Verfahrensgang

VGH Baden-Württemberg (Beschluss vom 15.11.1996; Aktenzeichen 8 S 1531/96)

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragsteller gegen die Nichtvorlage der Rechtssache in dem Normenkontrollverfahren, in dem der Beschluß des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 15. November 1996 ergangen ist, wird zurückgewiesen.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens je zur Hälfte.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 40.000 DM festgesetzt.

 

Gründe

Die auf § 47 Abs. 7 Satz 1 i.V.m. Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 VwGO a.F. gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

Sie ist zulässig, obwohl auf der Grundlage des 6. Gesetzes zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung und anderer Gesetze vom 1. November 1996 (BGBl I S. 1626) die Beschwerde gegen die Nichtvorlage der Sache durch das Normenkontrollgericht seit dem 1. Januar 1997 nicht mehr statthaft ist.

Vielmehr steht den Beteiligten gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 VwGO nunmehr gemäß § 132 Abs. 1 VwGO n.F. ebenso wie gegen oberverwaltungsgerichtliche Urteile die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu. Nach Art. 10 Abs. 2 des Änderungsgesetzes richtet sich die Zulässigkeit eines Rechtsmittels gegen eine gerichtliche Entscheidung indes nach den bis zum 31. Dezember 1996 geltenden Vorschriften, wenn die gerichtliche Entscheidung vor dem 1. Januar 1997 verkündet oder von Amts wegen anstelle einer Verkündung zugestellt worden ist. Die in § 47 Abs. 7 Satz 1 VwGO a.F. vorgesehene Beschwerde ist ein Rechtsmittel im Sinne dieser Bestimmung.

Die Beschwerde ist unbegründet. Das Normenkontrollgericht brauchte die Sache dem Bundesverwaltungsgericht nicht vorzulegen.

Die Beschwerde hält für klärungsbedürftig, „ob die Antragsbefugnis gemäß § 47 Abs. 2 VwGO eines Gewerbetreibenden im Normenkontrollverfahren gegen einen Bebauungsplan zu bejahen ist, wenn der Bebauungsplan ein Sondergebiet für einen großflächigen Einzelhandelsbetrieb festsetzt, der sich in unmittelbarer Nachbarschaft zu dem Betrieb des Gewerbetreibenden befindet, und damit eine Konkurrenzsituation schafft, die sich in der Folge als erhebliche Beeinträchtigung der Erwerbsmöglichkeiten des antragstellenden Gewerbebetriebs darstellt, diese Beeinträchtigung der planenden Gemeinde im Bebauungsplanverfahren bekannt oder zumindest erkennbar ist und der Gewerbetreibende aufgrund des Verhaltens der planenden Gemeinde, insbesondere etwaiger Zusagen, schutzwürdig darauf vertrauen konnte, daß eine solche Planung unterbleibt”. Diese Frage verleiht der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung.

Dahinstehen kann, welche Bedeutung dem Umstand zukommt, daß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO in der seit 1. Januar 1997 gültigen Fassung nicht mehr darauf abstellt, ob der Antragsteller einen Nachteil erlitten oder in absehbarer Zeit zu erwarten hat. Das Beschwerdevorbringen bietet keine Gelegenheit zur weiteren Klärung des Nachteilsbegriffs. Von daher erübrigt es sich, Erwägungen darüber anzustellen, ob die Entscheidung des Normenkontrollgerichts auf der Grundlage des neuen Rechts, das die Antragsbefugnis an die Voraussetzung knüpft, daß eine Rechtsverletzung geltend gemacht wird, auch im Falle einer Zurückverweisung nicht anders ausfallen könnte.

