Tatbestand
Rz. 1
1. Vor dem Truppendienstgericht Süd ist gegen den früheren Soldaten ein disziplinargerichtliches Verfahren anhängig. Ihm wird vorgeworfen, im Dezember 2014 zusammen mit dem Obermaat... einen Kameraden körperlich misshandelt zu haben. Der frühere Soldat war zum Zeitpunkt des angeschuldigten Dienstvergehens als Wehrübender...,... (Niedersachsen) eingesetzt.
Rz. 2
2. Gegen den zu diesem Zeitpunkt in... (Hessen) wohnhaften früheren Soldaten ist mit Verfügung des Inspekteurs der Marine vom 27. Mai 2015 das gerichtliche Disziplinarverfahren eingeleitet worden, nachdem der Generalinspekteur der Bundeswehr als gemeinsame höhere Einleitungsbehörde den Inspekteur der Marine als zuständige Einleitungsbehörde für die gegen den früheren Soldaten und gegen den Obermaat... gerichteten Disziplinarverfahren bestimmt hatte.
Rz. 3
3. Die streitgegenständliche, unter dem 24. Oktober 2016 vor dem Truppendienstgericht Nord angeschuldigte und dort seit dem 27. Oktober 2016 anhängige Sache, wurde von dort mit Beschluss vom 28. November 2016 an das Truppendienstgericht Süd mit der Begründung verwiesen, jenes sei wegen des zum Zeitpunkt der Einleitung des disziplinargerichtlichen Verfahrens bestehenden Wohnsitzes des früheren Soldaten zuständig.
Rz. 4
Das gerichtliche Disziplinarverfahren gegen Obermaat... ist seit dem 6. Oktober 2016 beim Truppendienstgericht Nord anhängig. Zum Zeitpunkt der unter dem 27. Mai 2015 verfügten Einleitung gehörte jener dem... in... (Niedersachsen) an.
Rz. 5
Das gegen beide Soldaten vor dem Amtsgericht... sachgleich wegen gemeinschaftlich begangener gefährlicher Körperverletzung gemeinsam verhandelte Strafverfahren wurde durch Beschluss des Amtsgerichts... vom 20. Juli 2016 gem. § 153a Abs. 2 i.V.m. § 153a Abs. 1 Nr. 2 StPO vorläufig eingestellt.
Rz. 6
4. Unter dem 1. Februar 2017 hat der Vorsitzende der 5. Kammer des Truppendienstgerichts Süd beim Bundesverwaltungsgericht beantragt, das Truppendienstgericht Nord als zuständiges Gericht für das Verfahren des früheren Soldaten zu bestimmen. Die für das Verfahren des früheren Soldaten und des Obermaats... als zuständig bestimmte Einleitungsbehörde sowie die sie im gerichtlichen Disziplinarverfahren vertretende Wehrdisziplinaranwaltschaft hätten ihren Dienstsitz im Zuständigkeitsbereich des Truppendienstgerichts Nord. Dasselbe gelte für die Dienststellen sämtlicher in der Anschuldigungsschrift gegen den früheren Soldaten benannten Tat- und Leumundszeugen. Auch der Tatort der angeschuldigten Handlung liege im Zuständigkeitsbereich des Truppendienstgerichts Nord. Hinzu komme, dass die erste die gemeinschaftlichen Pflichtverletzungen betreffende Anschuldigungsschrift beim Truppendienstgericht Nord eingegangen sei, weil die Wehrdisziplinaranwaltschaft angenommen habe, bereits mit der Bestimmung der gemeinsamen Einleitungsbehörde sei die Zuständigkeit dieses Gerichts für beide Verfahren begründet worden.
Rz. 7
5. Ausweislich des Vermerks des Vorsitzenden Richters der 5. Kammer des Truppendienstgerichts Süd vom 31. Januar 2017 hat sich der Vorsitzende der 4. Kammer des Truppendienstgerichts Nord zur Übernahme des Verfahrens zwecks späterer Verbindung zur gemeinsamen Verhandlung mit dem Verfahren gegen Obermaat... bereit erklärt.
Rz. 8
6. Der frühere Soldat und der Bundeswehrdisziplinaranwalt hatten Gelegenheit, sich zu dem Antrag zu äußern. Der Bundeswehrdisziplinaranwalt hat erklärt, ihn zu unterstützen.
Entscheidungsgründe
Rz. 9
Auf Antrag des Truppendienstgerichts Süd wird das Truppendienstgericht Nord als zuständiges Gericht bestimmt.
