Verfahrensgang
OVG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 21.01.2005; Aktenzeichen 8 A 11489/04) |
Tenor
Die Beschwerde der Beigeladenen gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 21. Januar 2005 wird zurückgewiesen.
Die Beigeladene trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 10 000 EUR festgesetzt.
Gründe
Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 3 und 1 VwGO gestützte Beschwerde der Beigeladenen hat keinen Erfolg.
1. Die Revision ist nicht wegen der behaupteten Verfahrensmängel zuzulassen.
a) Die Beschwerde macht in erster Linie geltend, dass das Berufungsgericht den Sachverhalt nicht richtig aufgeklärt und dadurch gegen § 86 Abs. 1 VwGO verstoßen habe. Sie meint, dass es eines ergänzenden Gutachtens bedurft hätte, „soweit das OVG entgegen dem schriftlichen Gutachten einen Tonzuschlag von 3 dB(A) aufschlägt”. In dem Gutachten vom 17. Dezember 2003 hat sich der Sachverständige Dipl.-Ing. P. für einen Tonzuschlag von lediglich 2 dB(A) entschieden und daran anlässlich seiner Befragung in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht festgehalten.
Der Erfolg einer Aufklärungsrüge setzt voraus, dass substanziiert aufgezeigt wird, hinsichtlich welcher tatsächlicher Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei der Durchführung der vermissten Sachverhaltsaufklärung vermutlich getroffen worden wären. Weiterhin muss entweder dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – NJW 1997, 3328; stRspr); denn die Aufklärungsrüge stellt kein Mittel dar, um Versäumnisse eines Verfahrensbeteiligten in der Tatsacheninstanz, vor allem das Unterlassen der Stellung von Beweisanträgen, zu kompensieren (vgl. z.B. BVerwG, Urteil vom 23. Mai 1986 – BVerwG 8 C 10.84 – BVerwGE 74, 222 ≪223≫). Diesen sich aus § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO ergebenden Anforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht. Sie macht schon nicht geltend, dass ein ergänzendes Gutachten oder eine zusätzliche schriftliche Befragung des Sachverständigen P. zu dem ihr günstigeren Ergebnis geführt hätte, dass ein höherer Tonzuschlag als 2 dB(A) nicht gerechtfertigt werden könne. Ausschlaggebend ist freilich, dass die Beigeladene nicht in der gebotenen Weise auf die Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsermittlungen hingewirkt hat. Wenn schon schriftsätzlich angekündigte Beweisanträge nicht ausreichen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. März 1995 – BVerwG 6 B 81.94 – Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 265), ist es mit Beweisanregungen, wie sie der Bevollmächtigte der Beigeladenen in der Berufungsverhandlung gegeben haben will, erst recht nicht getan. Dass sich dem Berufungsgericht die Notwendigkeit einer weiteren Beweisaufnahme von sich aus hätte aufdrängen müssen, legt die Beschwerde nicht dar. Nach ihrem eigenen Vorbringen hat es der Gutachter in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht immerhin für vertretbar gehalten, auch einen Tonzuschlag von 3 dB(A) in Rechnung zu stellen.
Entgegen der Auffassung der Beschwerde ist es kein Verfahrensmangel, dass das Berufungsgericht keinen Beweis darüber erhoben hat, ob die zur Genehmigung gestellte Windkraftanlage vom Typ Nordex aufgrund des zwischenzeitlichen Einbaus schallreduzierender Komponenten keine Tonhaltigkeit mehr aufweist. Bei der Prüfung, ob der Vorinstanz ein Verfahrensfehler unterlaufen ist, ist von deren materiellrechtlicher Rechtsauffassung auszugehen, auch wenn diese verfehlt sein sollte (BVerwG, Urteil vom 25. März 1987 – BVerwG 6 C 10.84 – Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 183, stRspr). Nach Ansicht des Berufungsgerichts sind die behaupteten Änderungen der Anlage (Verbesserung des Kühlsystems durch Ersetzung der nach außen wirkenden Luftkühler durch eine ausschließlich intern gelagerte Wasserkühlung) nicht Gegenstand der Baugenehmigung und können deshalb im Rechtsstreit über die Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung nicht berücksichtigt werden (UA S. 13). Vor diesem Hintergrund hatte das Berufungsgericht keinen Anlass, der Frage nachzugehen, ob und inwieweit die angeführten baulichen Veränderungen an der Windkraftanlage deren Tonhaltigkeit vermindern.
Soweit sich die Beschwerde dagegen wendet, dass das Berufungsgericht in die Prognose der Immissionsbelastung durch die Windkraftanlage einen Sicherheitszuschlag (u.a. wegen möglicher „Serienstreuung”) hineinrechnet, zeigt sie keinen Verfahrensmangel auf, sondern legt dar, warum sie die Aussage im Berufungsurteil, der Prognose sei der mit einem Sicherheitszuschlag versehene Schallleistungspegel zugrunde zu legen, der für die Nennleistung bei einer Referenzmessung desselben Anlagentyps ermittelt worden sei, für inhaltlich falsch hält.