Die Beschwerde räumt selbst ein, daß der Senat im Beschluß vom 16. Januar 1990 – BVerwG 4 NB 1.90 – (Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 45) zu der von ihr aufgeworfenen Frage bereits Stellung genommen hat. Setzt ein Bebauungsplan ein Sondergebiet für einen großflächigen Einzelhandelsbetrieb fest, so begründet dies nach dieser Entscheidung grundsätzlich keinen Nachteil im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO a.F. für Gewerbetreibende, die eine Veränderung der für sie wirtschaftlich vorteilhaften Situation, besonders der Wettbewerbssituation, befürchten. Der einzelne Gewerbetreibende hat weder einen Anspruch darauf, daß eine vorhandene Wettbewerbssituation nicht verschlechtert wird, noch ist sein dahin gehendes Interesse schutzwürdig, weil er mit neuer Konkurrenz ständig rechnen muß. Wie aus § 1 Abs. 3 BauGB zu ersehen ist, darf sich die Gemeinde des Mittels der Bauleitplanung nur bedienen, soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist. Hierzu gehört nicht die Wahrung von Wettbewerbsinteressen. Denn gegenüber solchen Interessen verhält sich das Bauplanungsrecht neutral (vgl. BVerwG, Beschluß vom 18. März 1994 – BVerwG 4 NB 24.93 – Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 88). Wie sich aus dem Beschluß vom 16. Januar 1990 – BVerwG 4 NB 1.90 – (a.a.O.) ergibt, ist das Interesse eines Gewerbetreibenden, vor Konkurrenz bewahrt zu bleiben, grundsätzlich auch dann nicht schutzwürdig, wenn der Bebauungsplan die Grundlage für die Ansiedlung eines Konkurrenten im Einzugsbereich der eigenen wirtschaftlichen Betätigung, gegebenenfalls sogar in der unmittelbaren Nachbarschaft, bildet. Gleichzeitig hat der Senat freilich darauf hingewiesen, daß „in besonders gelagerten Einzelfällen Umstände vorliegen (können), die eine Berücksichtigung gerade der privaten Interessen eines Einzelbetriebes nahelegen”. Die Beschwerde legt indes nicht dar, in welcher Richtung die Rechtsprechung insoweit noch näherer Präzisierung bedarf.

Der Senat hat klargestellt, daß es von den Umständen des Einzelfalls abhängt, ob das Interesse, vor wirtschaftlicher Konkurrenz bewahrt zu bleiben, zu den abwägungsrelevanten Belangen zählt. Wann ein solcher Fall vorliegt, läßt sich nicht losgelöst von den jeweiligen Gegebenheiten abstrakt festlegen. Einen Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde in diesem Zusammenhang auch mit der Frage nicht auf, ob die einem Gewerbetreibenden gegebene Zusage, eine bestimmte Planung zu unterlassen, als ein Umstand von besonderer Bedeutung dazu nötigen kann, die Beeinträchtigung von Erwerbsmöglichkeiten als Abwägungsbelang zu berücksichtigen. Der Senat hätte keinen Anlaß, zu diesem Problemkreis Stellung zu nehmen. Denn die von der Beschwerde aufgeworfene Frage knüpft an einen Sachverhalt an, den das Normenkontrollgericht so nicht festgestellt hat. Dem angegriffenen Beschluß ist zu entnehmen, „daß die Antragsgegnerin im gesamten Stadium der damaligen Gespräche und Schriftwechsel keinerlei Erklärung abgegeben hat, die auch nur zu einem Minimum an rechtlich relevanter Bindung hätte führen können”. Das Normenkontrollgericht stellt hierzu fest, daß „die Antragsgegnerin auf die eine derartige Zusage gleichsam erheischenden Schreiben der Antragstellerin gerade nicht mit irgendeiner Erklärung mit verbindlichem Charakter geantwortet” hat. Auch sonst läßt die Normenkontrollentscheidung nicht erkennen, woraus die Antragstellerin eine Rechtsstellung sollte herleiten können, die es rechtfertigte, darauf zu vertrauen, daß die Antragsgegnerin nicht durch die Festsetzung eines Sondergebiets für einen großflächigen Einzelhandelsbetrieb in der Nachbarschaft eine Konkurrenzsituation schaffen werde. Die Beschwerde hält dem Normenkontrollgericht zwar vor, aus dem vorangegangenen Verhalten der Antragsgegnerin nicht die rechtlichen Folgerungen gezogen zu haben, die sich ihm hätten aufdrängen müssen. Ihre Angriffe erschöpfen sich insoweit aber letztlich darin, der tatrichterlichen Würdigung ihre hiervon abweichende eigene Einschätzung entgegenzusetzen.

Das Normenkontrollgericht brauchte die Sache dem Senat auch nicht zur Klärung der Frage vorzulegen, „ob ein Eingriff im Sinne der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung nach § 8 a BNatSchG auch dann mit dem Erlaß eines Bebauungsplans vorliegt, wenn das Gebiet bereits vorher überplant ist”. Diese Frage ist nicht entscheidungserheblich. Das Normenkontrollgericht hat den Antragstellern die Antragsbefugnis abgesprochen. Lediglich „ergänzend” hat es bemerkt, daß der Antrag „auch in der Sache keinen Erfolg haben” könnte. In diesem Zusammenhang ist es zwar auch auf § 8 a BNatSchG eingegangen. Diese Ausführungen tragen die Entscheidung jedoch nicht.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 14 Abs. 1 und § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.

 

Unterschriften

Gaentzsch, Hien, Halama

 

Fundstellen

DÖV 1997, 509

BRS 1997, 184

BRS 1998, 184

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