Rz. 10
1. Nach § 70 Abs. 3 WDO bestimmt das Bundesverwaltungsgericht auf Antrag das zuständige Truppendienstgericht, wenn bei zusammenhängenden Dienstvergehen mehrerer Soldaten unterschiedliche Gerichtsstände bestehen. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
Rz. 11
Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der Zulässigkeit eines Antrages nach § 70 Abs. 3 WDO die Bindungswirkung eines Verweisungsbeschlusses aus § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG entgegenstehen kann. Der Verweisungsbeschluss entfaltet zwar in entsprechender Anwendung des § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG Bindungswirkung, weil das Bundesverwaltungsgericht wegen des Fehlens einer den § 48 ArbGG, § 83 VwGO, § 202 SGG, § 155 FGO vergleichbaren Regelung in der WDO § 17a Abs. 2 GVG analog anwendet (vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. Juli 2014 - 2 WDB 5.13 - BVerwGE 150, 162) und die dafür tragende Begründung der Prozessökonomie auch Satz 3 des § 17a Abs. 2 GVG einschließt. Zwar darf das Truppendienstgericht den Antrag nach § 70 Abs. 3 WDO nicht rechtsmissbräuchlich instrumentalisieren, um seine Bindung aus § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG zu unterlaufen. Hier ist die Antragstellung aber ersichtlich nicht missbräuchlich, diente der Verweisungsbeschluss des Truppendienstgerichts Nord auch dem Zweck, die Voraussetzungen für die prozessual ordnungsgemäße Herbeiführung des gemeinsamen Gerichtsstandes zu schaffen. Denn der Verweisungsbeschluss des Truppendienstgerichts Nord war ausschließlich auf das Verhalten der Wehrdisziplinaranwaltschaft zurückzuführen, das beim Truppendienstgericht Nord die gegen den früheren Soldaten gerichtete Anschuldigungsschrift unter Verkennung der Regelungssystematik von § 94 Abs. 5 und § 70 Abs. 3 WDO deshalb eingereicht hat, weil dort bereits seit dem 6. Oktober 2016 das gegen den Obermaat... gerichtete gerichtliche Disziplinarverfahren anhängig war. Korrekterweise hätte die Wehrdisziplinaranwaltschaft die Anschuldigungsschrift - aus noch darzulegenden Gründen - sogleich beim Truppendienstgericht Süd als dem Gericht einreichen müssen, an das das Truppendienstgericht Nord die Sache sodann auch verwiesen hat. Unter diesen Voraussetzungen besteht vorliegend keine Gefahr, dass durch eine Gerichtsbestimmung nach § 70 Abs. 3 WDO ein Wertungswiderspruch zu den von einem Verweisungsbeschluss etwaig ausgehenden Bindungswirkungen entsteht.
Rz. 12
2. Für den früheren Soldaten und den Obermaat... sind unterschiedliche Truppendienstgerichte zuständig.
Rz. 13
a) Soweit es den früheren Soldaten betrifft, folgt die Zuständigkeit des Truppendienstgerichts Süd aus § 70 Abs. 2 Satz 1 WDO. Danach bestimmt sich die gerichtliche Zuständigkeit bei früheren Soldaten nach dem Wehrbereich, in dem sich die zuständige Wehrersatzbehörde befindet, oder, soweit der frühere Soldat nicht mehr der Wehrüberwachung unterliegt, nach dessen Wohnsitz. Da der Soldat früherer Soldat ist und er zu dem Zeitpunkt, zu dem die Einleitungsverfügung gegen ihn erging, in..., mithin in Hessen, wohnhaft war, war für ihn gem. § 1 Abs. 2 Nr. 3 der Verordnung zur Regelung der Dienstbereiche der Truppendienstgerichte und zur Bildung von Truppendienstkammern - Truppendienstgerichte-Verordnung - vom 15. August 2012 (BGBl, S. 1714) das Truppendienstgericht Süd zuständig. Die Bestimmung richtet sich auch nach dem Wohnsitz, weil der Verordnungsgeber in der Truppendienstgerichte-Verordnung darauf verzichtet hat, die Zuständigkeit der Truppendienstgerichte an die Gliederung der Bundesrepublik Deutschland in Wehrbereiche auszurichten (vgl. Dau, WDO, Kommentar, 6. Aufl. 2013, § 70 Rn. 8).
