Verfahrensgang
VG Chemnitz (Urteil vom 22.12.2009; Aktenzeichen 4 K 110/07) |
Tenor
Die Beschwerde des Beigeladenen zu 2 gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 22. Dezember 2009 wird verworfen.
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in demselben Urteil wird zurückgewiesen.
Die Klägerin und der Beigeladene zu 2 tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1 als Gesamtschuldner.
Gründe
Rz. 1
Die Klägerin wendet sich gegen einen Bescheid des Bundesamts für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen vom 3. Januar 2007, mit dem sie verpflichtet wird, den zugleich auf 3 407 221,47 € festgesetzten Verkehrswert der Teilfläche eines Grundstücks an die Beigeladene zu 1 auszuzahlen. Dieser war durch einen vorausgegangenen Bescheid die besagte Teilfläche nach den Vorschriften des Vermögenszuordnungsgesetzes – VZOG – zugeordnet worden; gleichzeitig war festgestellt worden, dass eine Rückübertragung an sie nach § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 VZOG ausgeschlossen sei, weil das Grundstück bereits von der Rechtsvorgängerin der Klägerin an den Rechtsvorgänger des Beigeladenen zu 2 veräußert worden war, und die Klägerin daher nach § 13 Abs. 2 VZOG zur Zahlung eines Geldbetrages in Höhe des Verkehrswertes an die Beigeladene zu 1 verpflichtet sei.
Rz. 2
Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen den Bescheid vom 3. Januar 2007 abgewiesen, weil zum einen viel dafür spreche, dass in einem früheren Urteil bereits rechtskräftig über den Verkehrswert entschieden worden sei, und zum anderen – wenn man dieser Auffassung nicht folgen wolle – sich kein Gesichtspunkt dafür ergebe, dass der angegriffene Bescheid einen falschen Sachverhalt zugrunde gelegt habe oder von einem fehlerhaften Sachverständigengutachten ausgegangen sei.
Rz. 3
Die Beschwerden der Klägerin und des Beigeladenen zu 2 gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil bleiben ohne Erfolg.
Rz. 4
1. Die Beschwerde des Beigeladenen zu 2 ist unzulässig, weil er durch das angegriffene Urteil nicht in seinen subjektiven Rechten betroffen wird. Eine solche für die Rechtsmittelbefugnis eines Beigeladenen notwendige materielle Beschwer (stRspr; vgl. Urteile vom 30. Mai 1984 – BVerwG 4 C 58.81 – BVerwGE 69, 256 ≪258≫ = Buchholz 442.40 § 9 LuftVG Nr. 3 S. 3 f., vom 12. März 1987 – BVerwG 3 C 2.86 – BVerwGE 77, 102 ≪105≫ = Buchholz 418.711 LMBG Nr. 15 S. 14 f. und vom 18. April 1997 – BVerwG 3 C 3.95 – BVerwGE 104, 289 ≪292 f.≫ = Buchholz 451.513 Sonstiges Marktordnungsrecht Nr. 2 S. 16 f.; Beschluss vom 5. März 1998 – BVerwG 4 B 153.97 – NVwZ 1998, 842 sowie – zuletzt – Beschluss vom 16. Dezember 2009 – BVerwG 3 C 24.09 – bisher nicht veröffentlicht) ergibt sich im Falle des Beigeladenen zu 2 nicht daraus, dass er aufgrund des Grundstückskaufs seines Rechtsvorgängers verpflichtet ist, die Klägerin hinsichtlich der Forderung der Beigeladenen zu 1 auf Auszahlung des Verkehrswerts freizustellen. Insoweit äußert der mit der Klage angegriffene und durch das Urteil des Verwaltungsgerichts bestätigte Bescheid keine Regelungswirkung; er regelt ausschließlich das Rechtsverhältnis zwischen dem zur Auskehr des Erlöses oder Verkehrswerts Verpflichteten und dem Anspruchsberechtigten. Die Freistellungspflicht des Beigeladenen zu 2 findet ihren Rechtsgrund allein in dem abgeschlossenen Rechtsgeschäft. Dass sich diese Pflicht erst infolge des mit dem angegriffenen Urteil bestätigten Bescheides realisiert, ist bloße tatsächliche Folge, jedoch weder Gegenstand des angegriffenen Verwaltungsakts noch der ihm zugrunde liegenden Entscheidungsfindung.
Rz. 5
2. Die Beschwerde der Klägerin ist unbegründet. Die nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO geltend gemachten Verfahrensmängel sind nicht erkennbar.
Rz. 6
a) Soweit die Klägerin eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO rügt, weil das Gericht ihren Einwänden gegen das Sachverständigengutachten zum Verkehrswert nicht nachgegangen sei und insbesondere den Gutachter nicht befragt habe, geht ihre Rüge an der dem Urteil zugrunde liegenden materiellen Rechtsauffassung vorbei, die den Umfang der Sachaufklärungspflicht bestimmt. Das Verwaltungsgericht hat sich unter Hinweis auf einen Beschluss des Senats vom 21. November 2002 – BVerwG 3 B 109.02 (im angegriffenen Urteil wird versehentlich das Aktenzeichen BVerwG 3 B 102.02 genannt) – auf den Standpunkt gestellt, dass Mängel eines solchen Gutachtens nur dann rechtlich erheblich seien, wenn sie offensichtlich seien, und dass daran gemessen die zugegebenermaßen vorhandenen Mängel und das als fehlerhaft gerügte Wertermittlungsverfahren das Gutachten nicht unverwertbar machten. Ausgehend von diesem rechtlichen Maßstab ergab sich keine Notwendigkeit zu weiteren Ermittlungen. Eine andere Frage ist es, ob das Verwaltungsgericht die von ihm herangezogenen Ausführungen des Senats ohne Weiteres auf den vorliegenden Fall übertragen durfte und ob – unabhängig davon – seine Einschätzung, die gerügten Mängel bewirkten keine offenkundige und gewissermaßen mit den Händen zu greifende Unrichtigkeit des Gutachtens, zutreffend ist. Dabei handelt es sich jedoch um eine Frage der rechtlichen Würdigung, die nicht Gegenstand der erhobenen Verfahrensrüge sein kann.
