Verfahrensgang
OVG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 21.01.2005; Aktenzeichen 8 A 11492/04) |
Tenor
Die Beschwerde des Beigeladenen gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 21. Januar 2005 wird zurückgewiesen.
Der Beigeladene trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 EUR festgesetzt.
Gründe
Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 3 und 1 VwGO gestützte Beschwerde des Beigeladenen hat keinen Erfolg.
1. Die Revision ist nicht wegen der behaupteten Verfahrensmängel zuzulassen.
a) Die Beschwerde macht in erster Linie geltend, dass das Berufungsgericht den Sachverhalt nicht richtig aufgeklärt und dadurch gegen § 86 Abs. 1 VwGO verstoßen habe. Sie meint, dass es eines ergänzenden Gutachtens bedurft hätte, „soweit das OVG entgegen dem schriftlichen Gutachten einen Tonzuschlag aufschlägt”.
Die Rüge geht schon deshalb ins Leere, weil sie auf einem unzutreffenden Tatsachenvortrag basiert. Die Beschwerde behauptet der Sache nach, dass das Berufungsgericht in der – von ihm bejahten – Frage, ob in die Immissionsprognose ein Tonzuschlag einzustellen sei, dem Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. P. widersprochen habe. Dem ist nicht so. Der Gutachter hat weder in seinem schriftlichen Gutachten vom 17. Dezember 2003 noch anlässlich seiner ergänzenden Befragung in der Berufungsverhandlung die Auffassung vertreten, bei der Prognose sei auf einen Tonzuschlag zu verzichten.
Entgegen der Auffassung der Beschwerde stellt es keinen Verfahrensmangel dar, dass das Berufungsgericht keinen Beweis darüber erhoben hat, ob die zur Genehmigung gestellte Windkraftanlage vom Typ Nordex aufgrund des zwischenzeitlichen Einbaus schallreduzierender Komponenten keine Tonhaltigkeit mehr aufweist. Bei der Prüfung, ob der Vorinstanz ein Verfahrensfehler unterlaufen ist, ist von deren materiellrechtlicher Rechtsauffassung auszugehen, auch wenn diese verfehlt sein sollte (BVerwG, Urteil vom 25. März 1987 – BVerwG 6 C 10.84 – Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 183, stRspr). Nach Ansicht des Berufungsgerichts sind die behaupteten Änderungen der Anlage (Verbesserung des Kühlsystems durch Ersetzung der nach außen wirkenden Luftkühler durch eine ausschließlich intern gelagerte Wasserkühlung) nicht Gegenstand der Baugenehmigung und können deshalb im Rechtsstreit über die Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung nicht berücksichtigt werden (UA S. 13). Vor diesem Hintergrund hatte das Berufungsgericht keinen Anlass, der Frage nachzugehen, ob und inwieweit die angeführten baulichen Veränderungen an der Windkraftanlage deren Tonhaltigkeit vermindern.
Soweit sich die Beschwerde dagegen wendet, dass das Berufungsgericht in die Prognose der Immissionsbelastung durch die Windkraftanlage einen Sicherheitszuschlag (u.a. wegen möglicher „Serienstreuung”) hineinrechnet, zeigt sie keinen Verfahrensmangel auf, sondern legt dar, warum sie die Aussage im Berufungsurteil, der Prognose sei der mit einem Sicherheitszuschlag versehene Schallleistungspegel zugrunde zu legen, der für die Nennleistung bei einer Referenzmessung desselben Anlagentyps ermittelt worden sei, für inhaltlich falsch hält.
b) Die Beschwerde wirft dem Berufungsgericht ferner vor, nicht zu verstehen gegeben zu haben, dass ihm die Nebenbestimmung, die der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht der Baugenehmigung beigefügt hat, zum Schutz der Kläger nicht ausreiche. Die Nebenbestimmung sieht vor, dass der von der genehmigten Windkraftanlage erzeugte Lärm Werte von 55 dB(A) tags und 40 dB(A) nachts am Wohnhaus der Kläger nicht überschreiten darf. Die Beschwerde knüpft ihren Vorhalt an § 104 Abs. 1 VwGO, wonach der Vorsitzende die Streitsache mit den Beteiligten tatsächlich und rechtlich zu erörtern hat.
