vorliegt (stRspr, vgl. etwa Beschluß vom 20. August 1993 – BVerwG 9 B 512.93 – ≪Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 320≫ sowie vom 15. Juni 1990 – BVerwG 1 B 92.90 – ≪Buchholz 11 Art. 116 GG Nr. 20≫). Daß hinsichtlich der dort streitgegenständlichen Hotelkosten im Zeitpunkt des Todes der Mutter des Klägers die Voraussetzungen einer die Vererblichkeit auslösenden „Dritthilfe” vorgelegen hätten, vom Berufungsgericht aber verfahrensfehlerhaft nicht festgestellt worden wären, ist weder vom Kläger vorgetragen worden noch sonst ersichtlich. Aus dem Inhalt der zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Akten ergibt sich vielmehr, daß diese Kosten von der Mutter des Klägers letztlich aus eigenem Einkommen und Vermögen bezahlt worden sind. Das schließt eine Vererblichkeit aus (vgl. BVerwGE 96, 18 ≪21 f.≫).
Ist aber insoweit ein Revisionszulassungsgrund nicht ersichtlich, geht auch die vom Kläger „hinsichtlich der angeblichen Verwirkung des Klagerechts” erhobene Divergenzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) ins Leere, weil das Berufungsurteil nicht auf der behaupteten Divergenz beruht.
Auch im übrigen kommt eine Zulassung der Revision wegen entscheidungserheblicher Abweichungen von Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) nicht in Betracht. Soweit das Berufungsgericht die Anwendung des § 56 SGB I ablehnt, setzt es sich weder mit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. September 1994 (a.a.O.) noch mit der vom 5. Mai 1994 (a.a.O.) in Widerspruch. Der Entscheidung vom 29. September 1994 läßt sich entgegen der Auffassung des Klägers nicht der Rechtssatz entnehmen, § 56 SGB I gelte lediglich nicht für einmalige Beihilfen. Gesagt ist dort (NVwZ-RR 1995, 676 ≪677≫) lediglich, daß § 56 SGB I bereits deshalb ausscheide, weil im zu entscheidenden Fall nur eine einmalige Beihilfe beansprucht werde. In der Entscheidung vom 5. Mai 1994 (BVerwGE 96, 18 ≪23≫) wird dagegen ausdrücklich dargelegt, daß § 56 SGB I nicht passe auf vererbliche Sozialhilfeansprüche, deren Zweck darin bestehe, an denjenigen, der dem verstorbenen Berechtigten in einer Notlage geholfen hat, weitergereicht zu werden.
Eine Abweichung vom Urteil vom 5. Mai 1994 liegt allerdings in der Definition der behördlichen Säumnis als Voraussetzung für eine Vererblichkeit von Sozialhilfeansprüchen. Denn in dieser Entscheidung hat das Bundesverwaltungsgericht Säumnis dann angenommen, wenn der Träger der Sozialhilfe nicht rechtzeitig geholfen oder Hilfe abgelehnt hat (BVerwGE 96, 18 LS 1). Auf dieser Abweichung beruht jedoch das Berufungsurteil nicht. Denn es ist zusätzlich damit begründet, daß ein Anspruchsübergang auch deshalb ausgeschlossen ist, weil Dritte für die beanspruchten Leistungen nicht in Vorlage getreten sind. Daß dabei das Berufungsgericht unter Dritten lediglich – wie der Kläger behauptet – andere Personen als den Rechtsnachfolger des Verstorbenen versteht, dafür ergibt sich aus dem Berufungsurteil keinerlei Anhaltspunkt. Auch grundsätzlicher Klärungsbedarf i.S. des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO besteht insoweit nicht. Denn durch BVerwGE 96, 18 ist bereits geklärt, daß die zur Vererblichkeit führende Dritthilfe auch durch den Rechtsnachfolger selbst geleistet werden kann. Gegenstand dieses Rechtsstreits waren nämlich auch Taxikosten der als Rechtsnachfolger in klagenden Tochter der Erblasserin (vgl. BVerwGE 96, 18 ≪24≫). Überdies ist die Entscheidungserheblichkeit dieser Fragestellung nicht erkennbar. Der Kläger betrachtet als Leistungen Dritter die von ihm erbrachten „Vorleistungen durch Pflege”. Er hat jedoch nicht dargelegt, daß und in welcher Hinsicht seiner Mutter Aufwendungen oder Schulden wegen dieser – voraussetzungsgemäß unentgeltlichen – Pflege entstanden seien. Ebenfalls durch BVerwGE 96, 18 (22) geklärt ist, daß Art. 19 Abs. 4 GG nicht die Vererblichkeit höchstpersönlicher Rechte um der Effektivität des Rechtsschutzes willen garantiert.
