Leitsatz (amtlich)
Für eine Rechtsstreitigkeit über einen auf das Hamburgische Transparenzgesetz gestützten Informationszugangsanspruch gegen eine juristische Person des Privatrechts ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet, wenn diese im Hinblick darauf in Anspruch genommen wird, dass sie nach § 2 Abs. 3 Halbs. 2 HmbTG als Behörde gilt.
Verfahrensgang
Hamburgisches OVG (Beschluss vom 20.12.2019; Aktenzeichen 3 So 82/19) |
VG Hamburg (Entscheidung vom 29.04.2019; Aktenzeichen 17 K 141/19) |
Tenor
Die weitere Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 20. Dezember 2019 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
I
Rz. 1
Der Kläger begehrt, gestützt auf das Hamburgische Transparenzgesetz (HmbTG), Zugang zu Informationen betreffend Befunduntersuchungen sowie restauratorische Arbeiten im Foyer des Theatergebäudes der Beklagten, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung.
Rz. 2
Auf die Rüge der Beklagten, die sich auf eine zivilrechtliche Natur der Streitigkeit beruft, hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist. Die Beschwerde der Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene weitere Beschwerde.
II
Rz. 3
Die gemäß § 17a Abs. 4 Satz 4 GVG, § 152 Abs. 1 und § 173 Satz 1 VwGO statthafte und auch im Übrigen zulässige weitere Beschwerde ist unbegründet. Für eine Rechtsstreitigkeit über einen auf das Hamburgische Transparenzgesetz vom 19. Juni 2012 - HmbTG - (HmbGVBl. S. 271), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 19. Dezember 2019 (HmbGVBl. S. 19), gestützten Informationszugangsanspruch gegen eine juristische Person des Privatrechts ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet, wenn dieser im Hinblick darauf in Anspruch genommen wird, dass sie nach § 2 Abs. 3 Halbs. 2 HmbTG als Behörde gilt.
Rz. 4
1. Eine einzelgesetzliche Zuweisung (so genannte "aufdrängende Sonderzuweisung") von Rechtsstreitigkeiten um Informationszugangsansprüche nach dem Hamburgischen Transparenzgesetz, die gegen privatrechtlich organisierte informationspflichtige Stellen gerichtet sind, an die Verwaltungsgerichte besteht nicht. Das Oberverwaltungsgericht hat überzeugend dargelegt, dass die landesrechtliche Regelung des § 14 Abs. 7 HmbTG ("Vorschriften über den Rechtsschutz nach der Verwaltungsgerichtsordnung bleiben unberührt") keine Rechtswegzuweisung darstellt. Der Hamburgische Landesgesetzgeber wollte eine solche Regelung auch nicht treffen (vgl. Bü-Drs. 21/17907, S. 17). Anders als hinsichtlich von Streitigkeiten um Ansprüche auf Zugang zu Umweltinformationen nach landesrechtlichen Vorschriften, die gegen privatrechtlich organisierte informationspflichtige Stellen gerichtet sind (vgl. hierzu § 6 Abs. 5 UIG), fehlt es hinsichtlich von Ansprüchen, die - wie hier - auf die allgemeinen Informationsfreiheits- bzw. Transparenzgesetze der Länder gestützt werden, an einer bundesgesetzlichen Ermächtigung zur landesrechtlichen Rechtswegzuweisung an die Verwaltungsgerichte (§ 40 Abs. 1 Satz 2 VwGO, vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. Oktober 2012 - 7 B 2.12 - Buchholz 310 § 40 VwGO Nr. 307 Rn. 10).
Rz. 5
2. Gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Maßgeblich ist hiernach, ob die Geltendmachung eines auf das Hamburgische Transparenzgesetz gestützten Informationszugangsanspruches gegenüber der privatrechtlich organisierten Beklagten eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit darstellt.
Rz. 6
Ob eine Streitigkeit bürgerlich-rechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Art ist, beurteilt sich nach der Rechtsnatur der Rechtsnormen, die das Rechtsverhältnis prägen, aus dem der geltend gemachte Anspruch hergeleitet wird. Bürgerliches Recht ist Jedermannsrecht. Öffentlich-rechtlicher Natur sind demgegenüber diejenigen Rechtsnormen, welche einen Träger öffentlicher Gewalt gerade als solchen berechtigen oder verpflichten, die also einen öffentlichen Verwaltungsträger zur Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben mit besonderen Befugnissen ausstatten oder besonderen Regeln unterwerfen (stRspr; vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 21. November 2016 - 10 AV 1.16 - BVerwGE 156, 320 Rn. 5 und vom 12. März 2018 - 10 B 25.17 - BVerwGE 161, 255 Rn. 7; GmS-OGB, Beschluss vom 10. Juli 1989 - 1/88 - BGHZ 108, 284 ≪287≫).