Der Senat hat Zweifel, ob das vom Berufungsgericht mit den Beteiligten geführte Rechtsgespräch den von der Beschwerde aufgezeigten Mangel tatsächlich aufweist; denn ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 21. Januar 2005 wurde die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten „eingehend” erörtert. Den Zweifeln braucht jedoch nicht nachgegangen und eine dienstliche Äußerung der an der Berufungsverhandlung beteiligten Richter nicht eingeholt zu werden. Die Erörterungsrüge scheitert nämlich daran, dass das Berufungsgericht nicht verpflichtet war, sich schon vor der Urteilsberatung auf eine Rechtsauffassung festzulegen und diese in der mündlichen Verhandlung zu offenbaren (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl., § 104, Rn. 4; BVerwG, Beschluss vom 26. Juni 1998 – BVerwG 4 B 19.98 – juris). Außerdem mussten die Prozessbeteiligten schon vor dem abschließenden Rechtsgespräch in Rechnung stellen, dass es aus Sicht des Berufungsgerichts mit der Nebenbestimmung zu Gunsten der Kläger nicht getan war. Da es der eingangs der mündlichen Verhandlung erfolgten Befragung des Sachverständigen P. zu den Lärmimmissionen am Wohnhaus der Kläger nicht bedurft hätte, wenn mit der Nebenbestimmung der Schutz der Kläger sichergestellt gewesen wäre, ließ der Ablauf der Berufungsverhandlung jedenfalls aus Sicht eines Rechtskundigen darauf schließen, dass nach Auffassung des Berufungsgerichts der Schutz der Kläger durch die Nebenbestimmung nicht gewährleistet war. Sollten der Beklagte und der Beigeladene die Prozesssituation verkannt und deshalb nicht versucht haben, die drohende Niederlage mit einer – die vorhandene Nebenbestimmung verschärfenden – Auflage „in Form einer konkreten Betriebsregelung auf Begrenzung der Emissionen der Anlage auf einen unterhalb der Nennleistung liegenden Schallleistungspegel in Verbindung mit einer entsprechenden Steuerung der Anlage” abzuwenden, wären sie dafür selbst verantwortlich.
2. Die Revision ist auch nicht wegen der behaupteten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Der Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechend dargelegt. Die Darlegung setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – NJW 1997, 3328). Diesen Anforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht. Sie erschöpft sich darin, im Gewand der Grundsatzrüge die vorinstanzliche Würdigung der Sach- und Rechtslage nach Art einer Berufungsbegründung anzugreifen.
Die Revision wäre selbst dann nicht zuzulassen, wenn dem Beschwerdevorbringen bei wohlwollender Auslegung die fallübergreifende Frage entnommen werden könnte, ob Nachbarn einer baulichen Anlage, deren uneingeschränkter Betrieb zu einer Überschreitung der maßgeblichen Immissionsgrenzwerte führt, die Aufhebung der Baugenehmigung beanspruchen können oder sich damit begnügen müssen, dass in der Genehmigung Immissionswerte festgeschrieben sind, die zu einem gedrosselten Anlagenbetrieb zwingen, und deren Einhaltung überwacht wird. Diese Frage lässt sich ohne weiteres dahingehend beantworten, dass sich Dritte, die eine Genehmigung anfechten, mit Nebenbestimmungen zu ihrem Schutz nur dann zufrieden geben müssen, wenn diese zur Erreichung des angestrebten Ziels geeignet sind (vgl. auch P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl., § 36, Rn. 64a). Das Berufungsgericht hat verneint, dass die Kläger durch die der Baugenehmigung nachträglich beigegebene Nebenbestimmung hinreichend sicher geschützt werden. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die messtechnische Überprüfung der Einhaltung der Immissionswerte erfahrungsgemäß auf erhebliche Schwierigkeiten stoße, weil dabei bestimmte Voraussetzungen wie Windgeschwindigkeit und Windrichtung erfüllt sein müssten, und derartige praktische Probleme hier auch bereits aufgetreten seien. An diese tatrichterliche Würdigung ist der Senat nach § 137 Abs. 2 VwGO gebunden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO und die Streitwertentscheidung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1, § 72 Nr. 1 GKG.
Unterschriften
Dr. Paetow, Gatz, Dr. Philipp
Fundstellen