Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Urteil vom 28.07.2004; Aktenzeichen 13a N 03.309) |
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 28. Juli 2004 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.
Gründe
Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO gestützte Beschwerde ist unbegründet.
1. Die Rüge, das angefochtene Urteil weiche von dem Revisionsurteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. November 2002 – BVerwG 9 CN 1.02 – ab, greift nicht durch. Der Verwaltungsgerichtshof hat keinen abstrakten Rechtssatz aufgestellt, der in Widerspruch zu dem von der Beschwerde angeführten Rechtssatz in der vorbezeichneten Entscheidung steht. In dem Revisionsurteil sind die Voraussetzungen, unter denen die Festsetzungen eines Flurbereinigungsplans funktionslos werden, unter Rückgriff auf die nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts für die Funktionslosigkeit von Bebauungsplanfestsetzungen maßgeblichen Grundsätze formuliert worden. Von diesen Grundsätzen weicht der in der Beschwerdebegründung benannte Rechtssatz im Urteil der Vorinstanz, allein die technische Machbarkeit sei kein für das Fehlen der Funktionslosigkeit entscheidendes Merkmal, inhaltlich nicht ab. Ob eine den planerischen Festsetzungen entsprechende Nutzung auf unabsehbare Zeit ausgeschlossen erscheint, ist davon abhängig, wie massiv und offenkundig sich die tatsächlichen Verhältnisse abweichend vom Planinhalt entwickelt und in welchem Umfang sie sich verfestigt haben. Entscheidend ist, ob angesichts der veränderten Verhältnisse noch mit einer Rückkehr zur plangemäßen Nutzung gerechnet werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Mai 1995 – BVerwG 4 C 20.94 – BVerwGE 98, 235 ≪241 f.≫; Urteil vom 28. April 2004 – BVerwG 4 C 10.03 – Buchholz 406.12 § 3 BauNVO Nr. 15 f., S. 5). Ob die genannten Anforderungen erfüllt sind, lässt sich nur unter Würdigung der gesamten Umstände des Einzelfalls beantworten (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Februar 1997 – BVerwG 4 B 16.97 – Buchholz 406.11 § 10 BauGB Nr. 34, S. 5; Beschluss vom 6. Juni 1997 – BVerwG 4 NB 6.97 – Buchholz 406.11 § 10 BauGB Nr. 37, S. 19). Dass es für diese Würdigung nur auf die technische Realisierbarkeit der plankonformen Nutzung ankäme und Gesichtspunkte des dafür erforderlichen wirtschaftlichen Aufwands außer Betracht bleiben müssten, lässt sich dem von der Beschwerde angeführten Revisionsurteil vom 18. November 2002 nicht entnehmen.
2. Die Rechtssache hat auch nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde beimisst.
Die von der Antragstellerin als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfene Frage,
ob sich die Funktionslosigkeit einer Festsetzung in einem Flurbereinigungsplan auch daraus ergeben kann, dass der Aufwand für die (Wieder-)Herstellung des Weges und dessen Verhältnis zur vorgesehenen Bedeutung heranzuziehen ist oder ob auf die technische Machbarkeit abzustellen ist, mithin ob eine Verhältnismäßigkeitsprüfung durchzuführen ist bei der Prüfung der Frage, ob eine Nutzung der in Rede stehenden Flächen als Weg auf unabsehbare Zeit ausgeschlossen erscheint,
lässt sich in Anknüpfung an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Funktionsloswerden von Bebauungsplanfestsetzungen unschwer beantworten, ohne dass es eigens der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedürfte. Kommt es nach dieser Rechtsprechung, wie vorstehend zur Divergenzrüge der Antragstellerin ausgeführt wurde, auf eine umfassende Würdigung der Umstände des Falles an, so sind neben Problemen der technischen Machbarkeit auch andere Aspekte zu berücksichtigen, die allein oder im Zusammenwirken miteinander eine Verwirklichung der planerischen Festsetzungen auf absehbare Zeit nicht mehr erwarten lassen. Dementsprechend hat das Bundesverwaltungsgericht bereits ausdrücklich klargestellt, dass der Fortbestand der technischen Möglichkeit, eine plankonforme Nutzung wieder zu verwirklichen, ein Funktionsloswerden der betreffenden Festsetzung eines Bebauungsplans nicht zwingend ausschließt (BVerwG, Urteil vom 28. April 2004 – BVerwG 4 C 10.03 – a.a.O.). Warum diese Grundsätze auf Festsetzungen eines Flurbereinigungsplans keine Anwendung finden sollten, wird von der Beschwerde nicht dargelegt und ist auch sonst nicht ersichtlich; die Interessenlage der Planbetroffenen, die von einer planerischen Festsetzung abweichen bzw. an ihr festhalten wollen, stellt sich im Falle des Betroffenseins durch einen Flurbereinigungsplan nicht wesentlich anders als im Falle des Betroffenseins durch einen Bebauungsplan dar.
Mit dem Hinweis darauf, dass nach den vom Verwaltungsgerichtshof seiner Beurteilung zugrunde gelegten Gesichtspunkten eine rechtswidrige Inanspruchnahme von Grundstücksflächen zur Funktionslosigkeit der entgegenstehenden Festsetzung im Flurbereinigungsplan führen kann, zeigt die Antragstellerin keine Besonderheit auf, die geeignet ist, einen ergänzenden Klärungsbedarf zu begründen. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist anerkannt, dass Tatsachen rechtsbildende Wirkung entfalten und namentlich im Stande sein können, Rechtssätze außer Kraft zu setzen. Dies gilt in besonderem Maße im Hinblick auf planerische Festsetzungen, die ungleich stärker wirklichkeitsbezogen sind als abstrakt-generelle Rechtssätze im herkömmlichen Sinne. Die Funktionslosigkeit von Bebauungsplänen beruht auf eben dieser normativen Kraft des Faktischen (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. April 1977 – BVerwG 4 C 39.75 – BVerwGE 54, 5 ≪8 f.≫). Die erwähnte rechtsbeeinflussende Wirkung tatsächlicher Verhältnisse ist nicht auf solche Entwicklungen beschränkt, die sich im Einklang mit der Rechtsordnung vollziehen. Im Gegenteil entwickeln sich Veränderungen der tatsächlichen Verhältnisse, die einer planerischen Festsetzung ihre Steuerungsfähigkeit nehmen, typischerweise im Widerspruch zur – namentlich durch die planerische Festsetzung geprägten – Rechtslage. In aller Regel wird es sich um einen lang währenden, zunächst unschwer korrigierbaren Prozess handeln. Läuft er ungehindert ab, so kann er aber ein Stadium erreichen, in dem das entgegenstehende Recht seine Steuerungsfähigkeit einbüßt. Dabei macht es keinen wesentlichen Unterschied, ob die Entwicklung sich “nur” im Widerspruch zu den Festsetzungen des Plans oder zusätzlich entgegen anderen an diese Festsetzungen anknüpfenden Regelungen wie der im vorliegenden Fall ergangenen wegerechtlichen Widmung vollzieht, wobei freilich im letzteren Fall besondere Zurückhaltung angebracht sein mag, eine Rückkehr zu plangemäßen Verhältnissen für ausgeschlossen zu halten. Ob diese Zurückhaltung bei der Rechtsanwendung seitens der Vorinstanz gewahrt worden ist, ist eine Frage des Einzelfalls und daher für die Entscheidung über die Zulassung der Revision ohne Belang.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 52 Abs. 2, § 47 Abs. 1 und 3, § 72 Nr. 1 GKG.
Unterschriften
Hien, Dr. Nolte, Domgörgen
Fundstellen