Rz. 7
Nach diesen Grundsätzen ist der mit der Klage geltend gemachte Informationszugangsanspruch öffentlich-rechtlicher Natur. Der Kläger nimmt die als Gesellschaft mit beschränkter Haftung organisierte Beklagte auf der Grundlage des Hamburgischen Transparenzgesetzes in Anspruch. Das Hamburgische Transparenzgesetz dient ausweislich seines § 1 Abs. 1 dem Zweck, die demokratische Meinungs- und Willensbildung zu fördern und eine Kontrolle des staatlichen Handelns zu ermöglichen. Zu diesem Zweck verleiht § 1 Abs. 2 HmbTG jeder Person einen Anspruch auf Zugang zu allen amtlichen Informationen auskunftspflichtiger Stellen. Auskunftspflichtig sind alle Behörden (§ 2 Abs. 5 HmbTG). Behörden im Sinne des Gesetzes sind hierbei alle Stellen, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen (§ 2 Abs. 3 Halbs. 1 HmbTG i.V.m. § 1 Abs. 2 HmbVwVfG). Als Behörden im Sinne des Hamburgischen Transparenzgesetzes gelten darüber hinaus jedoch auch natürliche oder juristische Personen des Privatrechts, soweit sie öffentliche Aufgaben wahrnehmen oder öffentliche Dienstleistungen erbringen und dabei der Kontrolle der Freien und Hansestadt Hamburg unterliegen (§ 2 Abs. 3 Halbs. 2 HmbTG).
Rz. 8
Die genannten, das verfahrensgegenständliche Rechtsverhältnis prägenden Rechtsnormen unterwerfen auch Privatrechtssubjekte, sofern und soweit diese öffentliche Aufgaben wahrnehmen oder öffentliche Dienstleistungen erbringen und dabei öffentlicher Kontrolle unterliegen, besonderen, spezifisch für Behörden geltenden Informationszugangsregeln, deren als öffentlich zu qualifizierender Zweck es ist, die demokratische Meinungs- und Willensbildung zu fördern und eine Kontrolle des staatlichen Handelns zu ermöglichen. Die gesetzlichen Regelungen verpflichten die betroffenen Privatrechtssubjekte hierbei nicht als Jedermann und knüpfen nicht an deren Teilnahme am allgemeinen Rechtsverkehr an, sondern begründen eine - von privatautonom radizierten Rechtsverhältnissen unabhängige - spezifische Pflichtenstellung, die derjenigen von Behörden als Stellen, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen (vgl. § 1 Abs. 2 HmbVwVfG), entspricht. Ob die Voraussetzungen für diese Gleichstellung vorliegen, ob das in Anspruch genommene Privatrechtssubjekt mit anderen Worten öffentliche Aufgaben wahrnimmt oder öffentliche Dienstleistungen erbringt und dabei staatlicher Kontrolle unterliegt, ist Frage der Begründetheit der Klage. Der öffentlich-rechtliche Charakter von gegen Behörden gerichteten, auf die Informationsfreiheitsgesetze von Bund und Ländern gestützten Informationszugangsansprüchen unterliegt keinem Zweifel (vgl. nur BVerwG, Beschlüsse vom 20. September 2012 - 7 B 5.12 - Buchholz 404 IFG Nr. 9 Rn. 3 und vom 21. November 2016 - 10 AV 1.16 - BVerwGE 156, 320 Rn. 10 m.w.N.; Schoch, IFG, 2. Aufl. 2016, § 9 Rn. 77 m.w.N.).
Rz. 9
Eine zivilrechtliche Natur der Streitigkeit lässt sich auch aus der von der Beklagten in Bezug genommenen Rechtsprechung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, des Bundesgerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts nicht ableiten (GmS-OGB, Beschluss vom 10. April 1986 - 1.85 - BVerwGE 74, 368 ≪370≫; BGH, Urteil vom 16. März 2017 - I ZR 13/16 - NJW 2017, 3153 und Beschluss vom 7. Dezember 1999 - XI ZB 7/99 - NJW 2000, 1042; BVerwG, Beschlüsse vom 6. März 1990 - 7 B 120.89 - Buchholz 310 § 40 VwGO Nr. 244 und vom 30. Mai 2006 - 3 B 78.05 - Buchholz 310 § 40 VwGO Nr. 295). Der zu ganz unterschiedlichen Sachverhalten ergangenen Rechtsprechung liegt insbesondere kein allgemeiner, auf alle denkbaren Sachverhaltskonstellationen anwendbarer Rechtssatz zugrunde, wonach die Inanspruchnahme von Privatrechtssubjekten außer im Falle der Beleihung stets als bürgerlich-rechtlich zu qualifizieren wäre. Maßgeblicher Bezugspunkt der Prüfung, ob es sich bei einer Streitigkeit um eine öffentlich-rechtliche oder eine bürgerlich-rechtliche handelt, ist nicht die öffentlich-rechtliche oder zivilrechtliche Verfasstheit der Beteiligten eines Rechtsverhältnisses, sondern - wie dargelegt - der übergeordnete Gesichtspunkt der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird (GmS-OGB, Beschlüsse vom 10. April 1986 - 1.85 - BVerwGE 74, 368 ≪370≫ und vom 10. Juli 1989 - 1/88 - BGHZ 108, 284 ≪287≫, jeweils m.w.N.). Dies stellt den seitens der Beklagten hervorgehobenen Umstand, dass die Tätigkeit von natürlichen Personen oder juristischen Personen des Privatrechts regelmäßig dem Privatrecht - und damit der Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte - unterfällt, nicht in Frage (vgl. hierzu etwa BVerwG, Beschluss vom 6. März 1990 - 7 B 120.89 - Buchholz 310 § 40 VwGO Nr. 244 S. 28 f. m.w.N.).
