Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Urteil vom 06.03.2008; Aktenzeichen 10 D 103/06.NE) |
Tenor
Die Beschwerden der Antragsgegnerin und der Beigeladenen zu 1 und 2 gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 6. März 2008 werden zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin, die Beigeladene zu 1 und die Beigeladene zu 2 tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu je einem Drittel.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 10 000 € festgesetzt.
Gründe
Die auf die Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde der Antragsgegnerin und die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützten Beschwerden der Beigeladenen zu 1 und 2 bleiben ohne Erfolg.
Das Oberverwaltungsgericht hat den Bebauungsplan aus zwei Gründen für unwirksam erklärt: Zum einen sei der Bebauungsplan unter mehreren Gesichtspunkten abwägungsfehlerhaft und verstoße deshalb gegen § 1 Abs. 7 BauGB; die Abwägungsfehler seien offensichtlich und ergebnisrelevant. Zum anderen sei der Bebauungsplan rechtswidrig, weil seine Inkraftsetzung im ergänzenden Verfahren materiell fehlerhaft gewesen sei. Diese beiden Begründungen tragen die Feststellungen der Unwirksamkeit des Bebauungsplans jeweils selbständig. Das stellen auch die Beschwerden nicht in Abrede. Einen Abwägungsfehler sieht das Oberverwaltungsgericht zunächst darin (1. der Entscheidungsgründe), dass die Antragsgegnerin im Satzungsbeschluss vom 24. Mai 2006 das für die Rechtmäßigkeit der Plankonzeption entscheidende Gefahrenpotenzial, das von dem Nebeneinander von Gasspeicher und Parkplatz ausgeht, vollständig ausgeklammert habe; insoweit liege ein vollständiger Abwägungsausfall vor (UA S. 15 bis 19 ≪Mitte≫). Selbst wenn der Plangeber davon ausgegangen sein sollte, dass eine umfassende Abwägung auf der Basis der unveränderten Beschlussvorlagen von 2001 und 2003 habe getroffen werden können, würde dies ebenfalls zu einem Abwägungsausfall führen (UA S. 19 ≪Mitte≫ bis S. 23). Sollte entgegen diesen Ausführungen eine als umfassend gemeinte Abwägungsentscheidung beabsichtigt gewesen und getroffen worden sein, hätte die Antragsgegnerin die maßgeblichen Belange in ihrem Gewicht verkannt, so dass das Abwägungsergebnis fehlerhaft sei (2. der Entscheidungsgründe).
Der in 1. der Entscheidungsgründe festgestellte Abwägungsausfall trägt die Feststellung eines Verstoßes gegen § 1 Abs. 7 BauGB selbständig. Das Oberverwaltungsgericht hat nicht offen gelassen, ob die Antragsgegnerin das genannte Gefahrenpotential ausgeklammert hat oder nicht, sondern einen entscheidungserheblichen Abwägungsausfall positiv festgestellt (vgl. UA S. 15, 40). Die unter 2. folgenden Erwägungen zum Abwägungsergebnis stellen entgegen der Auffassung der Beschwerden keine alternative Begründung des Verstoßes gegen § 1 Abs. 7 BauGB, sondern eine Hilfsbegründung für den Fall dar, dass das Oberverwaltungsgericht einen Abwägungsausfall zu Unrecht bejaht haben sollte. Die Beachtlichkeit der Verstöße gegen § 1 Abs. 7 BauGB begründet das Oberverwaltungsgericht hingegen für die unter 1. und 2. aufgezeigten Abwägungsfehler einheitlich (3. der Entscheidungsgründe, UA S. 41).
Ist eine Entscheidung – wie hier – auf mehrere, jeweils für sich selbständig tragfähige Gründe gestützt worden, kann eine Beschwerde nach § 132 Abs. 2 VwGO nur Erfolg haben, wenn der Zulassungsgrund bei jedem der Urteilsgründe zulässig vorgetragen und gegeben ist (vgl. Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – NJW 1997, 3328). Im vorliegenden Fall greifen die Rügen gegen den Abwägungsausfall (1) und dessen Beachtlichkeit (2) nicht durch. Schon aus diesem Grund können auch die übrigen Rügen den Beschwerden nicht zum Erfolg verhelfen.