Rz. 14
b) Soweit es den (aktiven) Soldaten Obermaat... betrifft, richtet sich die gerichtliche Zuständigkeit nach § 70 Abs. 1 WDO. Danach ist das Truppendienstgericht zuständig, das für den Befehlsbereich errichtet ist, zu dem der Truppenteil oder die Dienststelle des Soldaten bei Einleitung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens gehört. Der Soldat gehörte zum Zeitpunkt der Einleitung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens dem... in... an, sodass für ihn nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 Truppendienstgerichte-Verordnung das Truppendienstgericht Nord zuständig ist.
Rz. 15
3. Es liegen auch zusammenhängende Dienstvergehen mehrerer Soldaten im Sinne des § 70 Abs. 3 WDO vor.
Rz. 16
Die Wehrdisziplinarordnung enthält zwar keine ausdrückliche Regelung darüber, unter welchen Voraussetzungen ein Zusammenhang zwischen mehreren Dienstvergehen besteht. Der Wortlaut besagt nur, dass persönliche oder sachliche Gründe eine Art Klammer zwischen den Dienstpflichtverletzungen bilden müssen. Dem Regelungszusammenhang, der Entstehungsgeschichte und dem daraus ableitbaren Zweck der Vorschrift lässt sich jedoch entnehmen, dass ein Zusammenhang zwischen mehreren Dienstvergehen jedenfalls dann anzunehmen ist, wenn Gegenstand der jeweiligen Disziplinarverfahren eine einheitliche Tat ist, bei der die betroffenen Soldaten als Mittäter oder Teilnehmer beteiligt waren (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 30. Juni 2010 - 2 WDB 2.10 - Rn. 7 m.w.N. und vom 23. Januar 2015 - 2 WDB 2.14 - Buchholz 450.2 § 70 WDO 2002 Nr. 5 Rn. 9). Dies ist vorliegend bei dem vor dem Truppendienstgericht Süd anhängigen disziplinargerichtlichen Verfahren des früheren Soldaten und des vor dem Truppendienstgericht Nord anhängigen disziplinargerichtlichen Verfahrens des Obermaats... der Fall, weil ihnen ausweislich der jeweiligen Anschuldigungsschriften vom 28. September 2016 (Verfahren...) und vom 24. Oktober 2016 (früherer Soldat) vorgeworfen wird, gemeinsam ein Dienstvergehen begangen zu haben.
Rz. 17
4. Als zuständiges Gericht bestimmt der Senat das Truppendienstgericht Nord.
Rz. 18
a) Das Truppendienstgericht Nord als zuständiges Gericht zu bestimmen, verbietet sich nicht bereits deshalb, weil es nicht beabsichtigte, die Verfahren zu verbinden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Januar 2015 - 2 WDB 2.14 - a.a.O. Rn. 18). Ausweislich der Vermerks des Vorsitzenden Richters der 5. Kammer des Truppendienstgerichts Süd vom 31. Januar 2017 hat der Vorsitzende Richter der 4. Kammer des Truppendienstgerichts Nord vielmehr erklärt, nach Übernahme des Verfahrens des früheren Soldaten es mit dem Verfahren des Obermaats... zur gemeinsamen Verhandlung zu verbinden.
Rz. 19
b) Da auch keine Rechtsgründe ersichtlich sind, die einer Verfahrensverbindung entgegenstehen, ist sowohl aus Gründen der Prozessökonomie als auch der Verfahrensbeschleunigung (§ 17 Abs. 1 WDO) das Truppendienstgericht Nord als zuständiges Gericht zu bestimmen.
Rz. 20
Der Tatort der nach der Anschuldigung gemeinsam mit dem Obermaat... begangenen Pflichtverletzung des früheren Soldaten liegt im Zuständigkeitsbereich des Truppendienstgerichts Nord. Etwaig zur Hauptverhandlung zu ladende Zeugen gehören ausweislich der Anschuldigungsschrift vom 24. Oktober 2016 ebenfalls dem dortigen... oder jedenfalls in Norddeutschland stationierten Einheiten an. Diesem sachlichen wie räumlichen Kontext ist bereits im Vorfeld durch die Entscheidung des Generalinspekteurs der Bundeswehr dadurch Rechnung getragen worden, den Inspekteur der Marine auch für den früheren Soldaten als zuständige Einleitungsbehörde zu bestimmen, um eine disziplinarrechtlich einheitliche Würdigung und eine abgestimmte Verfahrensführung beider Sachen zu befördern.
Fundstellen
Haufe-Index 11246631 |
NZWehrr 2017, 171 |