Verfahrensgang
VG Berlin (Urteil vom 20.01.2006; Aktenzeichen 31 A 283.99) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 20. Januar 2006 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
Der Wert des Streitgegenstands wird für das Beschwerdeverfahren auf 500 000 € festgesetzt.
Gründe
Der Kläger beansprucht die Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung seiner Erlösauskehrberechtigung hinsichtlich eines Grundstücks in Berlin-Prenzlauer Berg. Das Amt zur Regelung offener Vermögensfragen stellte die Entschädigungsberechtigung der Rechtsvorgängerin des Klägers als Zweitgeschädigter fest und lehnte die Rückübertragung des Grundstücks ab, weil der jüdische Rechtsvorgänger der Beigeladenen von einem verfolgungsbedingten Vermögensverlust betroffen worden sei. Die nach erfolglosem Widerspruch erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen; die Beigeladene habe mit ihrer am 31. Dezember 1992 beim Bundesministerium der Justiz eingegangenen Globalanmeldung (ANM-3) die Ausschlussfrist des § 30a Abs. 1 Satz 1 VermG gewahrt und sei als Rechtsnachfolgerin des jüdischen Geschädigten Berechtigte. Das Verwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde hat keinen Erfolg.
Die Revision ist nicht wegen der geltend gemachten Verfahrensmängel zuzulassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Soweit die Beschwerde beanstandet, dass das Verwaltungsgericht die Anmeldung als fristgerecht angesehen hat, obwohl sich die Globalanmeldung nicht bei den Verfahrensakten befindet, rügt sie keinen Verfahrensmangel, sondern eine vermeintlich fehlerhafte Anwendung des materiellen Rechts; damit lässt sich die Verfahrensrüge nicht begründen. Unbegründet ist auch die Rüge, der nicht anwaltlich vertretene Kläger sei in der mündlichen Verhandlung nicht darauf hingewiesen worden, “dass das Gericht die Sache als entscheidungsreif und mit dem Urteil des BVerwG vom 3. November 2005 und den dortigen Wertungen zur sog. Globalanmeldung als bereits entschieden ansieht und dem Kläger keinerlei Stellungnahmemöglichkeit auf die rechtlichen Erörterungen im Termin mehr eingeräumt werden wird”. Das Verwaltungsgericht hatte den Kläger bereits mit Schreiben vom 22. September 2005 über die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu Fragen der Globalanmeldung informiert. Mit der Terminsladung hatte es ihm ferner das Urteil vom 3. November 2005 – BVerwG 7 C 24.04 – auszugsweise übersandt. In der mündlichen Verhandlung wurde laut Verhandlungsprotokoll die Sach- und Rechtslage erörtert und dem Kläger vom Vorsitzenden empfohlen, das Verfahren im eigenen Kosteninteresse nicht fortzuführen. Das konnte der Kläger auch ohne anwaltliche Vertretung nur dahin verstehen, dass sich das Verwaltungsgericht der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anschließen werde, nach der Globalanmeldungen der Beigeladenen in gleich gelagerten Fällen als wirksam und fristgerecht beurteilt worden waren. Angesichts dessen bedurfte es in der mündlichen Verhandlung keines weiteren richterlichen Hinweises mehr. Der Vorwurf der Beschwerde, dem Kläger sei keine Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt worden, liegt neben der Sache. Der Kläger hatte in der mündlichen Verhandlung Gelegenheit zur Äußerung. Seinen nach Schluss der mündlichen Verhandlung per Fax übermittelten Aussetzungsantrag musste das Verwaltungsgericht nicht zum Anlass nehmen, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen. Damit kann keine Rede davon sein, dass der Kläger in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden sein könnte.
Die Revision ist auch nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Die Beschwerde hält sinngemäß für klärungsbedürftig, ob die dem angegriffenen Urteil zugrunde liegende Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Wirksamkeit von Globalanmeldungen der Beigeladenen mit Art. 14 und Art. 3 Abs. 1 GG sowie dem Bestimmtheitsgebot vereinbar ist. Diese Fragen lassen sich im bejahenden Sinn beantworten, ohne dass es hierfür der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf. Das Eigentumsrecht eines Zweitgeschädigten wird nicht verletzt, wenn die Restitution infolge des Restitutionsanspruchs des Erstgeschädigten unmöglich ist. Der in § 3 Abs. 2 VermG geregelte Vorrang des Restitutionsanspruchs des Erstgeschädigten ist eine verfassungsrechtlich einwandfreie Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG). Für einen im Wege der fristwahrenden Globalanmeldung geltend gemachten Restitutionsanspruch des Erstgeschädigten gilt nichts anderes. Grund und Grenzen der Wirksamkeit einer Globalanmeldung der Beigeladenen sind in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 23. Oktober 2003 – BVerwG 7 C 62.02 – Buchholz 428 § 30 VermG Nr. 30; Urteil vom 24. November 2004 – BVerwG 8 C 15.03 – Buchholz 428 § 30 VermG Nr. 34; Urteil vom 3. November 2005 – BVerwG 7 C 24.04 – zur Veröffentlichung in Buchholz bestimmt) in Anwendung und Auslegung der einschlägigen §§ 30, 30a und 31 VermG konkretisiert worden.
Soweit hiernach der aufgrund einer wirksamen Globalanmeldung zuerkannte Restitutionsanspruch des Erstgeschädigten den Restitutionsanspruch des Zweitgeschädigten verdrängt, geschieht dies gleichfalls im Wege einer verfassungsgemäßen Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums. Verfassungsrechtlichen Bedenken unter dem Aspekt der hinreichenden Bestimmtheit begegnet diese Rechtsprechung schon deshalb nicht, weil das Vermögensgesetz über die Mindestanforderungen an den Inhalt einer Anmeldung hinsichtlich des Vermögensgegenstands unmittelbar nichts aussagt. Davon abgesehen überschreitet die Auslegung der §§ 30, 30a und 31 VermG dahin, dass ein Restitutionsantrag in Bezug auf den beanspruchten Vermögensgegenstand individualisierbar sein muss und eine wirksame Anmeldung auch dann vorliegen kann, wenn sich der betroffene Vermögensgegenstand erst durch die in dem Antrag in Bezug genommenen Akten und Unterlagen individualisieren lässt, nicht die Grenzen der Bestimmbarkeit des Norminhalts.
Auch der Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) ist nicht verletzt. Die Anerkennung von Globalanmeldungen der Beigeladenen, die den in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entwickelten Anforderungen an die Individualisierbarkeit genügen, als fristwahrend ist nicht sachwidrig. Es liegt auf der Hand, dass die Beigeladene als Rechtsnachfolgerin einer Vielzahl unbekannter jüdischer Berechtigter nicht über ein “Familiengedächtnis” verfügt und sich damit in Bezug auf die fristwahrende Anmeldung vermögensrechtlicher Ansprüche in einer anderen Situation befindet als sonstige Berechtigte, die in aller Regel ihre Rechtsvorgänger und deren von Maßnahmen nach § 1 VermG betroffenen Vermögenswerte kennen oder jedenfalls mit überschaubarem Aufwand relativ kurzfristig ermitteln können.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 und 4 GKG.
Unterschriften
Sailer, Herbert, Guttenberger
Fundstellen