1.1 In Bezug auf den Abwägungsausfall rügen die Beschwerden, dass das Urteil auf Verfahrensmängeln beruhe.
1.1.1 Beide Beschwerden machen geltend, dass das Oberverwaltungsgericht gegen § 86 Abs. 1 Satz 1, § 108 Abs. 1 VwGO verstoßen habe (Antragsgegnerin: Beschwerdebegründung S. 8 bis 24 ≪Verfahrensfehler Nr. 1≫; Beigeladene: Beschwerdebegründung S. 7 bis 18 ≪B. I. 1≫). Das Oberverwaltungsgericht habe die Planaufstellungsvorgänge nicht ordnungsgemäß ausgewertet und sei deshalb bei seiner Würdigung dieser Vorgänge von einem unrichtigen und unvollständigen Sachverhalt ausgegangen. Aus den Planunterlagen ergebe sich eindeutig, dass die Antragsgegnerin im Jahr 2006 unter Einbeziehung des Vorgangs aus 2003 eine vollständige, auch das Nebeneinander von Parkplatz und Gasspeicher berücksichtigende Abwägungsentscheidung getroffen, mindestens aber ihre alte Abwägung bestätigt habe.
Soweit es um die – vom Oberverwaltungsgericht verneinte – Frage geht, ob der Plangeber im Satzungsbeschluss vom 24. Mai 2006 überhaupt eine das Gefahrenpotenzial des Erdgasspeichers einbeziehende Abwägungsentscheidung treffen wollte, würde das Urteil auf dem geltend gemachten Verfahrensfehler nicht beruhen. Das Oberverwaltungsgericht hat für den Fall, dass der Plangeber davon ausgegangen sein sollte, dass eine umfassende Abwägung auf der Basis der unveränderten Beschlussvorlagen von 2001 und 2003 sowie der zusätzlichen Anregungen und Einwendungen zu dem geänderten Teil des Planentwurfs getroffen werden könne, angenommen, dass auch dieses Vorgehen im vorliegenden Fall fehlerhaft wäre und ebenfalls zu einem Abwägungsausfall führen würde. Denn die Rechtswidrigkeit der unwirksamen Satzungsbeschlüsse vom 28. November 2001 und 15. Oktober 2003 beruhe gerade auf erheblichen Abwägungsdefiziten, die durch bloße Übernahme in die aktuelle Beschlussvorlage nicht zu beheben gewesen seien (UA S. 19). Auch diese Erwägung ist innerhalb der Begründung des unter 1. dargelegten Abwägungsausfalls selbständig tragend. In Bezug auf sie legen die Beschwerden Gründe für die Zulassung der Revision nicht dar.
Beide Beschwerden machen allerdings in Bezug auf die unter 2.1 der Entscheidungsgründe dargelegte Würdigung der in das Planaufstellungsverfahren eingeführten gutachtlichen Stellungnahmen und weiteren Materialien geltend, dass das Oberverwaltungsgericht auch die dem Satzungsbeschluss vom 15. Oktober 2003 zugrundeliegenden Beschlussvorlagen 1775/2003/6 bzw. 1775E/2003/6 nebst Anlagen nur unvollständig ausgewertet habe (Antragsgegnerin: Beschwerdebegründung S. 35 bis 42 ≪Verfahrensfehler Nr. 3≫; Beigeladene: Beschwerdebegründung S. 12 bis 18 ≪B. I. 1≫). Die Antragsgegnerin referiert, welche Überlegungen die Antragsgegnerin zum Gefahrenpotential des Gasspeichers in dem “erweiterten Abwägungsmaterial” (Anlage 1 der Beschlussvorlage 1775/2003/6) angestellt habe, und rügt, dass das Oberverwaltungsgericht hierauf nicht eingegangen sei. Die Beigeladenen werfen dem Oberverwaltungsgericht vor, das gesamte Abwägungsprogramm aus der Beschlussvorlage 1775/2003/6 bzw. 1775E/2003/6 bei seiner Urteilsbegründung “vollständig unterschlagen” (Beschwerdebegründung S. 14) zu haben.
