Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Aktenzeichen 8 B 99.3306) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 28. November 2000 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 100 000 DM festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde ist unbegründet. Das Vorbringen ergibt nicht, dass die geltend gemachten Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 VwGO erfüllt sind.
1. Die Beschwerde erachtet die Frage von grundsätzlicher Bedeutung, ob „eine überörtliche straßenrechtliche Planfeststellung dem Abwägungsgebot im Sinne einer Planrechtfertigung (entspricht), wenn damit die beabsichtigte örtliche Verkehrsentlastung anderer Gemeinden unter alleiniger Verlagerung des zu entlastenden Verkehrs auf den innerörtlichen Bereich einer weiteren Gemeinde erkauft” werde. Die Beschwerde verbindet diese Frage mit der weiteren, ob der Kläger eine entsprechend unterstellte Fehlerhaftigkeit der Abwägung als Gemeinde auch geltend machen könne.
Die gestellten Fragen bedürfen keiner Beantwortung in dem erstrebten Revisionsverfahren. Das angegriffene Berufungsurteil behandelt sie nicht. Es mag zugunsten der Beschwerde unterstellt werden, dass dies fehlerhaft ist. Die Fragen könnten in einem Revisionsverfahren jedenfalls nicht zugunsten des Klägers beantwortet werden. Das fachplanerische Abwägungsgebot und die erforderliche Planrechtfertigung sind, soweit es um die Anwendung revisiblen Rechts geht, nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu unterscheidende Kontrollschritte. Bei der Frage nach der Planrechtfertigung wird gefragt, ob die Zielsetzung der konkreten Planung den gesetzlichen Vorgaben entspricht, nach denen die Fachplanung überhaupt zulässig ist. Das Gebot der gerechten Abwägung der für und der gegen das Vorhaben streitenden Belange verlangt eine Bilanzierung aller Belange, die nach Lage der Dinge durch das Vorhaben mehr als geringfügig berührt werden. Ob diese Begrifflichkeit auch für den Streitfall maßgebend ist, entzieht sich allerdings der Entscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht. Die angegriffene Straßenplanung richtet sich nach Art. 36, 38 des Bayerischen Straßen- und Wegegesetzes. Die von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen gehören damit dem irrevisiblen Landesrecht an (vgl. §§ 137 Abs. 1, 173 VwGO, § 562 ZPO). In welcher Weise gleichwohl Bundesrecht berührt sein kann, ergibt sich aus dem Vorbringen der Beschwerde insoweit nicht.
2. Die Beschwerde macht ferner geltend, das Berufungsurteil weiche von drei Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts ab, nämlich von dem Urteil vom 21. März 1996 – BVerwG 4 C 26.94 – (BVerwGE 100, 388), von dem Urteil vom 22. März 1985 – BVerwG 4 C 63.80 – (BVerwGE 71, 150) und von dem Urteil vom 22. Mai 1987 – BVerwG 4 C 33-35.83 – (BVerwGE 77, 285). Die Beschwerde hebt dazu hervor, dass in diesen Entscheidungen der Gesichtspunkt der Priorität als ein wichtiges Abwägungskriterium angesehen worden sei. Sie weist ergänzend auf Urteil vom 27. August 1997 – BVerwG 11 A 118.94 – (NVwZ-RR 1998, 290), auf Urteil vom 3. September 1997 – BVerwG 11 VR 20.96 – (NVwZ 1998, 289) und auf Beschluss vom 20. Juli 1990 – BVerwG 4 N 3.88 – (DVBl 1990, 1352 = NVwZ 1991, 262) hin.
