Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückübertragungsanspruch. Ausschlussgrund. öffentliches Interesse an Aufrechterhaltung einer Nutzungsänderung. Wegfall des Ausschlussgrundes durch Bestellung eines Erbbaurechts
Leitsatz (amtlich)
Der Rückgabeausschluss von § 5 Abs. 1 Buchst. a VermG entfällt nicht dadurch, dass das mit erheblichem Aufwand errichtete Bauwerk, dessen Nutzung im öffentlichen Interesse liegt, nachträglich wesentlicher Bestandteil eines Erbbaurechts geworden ist.
Normenkette
VermG § 5 Abs. 1 Buchst. a; ErbbauVO § 12
Verfahrensgang
VG Potsdam (Urteil vom 19.12.2002; Aktenzeichen 1 K 2901/01) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 19. Dezember 2002 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 500 000 € festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die allein auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Grundsatzrüge rechtfertigt eine Zulassung der Revision nicht.
Die Beschwerde wirft im Hinblick auf den Restitutionsausschluss von § 5 Abs. 1 Buchst. a VermG eine Reihe von Fragen auf, die sich aus den tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil ergeben, dass die nach der Enteignung des streitbefangenen Grundstücks mit erheblichem baulichen Aufwand errichtete Poliklinik in ihrer heutigen Nutzung als “Ärztehaus” wegen eines im Jahre 1993 bestellten Erbbaurechts nicht mehr zum Grundeigentum gehört. Hiervon ausgehend hält die Beschwerde folgendes für klärungsbedürftig:
- Ist bei der Prüfung des § 5 Abs. 1 Buchst. a VermG allein darauf abzustellen, wie der Verfügungsberechtigte den konkreten in Rede stehenden restitutionsbehafteten Vermögenswert nutzt, oder kann auch die Nutzung durch Dritte den Ausschlusstatbestand erfüllen? Kommt es insoweit darauf an, ob der Fortbestand der Nutzung durch den Dritten bei einem Wechsel in der Person des Eigentümers gefährdet ist oder nicht? Ist eine Restitution zumindest dann möglich, wenn die unveränderte Fortsetzung der von § 5 Abs. 1 Buchst. a VermG geschützten Nutzung dinglich gesichert ist?
- Kann, wenn an einem restitutionsbelasteten Grundstück unanfechtbar ein Erbbaurecht bestellt wurde, die Restitution allein des (mit einem Erbbaurecht belasteten) Grund und Bodens nach § 5 Abs. 1 Buchst. a VermG ausgeschlossen sein?
- Besteht an der rein physkalischen Nutzung des Grundbesitzes einer öffentlich-rechtlichen Gebietskörperschaft (hier: Vereinnahmung von Erbpachtzinsen) ein öffentliches Interesse im Sinne von § 5 Abs. 1 Buchst. a VermG?
- Ist, wenn die Restitution eines mit einem Erbbaurecht belasteten Grundstückes in Rede steht, bei der Prüfung des § 5 Abs. 1 Buchst. a VermG auf das öffentliche Interesse an der Nutzung des Grundstücks durch den Grundeigentümer abzustellen oder ist stattdessen (auch) das etwaige öffentliche Interesse an der Nutzung des Gebäudes durch den Erbbauberechtigten berücksichtigungsfähig?
Die Antwort auf diese Fragen ergibt sich aus der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und muss nicht erst in einem Revisionsverfahren gefunden werden.
Der Vorschrift von § 5 Abs. 1 Buchst. a VermG liegt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Absicht zugrunde, bestimmte tatsächliche oder rechtliche Veränderungen an der Nutzungsart oder Zweckbestimmung eines entzogenen Grundstücks oder Gebäudes, an deren Aufrechterhaltung ein überwiegendes öffentliches Interesse besteht, nicht durch die Wiederbegründung der früheren Eigentumsverhältnisse in Frage zu stellen. § 5 Abs. 1 Buchst. a VermG erfasst nach Art eines Auffangtatbestandes solche Grundstücke oder Gebäude, an deren geänderter Nutzung gerade im Hinblick auf dafür getätigte bauliche Investitionen ein gesteigertes öffentliches Interesse besteht (Urteile vom 20. Dezember 1999 – BVerwG 7 C 34.98 – Buchholz 428 § 3 VermG Nr. 32, vom 15. November 2000 – BVerwG 8 C 27.99 – Buchholz 428 § 3 b VermG Nr. 4, vom 30. November 1995 – BVerwG 7 C 55.94 – BVerwGE 100, 70 = Buchholz 428 § 5 VermG Nr. 5 sowie vom 25. September 2002 – BVerwG 8 C 25.01 – VIZ 2003, 130). Geschützt ist mithin die geänderte Nutzung wegen des dafür betriebenen Aufwandes.
Das öffentliche Interesse am Fortbestand der Nutzung entfällt nicht deshalb, weil ein Dritter und nicht der Grundstückseigentümer die Nutzung vornimmt. So wird nach dem Beschluss des Senats vom 17. Februar 1999 – BVerwG 8 B 215.98 – (Buchholz 428 § 5 VermG Nr. 20) der Schutz der Nutzung nicht dadurch in Frage gestellt, dass Mietwohnraum in Wohnungseigentum umgewandelt worden ist. Ferner entfällt das zum Restitutionsausschluss führende öffentliche Interesse nicht dadurch, dass die tatsächliche Nutzung bei Rückgabe des Eigentums aufrecht erhalten bleiben könnte (Urteil vom 28. Februar 2001 – BVerwG 8 C 32.99 – Buchholz 428 § 5 VermG Nr. 27). Allein die Nutzungsänderung verhindert bei § 5 Abs. 1 Buchst. a VermG die Rückgabe des Grundstücks, an deren Aufrechterhaltung ein öffentliches Interesse besteht. Sonstige Interessen sind unerheblich, solange sie sich auf das öffentliche Interesse nicht negativ auswirken (Beschluss vom 17. Februar 1999 – BVerwG 8 B 215.98 – a.a.O.). Abzustellen ist auf das Interesse an einer Nutzung, nicht auf das der Nutzer.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus §§ 13, 14 GKG.
Unterschriften
Dr. Müller, Krauß, Postier
Fundstellen