Ob damit bezogen auf den Abwägungsausfall ein Zulassungsgrund hinreichend dargelegt ist, kann dahinstehen, denn die Vorwürfe sind unbegründet. Dem Oberverwaltungsgericht haben die genannten Beschlussvorlagen einschließlich der Anlagen sowohl in dem durch Beschluss vom 27. November 2003 beendeten einstweiligen Rechtsschutzverfahren als auch im jetzigen Hauptsacheverfahren vollständig vorgelegen. Auf der Grundlage dieser Unterlagen hat es bereits im Eilverfahren als offen angesehen, ob die im Rahmen der Abwägung getroffene Bewertung der Risiken durch den Rat der Antragsgegnerin im Ergebnis vertretbar sei (OVG Münster, Beschluss vom 27. November 2003 – 10a B 1241/03.NE – juris Rn. 8). Die Frage der Wahrscheinlichkeit des Austritts von Gas aus der streitigen Anlage und die vorzunehmende Risikobewertung, die von den beteiligten Behörden unterschiedlich beurteilt würden, erscheine derzeit als nicht hinreichend geklärt (OVG Münster, Beschluss vom 27. November 2003 a.a.O.). Dies hatte es unter Bezugnahme insbesondere auf den Genehmigungsbescheid des Staatlichen Umweltamtes Duisburg vom 20. Februar 2002 sowie des Schreibens des Staatlichen Umweltamtes vom 6. Oktober 2003 näher dargelegt. An dieser Würdigung der Aufstellungsvorgänge hat es im angefochtenen Urteil festgehalten. Ergänzend hat es darauf hingewiesen, dass ersichtlich unbewältigt insbesondere ein Kerndefizit der bisherigen Planung sei, nämlich der Umstand, dass die immissionsschutzrechtliche Genehmigung des Erdgasspeichers das Vorhandensein des Parkplatzes ignoriert habe, während die Bauleitplanung des Parkplatzes davon ausgegangen sei, bei der Genehmigung des Speichers sei dessen Gefahrenpotential umfassend bewältigt worden (UA S. 22). Dass das Oberverwaltungsgericht unter 1. und 2.1 der Entscheidungsgründe nicht auf die Begründung der Ratsvorlage im Einzelnen und nicht auf jede ihrer Anlagen und die in der Beschlussvorlage erwähnten oder auszugsweise zitierten Gutachten und Stellungnahmen eingegangen ist, rechtfertigt nicht den Schluss, dass es diese nicht zur Kenntnis genommen habe und insoweit von einem unvollständigen Sachverhalt ausgegangen sei. Es hat vielmehr die Frage des Gefahrenpotentials “trotz der Einbeziehung des ‘erweiterten Abwägungsmaterials’” (UA S. 22) nach wie vor als nicht hinreichend geklärt angesehen. Der Sache nach machen die Beschwerden keinen Verfahrensmangel geltend, sondern kritisieren die Beweiswürdigung des Oberverwaltungsgerichts. Die Beweiswürdigung ist jedoch revisionsrechtlich regelmäßig dem sachlichen Recht zuzurechnen, so dass mit Angriffen gegen die Beweiswürdigung grundsätzlich ein Verfahrensmangel i.S.d. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht bezeichnet werden kann (Beschluss vom 12. Januar 1995 – BVerwG 4 B 197.94 – Buchholz 406.12 § 22 BauNVO Nr. 4 S. 4).
1.1.2 Die Antragsgegnerin sieht einen weiteren Verfahrensmangel darin, dass das Oberverwaltungsgericht ihren Antrag abgelehnt hat, zum Beweis der Tatsache,
dass bei der Abwägung des Rates zum Satzungsbeschluss vom 15. Oktober 2003 neben den jedem einzelnen Ratsmitglied übersandten Unterlagen weitere umfangreiche Unterlagen in Gestalt mehrerer Aktenordner aus dem Verfahren über die Erdgasröhrenanlage, insbesondere mit dem Sicherheitsbericht und der Störfallanalyse aus dem Haus der Beigeladenen zu 2 im Ratssaal zur Einsichtnahme zur Verfügung standen,
den Zeugen L… zu vernehmen (Beschwerdebegründung S. 25 bis 28 ≪Verfahrensmangel Nr. 2≫). Das Oberverwaltungsgericht hat den Antrag abgelehnt, zum einen weil es für Gegenstand und Rechtmäßigkeit der am 24. Mai 2006 getroffenen – allein streitgegenständlichen – Ratsentscheidung ohne jede Bedeutung sei, ob und ggf. welche Aktenordner drei Jahre zuvor im Ratssaal vorhanden gewesen seien; zum anderen sei allein das Vorhandensein von Material im Ratssaal kein hinreichendes Indiz dafür, dass der Plangeber Abwägungsmaterial zur Kenntnis nehme und ergebnisoffen in seine Entscheidung einbeziehe; insofern aussagekräftig seien vielmehr die Planbegründung und die von der Verwaltung erarbeiteten Entscheidungsvorschläge (UA S. 19 f.). Inwiefern diese Begründung fehlerhaft sein sollte, legt die Antragsgegnerin nicht dar. Soweit sie geltend macht, der Zeuge hätte bekundet, dass den Ratsmitgliedern auch die Anlagen zu der Abwägungsvorlage 0253/2006/B, die dem Satzungsbeschluss vom 24. Mai 2006 zugrunde lag, zur Verfügung gestanden hätten, kann sich daraus die Erforderlichkeit seiner Einvernahme schon deshalb nicht ergeben, weil sie lediglich beantragt hatte, ihn zum Satzungsbeschluss vom 15. Oktober 2003, nicht jedoch zum Satzungsbeschluss vom 24. Mai 2006 zu vernehmen. Im Übrigen hat das Oberverwaltungsgericht – wie bereits dargelegt – hilfsweise unterstellt, dass der Plangeber eine umfassende Abwägung auf der Basis der Beschlussvorlagen von 2001 und 2003 einschließlich aller Anlagen vorgenommen habe (UA S. 18, 19).