Rz. 10
Anlass zu einer Vorlage nach § 2 Abs. 1 des Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes - RSprEinhG - i.d.F. der Bekanntmachung vom 19. Juni 1968 (BGBl. I S. 661), zuletzt geändert durch Art. 144 der Verordnung vom 31. August 2015 (BGBl. I S. 1474), ergibt sich auch aus der zitierten jüngeren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 16. März 2017 - I ZR 13/16 - juris Rn. 10) nicht, nach der für eine Streitigkeit über die Inanspruchnahme einer staatlich beherrschten, im Bereich der Daseinsvorsorge tätigen juristischen Person des Zivilrechts auf der Grundlage des Auskunftsanspruchs nach § 4 Abs. 1 des Pressegesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen vom 24. Mai 1966 - PresseG NW - (GVBl. NW S. 340), zuletzt geändert durch Art. 4 des Gesetzes vom 8. Mai 2018 (GVBl. NW S. 214), der Zivilrechtsweg eröffnet ist.
Rz. 11
Nach § 2 Abs. 1 RSprEinhG entscheidet der Gemeinsame Senat, wenn ein oberster Gerichtshof in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen obersten Gerichtshofs oder des Gemeinsamen Senats abweichen will. Die Rechtsfrage muss sich auf der Grundlage von Vorschriften stellen, die in ihrem Regelungsgehalt gänzlich übereinstimmen und nach denselben Prinzipien auszulegen sind. Darüber hinaus muss die Rechtsfrage sowohl für den erkennenden Senat in der anhängigen Sache als auch für den divergierenden Senat in der bereits entschiedenen Sache entscheidungserheblich sein (BVerwG, Urteil vom 9. Mai 2019 - 4 C 2.18 - NVwZ-RR 2019, 885 Rn. 18 m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Weder stimmen die presserechtlichen Auskunftsansprüche - hier nach § 4 Abs. 1 PresseG NW - und die Informationszugangsansprüche nach den Informationsfreiheitsgesetzen - hier nach § 1 Abs. 2 i.V.m. § 2 Abs. 3 und 5 HmbTG - in ihrem Regelungsgehalt überein (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 3. Mai 2016 - 7 C 7.15 - AfP 2016, 564 Rn. 7 m.w.N.), noch sind die Darlegungen des Bundesgerichtshofs zum Vorliegen einer bürgerlichen Rechtsstreitigkeit im Sinne des § 13 GVG entscheidungstragend. Der Bundesgerichtshof hat selbst darauf hingewiesen, dass im dortigen Revisionsverfahren nach § 17a Abs. 5 GVG nicht zu prüfen war, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig gewesen ist (vgl. BGH, Urteil vom 16. März 2017 - I ZR 13/16 - juris Rn. 10).
Rz. 12
Die vom Hamburgischen Transparenzgesetz unter bestimmten Voraussetzungen begründete öffentlich-rechtliche Pflichtenstellung sowohl natürlicher als auch juristischer Personen des Privatrechts stellt entgegen der Auffassung der Beklagten keine kompetenzwidrige zivilrechtliche Regelung der Rechtsverhältnisse der Gesellschaften mit beschränkter Haftung dar. Die gesellschaftsrechtliche Vorschrift des § 13 GmbHG ist für die Rechtswegfrage vorliegend ohne Bedeutung.
Rz. 13
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Anfechtung der Entscheidung über den Rechtsweg löst ein selbstständiges Rechtsmittelverfahren aus, in dem nach den allgemeinen Vorschriften über die Kosten zu befinden ist (BVerwG, Beschluss vom 18. Mai 2010 - 1 B 1.10 - BVerwGE 137, 52 Rn. 13 m.w.N.).
Rz. 14
Der Festsetzung eines Streitwerts für das Beschwerdeverfahren bedarf es nicht, da für Beschwerden der vorliegenden Art nach Nr. 5502 der Anlage 1 zum GKG eine Festgebühr von 60 € erhoben wird.
Fundstellen
JZ 2020, 530 |
UPR 2020, 382 |