Die Zulassung der Revision ist auch ansonsten nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zu erwarten. Nicht klärungsbedürftig ist, ob „bei der Kriegsopferfürsorge (im Gegensatz zur Sozialhilfe) die Sonderrechtsnachfolge gem. § 56 SGB I möglich ist”. Denn diese Frage ist bereits in BVerwGE 96, 18 (22 f.) entschieden. Dort ist dargelegt, daß § 56 SGB I nicht auf Leistungen paßt, die zur Befriedigung eines gegenwärtigen Bedarfs bestimmt sind und nach dem Tode des Berechtigten bezwecken, an denjenigen, der dem verstorbenen Berechtigten in einer Notlage geholfen hat, weitergereicht zu werden. Das trifft auch für Leistungen der Kriegsopferfürsorge zu. Zwar kommt diesen auch eine Schadensausgleichsfunktion zu (vgl. § 25 Abs. 2 BVG und BVerwGE 52, 201 ≪208≫; 99, 45 ≪47≫); sie sind aber keine rentengleichen wirtschaftlichen Dauerleistungen mit Versorgungscharakter. Vielmehr sind sie – auch als „laufende” Leistungen – besondere Hilfen im Einzelfall (§ 25 Abs. 1 BVG, § 24 Abs. 1 Nr. 2 SGB I), die grundsätzlich (Ausnahmen: § 25 c Abs. 3 BVG und hierzu BVerwGE 99, 45) nur dann und nur soweit gewährt werden, als die Berechtigten nicht in der Lage sind, den nach den §§ 25 b ff. BVG anzuerkennenden Bedarf aus den übrigen Leistungen nach diesem Gesetz und dem sonstigen Einkommen und Vermögen zu decken (§ 25 a Abs. 1 BVG und Beschluß des Senats vom 7. April 1988 – BVerwG 5 B 141.87 – ≪Buchholz 436.7 § 25 b BVG Nr. 1≫), wobei auch sie auf die Deckung eines gegenwärtigen Bedarfs zielen (vgl. BVerwGE 26, 217 ≪219 f.≫; 27, 119 ≪120≫; 36, 260 ≪262≫; Urteil des Senats vom 2. November 1993 – BVerwG 5 C 25.91 – ≪Buchholz 310 § 114 VwGO Nr. 43≫).
Soweit der Kläger Rechtsfragen in Zusammenhang mit der Prozeßfähigkeit seiner Mutter als grundsätzlich klärungsbedürftig bezeichnet, scheitert eine Zulassung der Revision daran, daß diese Fragen für das Berufungsgericht nicht entscheidungserheblich waren, weil dieses eine Rechtsnachfolge des Klägers in etwaige Kriegsopferfürsorgeansprüche seiner Mutter aus materiellrechtlichen Gründen für ausgeschlossen gehalten hat. Hiergegen hat weder der Kläger revisionsrechtlich beachtliche Zulassungsgründe vorgebracht noch sind sie sonst ersichtlich.
Unterschriften
Dr. Säcker, Dr. Pietzner, Dr. Rothkegel
Fundstellen