1.2 Die Bejahung eines Abwägungsausfalls hat auch nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerden beimessen.
1.2.1 Beide Beschwerden möchten rechtsgrundsätzlich geklärt wissen, ob und inwieweit in einem ergänzenden Verfahren eine erneute Abwägung erforderlich ist, insbesondere ob eine “sektorale Abwägung” nur der durch die Änderung betroffenen Belange zulässig ist (Antragsgegnerin: Beschwerdebegründung S. 29 bis 33 ≪Frage Nr. 1≫; Beigeladene: Beschwerdebegründung S. 39 bis 42 ≪B. II. 1≫). Diese Frage würde sich in dieser Allgemeinheit in einem Revisionsverfahren nicht stellen; im Übrigen bedürfte sie nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren. Das Oberverwaltungsgericht hat ausdrücklich klargestellt, dass in einem ergänzenden Verfahren nicht in jedem Fall eine erneute Abwägungsentscheidung getroffen werden muss (UA S. 20). Es hat festgestellt, dass die den Satzungsbeschlüssen vom 28. November 2001 und vom 15. Oktober 2003 zugrundeliegende Abwägung u.a. deshalb unzureichend war, weil die Antragsgegnerin das Gefahrenpotenzial des Erdgasspeichers für die Stellplatzanlage nicht hinreichend ermittelt und abgewogen hatte; die aus dem Nebeneinander von Erdgasspeicher und Stellplatzanlage folgenden Risiken und Gefahren beträfen den Kernbereich der streitgegenständlichen Plankonzeption (UA S. 21). Unter diesen Umständen hat es für die Abwägung der durch den Erdgasspeicher betroffenen Belange eine Bezugnahme auf den Satzungsbeschluss vom 15. Oktober 2003 nicht als ausreichend angesehen. Die Frage, ob die Bezugnahme auf den vorangegangenen Satzungsbeschluss dem Abwägungsgebot genügt hätte, wenn die Antragsgegnerin im damaligen Verfahren die sich aus dem Nebeneinander von Erdgasspeicher und Stellplatzanlage ergebenden Belange fehlerfrei abgewogen hätte, würde sich im Revisionsverfahren mithin nicht stellen. Dass sich die Gemeinde in einem ergänzenden Verfahren nicht darauf beschränken darf, einen rechtskräftig festgestellten Abwägungsfehler zu beseitigen und die insoweit berührten Belange erneut abzuwägen, wenn die bisherige Abwägung aus einem weiteren Grund fehlerhaft war, versteht sich von selbst und bedarf nicht der Bestätigung in einem Revisionsverfahren. In einem solchen Fall muss in dem ergänzenden Verfahren auch der weitere Abwägungsfehler behoben werden. Die Frage, ob es hierfür erforderlich ist, alle Belange, also auch solche, die bisher für sich genommen fehlerfrei in das Abwägungsergebnis eingegangen sind, erneut abzuwägen, würde sich nicht stellen, weil die durch das Nebeneinander von Erdgasspeicher und Stellplatzanlage berührten Belange nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts im ursprünglichen und im ersten ergänzenden Verfahren für sich genommen gerade nicht fehlerfrei ermittelt und abgewogen worden waren.