Zu Unrecht vermisst die Beschwerde die Einholung eines Gutachtens zu der Frage, ob es trotz eines prognostizierten Beurteilungspegels am Wohnhaus der Kläger von 40 dB(A) im ungünstigsten Fall noch zu Überschreitungen dieses Wertes kommen könne. Das Berufungsgericht hatte aus seiner Sicht keine Veranlassung zu einer weiteren Beweiserhebung. Es räumt ein, dass bei einem Beurteilungspegel von 35 dB(A) zuzüglich einem Tonhaltigkeitszuschlag von 3 dB(A) und einem Sicherheitszuschlag von 2 dB(A) der Richtwert von 40 dB(A) gerade eingehalten wird (UA S. 12). Gleichwohl hat es sich nicht auf der sicheren Seite gesehen, weil der der Prognose zugrunde liegende Schallleistungspegel in der Baugenehmigung nicht festgeschrieben und somit seine Einhaltung für die Zukunft nicht sichergestellt sei.
b) Die Beschwerde wirft dem Berufungsgericht ferner vor, nicht zu verstehen gegeben zu haben, dass ihm die Nebenbestimmung, die der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht der Baugenehmigung beigefügt hat, zum Schutz der Kläger nicht ausreiche. Die Nebenbestimmung sieht vor, dass der von der genehmigten Windkraftanlage erzeugte Lärm Werte von 55 dB(A) tags und 40 dB(A) nachts am Wohnhaus der Kläger nicht überschreiten darf. Die Beschwerde knüpft ihren Vorhalt an § 104 Abs. 1 VwGO, wonach der Vorsitzende die Streitsache mit den Beteiligten tatsächlich und rechtlich zu erörtern hat.
Der Senat hat Zweifel, ob das vom Berufungsgericht mit den Beteiligten geführte Rechtsgespräch den von der Beschwerde aufgezeigten Mangel tatsächlich aufweist; denn ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 21. Januar 2005 wurde die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten „eingehend” erörtert. Den Zweifeln braucht jedoch nicht nachgegangen und eine dienstliche Äußerung der an der Berufungsverhandlung beteiligten Richter nicht eingeholt zu werden. Die Erörterungsrüge scheitert nämlich daran, dass das Berufungsgericht nicht verpflichtet war, sich schon vor der Urteilsberatung auf eine Rechtsauffassung festzulegen und diese in der mündlichen Verhandlung zu offenbaren (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl., § 104, Rn. 4; BVerwG, Beschluss vom 26. Juni 1998 – BVerwG 4 B 19.98 – juris). Außerdem mussten die Prozessbeteiligten schon vor dem abschließenden Rechtsgespräch in Rechnung stellen, dass es aus Sicht des Berufungsgerichts mit der Nebenbestimmung zu Gunsten der Kläger nicht getan war. Da es der eingangs der mündlichen Verhandlung erfolgten Befragung des Sachverständigen P. zu den zu erwartenden Lärmimmissionen nicht bedurft hätte, wenn mit der Nebenbestimmung der Schutz der Kläger sichergestellt gewesen wäre, ließ der Ablauf der Berufungsverhandlung jedenfalls aus Sicht eines Rechtskundigen darauf schließen, dass nach Auffassung des Berufungsgerichts der Schutz der Kläger durch die Nebenbestimmung nicht gewährleistet war. Sollten der Beklagte und die Beigeladene die Prozesssituation verkannt und deshalb nicht versucht haben, die drohende Niederlage mit einer – die vorhandene Nebenbestimmung verschärfenden – Auflage „in Form einer konkreten Betriebsregelung auf Begrenzung der Emissionen der Anlage auf einen unterhalb der Nennleistung liegenden Schallleistungspegel in Verbindung mit einer entsprechenden Steuerung der Anlage” abzuwenden, wären sie dafür selbst verantwortlich.
c) Mit der Rüge, für die Beigeladene sei die Entscheidung des Berufungsgerichts überraschend gekommen, macht die Beschwerde geltend, der Beigeladenen sei das rechtliche Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) versagt worden. Sie trägt vor, dass die Beigeladene von der Zurückweisung der Berufung jedenfalls in diesem Verfahren habe ausgehen können, nachdem der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung die Frage des Gerichts bejaht habe, ob bei Wegfall einer der drei Windkraftanlagen die Grenzwerte eingehalten würden. Da lediglich die Anlage des Verfahrens 5 K 173/03 (OVG 8 A 11492/04, BVerwG 4 B 29.05) angeblich den Grenzwert überschreite, hätte die Baugenehmigung für die vorliegend umstrittene Anlage Bestand haben müssen.
Die Gehörsrüge ist nicht schlüssig erhoben. Sie erfordert regelmäßig die substantiierte Bezeichnung dessen, was die Prozesspartei bei ausreichender Gehörsgewährung noch vorgetragen hätte und inwiefern der weitere Vortrag zur Klärung des geltend gemachten Anspruchs geeignet gewesen wäre (BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – a.a.O.). Die Beschwerde legt nicht dar, mit welchen Argumenten sie der Auffassung des Berufungsgerichts entgegengetreten wäre, die Kläger seien trotz prognostizierter Einhaltung der Grenzwerte nicht hinreichend sicher vor unzumutbaren Lärmimmissionen geschützt. Sie beschränkt sich vielmehr auf die bloße Behauptung, es hätte noch ergänzend vorgetragen werden können. Das genügt nicht den Erfordernissen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.
2. Die Revision ist auch nicht wegen der behaupteten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Die Beschwerde formuliert keine bestimmte, höchstrichterlich noch ungeklärte und für die Revisionsentscheidung erhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts, sondern wendet sich im Gewand der Grundsatzrüge gegen die tatrichterliche, den Senat nach § 137 Abs. 2 VwGO bindende Sachverhaltswürdigung im Berufungsurteil, wonach der maßgebliche Richtwert von 40 dB(A) zwar gerade eingehalten werden dürfte, die Prognose aber gleichwohl deshalb nicht auf der sicheren Seite sei, weil der der Prognose zugrunde liegende Schallleistungspegel in der Baugenehmigung nicht festgeschrieben und somit seine Einhaltung für die Zukunft nicht sichergestellt sei.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO und die Streitwertentscheidung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1, § 72 Nr. 1 GKG.
Unterschriften
Dr. Paetow, Gatz, Dr. Philipp
Fundstellen