2.1 Eine Abweichung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO besteht nicht. Dabei kann dahinstehen, ob die Beschwerde insoweit überhaupt eine Divergenz im Bereich revisiblen Rechts dargetan hat. Die genannten Entscheidungen enthalten nicht jene Aussage, welche die Beschwerde ihnen zugrunde legt. Für die Fachplanung sind im Verhältnis zur Bauleitplanung aus der Sicht des revisiblen Rechts die §§ 7, 38 BauGB und in Bezug auf Bundesfernstraßen auch § 16 Abs. 3 FStrG maßgebend. Danach kann sich die kommunale Planungshoheit gegenüber der Planung von Straßen mit überörtlicher Bedeutung nicht generell durchsetzen. Die betroffene Gemeinde kann nur erreichen, dass ihre städtebaulichen Belange abwägungserheblich berücksichtigt werden. Die zeitliche Priorität ist dabei nicht allein entscheidend. Den von der Beschwerde angeführten Entscheidungen ist allerdings der Grundsatz zu entnehmen, dass die Belange der Gemeinde für die planerische Abwägung dann an Gewicht gewinnen, wenn die Gemeinde in ihrer Bauleitplanung bereits zu einer planerischen Verfestigung gelangt ist. Eine abwägungserhebliche Beeinträchtigung der gemeindlichen Planungshoheit kann nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts deshalb dann gegeben sein, wenn die angegriffene Planung eine bereits hinreichend bestimmte und konkretisierte Planung der Gemeinde nachhaltig stören kann und dies unberücksichtigt geblieben ist (vgl. etwa Beschluss vom 30. Dezember 1996 – BVerwG 11 VR 24.95 – Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 23 = NVwZ 1997, 684; Urteil vom 21. März 1996 – BVerwG 4 C 26.94 – BVerwGE 100, 388 ≪394≫; Beschluss vom 5. Dezember 1996 – BVerwG 11 VR 8.96 – NVwZ-RR 1997, 339; Urteil vom 27. Oktober 1998 – BVerwG 11 A 10.98 – Buchholz 11 Art. 28 GG Nr. 120 = NVwZ-RR 1999, 225). Nur globale Planungsabsichten scheiden dagegen als abwägungserheblich aus.
Das Berufungsgericht hat diese Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sowohl ausdrücklich als auch der Sache nach seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Es hat allerdings eine Beeinträchtigung klägerischer Belange im Ergebnis verneint. Eine Änderung der gemeindlichen Planung hat es als nicht hinreichend angesehen, um als zu berücksichtigende konkrete Planung in dem erörterten Sinne betrachtet werden zu können, die sich gegenüber der Fachplanung durchsetzen könnte. Was die Beschwerde hiergegen vorträgt, betrifft nicht die behandelten Grundsätze der Rechtsprechung, sondern die Frage, ob die klagende Gemeinde eine bestimmte Planung bereits hinreichend „verfestigt” hatte, so dass sie die Planfeststellungsbehörde überhaupt als abwägungserheblich zu berücksichtigen hatte. Hierzu zeichnet die Beschwerde unter anderem den Planungsverlauf in zeitlicher Hinsicht nach. Damit macht die Beschwerde indes keine Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO geltend. Vielmehr kritisiert sie die tatrichterlichen Feststellungen und die darauf beruhende Würdigung des Berufungsgerichts. Eine derartige Kritik lässt sich indes weder über den Zulassungsgrund der Divergenz noch über den der grundsätzlichen Bedeutung in zulässiger Weise führen. Dem Beschwerdegericht ist insoweit eine inhaltliche Nachprüfung verwehrt.
2.2 Auch die geltend gemachte Abweichung von dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. März 1996 – BVerwG 4 A 11.95 – (Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 14 = NVwZ 1996, 1008) liegt nicht vor. Die bezeichnete Entscheidung betrifft nicht das Verhältnis von Fachplanung und Bauleitplanung in dem hier umstrittenen Bereich der planerischen Abwägung. Das Bundesverwaltungsgericht hat dort im Hinblick auf die nach § 2 der 16. BImSchV zu beurteilende Maßgeblichkeit der Gebietsqualität für das Lärmschutzniveau ausgeführt, dass der Planungsträger bauliche Verhältnisse, die sich erst in der Entwicklung befinden, nur dann berücksichtigen müsse, wenn sie einen Grad der Verfestigung erreicht hätten, der die weitgehend sichere Erwartung ihrer Verwirklichung rechtfertige. Dies könne auch der Fall sein, wenn ein Bebauungsplan zwar noch nicht als Satzung beschlossen worden ist, aber bereits ein Anhörungsverfahren stattgefunden habe.
2.3 Die Beschwerde macht schließlich geltend, das Berufungsurteil weiche von dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. März 1964 – BVerwG 4 C 150.62 – (BVerwGE 18, 168) ab. Das Vorbringen ist unzulässig, weil unschlüssig. Eine die Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO eröffnende Divergenz ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. An einem derartigen Vorbringen fehlt es. Die Beschwerde kritisiert nur, dass das Berufungsgericht Fragen der Kosten des Vorhabens nicht nachgegangen sei. Damit wirft sie in Wahrheit eine materiell-rechtliche und eine prozessuale Frage auf.