1.2.2 Die Beigeladenen werfen außerdem als rechtsgrundsätzlich bedeutsam die Frage auf (Beschwerdebegründung S. 79 bis 85 ≪B. II. 10≫),
welche präjudizielle Rechtskraftwirkung einem ablehnenden Beschluss nach § 80 Abs. 7 VwGO (analog) zukommt, insbesondere wenn das Gericht in den Entscheidungsgründen offen lässt, ob nach einem zwischenzeitlich durchgeführten ergänzenden Verfahren die Entscheidung des Plangebers abwägungsfehlerfrei gelöst worden ist.
Diese Frage würde sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Das Oberverwaltungsgericht hat eine erneute Abwägung der durch den Erdgasspeicher betroffenen Belange nicht deshalb für erforderlich gehalten, weil sein im Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO ergangener Beschluss vom 27. November 2003 in Rechtskraft erwachsen sei. Dass die dem Satzungsbeschluss vom 15. Oktober 2003 zugrundeliegende Abwägung dieser Belange fehlerhaft sei, hatte es in seinem Beschluss im Übrigen nicht festgestellt, sondern die Frage, ob die im Rahmen der Abwägung getroffene Bewertung der Risiken durch den Rat der Antragsgegnerin im Ergebnis vertretbar sei, als offen bezeichnet. Da diese Frage im Urteil vom 29. September 2004 nach der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts nicht geklärt werden musste, weil der Bebauungsplan bereits aus einem anderen Grund unwirksam war, die Planung im Ergebnis aber nur dann Bestand haben konnte, wenn eine weitere Aufklärung des Sachverhalts die dem Satzungsbeschluss vom 15. Oktober 2003 zugrundeliegende Einschätzung der Antragsgegnerin, dass nach Maßgabe praktischer Vernunft mit dem Austreten von Gas nicht zu rechnen sei, bestätigt hätte, hat das Oberverwaltungsgericht aus dem Abwägungsgebot (§ 1 Abs. 7 BauGB) hergeleitet, dass die Antragsgegnerin das Gefahrenpotential des Gasspeichers selbst hätte weiter aufklären und die Belange auf der Grundlage der gewonnenen Erkenntnisse insgesamt neu hätte abwägen müssen. Es hatte keinen Anlass, seine im Beschluss vom 27. November 2003 dargelegte Auffassung, dass die dem erneuten Satzungsbeschluss vom 15. Oktober 2003 zugrundeliegenden Erkenntnisse nicht ausreichten, um die Vertretbarkeit des Abwägungsergebnisses zu beurteilen, in Frage zu stellen. Dass es hieran aus Gründen der Rechtskraft gehindert gewesen wäre, hat es nicht angenommen.
Mit der unter B. II. 11 formulierten Frage (Beschwerdebegründung S. 86 bis 88) zeigen die Beigeladenen einen über die vorangegangene Frage hinausgehenden rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf nicht auf. Soweit sie nicht nur geklärt wissen möchten, welche Rechtskraftwirkung, sondern auch welche Präjudizwirkung oder sonstige Aussagekraft gerichtlichen Feststellungen zu einem möglichen Vorliegen eines Abwägungsmangels zukommt, ist die Frage auf die Umstände des vorliegenden Falles zugeschnitten und einer rechtsgrundsätzlichen Klärung nicht zugänglich.
2. Die in Bezug auf die Beachtlichkeit des Abwägungsausfalls erhobenen Rügen gegen die Nichtzulassung der Revision greifen ebenfalls nicht durch.