Rz. 7
b) Ebenso wenig ist in diesem Zusammenhang eine Verletzung des Anspruchs der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs nach § 108 Abs. 2 VwGO und Art. 103 Abs. 1 GG oder ein Mangel der richterlichen Überzeugungsbildung nach § 108 Abs. 1 VwGO feststellbar. Entgegen der Behauptung der Klägerin hat das Gericht ihren Vortrag zu den Mängeln des Gutachtens durchaus zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen. Es hat dieses Vorbringen im Wesentlichen im Tatbestand des Urteils wiedergegeben (S. 6 des Entscheidungsabdrucks) und sich mit ihm in den Entscheidungsgründen auseinandergesetzt (S. 10 ff. des Entscheidungsabdrucks), selbstverständlich unter seinem rechtlichen Blickwinkel, dass nur offensichtliche Mängel erheblich seien. Dabei ist insbesondere nicht zu beanstanden, dass sich das Verwaltungsgericht die Ausführungen des angegriffenen Bescheides zu diesem Punkt zu eigen gemacht hat, zumal dies nur ergänzend geschehen ist und im Verwaltungsverfahren bereits weitgehend dieselben Argumente ausgetauscht worden waren, die nunmehr im Verwaltungsprozess geltend gemacht werden. Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs gebietet nur, dass das Gericht die wesentlichen Argumente der Beteiligten in seinen Entscheidungsgründen verarbeitet, er verpflichtet das Gericht nicht dazu, jedes Vorbringen der Beteiligten ausdrücklich zu bescheiden (BVerfGE 22, 267 ≪274≫; 47, 182 ≪189≫); vor allem nötigt er das Gericht nicht dazu, bei der Würdigung des Vorbringens den Vorstellungen der Beteiligten zu folgen. Ebenso wenig verlangt das Gebot ordnungsgemäßer richterlicher Überzeugungsbildung nach § 108 Abs. 1 VwGO, dass das Gericht das Vorbringen im Sinne der Beteiligten würdigt; vielmehr verpflichtet es das Gericht, seine Überzeugung aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens zu gewinnen. Im vorliegenden Fall ist jedoch nichts dafür erkennbar, dass das Gericht bei seiner Entscheidungsfindung wesentlichen Tatsachenstoff ausgeblendet hat.
Rz. 8
c) Schließlich liegt kein rügefähiger Verfahrensmangel darin begründet, dass das Verwaltungsgericht den Rechtsstreit nach § 6 Abs. 1 Satz 1 VwGO auf den Einzelrichter übertragen hat. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, die sich der Senat zu eigen macht, ist aus der in § 6 Abs. 4 VwGO getroffenen Gesamtregelung, wonach die Übertragung auf den Einzelrichter ebenso wie die Rückübertragung auf die Kammer unanfechtbar ist (Satz 1) und auf eine unterlassene Übertragung ein Rechtsbehelf nicht gestützt werden kann (Satz 2), ersichtlich, dass Verstöße gegen § 6 VwGO allein nicht zum Erfolg eines Rechtsmittels führen sollen. Etwas anderes gilt nur, wenn der Verfahrensverstoß zugleich eine Verletzung der prozessualen Gewährleistungen der Verfassung darstellt (Urteil vom 10. November 1999 – BVerwG 6 C 30.98 – BVerwGE 110, 40 = Buchholz 448.0 § 3 WPflG Nr. 21 m.w.N.). Ein solcher Verfassungsverstoß ist hier nicht erkennbar.
Rz. 9
Weder die Übertragung auf den Einzelrichter noch die unterlassene Rückübertragung auf die Kammer rechtfertigen die von der Klägerin erhobene Rüge, sie sei gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ihrem gesetzlichen Richter entzogen worden. Eine Verletzung dieser Verfahrensgarantie erfordert entweder eine willkürliche Handhabung des für die Besetzung des Gerichts maßgeblichen Rechts (BVerfGE 6, 45 ≪53≫; 29, 45 ≪49≫; stRspr) oder ein grundlegendes Verkennen der Bedeutung und Tragweite von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG (BVerfGE 82, 286 ≪299≫). Beide Voraussetzungen sind hier nicht einmal ansatzweise erfüllt. Das Verwaltungsgericht hat sich mit den Einwänden der Klägerin und des Beigeladenen zu 2 gegen eine Einzelrichterübertragung sachlich auseinandergesetzt und nachvollziehbare Argumente dafür angeführt, warum es diesen Einwänden nicht folgt. Hinsichtlich der angeregten Rückübertragung des Rechtsstreits auf die Kammer hat das Verwaltungsgericht auf die dafür erforderliche wesentliche Änderung der Prozesslage verwiesen, die es rechtsfehlerfrei verneint hat.
Rz. 10
Von einer weiteren Begründung seines Beschlusses sieht der Senat gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO ab.
Rz. 11
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 und § 162 Abs. 3 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 VZOG nicht erhoben. Wegen des Gegenstandswerts wird auf § 6 Abs. 3 Satz 2 VZOG hingewiesen.
Unterschriften
Kley, Prof. Dr. Dr. h.c. Rennert, Dr. Wysk
Fundstellen