3. Die in diesem Zusammenhang von der Beschwerde gestellte Frage, welche Bedeutung eine „nachrichtlich” in den Bebauungsplan übernommene Fachplanung habe, besitzt keine grundsätzliche Bedeutung.
Das Berufungsgericht bewertet die Vorgehensweise der klagenden Gemeinde hinsichtlich der Gewerbegebiete als Beleg dafür, dass sich die Klägerin auf die überörtliche Planung eingestellt hatte. Das hiergegen gerichtete Vorbringen der Beschwerde betrifft keine Rechtsfrage, sondern die tatrichterliche Würdigung der Umstände des Einzelfalles. Das Berufungsgericht hat – durchaus zutreffend – das Gesamtverhalten des Klägers beurteilt und hieran gemessen, ob die Planfeststellungsbehörde die städtebaulichen Belange angemessen erfasst und abgewogen hat. Die mit der Grundsatzrüge verfolgte Annahme, die kommunale Bauleitplanung könne sich unter bestimmten Voraussetzungen aus Gründen des zeitlichen Vorranges gegenüber der Fachplanung gleichsam zwingend durchsetzen, trifft nicht zu. Der Gemeinde ist aufgrund landesgesetzlicher Regelung die planerische Zuständigkeit für solche Straßen entzogen, welche der Verknüpfung des überörtlichen Verkehrsnetzes dienen.
4. Die Beschwerde rügt als Verfahrensfehler die Verletzung des § 86 Abs. 1 VwGO. Sie hält dem Berufungsgericht vor, dieses habe seine Aufklärungspflicht dadurch verletzt, dass es eine eigene Prognoseentscheidung getroffen habe. Ein Verfahrensmangel der von der Beschwerde bezeichneten Art besteht hingegen nicht. Der von der Beschwerde geltend gemachte Verfahrensmangel unterlassener Aufklärung ist nicht zulässig erhoben. Das Vorbringen genügt nicht der Darlegungspflicht des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.
Die Beschwerde legt nicht substantiiert dar, hinsichtlich welcher konkreten tatsächlichen Umstände ein Aufklärungsbedarf bestanden hätte, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen für das vorinstanzliche Gericht hierfür in Betracht gekommen wären, welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung mutmaßlich getroffen worden wären und dass der anwaltlich vertretene Kläger bereits im Verfahren vor dem Berufungsgericht auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung hingewirkt hätte oder sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein Hinwirken des anwaltlich vertretenen Prozessbeteiligten von sich aus hätten aufdrängen müssen. An alledem fehlt es. Die Beschwerde legt nur dar, in welcher Weise das Berufungsgericht mit Fragen der prognostischen Beurteilung umzugehen hatte.
Damit betrifft das Vorbringen der Beschwerde der Sache nach eher die materiellrechtliche Beurteilung des Planungsvorhabens und die tatrichterliche Überzeugungsbildung im Sinne des § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Versteht man das Beschwerdevorbringen in dieser Weise, so ergeben sich ebenfalls keine Gründe, die eine Zulassung der Revision rechtfertigen. Eine Verletzung materiellen Rechts kann mit der Verfahrensrüge – die Revisibilität des geltend gemachten Verstoßes ohnehin unterstellt – nicht geltend gemacht werden. Die Annahme, das Berufungsgericht habe § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO missachtet, ist nicht begründet. Die Beschwerde verzeichnet mit ihrem Vorbringen die Entscheidungsgründe des Berufungsgerichts. Dieses hat zugunsten des Klägers geprüft, ob die Erwägungen der Planfeststellungsbehörde in sich stichhaltig und plausibel sind. Das hat es – die Erwägungen des Planfeststellungsbeschlusses nachvollziehend – bejaht. Dagegen hat sich das Gericht nicht mit seinen Erwägungen an die Stelle der Planfeststellungsbehörde gesetzt. Selbst wenn es dies getan hätte, wäre der Kläger dadurch nicht beschwert. Die Klage bleibt nämlich nicht deshalb erfolglos, weil das Berufungsgericht sich angemaßt hätte, selbst eine prognostische Einschätzung vorzunehmen, sondern weil die Planfeststellungsbehörde nicht verpflichtet war, die Belange des Klägers gegenüber der angestrebten überörtlichen Planung als vorzugswürdig anzusehen.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus § 14 Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG.
Unterschriften
Gaentzsch, Berkemann, Jannasch
Fundstellen