Beide Beschwerden rügen, dass das Oberverwaltungsgericht die Ergebnisrelevanz nicht hätte bejahen dürfen, ohne den Beweisanträgen der Beigeladenen nachzugehen (Antragsgegnerin: Beschwerdebegründung S. 73 bis 75 ≪Verfahrensfehler Nr. 5≫; Beigeladene: Beschwerdebegründung S. 18 bis 25 ≪B. I. 2≫). Die Beigeladenen hatten beantragt, zum Beweis der Tatsache,
dass von der vollgefüllten Röhrenanlage nach Maßgabe praktischer Vernunft weder durch eine glühende Zigarette bei gleichzeitiger Leckage noch durch ein Eindringen von Gas in den Motorraum eines Pkw noch durch ein sonstiges Ereignis eine Gefahr ausgeht,
und
dass der durch die 1,20 m dicke Erdüberdeckung bewirkte vertikale Abstand zwischen der Röhrenanlage und dem Parkplatz ausreichend sei, um einen schweren Unfall i.S.d. Seveso-II-Richtlinie bzw. einen Störfall gemäß der 12. BImSchV nach Maßgabe praktischer Vernunft auszuschließen,
einen präsenten Sachverständigen zu hören bzw. hilfsweise ein Sachverständigengutachten einzuholen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Erforderlichkeit der Beweiserhebung unter 2.4 der Entscheidungsgründe im Rahmen der Frage erörtert, ob auch ein horizontaler “Null-Abstand” zwischen Parkplatz und Erdgasspeicher mit dem Abwägungsgebot und § 50 BImSchG vereinbar ist. Es hat den Antrag abgelehnt, weil das Gutachten unabhängig von seinem Ergebnis den Ausgang des Rechtsstreits nicht beeinflussen würde (UA S. 39). Selbst wenn das Gutachten ergeben würde, dass das geplante Nebeneinander von Parkplatz und Gasspeicher durch Nutzungseinschränkungen oder eine gewisse Verkleinerung der Stellplatzflächen gefahrlos gestaltet werden könne oder auch bei unveränderter Beibehaltung des derzeitigen Zustandes gefahrlos wäre, würde dies an dem entscheidungserheblichen Abwägungsausfall nichts ändern. Dies wäre nur anders, wenn der Plangeber eine Abwägungsentscheidung zu diesem Aspekt seiner Plankonzeption getroffen hätte; eine solche wäre ggf. auf ihre Plausibilität gutachtlich zu untersuchen gewesen. Es sei indes nicht Aufgabe des Gerichts, die Sachlage für einen nicht entscheidungserheblichen Zeitpunkt gutachterlich zu ermitteln bzw. die Rechtslage für einen solchen Zeitpunkt zu bewerten (UA S. 40).
Diese Begründung für die Ablehnung des Beweisantrags ist nicht zu beanstanden. Das Tatsachengericht braucht einem Beweisantrag nicht nachzugehen, wenn das mutmaßliche Beweisergebnis nicht entscheidungserheblich ist. Ob dies der Fall ist, beurteilt sich nach der materiellen Rechtsauffassung des Tatsachengerichts (Beschlüsse vom 27. April 1999 – BVerwG 6 B 26.99 – juris und vom 13. Juni 2007 – BVerwG 4 BN 6.07 – juris). Das Oberverwaltungsgericht war der Auffassung, dass die Antragsgegnerin für eine fehlerfreie Abwägung die beantragten Beweise selbst hätte einstellen müssen. Das ist nicht geschehen. Eine Beweisaufnahme im gerichtlichen Verfahren hätte an diesem partiellen Abwägungsfall nichts mehr ändern können; maßgebend für die Abwägung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Satzung (§ 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB). Dass dieser Mangel im Abwägungsvorgang i.S.d. § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sein konnte, lag, gerade weil das Gefahrenpotential des Erdgasspeichers für die Stellplatzanlage nicht geklärt war, auf der Hand. Dass es sich um einen “entscheidungserheblichen Abwägungsausfall” (UA S. 40) handelt, bedurfte deshalb keiner weiteren Darlegung. Die Argumentation des Gerichts stellt auch nicht – wie die Antragsgegnerin geltend macht (Beschwerdebegründung S. 74) – einen Zirkelschluss dar. Das Oberverwaltungsgericht hat offen gelassen, ob bzgl. des Gefahrenpotentials des Erdgasspeichers ein Abwägungsausfall vorliegt oder nicht, sondern – wie bereits dargelegt (S. 3 dieses Beschlusses) – insoweit einen entscheidungserheblichen Abwägungsausfall positiv festgestellt. Das Oberverwaltungsgericht hat schließlich nicht – wie die Beigeladenen geltend machen (Beschwerdebegründung S. 28 f.) – auf S. 41 seines Urteils auch für die Ergebnisrelevanz des Abwägungsausfalls unterstellt, dass von der Röhrenanlage tatsächlich Gefahren für die Stellplatzanlage ausgehen. Dass der Abwägungsausfall unabhängig vom Ergebnis der beantragten Beweisaufnahme entscheidungserheblich sei, hatte es bereits auf S. 40 dargelegt. Die Aussage, dass die Ergebnisrelevanz der Abwägungsfehler auf der Hand liege, weil eine Berücksichtigung der von dem Nebeneinander von Erdgasspeicher und Stellplatzanlage ausgehenden Gefahren eine Modifizierung des Plankonzepts erzwungen hätte (UA S. 41), bezieht sich dementsprechend entscheidungstragend nur auf die unter 2. der Entscheidungsgründe aufgezeigten Abwägungsfehler.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Prof. Dr. Rubel, Dr. Jannasch, Dr. Philipp
Fundstellen